Tach zusammen!
Achtung, Beitrag mit Überlänge.
lucidare hat geschrieben: betalbatim hat geschrieben:Ich möchte nochmal auf Willos Statements von gestern zurückkommen, der ja nun offensichtlich ein Verfechter des nassen Einstiegs in die Therapie geworden ist und das kontrollierte Trinken als Hauptziel ausgibt.
Ich habe das so verstanden, dass @WilloTse das als ein Ziel aber nicht als Hauptziel sieht.
Danke, @lucidare, so ist's gemeint, ich hatte gehofft,
es so auch geschrieben zu haben:
WilloTse hat geschrieben:Es ist nicht und war nie das Ziel, kontrolliertes Trinken zu propagieren. Weder jemals hier noch jemals 'drüben.
Es ist nur eins der möglichen Ziele, und es wäre meiner Ansicht nach sinnvoll, es als eine der möglichen Behandlungsoptionen gleichwertig anzubieten.
oder in diesem Beitrag:WilloTse hat geschrieben:Das bedeutet natürlich nicht, dass die Abstinenzforderung nicht für viele Patienten richtig und wichtig sei, das stellt niemand in Abrede. Das heißt auch nicht, dass kontrollierter Konsum jedermann/-frau gelänge. Ich sehe nur, dass diese Möglichkeit existiert und dementsprechend auch genutzt werden sollte und dass der eigentlich niederschwellige Einstieg, den gerade die ursprüngliche ("französische") Baclofen-Therapie bietet, mit dieser Forderung sinnlos verspielt wird.
Die Franzosen erreichen erheblich mehr Patienten als wir, und sie haben eine absolut vergleichbare Erfolgsquote, ohne dafür die strikte Abstinenz zu fordern. Hier wird aktuell in Deutschland viel Potenzial von Baclofen einfach nicht genutzt.
Ich habe auch meine dahinterstehende Intention mehrfach aufgezeigt,
zum Beispiel hier:
Aber die eigentliche Intention der Baclofenbehandlung: niedrigschwelliger Einstieg beim Hausarzt - keine Voraussetzungen beim Beginn der Behandlung, schon gar nicht irgendeine dann doch nur wieder auf dem Willen basierende Abstinenz - Hochdosierung - das Wiedererlangen der völligen Entscheidungsfreiheit im Umgang mit Alkohol, inklusive der Möglichkeit, ihn gelegentlich zu trinken, all' das, was die Baclofenbehandlung von allen anderen Behandlungen der Abhängigkeit unterscheidet, haben wir einfach nur der politischen Bequemlichkeit preisgegeben.
Nochmal: ich propagiere keinen nassen Einstieg und ich propagiere auch den moderaten Konsum (wie immer man den auch definiert) nicht als
das Ziel der Baclofenbehandlung.
Ich finde es nur schade und unverständlich, dass wir davon abgegangen sind, es als einen möglichen Weg und
ein mögliches Ziel zu unterstützen.
Wer abstinent in die Behandlung hineingehen kann: herzlichen Glückwunsch, perfekt.
Aber - und das war einer der Gründe, weshalb ich dann doch in diese Diskussion eingestiegen bin - aus dem Faden
Amadeus sucht einen Arzt:Amadeus hat geschrieben:Ich trinke etwa drei Flaschen Wein täglich, von morgens bis abends. Das wird in letzter Zeit immer schlimmer. Ich schaffe kaum mal einen Tag ohne, wann ich das letzte mal eine Woche nüchtern war, weiß ich schon gar nicht mehr.
Ich fahre angetrunken Auto, vernachlässige meinen Job, Hobbys habe ich auch keine mehr und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich mein Leben, das Leben meiner Familie und möglicherweise auch noch das Leben irgend eines anderen Menschen ruiniere.
Hervorhebung von mir.
Die - unwidersprochene - Antwort von @Papfl darauf war:
Papfl hat geschrieben:Hast Du irgendeine Idee, wie Du vom Alk runterkommen könntest? Bei dieser Menge mit dem Aufdosieren von Baclofen zu beginnen, halte ich für keine gute Idee. Sowas kann man eventuell bei einer Flasche Wein in Erwägung ziehen - im Sinne von Alkohol langsam ausschleichen / Baclofen langsam einschleichen. Bei über 200 Gramm Alkohol pro Tag aber eher nicht
.
Nochmal: das ist kein Angriff auf @Papfl, mir ist völlig klar, dass er auch nur aus seiner Erfahrung und begründbaren Überzeugung heraus antwortet.
Trotzdem steht da: damit Baclofen Dir hilft, zu schaffen, was Du ohne Baclofen nicht schaffst, musst Du erst mal ohne Baclofen schaffen, was Du ohne Baclofen nicht schaffst. Und bei konservativer Anwendung des Leitfadens und einer erforderlichen therapeutisch wirksamen Dosis von 100 - 150 mg kann das schon mal ein viertel Jahr so gehen.
Ich kann doch nicht der einzige sein, der das widersinnig findet?
Im Grunde quatschen wir so schon in der Begrüßung jemanden, der die Baclofentherapie exakt nach
Leitfaden durchführen will, aus genau dieser Therapie 'raus. Wir veröffentlichen einen Leitfaden und werden nicht müde, ihn jedem Neuling unter die Nase zu halten, nur, um ihm im nächsten Satz zu sagen, dass das so, wie das da drinsteht, aber nicht funktioniert?
(Das hat nun @Amadeus offenbar nicht davon abgehalten, es trotzdem zu tun, aber so eine breite Brust hat ja nun nicht jeder (ich hoffe, er ist noch dabei, er hat sich dann ja leider nicht mehr gemeldet
)).
Und was den späteren, wie auch immer kontrollierten Konsum angeht: alle Zahlen (einschließlich denen von @Papfl und denen von @jivaro) sprechen etwa von 50% Abstinenzlern, 25% mit (im weitesten Sinne WHO-konformem) Konsum und 25% Nonrespondern. Warum sagen wir den Beginnern schon in der Begrüßung, dass es nur ganz wenige schaffen, irgendwann wieder normal zu trinken? Ganz offenbar schafft es doch ein Viertel? Warum nicht darauf hinweisen? Natürlich unter Vorsicht, natürlich mit dem Hinweis auf mögliche Wechselwirkungen Baclofen <-> Alkohol, natürlich mit der Bitte, der Abstinenz erst mal eine Chance zu geben. Alles gut, kein Problem. Aber wir können doch z.B. auch
auf die Studie verweisen, die gefährliche Wechselwirkungen von Baclofen und Alkohol bis 80mg Baclofen ausschließt? Warum den Leuten einreiben, dass nicht geht, was offenkundig geht? Nur aus Sorge um die politische Reputation der Baclofen-Bewegung? Das reicht mir als Grund nicht.
Ich verweise an dieser Stelle auch auf einen - wie ich finde -
gelungenen Beitrag von @Federico im Partnerforum.
Und nein (@Papfl), es geht nicht darum, dass ich jemanden, der 300 mg Baclofen mit einer Flasche Wein 'runterspült und dann wie ein Zombie durch die Gegend rennt, zu den "Erfolgreichen" der Therapie rechnen möchte.
Ich kenne aber - offenbar im Gegensatz zu Dir - eine ganze Menge Leute, die genau das im Laufe der Behandlung hinbekommen:
gelegentlich mal ein Bier trinken, ohne dass es morgen zwei und übermorgen zweiundzwanzig werden. Darunter auch Ärzte, btw.
Es geht darum, dass Baclofen dem erfolgreichen Anwender die Entscheidungsfreiheit über sein Trinkverhalten zurückgibt. Trauen wir ihnen doch genau diese Entscheidungsfreiheit auch zu. DAS postuliere ich.
Und, @lucidare:
sorry, ich hatte das völlig überlesen:
lucidare hat geschrieben: WilloTse hat geschrieben:Es kann also ohne weiteres sein, dass nur die Leute durch Baclofen genesen, die ohne Baclofen auch genesen wären.
Ich frage noch mal höflich und bitte um eine Antwort. Hätte ich mich selbst heilen können und habe nur den anderen Weg nicht gefunden? Oder lese ich das falsch?
Nein, so einfach ist es leider nicht.
Das sind alles retrospektive Bestandsaufnahmen von Leuten, die mal alkoholabhängig waren und es jetzt - ohne jegliche Therapie - nicht mehr sind. Die Abhängigkeit ist einfach von selbst "verschwunden", (="Selbstremission"), 75% dieser Menschen sind zu einem ganz normalen Trinkverhalten zurückgekehrt (die Zahlen schwanken, aber das ist so ungefähr die Kernaussage) und leben genau dieses "Wunder", was wir hier irgendwie immer für unmöglich halten, einfach so, und auch ohne Baclofen.
Aber ob und wann das bei einer bestimmten Person passieren wird, ist prospektiv derzeit nicht zu ermitteln.
LG
Willo