In diesem französischen Forum bin ich angemeldet, lese dort allerdings sehr selten. Ich kann zwar sehr gut Französisch, aber die Lesegeschwindigkeit lässt eben doch zu wünschen übrig. Das frustriert eine bisserl. Wie auch immer, es dauert nicht lange, bis man dort über eine laufende Umfrage stolpert. Sie ist sehr viel strukturierter (und umfangreicher) als die britische.
Die Umfrage läuft seit August 2011 und dauert weiter an. Eine Auswertung gibt es bisher nicht. Ich habe mir alle Rückmeldungen raus geschrieben und in Statistiken verwurstet. Berücksichtigt habe ich die Antworten bis und mit 16.05.2012, eingebracht haben sich bis zu diesem Datum 119(!) User des Forums.
Zunächst der Fragenkatalog der Umfrage:
- Erfolg oder Misserfolg?
- Bis zu welcher Menge Baclofen haben Sie maximal dosiert?
- Letzteres nach wie langer Zeit der Therapie?
- Wie war diese Menge über den Tag verteilt?
- Zu welchen Tageszeiten hatten Sie Craving?
- Wie hoch ist die Menge Baclofen die Sie heute einnehmen?
- Nebenwirkungen:
A: Gar keine
M: Mittel, d.h. ungefähr dieselben wie bei einem mittleren Alkoholrausch: Schwindel, verschiedenste Störungen, Übelkeit, Erbrechen … oder sagen wir ein bisschen stärker, weil die Effekte von Baclofen sich bei der gleichzeitigen Einnahme von Baclofen verstärken. Welche neuen Nebenwirkungen (Schwitzen, Schlaflosigkeit …) gab es? Störend aber nicht wirklich behindernd.
F: Starke, bisher nie gekannte Nebenwirkungen (bitte präzisieren welche), behindernd, Arbeitsausfälle nach sich ziehend (respektive Arbeitsaufnahme behindernd) oder in dem Sinne, die Dosissteigerung verlangsamen oder die Dosis verringern zu müssen.
I: Unerträglich. Für diejenigen welche die Einnahme von Baclofen vor der Heilung (franz: guérison) abbrechen mussten. - Haben Sie während der Baclofen-Therapie die Menge von anderen Medikamenten (z.B. Benzodiazepine) verringern können und wenn ja welche und um wie viel.
- Welchem Wert auf der Skala dieses Fragebogens haben Sie vor der Behandlung erzielt?
Hier nun meine Bemerkungen zu obigem Fragenkatalog:
- Erfolg oder Misserfolg?
Das scheint mir zu verkürzt. Besser wäre es, die Kandidaten zunächst zu fragen, ob sie subjektiv (für sich selbst) die Baclofen-Therapie als Erfolg empfinden. Danach müsste man sie nach ihrem Alkoholkonsum fragen und die objektive Beurteilung des Erfolges/Misserfolges einem Außenstehenden überlassen. Dabei müsste man halt so etwas wie den Maßstab des unbedenklichen Trinkens gemäß Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ansetzen. Ja, ich weiß, das ist auch eine Verkürzung, aber was Besseres ist auf die Schnelle nicht zu haben.
Der Begriff „Heilung“ oder „Genesung“ (franz: guérison) scheint in diesem französischen Forum weit verbreitet zu sein. Nicht wenige User tragen in ihrem Pseudonym sogar den Zusatz „guéri(e)“ (franz: männlich/weiblich für „geheilt“ oder „genesen“) - Bis zu welcher Menge Baclofen haben Sie maximal dosiert?
In so gut wie allen Fällen wurde das mit dem Zusatz: „Bis zum Eintreten der Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol“ (sogenannter „Switch“) verstanden. - Letzteres nach wie langer Zeit der Therapie?
Gut gemeinte Frage. Sie zielte erst mal auf das Tempo der Dosis- Steigerung ab. Von so gut wie allen Usern wurde sie aber interpretiert als Zeit bis zu ihrer „Heilung“ oder „Genesung“ (siehe oben). Und spätestens jetzt tritt ein schwerer Systemfehler der Umfrage zu Tage: Es gibt keinerlei Zulassungsbeschränkung, jeder kann mitmachen, ungeachtet der Dauer seiner bisherigen Baclofen-Therapie. So kommen dann viele Ergebnisse zustande, wo sich Kandidaten nach einem Monat, ja manchmal schon nach einer Woche als „geheilt“ bezeichnen. Dass das nicht stimmen kann, wissen wir. Klar gibt es vereinzelt Fälle, in denen ab dem ersten Tag der Baclofen-Einnahme der Alkohol auf null reduziert wird und derjenige in seinem restlichen Leben nie wieder ein Glas anrühren wird. Aber die Masse solcher oder ähnlicher ultraschneller „Wunderheilungen“ (Ihr seht das dann weiter unten bei den Statistiken) lässt mich schon die Stirne in beträchtliche Falten legen. - Wie war diese Menge über den Tag verteilt?
Na ja, gibt nicht viel her. Dazu schreibe ich dann vielleicht mal was in einem separaten Thread oder in meinem eigenen Erfahrungsbericht. - Zu welchen Tageszeiten hatten Sie Craving?
Gibt auch nichts her. Sehr viele User schreiben dazu auch nichts. - Wie hoch ist die Menge Baclofen die Sie heute einnehmen?
Damit ist die sogenannte „Erhaltungsdosis“ gemeint. Manchmal sind die Ergebnisse seltsam, wenn die Erhaltungsdosis z.B. höher als die maximale Dosis (Frage 2) liegt. Die User haben das dann eben falsch verstanden, unter „maximaler Dosis“ die „Switch Dosis“ angegeben und im weiteren Verlauf, aus was für Gründen auch immer, die Dosis nochmals erhöht.
Diese Frage wurde übrigens erst am 24.10.2011, knapp drei Monate nach dem Start, in den Katalog aufgenommen. Auf Anregung eines mit Baclofen behandelnden Arztes übrigens. Die User wurden gebeten, auf ihr ursprüngliches Posting zurück zu kommen und mit dieser Information zu ergänzen. Das taten natürlich nicht alle. Näheres dazu dann weiter unten bei den Auswertungen. - Nebenwirkungen
So, hier wird’s hochinteressant, sprengt jetzt aber den Rahmen dieses Postings. Die französischen Freunde (nicht alle) äußern sich teilweise sehr detailliert und wortreich. Das will ich unbedingt noch auswerten. Es ist aber nicht ganz einfach, da eine Struktur rein zu bringen. Auch diese Frage wurde erst am 24.10.2011, knapp drei Monate nach dem Start, in den Katalog aufgenommen. Aber Ihr werdet sehen: Das wird ähnlich ergiebig wie die Untersuchung des Teams der Université Descartes, Paris. - Haben Sie während der Baclofen-Therapie die Menge von anderen Medikamenten (z.B. Benzodiazepine) verringern können und wenn ja welche und um wie viel.
Die Antworten zu dieser Frage sind sehr sehr spärlich. Ich erspare mir die Auswertung. - Welchen Wert auf der Skala dieses Fragebogens haben Sie vor der Behandlung erzielt?
Das entspricht exakt diesem Fragebogen auf Deutsch. Nur wenige User mochten diese Frage beantworten. Auch wünschte man sich natürlich einen Wert nach der Behandlung. Insgesamt gesehen also wenig Aussagekraft, ich erspare mir ebenfalls die Auswertung.
- Sagenhafte 93,3 % (111 User) meinten, Erfolg gehabt zu haben.
- Lediglich 4,2 % (5 User) waren sich nicht sicher, hatten aber noch Hoffnung.
- Nur 2,5 % (3 User) sahen ihre Baclofen-Therapie als gescheitert an.
Wirklich aussagekräftig sind die Antworten zur Frage 2 (maximale Dosierung). Ob das nun wirklich eine „Switch-Dosierung“ war und zur „Heilung“ geführt hat, bleibe dahingestellt. Bei vielen oder sehr vielen mag das sogar so sein. Sie zeigen uns aber mindestens, mit was für Dosierungen in Frankreich hantiert wird. Sehr schade, dass es keine Angaben zum Gewicht der Kandidaten gibt. Denn gewichtsbezogen ergeben die Grafiken der britischen Forums-Umfrage und der Untersuchung der Université Descartes, Paris. ein für mich stimmigeres Bild als nur die Menge in mg/Tag
Dargestellt sind alle User, die „Erfolgreichen“ (111 User) und die teilweise oder gänzlich „Erfolglosen“ (8 User), wobei letztere nicht kenntlich gemacht sind. Ein Zusammenhang zwischen „Erfolglosigkeit“ und Höhe der Dosis besteht ausdrücklich nicht.
Und jetzt noch ein paar unvermeidliche Zahlenspielereien:
- Zwischen 300 und 400 mg/Tag 10 Personen 8,4 %
- Zwischen 250 und 299 mg/Tag 7 Personen 5,9 %
- Zwischen 200 und 249 mg/Tag 20 Personen 16,8 %
- Zwischen 150 und 199 mg/Tag 36 Personen 30,3 %
- Zwischen 100 und 149 mg/Tag 32 Personen 26,9 %
- Zwischen 50 und 99 mg/Tag 8 Personen 6,7 %
- Unter 50 mg/Tag 6 Personen 5,0 %
- Unter dem Durchschnitt 72 Personen 60,5 %
- Über dem Durschnitt 47 Personen 39,5 %
Die nächste Grafik zeigt wieder die maximale Dosierung der einzelnen User und außerdem wie lange es dauerte, bis sie dort hin gelangten. Sie dient mir mehr zur kontemplativen Betrachtung und zum „in mich Hineinhorchen“, als dass ich daraus Fakten ableiten könnte. Man sieht sehr schön, wie manche User viele Monate mit sich und ihrer Dosierung gerungen haben, während andere das Ei des Kolumbus wie ein großer Entdecker in Rekordfrist auf die Tischplatte klopften.
Die nächste Grafik zeigt das Verhältnis von maximaler Dosis und Erhaltungsdosis. Es fehlt halt in der Umfrage die jeweilige Dauer und die Dauer der Baclofen-Therapie insgesamt.
Manchmal sind die Ergebnisse seltsam, wenn die Erhaltungsdosis z.B. höher als die maximale Dosis (Frage 2) liegt. Die User haben das dann eben falsch verstanden, unter „maximaler Dosis“ die „Switch Dosis“ angegeben und im weiteren Verlauf, aus was für Gründen auch immer, die Dosis nochmals erhöht. Also wiederum: Nicht wirklich Schlüsse daraus ziehen sondern ankucken und die Gedanken schweifen lassen.
Da diese Frage erst nachträglich, d.h. knapp drei Monate nach dem Start der Umfrage gestellt wurde, fehlt bei einigen Usern diese Angabe. Ausgewertet wurden deshalb nur 65 Datensätze.
So, das war`s. Trotz des schweren Systemfehlers und ein paar anderer kleinerer Unzulänglichkeiten eine sehr honorige Umfrage, die unsere französischen Freunde da machen. Aber um eine Zulassungsbeschränkung (Mindestdauer der Baclofen-Therapie), wie z.B. Federico das praktiziert, kommt man halt nicht drum rum. Im nächsten Posting dann wie versprochen die Auswertung der Nebenwirkungen. Das wird dann nochmal richtig ergiebig, dauert aber noch ein bisserl. Dort nenne ich dann auch die Gründe, die die „Erfolglosen“ für das gänzliche oder teilweise Scheitern ihrer Baclofen-Therapie angegeben haben.
Bien à vous, DonQuixote