Seeschwalbe stellt sich vor

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Seeschwalbe
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Seeschwalbe stellt sich vor

Beitragvon Seeschwalbe » 17. August 2020, 20:41

Hallo zusammen,

Bei mir (w, Ende 40) liegen gute zwei Jahre zwischen der Registrierung und der heutigen Vorstellung. Zwischenzeitlich habe ich auch den See gewechselt, von Bayern ab nach Berlin. Und hier habe ich gemerkt, dass ich es nicht mehr alleine schaffe [help] .

Konnte ich mich früher (immer wenn es zu arg wurde), in eine längere abstinente Phase versetzen (6–12 Wochen), Ist das jetzt gefühlt unerreichbar. Neue Stadt, neuer Job und dann Corona lassen mich einfach zu oft zur Weinflasche greifen und mittlerweile mache ich dann auch zwei Flaschen platt. Natürlich immer alleine, in Gesellschaft wahre ich das Gesicht, zähle die Minuten, bis ich die Feierlichkeiten verlassen kann und hämmer mir dann zuhause den Alk.

Jetzt will ich das Thema Suff endlich anpacken, nachdem ich es mir viel zu lange klein geredet habe...

Viele Grüße von der flügellahmen Seeschwalbe

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DonQuixote
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Re: Seeschwalbe stellt sich vor

Beitragvon DonQuixote » 19. August 2020, 21:40

Hallo Seeschwalbe

Baclofen kann diese Drehtür-Tortur zwischen Entgiftung, Entwöhnung, Therapie, ein paar Wochen/Monaten Abstinenz und dann alles wieder von vorn...in der Tat beenden. Warum und wodurch das möglich wird, ist hier und hier erklärt.

Leider vergessen Ärzte und Therapeuten allzu oft die Biochemie, die sich bei abhängigen Menschen über die Jahre verändert hat und die sich als scheinbar unüberwindbare "Hürde" beim Kampf um die Abstinenz entpuppt. Oder sie wissen es einfach nicht [unknown] , weil sie in punkto Sucht auf dem Stand ihrer Approbation stehen geblieben sind und die neuen Entwicklungen im Bereich Hirnchemie, Stoffwechsel, Neurobiologie etc. seit der Jahrtausendwende nicht mehr verfolgt haben.

Baclofen ist natürlich keine Wunderpille, die man schluckt und alles wird von alleine gut. Das Medikament kann aber die ständigen Gedanken an Alkohol und das unbändige Verlangen, das über kurz oder lang dazu führt, dass Betroffene wieder zur Flasche greifen MÜSSEN, eindämmen.

Die Idee, die hinter der Baclofen-Therapie steht, ist

a) über die "Beruhigung" der GABA-B-Rezeptoren langfristig einen ausgeglichenen, entspannten, relaxten Zustand herzustellen, damit extreme Stress-Situationen, Spannungen, Ängste und Verstimmungen, die einen zur Flasche greifen lassen, gar nicht erst aufkommen und

b) das körperliche Verlangen nach Alkohol (physisches Craving) einzudämmen, um die zwanghafte Komponente des abhängigen Trinkens ein Stück weit auszuschalten.

Baclofen schlägt einem das Glas also nicht aus der Hand, aber es kann Betroffenen die Entscheidungsfreiheit zurück geben: Im Idealfall MUSS man nicht mehr zwingend trinken, weil man gegen das Verlangen machtlos ist. Man KANN sich wieder frei entscheiden, ob man trinken möchte, oder ob man es lieber lässt. Stattdessen braucht es dann natürlich andere Alternativen, die einem das geben, was bislang der Alkohol geleistet hat. Belohnung, Entspannung, "Kicks", "Glücksgefühle", Hemmungslosigkeit, Ausschalten von Ängsten, etc...Alkohol kann viele Funktionen übernehmen.

Das ist dann die eigentliche "Arbeit an sich selbst", an der über kurz oder lang niemand vorbei kommt. Dafür kann Baclofen den Kopf frei machen - nicht mehr, aber auch nicht weniger [smile] .

Die besten Resultate erzielt man, wenn man abstinent mit der Baclofen-Therapie beginnt. Wenn Du momentan noch trinkst, käme vielleicht auch die Methode "So viel Alkohol wie nötig, so wenig wie möglich" in Frage. Das würde bedeuten, dass Du Baclofen langsam einschleichst und parallel dazu versuchst, den Alkohol zu reduzieren (jeden Tag ein bisschen weniger). Hängt auch davon ab, wie hoch Dein täglicher Alkoholkonsum gegebenenfalls ausfällt. Wenn er deutlich über einer Flasche Wein (oder vier Halbe Bier oder einer halben Flasche Schnaps) liegt, wäre eine vorherige Entgiftung eventuell schon sinnvoll. Du hast ja Therapieerfahrung, kannst das selbst denke ich ganz gut einschätzen. Da Alkohol und Baclofen - vereinfacht gesagt - biochemische Gegenspieler sind und sich gegenseitig antagonisieren ("neutralisieren"), kann es auf diesem Weg zwar ein bisschen länger dauern, bis sich erste Erfolge abzeichnen, aber das ist denke ich auch kein Beinbruch. Zumal man für die Baclofen-Therapie ohnehin ein bisserl Geduld mitbringen sollte :wink: . Höher, schneller, weiter...ist hier IMMER kontraproduktiv. In der Ruhe liegt die Kraft.

Einen ersten Überblick rund um das Medikament bietet unsere Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick. Genaueres zur Dosierung und Therapie findest Du im Leitfaden für die Anwendung oder in den auf die jeweilige Tablettenstärke zugeschnittenen Dosierungstabellen hier im Forum.

Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann.

Eine Mail mit Arztvorschlag für Deine Region habe ich soeben abgeschickt, und zwar an Deine Mail-Adresse bei <web.de>, mit der Du dich hier im Forum registriert hast. Alles Gute einstweilen wünscht

DonQuixote


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