Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Baclofen-Therapie gegen Alkoholprobleme am besten „wirkt“, wenn Sie ärztlich begleitet wird. Absolute Bedingung ist das NICHT, es gibt Beispiele, wo das auch ohne sehr gut ging. Und es gibt auch Beispiele, wo eine ärztlich begleitete Baclofen-Therapie erfolglos blieb. Ein Arzt kann allerdings ein nicht zu unterschätzender zusätzlicher Motivator sein, der auch in schwierigen Situationen, die jeder in unterschiedlichem Ausmaß mal durchmacht, den Überblick behält. Oder über die Dosierung wacht, Nebenwirkungen richtig einzuschätzen weiß, und und und.
Wichtige Aspekte sind auch die Versorgungssicherheit mit Baclofen, Medikamentensicherheit (Qualitätsmängel, Fälschungen) und der Preis für das Medikament. Das Medikament als solches werdet Ihr auch bei ärztlicher Verschreibung meist selber zahlen müssen, einzelne Fälle von Kostenübernahme durch die Krankenversicher gibt es zwar, sind aber die Ausnahme. Jedenfalls ist das kostengünstiger als der Bezug in Internet-Apotheken und macht schnell mal einige Dutzend Euro pro Monat oder mehr aus.
Nicht ohne ärztliche Begleitung dürfte das in folgenden Fällen gehen:
- Bei Epilepsie (Gefährlich!)
- Bei Nierenprobleme (Gefährlich!)
- Wenn man unter der Parkinson-Krankheit leidet (Gefährlich!)
- Wenn man an Porphyrie erkrankt ist (Gefährlich!)
- Bei schweren Alkohol-Entzugserscheinungen (Gefährlich!)
- Während der Schwangerschaft (Unabdingbar)
- Bei ernsten Problemen mit dem Urinieren (Unabdingbar)
- Wenn ein Magengeschwür besteht (Unabdingbar)
- Wenn man Blutdruckregulierende Medikamente nimmt (Unabdingbar)
- Wenn man wegen psychischen Problemen in Behandlung ist (Unabdingbar)
- Bei Leberschäden (Unabdingbar)
- Wenn man Diabetiker ist (Unabdingbar)
- Bei Gewalt im persönlichen Umfeld oder anderen sehr ernsten Beziehungsproblemen (Sehr empfehlenswert)
- Wenn man wegen psychischen Problemen früher mal in Behandlung war (Sehr empfehlenswert)
- Während der Stillzeit (Sehr empfehlenswert)
- ADHS (Erwachsene)
- Bipolarer Störung
Wie findet man einen Arzt?
Wir selbst haben eine eigene Liste mit Baclofen verschreibenden Ärzten. Schau dort mal rein, vielleicht ist da geographisch etwas für Dich dabei. Ansonsten empfehle ich folgende Vorgehensweisen, einen solchen Arzt zu finden:
- In welchem Umkreis soll man suchen? Das ist ein bisschen subjektiv und hängt auch davon ab, was man sich von einer ärztlichen Begleitung erhofft. In den ersten Wochen wird sicher erwartet, dass man dort wöchentlich erscheint, später dann zweiwöchentlich, dann monatlich und dann sogar zweimonatlich. Ist 100 km zu viel? Ich habe im Fernsehen einen Bericht gesehen, da fuhr einer 250 km von der Schweiz nach Frankreich!
- Welche Ärzte soll man suchen? Im Grunde genügt in einfachen Fällen ein vernunftbegabter Allgemeinpraktiker, der Hausarzt. Die haben aber meistens keine Erfahrung in Suchtfragen oder wollen am liebsten gar nichts davon wissen. Dann natürlich Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologen, und Psychotherapeuten, am besten nur solche mit Erfahrung oder besser Schwerpunkt in Suchtmedizin. Bei Therapeuten ohne ärztliche Zulassung solltet Ihr drauf achten, dass ein eingespieltes „Baclofen-Netzwerk“ dahinter steht. Sonst geht der Eiertanz von vorne los, dann muss nämlich DER erst einen Baclofen-verschreibenden Arzt für Euch suchen …
- Selbsthilfegruppen: Anonyme Alkoholiker, Blaues Kreuz oder ähnliche. Da braucht Ihr mit Eurer Baclofen-Idee gar nicht erst hingehen, dann schlägt Euch nämlich blanker Hass entgegen, die lehnen Baclofen als Therapie gegen Alkoholprobleme rigoros ab. NACH einer erfolgreichen Baclofen-Therapie, wenn man sich für totale Abstinenz entschieden hat, und NUR dann, kann es unter Umständen hilfreich sein.
- Telefonaktion: Wenig erfolgversprechend. Ihr habt dann meistens etwas ratlose Sprechstundenhilfen am Hörer. Die rufen ihrem Chef dann im Vorbeigehen zwischen zwei Patientengesprächen zu: „Ach, Herr Dokotor, da war vorhin jemand am Telefon, der fragte wegen so …“ Wenn der Arzt diese Therapieform nicht bereits kennt, und diese Wahrscheinlichkeit ist sehr sehr groß, dann seid Ihr sofort raus aus dem Spiel.
- Örtliche Suchthilfe: Die gibt es allerorten mit unterschiedlicher Trägerschaft. Achtung: Keine der oben genannten Selbsthilfegruppen berücksichtigen. Wenn es in deren Einzugsgebiet „Baclofen-Ärzte“ gibt, dann müssten DIE das eigentlich wissen und können Euch vermitteln. Zu diesen örtlichen Suchthilfeorganisationen kann man persönlich hingehen, oder, wenn Ihr das nicht möchtet, sie per Mail anschreiben. Das kann anonym geschehen oder unter Eurem richtigen Namen. Diese örtliche Suchthilfe soll man nun bereits mit den weiter unten genannten Dokumenten eindecken.
- Ärzte selber anschreiben: Wenn von den örtlichen Suchthilfe-Stellen nichts Verwertbares kommt, dann könnt Ihr per Mail die in Frage kommenden Ärzte (siehe oben) gezielt anschreiben. Das würde ich NICHT anonym machen, weil dadurch unnötig Barrieren geschaffen werden. Klar kann Anonymität manchmal erforderlich sein (Kleinstadt, Arzt praktiziert in der gleichen Straße etc.). Das solltet Ihr dann aber irgendwie glaubhaft begründen.
- „Die Berliner Studie BACLAD“
Eine Teilübersetzung der ersten randomisierten und placebokontrollierten Studie mit hoch dosiertem Baclofen und mit ausgezeichneten Resultaten. Interner link zur entsprechenden Forums-Diskussion siehe hier ... - „Alkoholabstinenz durch Baclofen?“
Verfasst vom „Horten-Zentrum für praxisorientiere Forschung und Wissenstransfer“ (Ein dem Zürcher Universitätsspital angegliedertes Institut). Eine deutsche Zusammenfassung der italienischen, randomisierten und doppelblinden Studie gegenüber Placebo von G. Addolorato, 2007 - „Leitfaden für die Anwendung von Baclofen bei der Behandlung von Alkoholproblemen“
Verfasst von sechs in der Baclofen-Therapie weltweit führenden französischen Ärzten. Erfahrungen und Empfehlungen aufgrund der Behandlung von ca. 1500 Patienten über mehrere Jahre. Dosierung, Nebenwirkungen, Tipps und Tricks: Das volle Programm eben. Das HAMMER-Papier schlechthin … - „Bilanz nach 2 Jahren Verschreibung von Baclofen gegen Alkoholismus“
Eindrückliche Schilderung und Bilanz (131 Patienten) aus dem Praxis-Alltag einer engagierten französischen Psychotherapeutin. - Posterpräsentation: „Medikamentengestützte Behandlung der Alkoholerkrankung mit Baclofen“
13. Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin, München, Juli 2012. „Möglichkeiten und Grenzen einer virtuellen Selbsthilfegruppe im Internet. Erfahrungen über mehr als zwei Jahre.“ - Vortrag von Dr. Cornelia Weigel.
„Medikamentengestütze Behandlung der Alkoholerkrankung mit Baclofen: Reduktion des Craving als Therapieoption“. Am 14. Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin, München, Juli 2013. - Ist Alkoholsucht doch Heilbar?
Ein außergewöhnlich gut recherchierter Artikel in der „Pharmazeutische Zeitung“ vom 30. Oktober 2014. - Ein Artikel in der Fachzeitschrift „Alcohol and Alcoholism“ (Englisch)
„Abstinence and ‘Low-Risk’ Consumption 1 Year after the Initiation of High-Dose Baclofen: A Retrospective Study among ‘High-Risk’ Drinkers”. Erschienen im März 2012. Der Artikel beruht auf einer Doktorarbeit an der Université Descartes, Paris. Eine Teilübersetzung dieser französischen Arbeit gibt es hier … - Ein Artikel in der Fachzeitschrift „Frontiers in Psychiatry“ (Englisch)
„Suppression of alcohol dependence using baclofen: a 2-year observational study of 100 patients”. Erschienen im Dezember 2012. Eine deutsche Teilübersetzung gibt es hier ... Im Gegensatz zu der oben verlinkten englischen Originalquelle, muss die PDF-Version des Arztkoffers leider auf die detaillierte Darstellung der Tabellen und Grafiken verzichten, bleibt aber dennoch aussagekräftig genug. - Ein Musterschreiben für die Kontaktaufnahme mit Eurer örtlichen Suchtberatungsstelle.
Es kann leicht abgewandelt auch für das direkte Kontaktieren von Ärzten verwendet werden. Wenn Ihr bereits „Baclofenist“ seid, (z.B. mit Medikament von Internet-Apotheken), dann unbedingt Eure bisherigen Erfahrungen reinschreiben. - Dokument „Aufklärung und Haftungsfreistellung“
Ein Dokument (eine Seite), das der Patient unterzeichnet und darin erklärt, über den „Off-Label“-Charakter der Baclofen-Therapie umfassend aufgeklärt worden zu sein, die Therapie ausdrücklich wünscht und den Arzt von dessen Haftung freistellt. - Dokument „Vereinbarung über einen individuellen Heilversuch als Selbstzahlerleistung“
Hier werden auf drei Seiten die Baclofen-Therapie als solche sowie ihre Chancen und Risiken umrissen. Es wird auch eine Vereinbarung zwischen Arzt und Patient als Selbstzahler (mit Berechnung der voraussichtlichen Behandlungskosten) getroffen.
Alle oben genannten Dokumente liegen als PDF vor (auf die blauen Links klicken) und befinden sich auch gesammelt in einem einzigen ZIP-Archiv. Ihr könnt den Baclofen-Arztkoffer hier downloaden und auf Eurem Rechner auspacken.
Ganz viel Erfolg bei der Arztsuche wünscht DonQuixote
Letzte Aktualisierung: 10. September 2018