Soeben erschienen ist folgende Studie:
Biobehavioral effects of baclofen in anxious alcohol-dependent individuals: a randomized, double-blind, placebo-controlled, laboratory study
(Biophysikalische Effekte von Baclofen bei alkoholabhängigen Patienten mit Angststörung. Eine randomisierte, doppelt verblindete und gegen Placebo kontrollierte Laborstudie)
- Die Eckdaten der Studie
- Teilnehmerzahl: 38 Personen
- Teilnehmer: Personen mit diagnostizierter Angststörung und Alkoholabhängigkeit, jedoch ohne den eigentlichen Wunsch nach einer entsprechenden Therapie
- Verabreichte maximale Dosis: 30 mg / Tag während mindestens 4 Tagen
- Dauer der Medikation: Die individuell abgestimmte totale Dauer der Baclofeneinnahme betrug je nach Verträglichkeit 1 bis 16 Tage, wobei die Dosis langsam gesteigert wurde.
- Das Studiendesign
- Nach langsamer ambulanter Aufdosierung und Erreichen der Maximaldosis von 30 mg / Tag und deren Beibehaltung über mindestens 4 Tage, wurden die für die Dauer des Versuchs für einen Tag stationär gehaltenen Probanden in einem Versuchslabor einem kontrollierten Trinkversuch unterzogen. Zunächst wurde zum Zeitpunkt Null (immer um 13:15 Uhr) ein Initialdrink verabreicht, welcher innerhalb von 5 Minuten getrunken werden musste. Dieser Initialdrink war für jeden Patienten genau berechnet (Körpergewicht etc.) und gemixt worden, so dass sich theoretisch-rechnerisch jeweils ein Blutalkoholgehalt von 0,3 ‰ ergeben sollte. Zu den Zeitpunkten 40 respektive 60 Minuten wurden danach jeweils vier zusätzliche sog. Mini-Drinks angeboten, über deren Konsum die Probanden frei entscheiden konnten. Jeder dieser Mini-Drinks war wieder auf jeden Patienten einzeln abgestimmt und wurde so berechnet, dass er genau der Hälfte des Initaldrinks entsprach, das heißt zu einer weiteren Erhöhung des Blutalkoholgehalts von 0,15 ‰ hätte führen können.
- Zu genau festgelegten Zeitpunkten wurde nun durch Befragung der Probanden ermittelt, wie sie sich fühlten (Ängstlichkeit respektive subjektives Empfinden der Alkoholeinwirkung („Betrunkenheit“)), und es wurde protokolliert, in welchem Maße sie das Angebot der zusätzlichen Mini-Drinks annahmen.
- Den Probanden wurde außerdem auferlegt, bis 24 Stunden vor Versuchsbeginn keinen Alkohol zu konsumieren, dies wurde mit Atemalkoholbestimmung bei Versuchsbeginn kontrolliert.
- Und wie wir alle wissen, spielt bei solchen „Trinkgelagen“ auch die Art und Menge der Nahrungsaufnahme eine nicht unwesentliche Rolle. Das Studiendesign trug dem Rechnung, allen Probanden wurde deshalb ein standardisiertes Frühstück und Mittagessen abgegeben. Auch diese Mahlzeiten waren anhand des jeweiligen Körpergewichts auf jeden einzelnen Patienten abgestimmt worden.
- Hier das Schema des Studienablaufs:
- Nach langsamer ambulanter Aufdosierung und Erreichen der Maximaldosis von 30 mg / Tag und deren Beibehaltung über mindestens 4 Tage, wurden die für die Dauer des Versuchs für einen Tag stationär gehaltenen Probanden in einem Versuchslabor einem kontrollierten Trinkversuch unterzogen. Zunächst wurde zum Zeitpunkt Null (immer um 13:15 Uhr) ein Initialdrink verabreicht, welcher innerhalb von 5 Minuten getrunken werden musste. Dieser Initialdrink war für jeden Patienten genau berechnet (Körpergewicht etc.) und gemixt worden, so dass sich theoretisch-rechnerisch jeweils ein Blutalkoholgehalt von 0,3 ‰ ergeben sollte. Zu den Zeitpunkten 40 respektive 60 Minuten wurden danach jeweils vier zusätzliche sog. Mini-Drinks angeboten, über deren Konsum die Probanden frei entscheiden konnten. Jeder dieser Mini-Drinks war wieder auf jeden Patienten einzeln abgestimmt und wurde so berechnet, dass er genau der Hälfte des Initaldrinks entsprach, das heißt zu einer weiteren Erhöhung des Blutalkoholgehalts von 0,15 ‰ hätte führen können.
- Die Resultate der Studie
- Bei der geringen Maximaldosis von 30 mg / Tag und der bei der geringen Verabreichungsdauer von Baclofen (8 Tage ± 7) überrascht nicht, dass keine signifikante Auswirkung auf die getrunkene Menge Alkohol festgestellt werden konnte.
- Interessant hingegen, und darum zitiere ich die Studie überhaupt, ist die gefühlte Einwirkung („Betrunkenheit“) des konsumierten Alkohols. Hier ermittelten die Forscher einen signifikanten Unterschied zwischen der Baclofen- und der Placebo-Gruppe. Diejenigen Probanden, welchen Baclofen verabreicht wurde, gaben (subjektiv) eine deutlich stärkere Wirkung des Alkohols zu Protokoll, als die Personen unter Placebo.
- Bei der geringen Maximaldosis von 30 mg / Tag und der bei der geringen Verabreichungsdauer von Baclofen (8 Tage ± 7) überrascht nicht, dass keine signifikante Auswirkung auf die getrunkene Menge Alkohol festgestellt werden konnte.
Das Studiendesign, welches ich nur etwas gekürzt wiedergegeben konnte, ist zwar bestimmt sehr ausgeklügelt, scheitert aber grandios an der viel zu tiefen maximalen Dosierung von lediglich 30 mg / Tag und dem viel zu kurzen Behandlungs- und Beobachtungszeitraum von nur ca. 4 bis 18 Tagen. Zu allem Unglück versteigen sich die Autoren in der Zusammenfassung der Studie dann noch zu einer völlig abwegigen Betrachtung:
(Hervorhebung von mir)Autoren in der Schlussbetrachtung der Studie hat geschrieben:Die Resultate können einen Anti-Craving Effekt von Baclofen nicht bestätigen, legen jedoch die Möglichkeiten dieses Medikaments als Substitution bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit nahe.
Wie jetzt? Eine Substitution von Alkohol durch Baclofen, weil das „schneller betrunken“ macht? Da haben die Autoren der Studie die Möglichkeiten von Baclofen aber total verkannt. Wir nehmen aus der Studie gewiss mit, was man mitnehmen kann und mitnehmen muss, und hoffen dabei, dass zukünftige Untersuchungen und Studien sich mehr an der Aktualität bisheriger Forschungsergebnisses mit hoch dosiertem Baclofen orientieren werden. Zudem wäre natürlich auch eine höhere Teilnehmerzahl als nur 38 Probanden wünschenswert.
Hier nochmal der Link zu dieser Studie, deren Volltext dankenswerterweise kostenlos veröffentlicht wurde.
Und zu guter Letzt noch der Hinweis auf eine Studie aus 2015 von Benjamin Rolland et al., welche zu einem ähnlichen Ergebnis kam:
- Baclofen For Alcohol Dependence: Relationships Between Baclofen And Alcohol Dosing And The Occurrence Of Major Sedation
(Baclofen und die Behandlung der Alkoholabhängigkeit: Zusammenhang zwischen Alkohol- und Baclofen-Dosis und dem Auftreten schwerer Sedierung)
DonQuixote