Gewöhnlicher Trinker

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Hundertkilo
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Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 25. April 2015, 14:05

Hallo zusammen,

zunächst vielen herzlichen Dank an alle Forumsmitglieder, die sich hier mit Beiträgen gegenseitig helfen, ihr Alkoholproblem aktiv anzugehen! [good]

Ich bin ein 48-jähriger Mann, wiege rund 100 Kilo und bin ein völlig gewöhnlicher Trinker. Nichts an mir oder meiner Sauferei ist besonders. Alkohol entfaltet bei mir eine süchtig machende Wirkung und ich kann die Menge meines Konsums nicht kontrollieren - Punkt. Das Rauchen, Kiffen und sonstige Drogen habe ich mir schon lange abgewöhnt, nur das Saufen ist immer geblieben. Schon mein erster Kontakt mit Schnaps - ich war 13 - hat mich abhängig gemacht. Mit 14 folgte die erste Vergiftung nach 1 Flasche Martini und 2 Liter Bier. Seitdem trinke ich. Unregelmässig, mal viel, mal weniger. Ab und an auch mit Totalabsturz. Die längste Abstinenz habe ich im Alter von 36 mit insgesamt 3 Wochen geschafft.

Trotz dieser gewöhnlichen Säuferkarriere habe ich mein Studium abgeschlossen und bin seither durchgehend berufstätig. Ich habe keine finanziellen Sorgen und bin kinderlos verheiratet. Da wir ins Ausland ausgewandert sind, haben wir kaum soziale Verpflichtungen und ich kann machen was ich will und wann ich will. Natürlich habe ich aber wegen meiner Sauferei immer wieder Stress mit meiner Frau.

Warum ich die Droge Alkohol schon seit 35 Jahren ständig konsumiere, habe ich inzwischen aufgearbeitet. Seit meiner stationären Therapie wegen Suizidalität (2009) bin ich in psychiatrischer Behandlung und besuche regelmässig eine SH-Gruppe. Morgens nehme ich ein Antidepressivum für den Serotonin- und abends eines für den Melatonin-"Haushalt". Meine Blutwerte und mein allgemeiner Gesundheitszustand sind aktuell soweit ok und meine Psyche ist stabil.

Dennoch mache ich mir aktuell die erste Dose Bier bereits direkt nach der Arbeit im Auto auf und trinke sie während dem Fahren auf dem Heimweg. Wenn es "gut" läuft, gehe ich nach vier Dosen und einer fettigen Mahlzeit früh ins Bett. Wenn es schlecht läuft, saufe ich bis in die Nacht hinein, melde mich morgens krank und saufe dann zwei Tage durch. Manchmal schaffe ich auch drei Tage ohne Alk und mache dann sogar Sport. Dann wird jedoch das Craving wieder zu stark und ich steuere nach der Arbeit wieder die Tanke an. Immerhin lasse ich von Wein, Sekt und Schnaps inzwischen weitestgehend die Finger.

Eigentlich hatte ich mich schon darauf eingestellt, dass mein Leben immer so weiter gehen wird. Durch einen Artikel im Internet wurde ich nun aber auf Baclofen aufmerksam. Das war vor zwei Wochen. Seitdem lese ich hier die vielen Berichte und Informationen von Euch Gleichgesinnten und in mir keimt der Gedanke, es zu versuchen. Ich werde meinen Arzt bitten, es mir als Privatrezept zu verschreiben. Wann ich damit beginne und welches konkrete Ziel ich mir setze, überlege ich mir noch. Ein erster wichtiger Etappensieg wäre, nicht mehr beim Autofahren zu saufen und ohne Kater durch die Arbeitswoche zu kommen. Denn natürlich mache ich mir nichts vor und bin sicher, dass einige meiner Kollegen schon längst Verdacht geschöpft haben. Natürlich werden sie mich nicht direkt anschwärzen, aber schon der blosse "unbedacht" geäusserte Verdacht eines ungeliebten Kollegen kann heute schon reichen und Du bist im Job plötzlich auf der Abschussrampe...

Sobald ich weiss, wie ich beginne, werde ich hier ein Tagebuch anlegen und will somit auch versuchen, mich etwas einzubringen.

Nochmals vielen Dank an alle, die hier Mitglied sind - egal, ob sie einen oder 500 Beiträge geschrieben haben. Denn nichts ist bei der Bewältigung schwerwiegender Probleme wichtiger als das Gefühl, nicht alleine zu sein. [help]

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Papfl
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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Papfl » 25. April 2015, 15:00

Hallo 100!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] ! Bin gespannt auf Dein Tagebuch und zu erfahren, wie's bei Dir weitergeht. Falls Du Fragen hast, kannst Du die immer gerne stellen. Aber das weißt Du ja. Hast ja schon ein Weilchen hier mitgelesen.

Einen guten Start wünscht
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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 25. April 2015, 16:44

Hallo Papfl,

Vielen Dank für Deine nette Begrüssung!

Inzwischen habe ich auch einen Thementhread angestossen und würde mich über Antworten natürlich freuen:

http://www.forum-baclofen.com/seele-lebenshilfen-alltagstipps-f24/wie-trocken-sein-einer-nassen-gesellschaft-t1795.html

Viele Grüsse

100

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon DonQuixote » 25. April 2015, 20:40

Hallo 100

Ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deinem anstehenden Arztbesuch. In welchem Land wohnst Du denn? Wenn Du es nicht öffentlich sagen magst, dann schicke mir doch eine PN (Private Nachricht).

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon ed01 » 25. April 2015, 22:57

Hallo 100,

willkommen auch von mir.

Ich hatte mich auch schon damit abgefunden, dass es ein Leben ohne Alk wohl nicht mehr geben wird...
Und ich habe es mit Bac auch geschafft! Ich bin auch nur zufällig auf das Forum gestoßen und habe mich dann erst mal informiert. Schon nach kurzem lesen wusste ich, das ist es.
Ich drücke dir die Daumen und bin sicher dass du es damit auch schaffst.

Viele Grüße [hi_bye]

ed

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon baclofino » 26. April 2015, 00:24

Nabend und willkommen 100 [hi_bye]
Nichts an mir oder meiner Sauferei ist besonders.

Na, besonders ist glaube ich jeder Mensch auf seine Art und Weise und wenn Du es nicht wärst, hättest Du längst keine Frau mehr an Deiner Seite, Beruf usw..Am Können scheints ja nicht zu liegen! Könntest ja auch nach über 30 Jahren mit der Alk- Scheiße resigniert sagen und dich damit abfinden nach dem Motto,"für mich ist es halt so gelaufen, Frau hab ich noch, trotz Probleme, einmal im Jahr mit Kumpels einen saufen, was solls..." aber Du willst ja was ändern und machst Dir Gedanken über diese Themen und hast Dich informiert, meiner Meinung nach der wichtigste Haupt(anfangs)schritt,also was ändern zu wollen!
Eigentlich hatte ich mich schon darauf eingestellt, dass mein Leben immer so weiter gehen wird.

Dennoch mache ich mir aktuell die erste Dose Bier bereits direkt nach der Arbeit im Auto auf und trinke sie während dem Fahren auf dem Heimweg.

Jetzt kommt der Moralapostel [angel] Wie weit hast Du es von der Arbeit bis nach Hause? Sei froh, wenn es momentan so gut ging. Sieh zu, dass Du Dein erstes Bier erst zu Hause aufmachst nach dem Fahren.Ist das realisierbar? Sorry, ich bin da empfindlich, Ich spreche aus Erfahrung. Ich habe unendlich Glück gehabt, niemanden zu verletzten oder schlimmer. Und wenn was passiert wirst Du Dein Leben nicht mehr glücklich. Auch wenns "nur" 1 Bier ist..Ablenkung usw..Ich hoffe Du verstehst mich nicht falsch, will Dich nicht angreifen;)

Bzgl. Abstinenz, Freunde jährlich treffen usw..Finde gerade Deinen Post nicht, hast ja einige verteilt platziert;)
Also wenn Du Bac. verschrieben bekommst, drück ich Dir erstmal die Daumen, dass es wirkt bei Dir. Du schriebst glaube ich 3 Wochen war Deine längste Abstinenz, das ist ja nix, auch wenn Du sonst gut im Leben darstehst. Wenn Du es vlt. mal 3-6 Monate schaffst ohne oder mit selten Alk entwickelst Du ein ganz neues Selbstbewusstsein und sagst dann stolz, dass Du es im Moment nicht willst,brauchst, keine Lust hast.. klar Ausreden gibts zur genüge..Tabletten..(Es ist eine Art "Leitregel", falls man den Versuch wagt mit Bac wieder was zu trinken, wenn überhaupt nach 6 Monaten..) Aber Dein Wunsch scheint eher die komplette Abstinenz zu sein!? Aus meinen Erfahrungen klappt auch genau das nur bei den Meisten. Aber weiß keiner aus Deinem Umfeld(also nicht die von der Arbeit) von Deinem Problem? Außer Deiner Freundin? Ich kann nur von mir sprechen und da war es so, dass auch (Deine) Freunde es mitkriegen, wie Du sprichst, riechst, Dich verhälst. Es sei denn, ihr trefft euch wirklich nur nur für ein "Sauf-Wochenende" im Jahr..
Sich bei Freunden zu outen birgt Vorteile und Nachteile nach meinen Erfahrungen. Bei mir wissen es mittlerweile alle. Man weiß nach einiger Zeit, wer wirklich ein Freund ist und auf wen man sich verlassen kann, der Rest kann einem gestohlen bleiben oder?
Allerdings entsteht eine unfreiwillige Distanz und seltsame Atmosphäre, egal ob am Tel. oder beim Treffen. Ist aber wohl auch individuell und hängt von den jeweiligen Beziehungen ab. Das mag auch wieder nur mir persönlich so vorkommen und mein gebliebener Freundeskreis um die 30 Jahre alt ist und vielleicht selbst da noch nicht alle so reif sind..Vor ca. 3 Wochen habe ich mich bei meinem letzten alten Kumpel geoutet und er hat toll reagiert. Kenne ihn seit der 1. Klasse, aber die letzten 2-3 Jahre haben wir vlt 2-3 mal im Jahr telefoniert..Denke es ist individuell, wem man Vertrauen schenkt bin auch schon groß enttäuscht worden..
Auf der Arbeit würde ich nichts sagen,selbst wenn sie es ahnen..lieber Bac. versuchen und wenns klappt, musst Du Dich auch nicht mehr 2 Tage krank schreiben lassen [biggrin]
Ok,bin auch gerad bei Bier Nr.6 und komme mir vor als hätte ich Dir einen Vortrag halten wollen. So ist es nicht gemeint [pardon]
Viel Erfolg beim Start.
LG Baclofino

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 26. April 2015, 08:53

ed01 hat geschrieben:Ich hatte mich auch schon damit abgefunden, dass es ein Leben ohne Alk wohl nicht mehr geben wird...
Und ich habe es mit Bac auch geschafft! Ich bin auch nur zufällig auf das Forum gestoßen und habe mich dann erst mal informiert. Schon nach kurzem lesen wusste ich, das ist es.
Ich drücke dir die Daumen und bin sicher dass du es damit auch schaffst.


Hallo Ed,

vielen Dank für Deine Zuversicht. Ich bin exakt wie Du zufällig auf das Baclofen gestossen und denke auch "Das ist es"!

Jetzt frage ich mich natürlich schon, warum mein Psychiater, dem ich ja seit Jahren immer wieder auch meinen Alkohol-Konsum beichte, und der dafür umgerechnet 120 Euro in 45 Minuten kassiert, so ein Medikament nicht kennt oder es ignoriert... [blus]

Gruss 100

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 26. April 2015, 09:59

Könntest ja auch nach über 30 Jahren mit der Alk- Scheiße resigniert sagen und dich damit abfinden nach dem Motto,"für mich ist es halt so gelaufen, Frau hab ich noch, trotz Probleme, einmal im Jahr mit Kumpels einen saufen, was solls..." aber Du willst ja was ändern und machst Dir Gedanken über diese Themen und hast Dich informiert, meiner Meinung nach der wichtigste Haupt(anfangs)schritt,also was ändern zu wollen!


Hallo Baclofino,

alle Achtung - sehr treffende Analyse! Resignieren mache ich eben schon seit Jahrzehnten. Seit gestern morgen habe ich mir schön gleichmässig verteilt 7 Liter Starkbier mit 7% einverleibt. Meine Frau ist beruflich im Ausland unterwegs und kann die Menge übers Telefon nicht einschätzen. Sie weiss zwar, dass ich saufe, aber nicht wie viel. Für Ihre Massstäbe (und sie ist wirklich eine veritable Sekttrinkerin) ist mein Wochenende eine Katastrophe. Lethargischer kann man nicht sein. Nichts Konstruktives erledige ich. Sie kommt also heute Abend nach Hause und findet mich neben einem Berg leerer Starkbierdosen. Da sie die Ursache meines Drogenkonsums kennt und es sich bei ihr ähnlich (jedoch mit deutlich weniger Abhängigkeit) verhält, hält sie tapfer zu mir. Aber sie möchte auch Fortschritte sehen und fordert sie ein. Kurzum: Ich muss etwas ändern. Das spüre ich einfach. Zu meiner Resignation gesellte sich bisher immer noch der üble grosse Bruder "Hilflosigkeit". Vielleicht ist Bac der Ausweg aus diesem jämmerlichen Kreislauf...

Dennoch mache ich mir aktuell die erste Dose Bier bereits direkt nach der Arbeit im Auto auf und trinke sie während dem Fahren auf dem Heimweg. Sei froh, wenn es momentan so gut ging. Sieh zu, dass Du Dein erstes Bier erst zu Hause aufmachst nach dem Fahren.Ist das realisierbar? Sorry, ich bin da empfindlich, Ich spreche aus Erfahrung.


Ich habe auch einfach nur Glück gehabt bisher. Und es gibt da auch keine Diskussion: Don't drive and drink!

Aber weiß keiner aus Deinem Umfeld(also nicht die von der Arbeit) von Deinem Problem? Außer Deiner Freundin? Ich kann nur von mir sprechen und da war es so, dass auch (Deine) Freunde es mitkriegen, wie Du sprichst, riechst, Dich verhälst. Es sei denn, ihr trefft euch wirklich nur nur für ein "Sauf-Wochenende" im Jahr..
Sich bei Freunden zu outen birgt Vorteile und Nachteile nach meinen Erfahrungen. Bei mir wissen es mittlerweile alle. Man weiß nach einiger Zeit, wer wirklich ein Freund ist und auf wen man sich verlassen kann, der Rest kann einem gestohlen bleiben oder?


Meiner Meinung nach haben alle, die unregelmässig und teilweise in grossen Mengen Alkohol saufen ein Problem. Also auch meine Frau und meine Freunde. In ihrem Leben ist das Thema jedoch nicht dominant und beschäftigt sie nicht weiter. Weil sie ihre Abstürze auf gesellschaftliche Anlässe reduzieren, wo es weiterhin "chic" ist, einen über den Durst zu "zwitschern". Für mich ist es aber typisch, dass ich alleine und manchmal am Wochenende auch schon morgens saufe. Und dadurch ist es krankhaft. Anders als bei Beinbrüchen, wo man stolz mit seiner "Krankheit" posiert und alle ihr Bedauern bekunden, sind alle seelischen Störungen unerwünscht. Seelisch kranke Menschen - und das sind eigentlich alle Alkis (oder?) - werden gemieden, geächtet und man hält sie von seinen Kindern fern. Diese Krankheit könnte ja ansteckend sein. Wenn ich mich oute, bin ich für diese Leute tot - so viel ist klar. Oder sie dulden mich weiterhin, lassen aber keine Gelegenheit aus, ihren "gesunden" Freunden vom "Alki" zu erzählen. Und ich will eigentlich nicht auf ein Fest gehen, bei dem alle hinter vorgehaltener Hand auf mich zeigen und sagen "Da kommt der Alki." womit ich sofortfür Leute verbrannt bin, die ich jetzt noch nicht mal kenne.

Vor ca. 3 Wochen habe ich mich bei meinem letzten alten Kumpel geoutet und er hat toll reagiert. Kenne ihn seit der 1. Klasse, aber die letzten 2-3 Jahre haben wir vlt 2-3 mal im Jahr telefoniert..Denke es ist individuell, wem man Vertrauen schenkt bin auch schon groß enttäuscht worden..


Ja, genau da sind wir beim Kern des Themas. Wenn Du jahrzehntelang funktioniert hast (trotz Saufen) und Dich dann als kranker Säufer outest, funktionierst Du in den Augen "der Gesellschaft" nicht mehr und wirst wertlos. Das Schlimmste, was mir passieren könnte. Ich will meine "schöne" Fassade nicht einreissen, indem ich mich als krankhafter Säufer oute. Gibt es nicht einen Königsweg, der für alle Seiten begehbar ist - ohne dass man permanent Wegen dem Wissen um diese Krankheit betrübt ist? Oder müssen sich die Wege zwischen Kranken und gesunden Säufern zwangsläufig eines Tages trennen? Damit käme ich dann wohl schon klar. Wenn es sein muss, weil es keine für mich "gute" Lösung gibt, werde ich meine jahrzehntelangen Saufkumpels in den Wind schiessen müssen.

Diese Posting bewusst ohne Smilies, weil es zu ernst und zu nah an der Sache ist. [wacko]

Gruss 100

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Papfl » 26. April 2015, 11:53

Hi 100!

Hundertkilo hat geschrieben:Sie kommt also heute Abend nach Hause und findet mich neben einem Berg leerer Starkbierdosen.

Spricht was dagegen, einen kleinen Sonntagsspaziergang zum nächsten Alu-Container oder irgendeiner Tonne zu unternehmen und die Dosen dort zu entsorgen, bevor Deine Frau nach Hause kommt? Ich meine jetzt nicht, um die Trinkerei zu verheimlichen, sondern wegen dem hier:

Hundertkilo hat geschrieben:Lethargischer kann man nicht sein. Nichts Konstruktives erledige ich. [...] Aber sie [meine Frau] möchte auch Fortschritte sehen und fordert sie ein.

Der Gang zum Container wäre ein kleiner Schritt für 100, aber eine erste große Geste in Richtung:

Hundertkilo hat geschrieben:Ich muss etwas ändern. Das spüre ich einfach.

Versteh's bitte nicht falsch, ich will Dich nicht ärgern oder "bevormunden" oder "klugscheißen" oder so. Aber Du schreibst auch:

Hundertkilo hat geschrieben:Vielleicht ist Bac der Ausweg aus diesem jämmerlichen Kreislauf...

Dazu im übertragenen Sinne nur so viel: Baclofen bringt Deine Dosen nicht in den Müll...

Und ich glaube, 100 würde sich auch 100 mal besser fühlen, wenn das erledigt ist, statt jetzt zwischen den Dosen abzuwarten, bis die absehbar enttäuschte Frau heute Abend nach Hause kommt.

Nix für ungut!
Papfl

P.S.

Auch das ist nicht böse gemeint, aber mir scheint, im Moment bedienst Du einige der Klischees im Bezug auf "Alkoholiker", die Du zum Teil in Deinen anderen Postings kritisierst :wink: .
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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 27. April 2015, 18:47

Hallo Papfl,

Du hast in allen Punkten recht. Natürlich habe ich den Dosenberg rechtzeitig in den Kofferraum meines Wagens geräumt und heute schön heimlich entsorgt. Und ja - mit dem Alkoholkonsum steigt das Selbstmitleid und die Weinerlichkeit. Das merkt man den Postings unter Alkoholeinfluss hier durchaus immer wieder an. Oder welche Klischees meintest Du? Du darfst gerne ehrlich sein - ich habe damit kein Problem.

Leider hat sich mein Doc wegen meiner Baclofen-Anfrage noch nicht gemeldet. Aber dennoch arbeite ich weiter gedanklich an dem Ausstiegsszenario mit Bac.

Heute trocken und Sport.

Gruss 100

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Papfl » 27. April 2015, 19:32

Hi 100!

Hundertkilo hat geschrieben:Oder welche Klischees meintest Du? Du darfst gerne ehrlich sein - ich habe damit kein Problem.

Das war eher allgemein bezogen. Ich meine, es hat ja seine Gründe, warum "unsereins" Probleme mit dem "Outing" hat und nicht gerne das Stigma "Alkoholiker" mit sich rumträgt. Dahinter verbergen sich ja gewisse Vorurteile und Klischees, die gemeinhin mit Alkoholabhängigen in Verbindung gebracht werden. Zum Beispiel "Die kriegen nichts auf die Reihe, jammern nur rum, lassen sich gehen, denen ist alles egal, die sind egoistisch, denken nur an sich selbst" - zu dieser Gruppe möchte verständlicherweise niemand gehören.

Als ich dann Dein Posting vom Wochenende las, dachte ich mir: Mensch, jetzt äußert sich @100 so reflektiert zum Thema "Outing" in seinen anderen Threads und spiegelt in diesem Faden den typischen Klischee-Alkoholiker wider, zu dem er doch partout nicht abgestempelt werden möchte...und der er ja auch nicht ist, denn die Dosen hast Du ja doch noch aufgeräumt [smile] .

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Mellchen » 1. Mai 2015, 13:30

Hallo Du!

Ich bin auch gerade erst hier "angekommen". Respekt für Deine Offenheit und Deine bewegende Schilderung. Wir kriegen das hin!!!
Aber immer dran denken: wir sind ALLE etwas Besonderes!

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 1. Mai 2015, 18:20

Hallo zusammen,

mein Arzt "kann mir leider" Baclofen nicht verschreiben, hat er mir per Mail geantwortet. [black_eye] Näheres erfahre ich in der nächsten Sitzung bei ihm. Leider ist die erst in einem Monat. Da er sich eigentlich sehr gut mit Medikamenten auskennt und mich wegen meiner anderen "Geschichte" auch optimal eingestellt hat, gibt es für mich nur zwei Möglichkeiten: Entweder er steht dem Wirkstoff in diesem Zusammenhang generell kritisch gegenüber oder er will bei mir in die ausbalancierte Medikation nicht noch ein drittes AD, welches Baclofen ja auch zu sein scheint, mischen. Das wäre natürlich sein gutes Recht als erfahrenem Psychiater. Ich weiss es eben noch nicht. Ich werde unabhängig davon einen weiteren Versuch starten, an Baclofen heranzukommen. Oder ich lese erst Mal das Buch von Ameisen und gehe dann gut informiert in die nächste Sitzung. Denke übers Wochenende mal drüber nach, wie ich vorgehe. Für Tipps bin ich natürlich aktuell sehr empfänglich. [twiddle]

Gruss 100

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 9. Mai 2015, 01:50

Ich habe den zweiten Versuch, um an Baclofen zu kommen, gestartet. Ich hoffe, es klappt diesmal. Dann werde ich streng nach Anleitung der hier bekannten, aktuellsten Studie verfahren und meinen Erfahrungsbericht beginnen.

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Eva » 10. Mai 2015, 09:40

Hi 100!
Du solltest dir einen Arzt suchen, der Bacerfahrung hat und mit dem das Aufdosieren kein Thema ist. Meine Bacärztin hat mir gestern berichtet, dass die höchste Dosis, die sie jeweils gebraucht hat, 270 mg waren (sie würde bis 300 mg gehen). Es handelt sich um einen großen Mann mit relativ hohem Körpergewicht, welcher pro Tag eine Flasche Wodka konsumiert hat. Vor Besprechungen mit dem Betriebsrat hat sie ihm eine Extradosis Bac erlaubt, damit er nicht zur Flasche greift, weil der Betriebsrat für ihn als Unternehmer ein rotes Tuch ist. Außerdem hat sie mir geraten, wenn ich in der Nacht vom Alkohol träume, am Morgen gleich eine Extraportion Bac zu nehmen, weil unser Stammhirn zwischen Realität und Nichtrealität keine Unterscheidung treffen kann und auf diese Weise der Trigger neutralisiert wird.
Alles Liebe Eva
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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon baclofino » 10. Mai 2015, 16:30

Meine Bacärztin hat mir gestern berichtet, dass die höchste Dosis, die sie jeweils gebraucht hat, 270 mg waren (sie würde bis 300 mg gehen).

Hi Eva, da bist Du ein Ausnahmefall. Die meisten Ärzte verschreiben es nicht in der Höhe.lg

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon arnimbr » 10. Mai 2015, 17:55

Hallo

Ich bin jetzt seit über einer Woche am hochdosieren. Mein Arzt hat schon Erfahrungen mit der Verschreibung und dosiert auch schnell hoch. Ich bin jetzt bei 175 mg pro Tag. Vertrage es gerade eben und betreibe dabei noch einen Restkonsum von Alk.(ca 2L Bier). Bin auch groß mit ca 95Kg. Mein Doc geht auch noch weiter wenn Ichs vertrage. Ist aber grenzwertig, Autofahren und Maschinen bedienen könnte ich nicht.

Alles Gute Arnimbr

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Hundertkilo » 10. Mai 2015, 21:13

Hallo arnimbr,

Wenn alles wie geplant läuft, beginne ich in dieser Woche. Ich werde jedoch versuchen, unter der Woche trocken zu bleiben und am Wochenende nicht abzustürzen. Das Buch von Ameisen habe ich heute in einem Rutsch durchgelesen. Es ist sehr beeindruckend. Ich denke, ich bin ganz gut vorbereitet. Schon jetzt trinke ich weniger - die Beschäftigung mit dem Wirkstoff und das viele Lesen hier im Forum zeigen schon eine erste Wirkung.

Wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und wenn ich das richtig verstanden habe, kann es auch eine ganze Zeit dauern bis man auf die für einen persönlich optimale Dosis eingependelt ist. Lass Dir vielleicht doch ein wenig mehr Zeit. Ich denke, auch hier ist Geduld der beste Ratgeber.

Gruss 100

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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon Eva » 11. Mai 2015, 14:46

Grüß euch!
Ich nehme jetzt den 3ten Tag Bac und meine liebe Ärztin (sie arbeitet seit 30 Jahren mit Suchtkranken) hat mir sogar ihre Handy Nummer gegeben, damit ich sie errichten kann bevor ich zum Glas greife. Gestern war es eine Sekunde davor. Alles in mir schrie nach Alkohol. Sie hat mir gesagt, ich soll sofort viel Zucker (Limo aber ken Cola) zu mir nehmen, weil mein Gehirn und die Leber zum Verstoffwechseln nach Zucker schreit. Und tatsächlich: Nach 10 Minuten war die Alkoholattake vorbei. Die nächsten Tage soll ich mindestens 3 Liter Tee mit Zucker oder Limonade trinken und kleine Spatiergänge an der frischen Luft nehmen, aber nicht in der prallen Sonne. Viel Studentenfuttet Essen, weil das für uns Nervennahrung bedeutet. Übrigens hat sie gesagt, wenn sie an einer Suchterkrankung leiden würde, würde sie bis an ihr Lebensende Bac nehmen, damit unser umgestelltes Körpersystem erhalten werden kann ohne dass wieder Suchtdruck entsteht. Zur Zeit habe ich überhaupt kein Craving fühle inneren Frieden stehe aber irgendwie neben den Körper. Gott sei Dank muss ich nicht arbeiten, weil ich in einer Klinik bin und versorgt werde. Ich arbeite im Hintergrund an meiner Suchterkrankung.
Ich hoffe, dass diese Tips den einen oder anderen abhalten werden, zum Glas zu greifen.
Liebe Grüsse Eva
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Re: Gewöhnlicher Trinker

Beitragvon arnimbr » 11. Mai 2015, 18:31

Hallo Eva
Danke für deine Tips. Studentenfutter werde ich mir besorgen. Bin seit über einer Woche am hochdosieren aber immer noch nicht ganz trocken. Bei früheren Entzügen habe ich mich dann viel bewegt und das hat geholfen. Doch jetzt geht es mir so wie du beschreibst. Neben dem Körper stehen. Ich habe das Gefühl auf Watte zu laufen und zwischendurch das Essen zu vergessen und dafür Kaffeetrinken. Ich halte den Ernährungsaspekt für wichtig und werde das in meine Aufmerksamkeit nehmen.

Grüsse und alles Gute

Arnimbrr


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