Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

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GoldenTulip
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon GoldenTulip » 27. Oktober 2015, 13:51

GsD? Galaktischer Sicherheitsdienst? Ich steh' auf'm Schlauch. Kannst Du mir bitte Helfen?


Sorry, lucidare, es bedeutet Gott sei Dank, wobei mir Deine Auflösung auch ganz gut gefällt.

@Willo
Aber die eigentliche Intention der Baclofenbehandlung: niedrigschwelliger Einstieg beim Hausarzt - keine Voraussetzungen beim Beginn der Behandlung, schon gar nicht irgendeine dann doch nur wieder auf dem Willen basierende Abstinenz - Hochdosierung - das Wiedererlangen der völligen Entscheidungsfreiheit im Umgang mit Alkohol, inklusive der Möglichkeit, ihn gelegentlich zu trinken, all' das, was die Baclofenbehandlung von allen anderen Behandlungen der Abhängigkeit unterscheidet, haben wir einfach nur der politischen Bequemlichkeit preisgegeben.


Ich stimme Dir zu 100% zu. Aber mir wird schon schlecht bei der Vorstellung, was an Antworten kommt, wenn ich ehrlich antworte.

Nochmal an lucidare.

Conny schrieb:
Das Forum hält es gut aus, auch mit nervigen, isolierten oder unbequemen Beiträgen fertig zu werden.


Luci schrieb:
Die "Newbies" auch?


Sagen wir mal so. Nicht wenige fangen an zu trinken, weil sie im Sinne kognitiver Dissonanz (bitte googlen/ Wikipedia nutzen) ein Schmiermittel wünschen. Hilfe gern, pampern eher weniger. Wer keine Lust hat, sich auch in Selbstverantwortung auseinanderzusetzen, dem habe ich geringen Wunsch, permanent auf die Sprünge zu helfen.

Hier im Forum wird niemand angefaucht, jede Anfrage wird beantwortet, und wer nicht aushält, dass es Kontroversen geben kann (aus denen man sich übrigens raushalten darf)ist mit so Mitte 30-60 in persöhnlich-stützender Therapie besser aufgehoben als in einem gewiss eher unberechenbarem Forum.

Hilfe zur Selbsthilfe, jederzeit. Helfersyndrome bitte selbst behandeln lassen.

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 14:05

GoldenTulip hat geschrieben:Ich stimme Dir zu 100% zu. Aber mir wird schon schlecht bei der Vorstellung, was an Antworten kommt, wenn ich ehrlich antworte.

Ja, so geht es mir eben auch.
Und es ist ein Treppenwitz, dass ausgerechnet derjenige, der dafür sorgt, dass es Dir und mir in solchen Diskussionen mittlerweile schlecht wird, fragt, warum es keine Diskussionen mehr gibt.

Viele Grüße
Willo

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon Papfl » 27. Oktober 2015, 14:24

Hallo zusammen!

Ich wollte mich eigentlich in diese Diskussion gar nicht einklinken, aber zwei kurze Absätze gestatte ich mir:

WilloTse hat geschrieben:Aber die eigentliche Intention der Baclofenbehandlung: niedrigschwelliger Einstieg beim Hausarzt - keine Voraussetzungen beim Beginn der Behandlung, schon gar nicht irgendeine dann doch nur wieder auf dem Willen basierende Abstinenz - Hochdosierung - das Wiedererlangen der völligen Entscheidungsfreiheit im Umgang mit Alkohol, inklusive der Möglichkeit, ihn gelegentlich zu trinken, all' das, was die Baclofenbehandlung von allen anderen Behandlungen der Abhängigkeit unterscheidet, haben wir einfach nur der politischen Bequemlichkeit preisgegeben.

Ich glaube, das ist weniger der politischen Bequemlichkeit geschuldet als vielmehr dem Erfahrungswert, dass es so, wie es zu Beginn der Baclofen-Therapie nach Ameisens Buchveröffentlichung ursprünglich einmal angedacht war, in den meisten Fällen nicht funktioniert. Es heißt immer, in Frankreich sei das anders. Und ich stelle mir dann manchmal die Frage, ab wann die Verhältnismäßigkeit kippt. Oder anders ausgedrückt: Ist es aus medizinischer Sicht noch vertretbar, Patienten monate- oder gar jahrelang mit 300 mg plus zu behandeln? Baclofen sind keine Drops. Mal ehrlich: Wer schon in solchen Höhen dosiert hat, weiß, dass sich irgendwann so ziemlich Gleichgültigkeit gegenüber allem einstellt (unter anderem halt auch gegenüber Alkohol). Das ist m. E. aber nicht Sinn und Ziel einer Therapie.

WilloTse hat geschrieben:Den zweiten Teil haben wir zusehends vernachlässigt, weil wir nur noch politisch korrekte Diskussionen zulassen und allein die Hoffnung, irgendwann einmal wieder normal trinken zu können - das eigentliche "Heilsversprechen" von Baclofen - schon im Begrüßungsposting abschalten.

Newcomern (oft mit einer hohen biologischen Abhängigkeit) Hoffnung darauf zu machen, langfristig mithilfe von Baclofen wieder zu einem normalen Umgang mit Alkohol zurück zu finden, halte ich persönlich für fahrlässig und mit Blick auf den Therapieerfolg kontraproduktiv. Ebenso wie eine unkontrollierte Aufdosierung des Medikaments bei gleichzeitig hohem Alkoholkonsum. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Und Krankheit ist nunmal mitunter auch mit Verzicht verbunden. Wenn ich Diabetiker bin, darf ich keinen Zucker essen. Als Nuss-Allergiker meide ich Nüsse...

Ich weiß @WilloTse, dass Du meinen Standpunkt in dieser Hinsicht kennst und auch akzeptierst. Wollte es aber trotzdem nochmal gesagt haben. So schön es auch wäre, die (resp. meine) (Praxis)realität spricht leider eine andere Sprache [sad] .

Papfl
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon Papfl » 27. Oktober 2015, 14:34

Hallo betalbatim,

...eher Ergänzungen würde ich sagen.

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 15:52

Hoi Papfl, betalbatim & all,

betalbatim hat geschrieben:wieder postulierst hier Vorgehensweisen, die keine oder nur ganz wenige Hausärzte mitmachen.

Richtig. Genau das.
Dass das so ist, ist aber nicht die Lösung, sondern das Problem, meiner Meinung nach.
betalbatim hat geschrieben:Du sagst, da sind Dinge der politischen Bequemlichkeit preisgegeben worden. Nee Willo, das sind medizinische Notwendigkeiten aufgrund von biochemischen Prozessen, die wir noch gar kennen.

Da widersprichst Du Dir selbst: es sind Notwendigkeiten biochemischer Prozesse, die wir nicht kennen? [wacko]
Also entweder wissen wir, dass es Notwendigkeiten sind, dann kennen wir auch die Prozesse, oder eben nicht.
Und aktueller Stand der Wissenschaft nach meiner Kenntnis ist: oder eben nicht. [pardon]

Papfl hat geschrieben:Ich weiß @WilloTse, dass Du meinen Standpunkt in dieser Hinsicht kennst und auch akzeptierst. Wollte es aber trotzdem nochmal gesagt haben. So schön es auch wäre, die (resp. meine) (Praxis)realität spricht leider eine andere Sprache

Natürlich kenne und respektiere ich Deinen Standpunkt. Und meine Dankbarkeit dafür, dass Du hier wieder schreibst und damit die Qualität des Forums in neue Höhen gehoben hast, kennst Du auch, ich betone sie hiermit gern ein weiteres Mal! [good]

Dennoch:

Papfl hat geschrieben:So schön es [das kontrollierte Trinken] auch wäre, die (resp. meine) (Praxis)realität spricht leider eine andere Sprache

Hast Du denn Deinen Patienten diese Option als gleichwertig vorgestellt? Wussten sie, dass das gehen kann? "Sie können frei entscheiden, ob und wie viel Sie trinken möchten!" ist was anderes als "Theoretisch soll kontrollierter Konsum zwar funktionieren, praktisch kenne ich aber nur eine handvoll Leute, die das scheinbar hinkriegen!". Self fulfilling prophecy funktioniert auch hier in beide Richtungen!

Papfl hat geschrieben:meine) (Praxis)realität

ist genau wie groß?
Kannst Du 1500 Patienten toppen, bei denen Deine/unsere/die deutsche Forderung "Abstinenz" offenbar nicht nötig war und die trotzdem scheinbar nicht häufiger in der Notaufnahme landeten als wir hier und die ebenso deutlich die gleichen Erfolgsquoten haben, wie wir?

Hast Du - oder irgendwer sonst - eine Erklärung dafür, warum in Frankreich zehnmal mehr Patienten mit dem gleichen Ergebnis behandelt werden wie hier, ohne dass Abstinenz zu Beginn oder als Behandlungsziel Thema wäre?
Definitv: Erklärungen, kein "ich glaube, denke, meine"?

Papfl hat geschrieben:(oft mit einer hohen biologischen Abhängigkeit)

Was ist eine hohe biologische Abhängigkeit?
Wie misst Du die?
Wie grenzt Du die ab zu "niedriger biologischer Abhängigkeit?

Ich weiß, dass diese Bezeichnung entstanden ist aus dem Versuch, Trinkzwang gegen Trinkwunsch abzugrenzen, an der Diskussion war ich ja auch beteiligt.
Allein, bis heute: was ist die Abgrenzung?

betalbatim hat geschrieben:Deshalb finde ich als Ziel zu propagieren kontrolliert zu trinken für falsch. Ich weiß, daß es Mainstream in beiden Foren ist, halte es aber trotzdem für falsch. Die Ärzteschaft aus gutem Grund ebenfalls.

Es ist nicht und war nie das Ziel, kontrolliertes Trinken zu propagieren. Weder jemals hier noch jemals 'drüben.
Es ist nur eins der möglichen Ziele, und es wäre meiner Ansicht nach sinnvoll, es als eine der möglichen Behandlungsoptionen gleichwertig anzubieten.

Wir würden zehnmal mehr Menschen retten.

LG
Willo

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon Lucidare » 27. Oktober 2015, 16:34

Hallo Goldentulip,

Gott sei Dank, klar. :mst

Golden Tulip hat geschrieben:
Sagen wir mal so. Nicht wenige fangen an zu trinken, weil sie im Sinne kognitiver Dissonanz (bitte googlen/ Wikipedia nutzen) ein Schmiermittel wünschen. Hilfe gern, pampern eher weniger. Wer keine Lust hat, sich auch in Selbstverantwortung auseinanderzusetzen, dem habe ich geringen Wunsch, permanent auf die Sprünge zu helfen.

Hier im Forum wird niemand angefaucht, jede Anfrage wird beantwortet, und wer nicht aushält, dass es Kontroversen geben kann (aus denen man sich übrigens raushalten darf)ist mit so Mitte 30-60 in persöhnlich-stützender Therapie besser aufgehoben als in einem gewiss eher unberechenbarem Forum.

Hilfe zur Selbsthilfe, jederzeit. Helfersyndrome bitte selbst behandeln lassen.


Auch klar. Einen sachlich geführten Disput kann man auch als Brainstorming bezeichnen. Spannend wird es dann, wenn wieder die gewohnten Nettigkeiten anfangen. Ist nicht böse gemeint. [angel]

Ein Mensch der unter einem unangenehm empfundenen Gefühlszustand (kognitive Dissonanz) leidet, interessiert sich u.U. nicht für politische Dimensionen. Sicher kann man sich raushalten. Aber jetzt muss natürlich, man ahnt es schon, ein Forumsmitglied auftauchen,das grübelt, ob das Thema in einen "Hilfethread" wie "Fragen und Antworten zu Baclofen und Alkohol" passt.

Mein ja nur.

LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:04

Und einen Nachtrag hab' ich noch, @Papfl und @betalbatim und @all,

ich hatte hier mal den Faden Einmal Alki - Immer Alki? aufgemacht, in der Hoffnung, genau darüber mal in aller Ruhe und nur mit Belegen der eigenen Meinung zu diskutieren.
Geklappt hat das - nicht. Es gab, wie üblich, wieder nur die "ich denke, ich glaube, ich meine, und bei mir geht das sowieso nicht" - Meinungen.

Dort habe ich mit Ergebnissen aus sehr großen Studien belegt, dass zwischen etwa 50% und 75% aller ehemals "Abhängigen" (oder: in einer als abhängig definerten Größenordnung?) trinken, ganz von allein wieder zu normalem Konsum zurückkehren.
Ohne Baclofen, ohne irgendwas.

Das entspricht etwa der Heilungsquote von Baclofen. Es kann also ohne weiteres sein, dass nur die Leute durch Baclofen genesen, die ohne Baclofen auch genesen wären.

Und ich zitiere aus dem genannten Faden:

Deutsches Ärzteblatt 3/2014 hat geschrieben:Dabei bedeutet Remission nicht Abstinenz. Nur etwa 15 Prozent der „Selbstremittierer“ entscheiden sich für eine dauerhafte Abstinenz, der Rest finde zu einem „klinisch unauffälligen Konsum“. Weist jemand ohne professionelle Hilfe zwölf Monate lang nicht mehr die Kriterien einer Abhängigkeit auf, gilt er oder sie als „selbstremittiert“.

Hervorhebung von mir.

Bisher hat das niemand hier widerlegt.

LG
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Zuletzt geändert von WilloTse am 27. Oktober 2015, 17:05, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon Papfl » 27. Oktober 2015, 17:04

Hi Willo!

WilloTse hat geschrieben:Hast Du denn Deinen Patienten diese Option als gleichwertig vorgestellt? Wussten sie, dass das gehen kann? "Sie können frei entscheiden, ob und wie viel Sie trinken möchten!" ist was anderes als "Theoretisch soll kontrollierter Konsum zwar funktionieren, praktisch kenne ich aber nur eine handvoll Leute, die das scheinbar hinkriegen!". Self fulfilling prophecy funktioniert auch hier in beide Richtungen!

Da hast Du sicherlich recht. Da die Patienten, mit denen ich arbeite, entweder noch in der Entwöhnung sind oder gerade frisch aus der Entgiftung/Entwöhnung kommen, stellt sich die Frage nach dem abstinenten Beginn bei meiner Klientel eigentlich nicht. Weil die in der Regel abstinent sind, beginnen sie auch abstinent mit Baclofen. Und ich werde den Teufel tun, ihnen zu offerieren, dass sie ruhig auch wieder etwas trinken können, Baclofen funktioniert ganz prima auch mit Beikonsum. Wir wissen das aus Frankreich.

Natürlich kommt häufig die Frage, ob das jetzt ewige Abstinenz bedeutet. Ich rate dann dazu, sich zumindest die ersten Monate resp. das erste halbe Jahr darauf einzustellen, dann "sehen wir weiter". Erfahrungsgemäß braucht die Biochemie diese Zeit, um sich wieder einigermaßen einzupendeln.

Das machen natürlich die wenigsten (weshalb man eine "Trinkoption" bzw. "Entscheidungsfreiheit" auch gar nicht erst explizit erwähnen muss). Die Versuchung, nach ersten Abstinenz-Erfolgen auszuprobieren, ob es nicht doch klappt, mal ein Gläschen zwischendurch zu trinken, ist einfach zu groß.

Bei fast allen - und daher kommen auch meine Vorbehalte - geht das schief. Soll heißen, es bleibt nicht bei dem einen Gläschen. Einige müssen sogar nochmal entgiften. Ist aber nicht schlimm. Denn nach dieser Erfahrung teilen sich die Patienten in drei Gruppen:

Ein großer Teil (etwa die Hälfte) verfolgt den Gedanken des kontrollierten Trinkens nicht mehr weiter, weil er a) erkannt hat, dass es wohl doch nicht funktioniert und b) die Abstinenz als eine Bereicherung sieht und diesen Zustand nicht mehr aufs Spiel setzen will. Zu dieser Haltung trägt natürlich auch die begleitende Psychotherapie ein großes Stück weit bei.

Etwa ein Viertel beschließt für sich, dass Trinkmengenreduktion statt Abstinenz auch okay ist und versucht diese, mit den dazugehörigen Ups und Downs auf die Reihe zu kriegen. Das funktioniert dann mal besser mal schlechter. Oder entwickelt Strategien (ähnlich wie @betalbatim oder Körkel), um nach bestimmten Regeln kontrolliert zu trinken. Was ich persönlich mir sehr anstrengend vorstelle.

Ein weiteres Viertel bleibt rückfällig bzw. zeigt kein Responding auf Baclofen.

Für alle drei Gruppen ist m. E. aber eine mehrmonatige, abstinente Anfangsphase wichtig, damit Baclofen sein volles Wirkungsspektrum entfalten kann.

WilloTse hat geschrieben:Kannst Du 1500 Patienten toppen...

Natürlich nicht. Wir machen das mit Baclofen jetzt seit zwei Jahren bei etwa 20-25 Patienten/Quartal, also insgesamt knapp 200. Wobei wir (nicht zuletzt durch die Baclofen-Verschreibungen) einen recht guten Patientenkontakt halten können. Soll heißen: Wir wissen ziemlich genau, wem es wie geht.

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:07

Papfl hat geschrieben:Wir machen das mit Baclofen

Offiziell in der Klinik?
Das wäre mir neu.

LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:12

Und ich werde den Teufel tun, ihnen zu offerieren, dass sie ruhig auch wieder etwas trinken können, Baclofen funktioniert ganz prima auch mit Beikonsum. Wir wissen das aus Frankreich.

Warum?
Wir wissen das doch aus Frankreich, was genau spricht dagegen?

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:13

Erfahrungsgemäß braucht die Biochemie diese Zeit, um sich wieder einigermaßen einzupendeln.

Welche genau?

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:16

Papfl hat geschrieben:Das [=die "ewige Abstinenz einhalten"] machen natürlich die wenigsten (weshalb man eine "Trinkoption" bzw. "Entscheidungsfreiheit" auch gar nicht erst explizit erwähnen muss). Die Versuchung, nach ersten Abstinenz-Erfolgen auszuprobieren, ob es nicht doch klappt, mal ein Gläschen zwischendurch zu trinken, ist einfach zu groß.

Du entmündigst Deine Patienten also auch nur?

LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:17

Einige müssen sogar nochmal entgiften.

Wie viele aus wievielen?

LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:18

Ein großer Teil (etwa die Hälfte)

Die Hälfte ist nicht "ein großer Teil", sondern die Hälfte.

LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:20

Etwa ein Viertel beschließt für sich, dass Trinkmengenreduktion statt Abstinenz auch okay ist und versucht diese, mit den dazugehörigen Ups und Downs auf die Reihe zu kriegen. Das funktioniert dann mal besser mal schlechter. Oder entwickelt Strategien (ähnlich wie @betalbatim oder Körkel), um nach bestimmten Regeln kontrolliert zu trinken. Was ich persönlich mir sehr anstrengend vorstelle.

Mal besser, mal schlechter, bewertet wer nach welchen Kriterien?
Und was Du Dir vorstellst, sollte Deinen Patienten eher weniger interessieren.
Was weißt Du?

Und nochmal
LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:26

Papfl hat geschrieben:Bei fast allen - und daher kommen auch meine Vorbehalte - geht das [=kontrollierte Trinken] schief

Wie oft geht es denn bei den Abstinenten schief? Keine Rückfälle bei denen? Da wärt Ihr wirklich die erfolgreichste Klinik, von der ich je gehört habe.

Und ein weiteres
LG

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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon WilloTse » 27. Oktober 2015, 17:29

Hast Du - oder irgendwer sonst - eine Erklärung dafür, warum in Frankreich zehnmal mehr Patienten mit dem gleichen Ergebnis behandelt werden wie hier, ohne dass Abstinenz zu Beginn oder als Behandlungsziel Thema wäre?


Jetzt reicht's dann bald, aber trotzdem immer
LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon Papfl » 27. Oktober 2015, 17:49

Also dann...

WilloTse hat geschrieben:Dort habe ich mit Ergebnissen aus sehr großen Studien belegt, dass zwischen etwa 50% und 75% aller ehemals "Abhängigen" (oder: in einer als abhängig definerten Größenordnung?) trinken, ganz von allein wieder zu normalem Konsum zurückkehren.
Ohne Baclofen, ohne irgendwas.

Das will ich gar nicht bestreiten. Im Gegenteil: [good] ! Sind aber zwei Paar Stiefel.

Ich sag' ja nur: Wenn jemand es denn doch mit Baclofen versuchen will, ist ein abstinenter Beginn meiner Erfahrung nach (s.o.) sinnvoller als von vornherein zu sagen: Abstinenz muss nicht sein, Du kannst mit Baclofen auch problemlos kontrolliert trinken (siehe Frankreich), eventuell ist halt die Dosis dann etwas höher.

WilloTse hat geschrieben:Du entmündigst Deine Patienten also auch nur?

Nein, ich schütze sie.

WilloTse hat geschrieben:Die Hälfte ist nicht "ein großer Teil", sondern die Hälfte.

Ein großer Teil von den erfolgreich Behandelten (zu denen ich auch die Trinkmengenreduktionen zähle).

WilloTse hat geschrieben:Und was Du Dir vorstellst, sollte Deinen Patienten eher weniger interessieren.

Deshalb stelle ich mir's ja auch nur vor :wink: .

WilloTse hat geschrieben:
Papfl hat geschrieben:Bei fast allen - und daher kommen auch meine Vorbehalte - geht das [=kontrollierte Trinken] schief

Wie oft geht es denn bei den Abstinenten schief? Keine Rückfälle bei denen? Da wärt Ihr wirklich die erfolgreichste Klinik, von der ich je gehört habe.

Gemeint ist der kontrollierte Trinkversuch in den Anfangsmonaten mit Baclofen. Ein Teil derer gehört ja später ohnehin zur Abstinenzfraktion.

Ich kann die absoluten Zahlen von 2014 morgen mal raussuchen, 2015 läuft ja noch.

WilloTse hat geschrieben:Hast Du - oder irgendwer sonst - eine Erklärung dafür, warum in Frankreich zehnmal mehr Patienten mit dem gleichen Ergebnis behandelt werden wie hier, ohne dass Abstinenz zu Beginn oder als Behandlungsziel Thema wäre?

Klar ist die Hemmschwelle niedriger, das "nie mehr etwas trinken dürfen" ist wohl die furchtbarste Vorstellung für einen Abhängigen. Aber wie oben schon angedeutet: Trinkmengenreduktion jenseits der 300 mg als Erfolg zu verbuchen, ist m. e. relativ.

Gut, dass ich gewartet habe, sonst wäre das P.S. länger geworden als der eigentliche Beitrag :kl ! Ich bin dann mal weg, werde aber gegebenenfalls gerne morgen weiter antworten.

Papfl
Zuletzt geändert von Papfl am 27. Oktober 2015, 17:50, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon Lucidare » 27. Oktober 2015, 17:55

Hallo,

WlloTse hat geschrieben:
Dort habe ich mit Ergebnissen aus sehr großen Studien belegt, dass zwischen etwa 50% und 75% aller ehemals "Abhängigen" (oder: in einer als abhängig definerten Größenordnung?) trinken, ganz von allein wieder zu normalem Konsum zurückkehren.
Ohne Baclofen, ohne irgendwas.

Das entspricht etwa der Heilungsquote von Baclofen. Es kann also ohne weiteres sein, dass nur die Leute durch Baclofen genesen, die ohne Baclofen auch genesen wären.

Und ich zitiere aus dem genannten Faden:

Deutsches Ärzteblatt 3/2014 hat geschrieben:
Dabei bedeutet Remission nicht Abstinenz. Nur etwa 15 Prozent der „Selbstremittierer“ entscheiden sich für eine dauerhafte Abstinenz, der Rest finde zu einem „klinisch unauffälligen Konsum“. Weist jemand ohne professionelle Hilfe zwölf Monate lang nicht mehr die Kriterien einer Abhängigkeit auf, gilt er oder sie als „selbstremittiert“.


Heisst also ich hätte mich selbst heilen können? Etliche Versuche waren nicht von Dauer ( na gut, 1 Jahr habe ich mal geschafft). Ich hätte Baclofen gar nicht gebraucht? Was habe ich falsch gemacht? [shok]

Und noch eine Bitte an die Fachleute:

Was ist ein „klinisch unauffälliger Konsum“?

Über eine Antwort dieser Frage würde ich mich freuen.

LG
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Re: Quo vadis Baclofen- Therapie vs. Alkoholmissbrauch

Beitragvon DonQuixote » 27. Oktober 2015, 18:24

Hi Lucidare

lucidare hat geschrieben:Was ist ein „klinisch unauffälliger Konsum“?

Das bedeutet Alkoholkonsum in gensundheitlich unbedenklicher Menge.

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