Hallo Luphan
Zunächst etwas hierzu:
Luphan hat geschrieben:jivaro hat geschrieben:Lieber Laggard,
Ich freue mich riesig über das gute Laborergebnis sehr, hoffe aber dass Du ganz fest verankerst, dass hohe Dosen Alkohol plus hohe Dosen Baclofen einfach nicht passen.
Dein Verhalten in der Vergangenheit treibt Baclofen immer wieder in die Schmuddelecke. In der wichtigsten Entgiftungsstation hier lächeln de Therapeuten über Baclofen; zu oft landen Menschen dort, die Baclofen plus Alkohol konsumiert haben. Die lernen dann dort, dass Baclofen nichts bringt -und glauben das auch!
Schade...
Stimmt das wirklich? Wenn ich mich als Beispiel mit zur Zeit 70 mg am Tag + 1 Liter Wein nehme... . Klingt beängstigend?
Einerseits stimmt das, andererseits stimmt das aber auch nicht. Eine Gefährdung besteht sicher bei
akuter Überdosierung von Baclofen und bei
gleichzeitiger akuter Überdosierung von Alkohol.
Man stelle sich etwa dieses Szenario vor: Ein „Baclofen-Patient“ trinkt sich unbeabsichtigt in einen schweren Rausch und wirft sich jetzt aus einer Art Panik heraus eine
riesige und für ihn ungewohnte Dosis des Medikaments Baclofen ein. Ja, das kann dann wirklich gefährlich werden, und solche Vorfälle enden dann eben manchmal auf der Intensivstation *grmpf*. Das reine Zusammenspiel von hoher (gewohnter) Baclofen-Dosierung und Alkoholkonsum darf man aber nicht per se als gefährlich anschauen. Sieh Dir bitte auch mal unseren
„Baclofen-Leitfaden“ an, dort wird z.B. ein langsames Hochdosieren von Baclofen selbst bei vorerst noch gleichbleibendem (hohem) Alkoholkonsum ausdrücklich empfohlen.
Und dann noch etwas zu diesem oft zitierten „Switch“, oder wie es eigentlich korrekt heißen müsste, der
therapeutisch notwendigen Dosis.laggard hat geschrieben:Luphan hat geschrieben:Ich hoffe das der Schalter / Switch dann kommt
Vergiss den ganz schnell wieder
Ameisen hat seinerzeit testweise extrem hochdosiert (270mg/d)
Das brauchst du zum Glück nicht. Nach Plan aufdosieren ist sicher der richtige Weg
Warum wird dieser Begriff „Switch“ immer wieder verwendet? Vielleicht deshalb, weil Olivier Ameisen in seinem Buch beschreibt, wie er sich
urplötzlich anlässlich eines Aufenthaltes in einer Bar seiner Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol gewahr wurde:
Olivier Ameisen in seinem Buch hat geschrieben:"Am Samstag, dem 14. Februar, am 38. Tag meines Baclofen-Protokolls, war ich bei 270 Milligramm täglich, das Neunfache der Dosis, die Giovanni Addolorato bei seinen Versuchen mit Baclofen gegen Alkohol-Craving verwendete. Rebecca wollte, dass ich sie am Nachmittag zum Tee ins Hotel Le Lodge Park begleitete, das eleganteste Haus in Megève. Das Hotel besitzt eine große Bar und eine weitläufige Lounge, beide gleichermaßen bekannt dafür, dass man sehr gut Leute beobachten und atemberaubende Ausblicke auf die Landschaft genießen kann. Ich fürchtete, dass ich dort vor allem trinkende Menschen sehen würde, ging aber trotzdem mit.
Wir bestellten Tee, Rebecca beobachtete die anderen Gäste, ich las meine Zeitungen. Nach fünf oder zehn Minuten blickte ich auf. Rechts neben mir saß ein Mann in einem Sessel und trank eine dunkle Flüssigkeit, Whiskey oder Cognac, vermutete ich – und es war mir egal. Ich schaute wieder in meine Zeitung, und es dauerte ein bis zwei Minuten, bis ich das gleichgültige Gefühl bewusst registrierte.
Das ist interessant, dachte ich. Ich blickte wieder auf und zu dem Mann in dem Sessel. Inzwischen hatten sich zwei weitere Personen hinzugesellt, die drei prosteten sich zu. Wieder war es mir egal. In all den Jahren meines Alkoholikerdaseins hatte ich das nicht erlebt. Das Baclofen hatte es in fünf Wochen geschafft. Ich ließ meine Augen durch den Raum wandern und riskierte sogar einen Blick auf die Bar mit den schimmernden Flaschen. Sie riefen mich nicht mehr, wie sie es so lange getan hatten. Ich sah Menschen mit unterschiedlichen Getränken: Kaffee und Tee, Limonade, Bier, Champagner, Schnäpse. Kein Gedanke an Alkohol kam mir in den Sinn, kein Craving plagte mich."
(Olivier Ameisen, „Das Ende meiner Sucht“, ISBN-10: 3888979013, Kapitel 7, „Das Craving durchbrechen“)So war das also bei Olivier Ameisen gewesen. Er spricht da zwar von einer Therapie von „38 Tagen“, in Wahrheit experimentierte er allerdings mehr als zwei Jahre, um seine für ihn persönlich wirksame individuellen Dosis von 270 mg zu finden.
Der sog. „Switch“ wird leider oft als so etwas wie ein persönliches Erweckungserlebnis verklärt, oder als eine Baclofen-Dosis beschrieben, bei der das Medikament
urplötzlich seine Wirksamkeit entfaltet. In den meisten Fällen ist es aber so, dass die Wirksamkeit der Baclofen-Therapie, und damit die Höhe der individuell notwendigen therapeutischen Dosis, persönlich erspürt werden muss, und sich genauso wie das Einschleichen der Dosis, auch einschleichend einstellt. Ein „Switch-Erlebnis“ kann dabei sicher vorkommen, das hat aber eigentlich nichts mit einer „Switch-Dosis“ zu tun. Man sollte meiner Meinung nach viel eher von einer individuell sehr unterschiedlich hohen
therapeutisch notwenigen Dosis des Medikaments als von einem „Switch“ sprechen.
Olivier Ameisen Buch
"Das Ende meiner Sucht" und seine Entdeckung der Baclofen-Therapie ist ganz bestimmt ein Meilenstein in der Geschichte der Behandlung der Alkoholabhängigkeit. Der Kardiologe Olivier Ameisen war mit seinem Selbstexperiment quasi sein eigenes "Versuchskaninchen". Sein
Erfahrungsbericht erschien bereits 2005 (!) in der renommierten Fachzeitschrift Alcohol And Alcoholism, und manche Vorgehensweise, die Olivier Ameisen als Patient Nummer eins in seinem Buch noch "ausprobierte", gilt heute - über zehn Jahre später - als überholt. In der letzten Dekade hatten zahlreiche Wissenschaftler die Gelegenheit, anhand Zigtausender Patienten zu erforschen, wie Baclofen bei einer Mehrheit am besten funktioniert. Alle, die heute mit Baclofen beginnen, haben das große Glück, auf diesen Erfahrungsschatz und die daraus resultierenden bewährten Schemata der Baclofen-Therapie zurückgreifen zu können (
Leitfaden für die Anwendung). Sie müssen also keine "Versuchskaninchen" mehr sein.
DonQuixote