Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Neues aus der Forschung, Fachartikel und sonstige Publikationen in den Medien.
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DonQuixote
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Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon DonQuixote » 26. November 2012, 12:36

Gruß @all

Ich hatte ja hier schon mal erwähnt, dass am 17.11.2012 ein Baclofen Kolloquium stattfindet, respektive, aus heutiger Sicht, bereits stattgefunden hat. Die Veranstalter (Association BACLOFÈNE) bedauerten bereits in ihrer Einladung zum Kolloquium die Abwesenheit von Prof. O. Ameisen, welcher am Tage der Konferenz im Ausland weile. Auf diesem Youtube-Kanal gibt es nun erstes Video-Material der Konferenz. Auf Französisch halt. Ich habe mir die knapp zwei Stunden noch nicht komplett reingezogen. Sensationelle News, wie z.B. hier angekündigt, wird es kaum geben. Falls doch, werde ich dann berichten.

Ich sehe das eher als einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Aufrüttelung der französischen Öffentlichkeit sowie der dortigen Funktionäre in Politik und im Gesundheitswesen. Und solche Aktivitäten strahlen auch auf den Rest von Europa ab.

Bien à vous, DonQuixote

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pragha
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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon pragha » 27. November 2012, 14:16

Hi DonQuixote

Ich sehe das eher als einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Aufrüttelung der französischen Öffentlichkeit sowie der dortigen Funktionäre in Politik und im Gesundheitswesen. Und solche Aktivitäten strahlen auch auf den Rest von Europa ab.

Wenn ich mir die deutsche Forschungs-und Medienlandschaft anschaue, habe ich eher den Eindruck, Deutschland ist von den französischen Aktivitäten in Bezug auf Baclofen völlig unbeeindruckt. Die deutsche Forschungslandschaft hat sich wohl auf Nalmefene festgelegt; der Herr über die seelische Gesundheit und andere feiern, dass Nalmefene ein wenig besser ist als ein Placebo. Und die deutsche Medienlandschaft berichtet weder über Baclofen noch über Nalmefene.
pragha

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon WilloTse » 27. November 2012, 14:23

pragha hat geschrieben:Deutschland ist von den französischen Aktivitäten in Bezug auf Baclofen völlig unbeeindruckt

Jepp.
Nur: warum? Und: wie ändern?

Für jeden Vorschlag dankbar

Willo

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon WarzoEcht » 27. November 2012, 15:56

Gelöscht wegen Zwangsouting.
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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon pragha » 3. Dezember 2012, 18:50

Hallo WilloTse, Warzoecht,
ich denke, jedes Forum, dass sich intensiv mit Baclofen und Alkoholismus beschäftigt, will auch zum Bekanntwerden in einer breiteren Öffentlichkeit seinen Beitrag leisten. Sicher hat sich in den letzten 2-3 Jahren auch in Deutschland (Schweiz kann ich nicht beurteilen) einiges getan was die Verschreibungshäufigkeit von Baclofen in den Off-Label Anwendungen angeht, aber der Bekanntheitsgrad in Deutschland ist immer noch sehr gering. Wenn ich die bekannte Zahl von ca. 30.000 Alkohol-Baclofenpatienten in Frankreich hernehme und über die Forengrößen skaliere, d.h. 8000 Forenmitglieder in Frankreich und 1400 Forenmitglieder, aufgeteilt auf die beiden Foren,in Deutschland (hat DonQuixote schon mal vorgerechnet) komme ich auf ca. 5.000 Alkohol-Baclofenpatienten in Deutschland. Somit komme ich bei 1,5 Mio Alkoholikern in Deutschland auf eine Behandlungsrate mit Baclofen von 0,3%.
Was im Vergleich dazu in Frankreich abgeht, hat DonQuixote in seinen verschiedenen Beiträgen eindrucksvoll dargestellt.
Und WilloTse, um zu deiner Frage zu kommen: ich sehe den wesentlichen Unterschied in einer kontinuierlichen Medienpräsenz über Baclofen in Frankreich, die in Deutschland nicht gegeben ist. Aber um das zu ändern oder zumindest es zu versuchen, braucht es eine messianische Einstellung oder wirklich gute Beziehungen in den Medienbereich. Ich habe keines von beiden.
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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon DonQuixote » 29. Dezember 2012, 19:37

Hallo erst mal

Seit geraumer Zeit sind zwei weitere Videos des „Colloque Baclofène, quoi de neuf“ von November 2012 auf dem Youtube Kanal der „Assosiacion Baclofène“ online. Hier eine Kurzzusammenfassung des Vortrages von Dr. Renaud de Beaurepaire.

  • Als Erstes wird die „Geschichte“ von Baclofen aufgerollt.
  • Baclofen verringert sehr stark die klassischen Entzugserscheinungen (04:15).
  • Er bevorzugt eine Erhöhung der Dosis um 30 mg pro Woche, andere Therapeuten haben ihr eigenes Schema (14:22).
  • Nach einigen Wochen soll wenn immer möglich der Patient selbst über den Fahrplan bestimmen, immer abhängig von erwünschten und unerwünschten Wirkungen, sprich Nebenwirkungen (14:22).
  • Breiten Raum nahm seine beobachtende Untersuchung von 100 Patienten über einen Zeitraum von zwei Jahren ein.
  • Die Maximaldosis soll „einige Monate“ beibehalten werden (24:15).
  • 20 Prozent seiner Patienten haben nach erfolgreicher Therapie später die Einnahme von Baclofen komplett eingestellt, ohne rückfällig zu werden. Diese Zahl werde im Verlauf der nächsten Jahre wahrscheinlich noch steigen (24:35).
  • Die mittlere Dosis beträgt knapp 150 mg pro Tag. (25:18). Bei dem Fall mit der höchsten ihm bekannte Dosis waren dies 620 mg. Diese benötigte eine kleine zierliche Person, von Beruf Zirkusartistin. Das Gewicht habe keinerlei Einfluss auf die notwendige Dosis (33:24).
    Es gibt keine Obergrenze, solange der Patient das Medikament toleriert (26:02).
  • Er greift nie in bestehende, von anderen Ärzten verordnete Medikamentationen ein: Total sind dies: 64 %. Benzodiazepine 56 %, Antidepressiva 44 %, Schlafmittel 42 %, Stimmungsaufheller 17 %, Antipsychotika (?) 12 %, Andere (?) 13 % (30:10).
  • Es gibt keine Kontraindikation bezüglich psychischer Vorerkrankung. Anfangs besteht indes das Problem bei solchen Patienten darin, ein striktes Protokoll, das Therapie-Programm einzuhalten (30:52).
  • Zu seiner eigenen Überraschung hat er festgestellt, dass je größer der Alkoholmissbrauch, respektive der Alkoholkonsum vor der Therapie waren, umso weniger Baclofen wirkte. Die statistische Relevanz ist groß und unübersehbar (31:43).
  • Dr. Renaud de Beaurepaire spricht auch von der Schwierigkeit, seine Arbeit zu publizieren. Von Lektorenseite habe er sehr viel Zuspruch erhalten, aber viele Herausgeber hätten Angst davor, Fachartikel über Baclofen zu publizieren. Die Publikation sei nur Dank freundschaftlicher Beziehungen gelungen (34:00).
  • Sehr wichtig sei, den Patienten einen schriftlichen „Fahrplan“ für die Erhöhung der Dosis in die Hand zu geben. Seitdem er das so mache, hätten sich die Erfolge enorm verbessert. Es sei zwar „idiotisch“, aber nur so funktioniere es wirklich (34:37).
  • In der Regel, jedenfalls bei den von ihm betreuten Personen, bedürften die Patienten keiner Psychotherapie. Es gebe sicher Ausnahmen, wenn z.B. ein Wille oder ein Nutzen zum Ausstieg aus der Sucht nicht klar erkennbar sei. In allen anderen Fällen reiche die simple und verständnisvolle Einnahme des Medikaments (01:04:49).
Dies ist erst mal was ICH an dem Vortrag interessant und bemerkenswert fand. Und das Wiedergegebene ist auch immer NUR die Meinung von Dr. Renaud de Beaurepaire. Andere Zuhörer und andere Ärzte/Therapeuten können abweichende oder gar gegenteilige Interessen oder Ansichten haben.

Der Punkt 11 („Je grösser der vormalige Alkoholkonsum, desto weniger wirksam ist Baclofen“) hat mich zunächst irritiert. In Tierversuchen ist nämlich genau das Gegenteil der Fall (Quelle aus 2. Hand). Dr. Renaud de Beaurepaire erklärt (32:14): „Dies stellt Baclofen als Anti-Craving Medikament nicht in Frage. Ich denke, dass die Personen mit sehr hohem Alkoholkonsum diesen auch irgendwie brauchen. Ein Hauptgrund für das Scheitern der Baclofen-Therapie ist, dass diese Patienten einen Erfolg gar nicht möchten. Sie trinken so massiv aus psychologischen Gründen, vielleicht um einen antidepressiven Effekt zu erzielen, vielleicht um nicht nachdenken, vielleicht um nicht mit der Umwelt ohne Mithilfe eines Wirkstoffes kommunizieren zu müssen. Ich vermute, dass das Verhältnis von zuvor konsumierter Alkoholmenge und dem Misserfolg der Baclofen-Therapie mit der geringen Motivation zusammenhängt. Eine Hypothese.“

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon pragha » 31. Dezember 2012, 13:41

Don Quixote,

"Je grösser der vormalige Alkoholkonsum, desto weniger wirksam ist Baclofen"

Diese Aussage ist auch für mich sehr überraschend. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die gegenteilige Aussage richtig ist, d.h. Baclofen erst bei einem süchtigen Trinker seine volle Wirksamkeit zeigt. Bei Alkoholmissbräuchlern ist Baclofen gegenüber einem Placebo kaum überlegen, vergl die Doppelblindstudie von Garbutt, 2010, die ja von Gegnern von Baclofen gerne herangezogen wird zum Beweis der Wirkungslosigkeit von Baclofen.
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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon weinteufel » 31. Dezember 2012, 14:06

"Je grösser der vormalige Alkoholkonsum, desto weniger wirksam ist Baclofen"

Ich möchte mal die Motivation als alles Entscheidende zu Grunde legen. Meine Meinung ist, das die Motivation eines Probanden im Selbstversuch wesentlich höher ist, als desjenigen der Bac sozusagen von einem Doc aufs Auge gedrückt bekommt. Die positive Einstellung gegenüber einem Medikament erhöht die Wirksamkeit sicherlich. Wobei der Placeboeffekt dabei auch eine Rolle spielt.

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon Papfl » 31. Dezember 2012, 16:25

DonQuixote hat geschrieben:Der Punkt 11 („Je grösser der vormalige Alkoholkonsum, desto weniger wirksam ist Baclofen“) hat mich zunächst irritiert.


Hallo alle!

Ich glaube nicht, dass Baclofen weniger wirkt, wenn der vormalige Alkoholkonsum höher war. Vielleicht sollte man in diesem Zusammenhang eher in Betracht ziehen, dass Patienten, die große Mengen Alkohol "vertragen", meist auch über einen sehr langen Zeitraum massiv getrunken haben (Stichwort: Toleranzentwicklung).

Entsprechend ausgeprägt ist deren "Suchtgedächtnis" (oder, um einen weniger vorbelasteten Begriff zu wählen: deren "Erfahrung mit Alkohol").

Ich habe an verschiedenen Stellen hier im Forum schon geschrieben, dass mit Blick auf die Baclofen-Therapie meiner Ansicht nach zwischen "Trinkwunsch" und "Suchtdruck" unterschieden werden muss. Der klassische "Suchtdruck" spielt sich auf der neurobiologischen Ebene ab (s. auch hier) und ist nicht willentlich beeinflussbar. Hier kann Baclofen Abhilfe schaffen.

Den "Trinkwunsch" hingegen können wir willentlich beeinflussen. Und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass hier psychotherapeutische Ansätze unbedingt nötig sind, um die Gründe für unseren Alkoholmissbrauch zu analysieren und Strategien zu erarbeiten, wie wir diesem "Trinkwunsch" künftig Paroli bieten können.

Der Wunsch, in bestimmten Situationen zu trinken, resultiert nämlich unter anderem aus der Erfahrung heraus, die wir in all den Jahren unseres Alkoholkonsums gemacht haben. Denn Konzerte waren nunmal unter Alkoholeinfluss unbestritten "geiler" als nüchtern. Und Parties auch. Und Probleme konnte man wegtrinken (zumindest für eine gewisse Zeit), und Schmerzen, Ängste oder Depressionen wurden auch erträglicher...

Diese Verhaltensweisen und positiven Erfahrungen mit Alkohol haben sich in unser (Sucht)gedächtnis eingebrannt. Man könnte auch sagen: Wir sind ein Stück weit "konditioniert". Etwa nach dem Schema: Problem --> Alkohol. Mieses Gefühl --> Alkohol. Schmerzen --> Alkohol usw.. Dann wird alles gut!

Wenn jemand nun sehr viel (und damit auch lange Zeit) getrunken hat, sind diese Schemata natürlich ganz tief im Gedächtnis verankert (bzw. die "Konditionierung" nahezu perfekt) und die Gefahr, dem Trinkwunsch nachzugeben, ist deshalb natürlich um ein Vielfaches höher --> Rückfälle werden wahrscheinlicher.

Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, dass die Rückfälle, von denen Dr. Beaurepaire spricht, auf die Wirkung von Baclofen zurück zu führen sind (denn Baclofen wirkt ja meiner Theorie nach an anderer Stelle - nämlich als neurobiologische Komponente beim "Suchtdruck"), sondern in der Tat auf den "Trinkwunsch" bzw. die Tatsache, dass Alkohol (nach jahrelanger "Konditionierung") von schweren Trinkern immer noch als einzige Alternative bei Problemen verschiedener Art gesehen wird.

Auch mit der Unterstützung von Baclofen müssen wir also noch ein ganzes Stück an uns arbeiten. Aber dank Baclofen wird diese Arbeit erst möglich [good]

In diesem Sinne: Guten Rutsch!

Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon WarzoEcht » 31. Dezember 2012, 16:40

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon DonQuixote » 1. Januar 2013, 21:52

Hallo erst mal.

Pragha hat geschrieben:"Je grösser der vormalige Alkoholkonsum, desto weniger wirksam ist Baclofen". Diese Aussage ist auch für mich sehr überraschend. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die gegenteilige Aussage richtig ist, d.h. Baclofen erst bei einem süchtigen Trinker seine volle Wirksamkeit zeigt. Bei Alkoholmissbräuchlern ist Baclofen gegenüber einem Placebo kaum überlegen, vergl die Doppelblindstudie von Garbutt, 2010, die ja von Gegnern von Baclofen gerne herangezogen wird zum Beweis der Wirkungslosigkeit von Baclofen.

Absolut einverstanden, pragha. Ich habe mir die Stelle des Vortrages (31:43) nochmals angehört. Es ist unklar, ober er „Alkoholmissbräuchler“ von „Süchtigen“ unterscheidet oder „Süchtige mit hohem Alkoholkonsum“ von „Süchtigen mit EXTREM hohem Alkoholkonsum“. Ich denke dass letzteres der Fall ist, wenn ich mir seine eigentliche Publikation anschaue. Aber Kuck selber, mein Englisch ist nicht so toll. Und überhaupt: Eine Übersetzung seiner Publikation wäre sehr hilfreich, da steckt noch Einiges drin. Es fehlt mir aber im Moment die Kraft dazu.

Warzo hat geschrieben:Dieser Forscher ist mir in 2011 schon mal negativ aufgefallen, […] Ich kann mich nur leider nicht mehr an Details erinnern.

Sorry, Warzo. Aber solche Beiträge sind alles andere als hilfreich, ganz im Gegenteil.

DonQuixote

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon WarzoEcht » 2. Januar 2013, 11:24

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon Papfl » 2. Januar 2013, 12:30

Hallo zusammen!

Ich vermute mal, Warzo bezieht sich mit seiner Zusammenfassung auf den angehängten Text (Beaurepaire - Traitement de l’alcoolisme par le baclofène).

Beste Grüße
Papfl
Dateianhänge
Beaurepaire - Traitement de l’alcoolisme par le baclofène.pdf
(122.13 KiB) 240-mal heruntergeladen
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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon WarzoEcht » 2. Januar 2013, 20:36

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon DonQuixote » 3. Januar 2013, 16:50

Hallo erst mal

Warzo hat geschrieben:Wirklich konstruktiv wäre eine Übersetzung des gesamten englischen Textes, die ich gerne übernehme, aber frühestens ab dem 15.1. und dann auch nur mit zeitlich limitierten Ressourcen.
[…]
Der neue engl. Artikel ist wesentlich interessanter, deswegen: sobald ich kann.

Hey Warzo, das wäre GENIAL!

Ich bin mir SEHR sicher, dass da einige Perlen gehoben werden können, dass da Sachen drin stecken, die uns bisher nicht bekannt oder bewusst waren. Keine Eile, das Papier ist auch in Wochen und Monaten noch Gold wert. Ich würde auch keine Zwischenresultate veröffentlichen. EIN mal, die finale Langversion und gut ist. Wenn Du Mithilfe brauchst, dann melde Dich bei mir oder hier im Forum.

DonQuixote

P.S. Publikation dann hier.

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon WilloTse » 4. Januar 2013, 03:21

Papfl hat geschrieben:Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, dass die Rückfälle, von denen Dr. Beaurepaire spricht, auf die Wirkung von Baclofen zurück zu führen sind (denn Baclofen wirkt ja meiner Theorie nach an anderer Stelle - nämlich als neurobiologische Komponente beim "Suchtdruck"), sondern in der Tat auf den "Trinkwunsch" bzw. die Tatsache, dass Alkohol (nach jahrelanger "Konditionierung") von schweren Trinkern immer noch als einzige Alternative bei Problemen verschiedener Art gesehen wird.

Das sehe ich ähnlich.

DonQuixote hat geschrieben:Zu seiner eigenen Überraschung hat er festgestellt, dass je größer der Alkoholmissbrauch, respektive der Alkoholkonsum vor der Therapie waren, umso weniger Baclofen wirkte. Die statistische Relevanz ist groß und unübersehbar (31:43).

Wenn sich das wirklich halten lässt, dann spricht das m.E. für die dringende Notwendigkeit von Psychotherapie (mindestens bei dieser Patientengruppe). Denn, wie wir alle wissen: auch mit klarem Kopf sind die Probleme (bzw. zugrunde liegenden Primärerkrankungen) noch da. Wenn den Patienten dann die Mittel fehlen, irgendetwas anderes als den nächsten Vollrausch zur "Lösung" der Probleme anzusteuern, ist das nicht mit mangelnder Wirksamkeit des Medikamentes gleichzusetzen. Es spricht eher dafür, dass die Annahme, die
DonQuixote hat geschrieben:simple und verständnisvolle Einnahme des Medikaments [reiche aus] (01:04:49).
ein bisschen an der Lebenswirklichkeit vorbeizielt.

LG
Willo

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon DonQuixote » 4. Januar 2013, 22:08

Hallo erst mal.

Vor allem zwei Aussagen von Dr. Renaud de Beaurepaire haben zu vielen Nachfragen und Kommentaren Anlass gegeben. Es handelt sich um diese beiden Themenkreise:

DonQuixote hat geschrieben:1. Zu seiner eigenen Überraschung hat er festgestellt, dass je größer der Alkoholmissbrauch, respektive der Alkoholkonsum vor der Therapie waren, umso weniger Baclofen wirkte. Die statistische Relevanz ist groß und unübersehbar. (31:43)

Den Vortrag gibt’s hier bei Youtube. Ich kann nur nochmals bekräftigen, dass das genau so vorgetragen wurde. Was das bedeutet oder nicht bedeutet oder bedeuten könnte, haben wir bereits diskutiert. Ich habe da im Moment nichts weiter zu sagen. Nur noch etwas zur Signifikanz der statistischen Werte. Dr. Renaud de Beaurepaire gibt die Signifikanz mit p<0.0005 an, was ausgesprochen hoch sei. Willo, Du kannst uns Statistik-Muffeln bestimmt erklären, was das umgangssprachlich bedeutet. Wiederfinden sollte man diese Zahlen eigentlich auch im englischen Fachartikel Beaurepaires, vielleicht auch genauere Angaben zu dem, was er „hohen Alkoholkonsum“ nennt. Aber da möchte ich der zukünftigen Deutschen Übersetzung nicht vorgreifen.

DonQuixote hat geschrieben:2. In der Regel, jedenfalls bei den von ihm betreuten Personen, bedürften die Patienten keiner Psychotherapie. Es gebe sicher Ausnahmen, wenn z.B. ein Wille oder ein Nutzen zum Ausstieg aus der Sucht nicht klar erkennbar sei. In allen anderen Fällen reiche die simple und verständnisvolle Einnahme des Medikaments (01:04:49).

Dazu mehr in einem späteren Beitrag. Der wird etwas länger.

DonQuixote

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon WilloTse » 5. Januar 2013, 08:25

Moin Don & all!
DonQuixote hat geschrieben:Dr. Renaud de Beaurepaire gibt die Signifikanz mit p<0.0005 an, was ausgesprochen hoch sei.

Stellt man bei der Sammlung von Daten einen Zusammenhang fest (hier, vereinfacht: hoher vorheriger Alkoholkonsum führt zum Scheitern der Baclofentherapie), besteht immer die Möglichkeit, dass dieser Zusammenhang nur einem blöden Zufall geschuldet ist. Die Signifikanz p< irgendwas stellt lediglich fest, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass dieser Zusammenhang tatsächlich zufällig ist.
Bei p<0,0005 ist es extrem unwahrscheinlich, dass der Zusammenhang zufällig ist.

Über Art und Sachlogik des Zusammenhanges an sich lässt sich hieraus natürlich noch nichts ablesen.

Ein Satz noch zu den Nachfragen: nicht obwohl, sondern weil Deine Übersetzungen der französischen Ärzte und Wissenschaftler das beste und wichtigste ist, was dem deutschen Baclofensektor derzeit an echtem Wissen zur Verfügung steht, nehme ich jede Kritik daran oder Möglichkeit einer eventuellen Fehlinterpretation darin ausgesprochen ernst.
Ich muss Dir nicht zum hundertsten Mal meinen Dank und meine hohe Anerkennung Deiner Arbeit ausdrücken, tue es aber trotzdem hiermit: Danke!

LG
Willo

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon DonQuixote » 5. Januar 2013, 17:22

Hallo erst mal.

Hier noch die zweite Aussage von Dr. Renaud de Beaurepaire welche häufig hinterfragt und kommentiert wurde:

DonQuixote hat geschrieben:2. In der Regel, jedenfalls bei den von ihm betreuten Personen, bedürften die Patienten keiner Psychotherapie. Es gebe sicher Ausnahmen, wenn z.B. ein Wille oder ein Nutzen zum Ausstieg aus der Sucht nicht klar erkennbar sei. In allen anderen Fällen reiche die simple und verständnisvolle Einnahme des Medikaments (01:04:49).

Den Vortrag gibt’s hier bei Youtube. Der Vortrag von Dr. Renaud de Beaurepaire dauert von Minute 00:05 bis 38:38. Danach, und bis Minute 1:19:33, werden Fragen aus dem Publikum beantwortet, unter Mitbeteiligung auch von Fr. Dr. Annie Rapp. Um obige Aussage von Dr. Renaud de Beaurepaire in einen etwas größeren Zusammenhang zu stellen, übersetze ich das Video integral von Minute 50:15 bis 1:05:40.

Vortrag Dr. Renaud de Beaurepaire hat geschrieben:50:15 / Frage einer Dame aus dem Publikum: „Guten Tag, ich heiße XY und leite ein risikominierendes Präventionsprogramm für Jugendliche. Ich habe drei Fragen die ich Ihnen stellen möchte. Als erstes würde ich gerne wissen, denn ich bin weder Ärztin noch Neurologin, ob Sie mir ein paar Erklärungen zum physiologischen Zusammenwirken von Baclofen und Gehirn geben könnten? Man sagte mir immer, dass der Körper nie vergisst, dass also die Sucht lebenslang besteht und man deshalb nie mehr wieder trinken dürfe. Diese Prämisse wird ja durch Baclofen komplett in Frage gestellt. Wie lässt sich das auf der Ebene Gehirn ↔ Medikament erklären? Auch in Bezug auf andere Drogen oder Tabak, denn wenn die Suchtmechanismen dieselben sind, könnte Baclofen dann auch dort angewendet werden? 51:17 / Meine zweite Frage dreht sich um ein Thema, welches heute Morgen von Frau Annie Rapp bereits angesprochen wurde, nämlich um eine komplementäre psychotherapeutische Behandlung. Soviel ich weiß geht ja die zunächst psychische Abhängigkeit später in eine physische Abhängigkeit über. Wenn Baclofen gegen die physische Abhängigkeit angewendet wird, ist es dann nicht fundamental notwendig, das ist jetzt eine ganz wertneutrale Frage, parallel dazu auch eine psychologische Betreuung durchzuführen? Ich bin Psychologin und Therapeutin für Alkoholprobleme, ich weiß nicht, ob ich das bereits erwähnte, diese Frage interessiert mich also schon rein beruflich. 52:06 / Meine dritte Frage: Ich würde gerne wissen, ob es unter Ihren jetzigen oder ehemaligen Patienten welche gibt, die nach Jahren der Abstinenz von Baclofen hörten und das jetzt versuchen möchten, mit der Absicht, wieder Alkohol trinken zu können. Danke.“

52:30 / Beaurepaire: „Also die zweite Frage (Anm. DQ: komplementäre psychotherapeutische Behandlung) überlasse ich Annie [Rapp]. Bist Du [Seitenblick zu Annie Rapp] einverstanden? Ich werde also auf die erste Frage antworten. Die dritte ist ein wenig seltsam. Fragten Sie, ob jemand wieder Baclofen nimmt um wieder trinken zu können?“

52/49 / Dame: „Zum Beispiel: Ich bin ehemalige Patientin, seit zwei Jahren abstinent, konsumiere also keinerlei Alkohol mehr. Wenn man mir also die Möglichkeit gäbe, wieder richtig „geheilt“ zu werden, ein Begriff der bis anhin ja so nicht verwendet wurde, man war „stabilisiert“ aber nicht „geheilt“. Also wenn man mir die Möglichkeit gäbe, Dank dieses Medikaments von Zeit zu Zeit wieder Alkohol zu trinken, haben Sie Anfragen, die auf so etwas abzielen?“

53:23 / Beaurepaire: [Seitenblick zu Annie Rapp] „Annie, hast Du schon einmal eine solche Anfrage gehabt? [Geste von Annie Rapp nicht im Bild, wahrscheinlich aber Nein]

53:26 / Dame: „Oder was würden Sie davon halten?“

53:29 / Beaurepaire: „Das ist ein etwas spezieller Fall. Ich antworte jetzt auf die erste und dritte Frage gleichzeitig, denn das scheint mir in der Tat irgendwie alles miteinander verwoben. Die erste Frage, Sie haben sie gestellt, ist die, wo es um das „Suchtgedächtnis“ ging. Das heißt, es gibt eine Erinnerung an Erfahrungen und Vergnügen mit einem Suchtstoff. Diese möchte man gerne wieder haben. Diese Erinnerungen haben sich im Gehirn eingeprägt, ich weiß nicht, vielleicht im limbischen System, und dann passiert es, dass durch äußere Reize Erinnerungen an solche Erfahrungen wach gerufen werden und man möchte das damals erlebte wiedererfahren. Darauf gründet sich die psychische Abhängigkeit. Diese ist in allgemeinen sehr sehr stark. Sie ist sehr stark für den Alkohol, aber möglicherweise noch stärker in Bezug auf Nikotin. Es gibt sehr viele Erfahrungen mit ehemaligen Rauchern, die mit unterschiedlichen Methoden aufhörten, aber es genügt eine einzige Zigarette, beim Alkohol ist es ein einziges Glas, und alles beginnt von vorn. Das heißt, dass eine einmalige Wiedereinnahme des Suchtstoffes alle Erinnerungen an das Vergnügen wieder in Gang setzt und die Sucht wieder da ist. Deshalb unterscheidet man zwei verschiedene Abhängigkeiten, die psychische und die physische. Über die physische haben wir heute Morgen gesprochen, das heißt all die Symptome die Auftreten, wenn man eine Droge absetzt, die sind störend, schmerzhaft, dauern aber nicht sehr lange. Die klassischen Entzugs-Kuren dauern ein bis drei Wochen und nach drei Wochen geht man davon aus, dass keine physische Abhängigkeit mehr besteht. Die psychische Abhängigkeit hingegen, d.h. diese Erinnerung, dauert sehr sehr lange an, auch in unterschiedlicher Intensität, je nach Person. Das hat auch einen Zusammenhang mit der Möglichkeit, Baclofen nach einer bestimmten Zeit abzusetzen, wovon wir vorher schon gesprochen haben. Personen mit einer hohen psychischen Abhängigkeit müssen Baclofen lange einnehmen und abstinent bleiben, bis die Verknüpfung von äußereren Reizen mit dem Bedürfnis nach Vergnügen verschwindet. Bei Personen die nicht rückfällig werden heißt das, im Allgemeinen, dass eine psychische Abhängigkeit nicht mehr besteht. Deshalb denke ich, dass man Baclofen über mehrere Jahre einnehmen muss, bis die psychische Abhängigkeit überwunden ist. Aber das ist von Person zu Person unterschiedlich.“

53:21 / Dame: „Gut. Aber heißt das jetzt, dass man diese psychische Abhängigkeit behandeln muss, da Baclofen ja nur die physische Seite abdeckt?“

56:28 / Beaurepaire: „Im Wesen jeder Erinnerung liegt es, zu verschwinden. Das ist ein Grundprinzip der Neurophysiologie.“

56:34 / Dame: „So lange sie nicht wieder stimuliert wird. Ist das richtig?“

56:37 / Beaurepaire: „Damit eine Erinnerung nicht verschwindet, muss sie reaktiviert werden. Wenn jemand Baclofen nimmt, wirklich genesen möchte, eine reele Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol hat, die Behandlung weiterführt, macht er das so lange wie die Erinnerung noch da ist. Bis die Erinnerung an das Vergnügen mit der Droge verschwunden ist, weil genau das wird geschehen. Die Personen welche die Einnahme von Baclofen einstellten und nicht rückfällig werden, sagen mir, wenn ich sie mal wieder sehe: „Ich nehme kein Baclofen mehr, ich kann Alkohol gegenüber sitzen, auch mal ein Glas davon trinken, ohne dass mir das etwas ausmacht. Ich hege nicht mehr den Wunsch, die Erfahrungen von damals zu wiederholen.“ Es handelt sich also um eine psychische Erinnerung, welche verschwunden ist. Es ist sehr gut möglich, dass Ihnen Annie Rapp sagen wird, dass dieser Prozess durch eine Psychotherapie positiv unterstützt wird, daran zweifle ich nicht, aber der physiologische Prozess des Entstehens, des Fortschreibens und des Verschwindens von Erinnerungen ist ein Vorgang in sich und bedarf nicht notwendigerweise einer Psychotherapie.“

57:48 / Beaurepaire: „Deshalb kann ich hier auch zu Ihrer dritten Frage verknüpfen. Angenommen eine Person, die seit dreißig Jahren nichts getrunken hat, und sich jetzt sagt: Toll, ich kann mit Baclofen wieder trinken und damit aufhören wann ich will! Das war doch Ihre Frage, oder nicht?“

58:00 / Dame: „Ganz genau.“

58:02 / Beaurepaire: „Das ist eine Person, bei der die Erinnerung an Alkohol und das damit verknüpfte Vergnügen noch vorhanden ist. Ich erachte sie als noch nicht vollständig geheilt. Sie müsste, auch dreißig Jahre danach, weiterhin Anstrengungen für die Beibehaltung ihrer Abstinenz erbringen.“

[Ein Zwischenruf aus dem Publikum. Nicht verständlich]

58:22 / Beaurepaire: „Ich meine …, Ja, bestimmt kann Baclofen, immer vorausgesetzt dass es bei der Person funktioniert, ein Mittel zur Erlangung von …, d.h. zum Kurzschließen des Willens sein. Bestimmt.“

Irgendwie für einige Sekunden ein toter Moment jetzt im Vortrag. Dr. Renaud de Beaurepaire blickt sich mehrmals nach links und nach rechts um. Auch ich als Video-Zuschauer bin etwas ratlos. Fr. Dr. Annie Rapp ergreift das Mikrofon:

Vortrag Dr. Renaud de Beaurepaire hat geschrieben:58:44 / Rapp: „Also, ich komme jetzt nochmals darauf zurück. Unter meinen Patienten die ich als geheilt einschätze, gibt es 43 %, welche nur Baclofen bekommen haben und in Gesprächen über die sachgemäße Einnahme aufgeklärt wurden. Vielleicht auch noch ein kleines bisschen psychologische Begleitung. 34 % erhielten zusätzlich zu Baclofen eine Psychotherapie. Sie sehen also, dass ich mehr Patienten habe, die ohne meine subtile [grinst] und professionelle psychotherapeutische Hilfe gesund geworden sind als solche mit Psychotherapie. Voilà. So denke ich, dass eine Psychotherapie - die verschiedenen Formen sind da gleichwertig, sie funktionieren alle sehr gut wenn der Therapeut mit seiner Methode vertraut ist – nicht unbedingt für Alle absolut erforderlich ist. Aber auch hier muss man differenzieren: Die meisten meiner Patienten führen ein völlig selbständiges Leben. Es sind sehr wenige Personen dabei, die weitergehend durch suchtmedizinische Einrichtungen betreut werden und eine schwere Suchtvergangenheit aufweisen. Mit diesen, die dann von mir betreut werden wollten, hatte ich nur sehr wenig Erfolg, d.h. nur zwei Prozent positive Resultate, wenn sie durch ihren Alkoholismus schwer geschädigt waren. Sie benötigen die umfassende Unterstützung, welche die suchtmedizinischen Einrichtungen zu geben in der Lage sind. Es ist sehr schade, dass diese Einrichtungen Baclofen nicht in ihr Repertoire aufnehmen, denn sie würden sehen, dass ihre Erfolgsquoten damit anstiegen. Es ist also nicht das Eine oder das Andere [Anm. DQ: Medikament / Psychotherapie] sondern Beides.

1:00:31 / Moderator: Er knüpft hier an und erläutert die jüngst veröffentlichte offizielle Haltung zu Baclofen der beiden Französischen suchtmedizinischen ärztlichen Fachvereinigungen. Das übersetze ich jetzt nicht.

1:03:22 / Rapp: „Ich möchte noch etwas anmerken: Einer der Gründe warum ich Baclofen zu verschreiben begann, ist der Umstand, dass ich bemerkt hatte, dass diejenigen Patienten, welche zusätzlich Antidepressiva nahmen, viel schnellere Fortschritte machten als die anderen. Die gleichzeitige Gabe dieser beiden Medikamente erleichtert die psychologische Arbeit sehr. Wenn die Person entspannter, ruhiger ist, arbeitet sie in der Psychotherapie besser mit, folgt besser den Ratschlägen, und so geht das in eine gute Richtung.“ [Anm. DQ: Zusammenhang und Logik dieses Absatzes, vor allem der einleitende Satz: „Einer der Gründe warum…“ erschließt sich mir jetzt nicht ganz. Aber Fr. Dr. Annie Rapp hat das wirklich so gesagt.]

1:04:01 / Beaurepaire: „Für mich gilt es zwei Dinge zu nuancieren: Zunächst gibt es in der Tat alle diese Antidepressiva. Vielleicht hast Du das so bemerkt [Zu Fr. Dr. Annie Rapp], bei mir war das nicht der Fall. Gut, ok. Ich selbst habe nicht festgestellt, dass Patienten mit Antidepressiva besser auf Baclofen reagieren. Überhaupt nicht. [Unverständlicher Einwand Fr. Dr. Annie Rapp]. Ach so, sie reagieren besser auf die Psychotherapie. Dann habe ich das falsch verstanden. Ich würde noch etwas Zweites sagen wollen, um zuvor Gehörtes zu nuancieren. Man kann das zwar nicht verallgemeinern, aber für die Mehrheit der Patienten ist Alkoholismus die Hölle. Die simple Tatsache, dieser Hölle zu entkommen, ist besser als irgendeine Psychotherapie. Im Allgemeinen, jedenfalls bei den Patienten die ich habe, das sind vielleicht nicht die gleichen wie bei Dir [zu Fr. Dr. Annie Rapp gewandt], und die gut auf Baclofen ansprechen, bedürfen, [wiederholt es] „im Allgemeinen“, keinesfalls einer Psychotherapie. Es kommt vor, dass gewisse Personen das benötigen, solche, die nicht sehr gut auf Baclofen ansprechen, bei denen man einen veritablen Zwiespalt gegenüber des Gedankens an eine Genesung erkennt, die dazu nicht wirklich gewillt sind und sehr am Alkohol hängen etc. Dort ist eine Psychotherapie sehr wohl angezeigt. Aber für die, die seit 10, 15, 20 Jahren die Hölle des Alkohols durchleben und sich jeden Tag sagen, ich MUSS aufhören, ich WILL aufhören, und ich KANN nicht mehr, und dann trotzdem weitertrinken, wiegt die simple Tatsache, mit dem Trinken aufzuhören, mehr als jede Psychotherapie der Welt.“

Das war’s jetzt erst mal. Einen kurzen Kommentar meinerseits gibt’s dann später.

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Re: Baclofen-Kolloquium Frankreich November 2012

Beitragvon Argentina1 » 6. Januar 2013, 00:56

Unglaublich Don was du da für eine Arbeit leistest und das kann ich als Übersetzerin sehr wohl gut einschätzen!!! Danke, Danke, Danke und ....gut gemeinter Rat, denk auch mal ab und zu wieder an dich!

Lg, Argentina [hi_bye]


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