Umfrage in einer franz. Fachvereinigung von Suchtmedizinern

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DonQuixote
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Umfrage in einer franz. Fachvereinigung von Suchtmedizinern

Beitragvon DonQuixote » 20. November 2014, 20:40

Seid gegrüßt

Aufgrund eines „Anstupsers“ von Gertikatz hier nun mein Beitrag zu folgender Untersuchung:




Die Société Française d’Alcoologie (SFA) ist eine auf die Fragen der Alkoholabhängigkeit spezialisierte französische Fachvereinigung von Suchtmedizinern und hatte zum Zeitpunkt der Umfrage (Sommer 2013) 622 Mitglieder. Davon angefragt wurden indes nur 484 (Quote 78 %), nämlich nur diejenigen, von denen eine Email-Adresse vorlag. Von diesen 484 per Email angefragten Ärzten haben 302 geantwortet, was einer Rücklaufquote von 62 % entspricht. Von diesen 302 Antwortenden wurden wiederum 4 gestrichen, weil es sich entweder um nicht real praktizierende / behandelnde oder um inzwischen in Rente gegangene Ärzte handelte. Ausgewertet werden konnten somit die Erfahrungen von 298 Mitgliedern der Société Française d’Alcoologie. Anzumerken ist auch, dass die Umfrage bereits ca. ein halbes Jahr vor der Erteilung der auf drei Jahre befristeten Zulassung (RTU) stattfand.

Anzumerken ist ebenfalls, dass sich die SFA zuvor nie positiv zur Baclofen-Therapie geäußert hatte, ganz im Gegenteil. Deren Mitglieder haben dann allerdings mit ihren Füßen, respektive mit ihren Rezeptblöcken abgestimmt. Als erstes wurde die Frage gestellt, ob der jeweilige Arzt das Medikament Baclofen zur Behandlung von Alkoholismus anwendet oder nicht. 76 Ärzte (25 % von 298) verneinten dies. Also verschrieben damals bereits 75 % ihren Patienten Baclofen. Den „Nichtverschreibern“ wurden dann Anschlussfragen gestellt, welche dann untenstehend beantwortet wurden. Lest nun meine Übersetzung aus dem Englischen des Fragen- und Antworten-Kataloges aus dieser Studie:

Fragen und Antworten der SFA bei Nichtverschreibern hat geschrieben:
  • Frage 1: Warum verschreiben Sie kein Baclofen für die Behandlung des Alkoholismus (Mehrfachantwort möglich)?
    • Wegen fehlender wissenschaftlicher Nachweise (81,3 %).
    • Es besteht ein zu hohes Risiko (41,2 %).
    • Ich verschreibe keine Anti-Craving Medikamente (6,3 %).
    • Mir fehlt die persönliche Erfahrung im Umgang mit Baclofen (25,4 %).
    • Ich hatte es versucht, fand dann aber, dass das Medikament nicht wirkt (7,9 %).
    • Ich hatte es versucht, fand dann aber, dass es zu viele Nebenwirkungen gibt (6,3 %)
  • Frage 2: Würden Sie Baclofen gegen Alkoholismus verschreiben, wenn es eine vorgezogene, befristete Zulassung (RTU) gäbe?
    • Ja (29,5 %)
    • Nein (21,3 %)
    • Ich weiß nicht (49,2 %)

So weit war das dann also mit den „Nichtverschreibern“ geklärt. Den Mitgliedern der SFA, welche ihren Patienten das Medikament Baclofen zur Behandlung des Alkoholismus tatsächlich verschreiben, es waren 222 an der Zahl und damit immerhin 75 % der antwortenden Ärzte, konnten dann weitere Detailfragen gestellt werden. So lets‘ go …

Fragen und Antworten der SFA bei Baclofen verschreibenden Ärzten hat geschrieben:
  • A: Wie vielen Patienten haben Sie Baclofen gegen Alkoholmissbrauch verschrieben?
    • Weniger als 10 Patienten (36,5 %)
    • 11 bis 30 Patienten (42,7 %)
    • 31-60 Patienten (11,8 %)
    • Mehr als 60 Patienten (9 %)
  • B: Haben Sie dabei vor der Verschreibung von Baclofen bei den einzelnen Patienten eine andere, zugelassene Therapieform versucht?
    • Nie (16,3 %)
    • Manchmal (15,9 %)
    • Oft (28,3 %)
    • Immer (39,5 %)
  • C: Welches ist das hauptsächliche therapeutische Ziel, wenn Sie Baclofen verschreiben (Mehrfachnennung möglich)?
    • Reduktion des Alkoholkonsums (21,5 %)
    • Aufrechterhaltung einer Abstinenz (23 %)
    • Beides (55,5 %)
  • D: Unter welchen Umständen bevorzugen Sie, mit der Baclofen-Therapie zu beginnen?
    • Hauptsächlich, wenn der Patient bereits abstinent ist (24,9 %)
    • Hauptsächlich, wenn der Patient noch nicht abstinent ist (32,2 %)
    • In beiden der oben genannten Situationen (42,9 %)
  • E: Wie hoch ist für gewöhnlich die wöchentliche Dosissteigerung?
    • Weniger als 10 mg / Woche (4,3 %)
    • 10 mg / Woche (56 %)
    • 20 mg / Woche (14,5 %)
    • 30 mg / Woche (18,8 %)
    • 40 mg / Woche (0 %)
    • 50 mg / Woche (0,5 %)
    • 60 mg / Woche (3,4 %)
    • 70 mg / Woche (0 %)
    • Mehr als 70 mg / Woche (2,5 %)
  • F: Haben Sie für sich selbst eine Maximaldosis festgelegt, die Sie im Normalfall nicht überschreiten?
    • Ja (61,2 %)
    • Nein (38,8 %)
  • G: Welches ist die höchste Dosis, die Sie jemals verschrieben hatten?
    • Durchschnitt der Antworten: 188 ± 93,3 mg / Tag
  • H: Welches ist die durchschnittliche Erhaltungsdosis die Sie verschreiben?
    • Durchschnitt der Antworten: 109,5 ± 43,6 mg / Tag
  • I: Wie lange lassen Sie Ihre Patienten auf der maximalen Dosis verharren?
    • Weniger als drei Monate (21,1 %)
    • Drei bis sechs Monate (37,3 %)
    • Sechs bis zwölf Monate (28,3 %)
    • Mehr als zwölf Monate (13,3 %)
  • J: Versuchen Sie nach einer gewissen Zeit die Maximaldosis zu verringern, um z.B. Nebenwirkungen aus dem Weg zu gehen?
    • Nie (3,7 %)
    • Manchmal (27 %)
    • Oft (49,7 %)
    • Immer (19,6 %)
  • K: Wie verteilen Sie die Gesamtdosis über den Tag?
    • Drei gleiche Gaben jeweils zu den Mahlzeiten (57,4 %)
    • Entsprechend den Bedürfnissen der Patienten (Craving / Verträglichkeit) (39,6 %)
    • Mehr als Drei Gaben pro Tag (2,4 %)
    • Andere (0,6 %)
  • L: Wie oft verschreiben Sie gleichzeitig mit Baclofen auch andere, zugelassene Medikamente gegen Alkoholismus (Acamprosat, Naltrexone, Antabus)?
    • Nie (53,4 %)
    • Manchmal (38,5 %)
    • Oft (7,5 %)
    • Immer (0,6 %)
  • M: Wie effizient ist Baclofen Ihrer persönlichen Meinung nach im Vergleich zu anderen, zugelassenen Medikamenten?
    • Sehr viel effizienter (16,3 %)
    • Effizienter (38 %)
    • Gleich effizient (36,7 %)
    • Weniger effizient (8,4 %)
    • Sehr viel weniger effizient (0,6 %)
  • N: Was ist Ihre persönliche Meinung betreffend sicherer Anwendung von Baclofen im Vergleich zu anderen, zugelassenen Medikamenten gegen Alkoholismus?
    • Sehr viel sicherer (1,2 %)
    • Sicherer (5,8 %)
    • Gleich sicher (30,4 %)
    • Weniger sicher (50,3 %)
    • Sehr viel weniger sicher (12,3 %)
  • O: Bei welchem Anteil Ihrer Patienten hat sich deren Zustand mit Baclofen signifikant und dauerhaft verbessert?
    • Bei 0 % (4,2 %)
    • Bei 10 % (10,3 %)
    • Bei 20 % (13,3 %)
    • Bei 30 % (15,2 %)
    • Bei 40 % (9,7 %)
    • Bei 50 % (24,2 %)
    • Bei 60 % (10,3 %)
    • Bei 70 % (8,5 %)
    • Bei 80 % (4,3 %)
    • Bei 90 % (0 %)
    • Bei 100 (0 %)
  • P: Welcher Anteil Ihrer Patienten musste die Baclofen-Therapie wegen nicht mehr tolerierbarer Nebenwirkungen abbrechen?
    • 0 % (5,2 %)
    • 10 % (23,3 %)
    • 20 % (26,2 %)
    • 30 % (16,9 %)
    • 40 % (9,3 %)
    • 50 % (7 %)
    • 60 % (4,1 %)
    • 70 % (2,3 %)
    • 80 % (2,3 %)
    • 90 % (2,3 %)
    • 100 (1,1 %)
  • Q: Wie viele Nebenwirkungen haben Sie den zuständigen Stellen der Medikamenten-Überwachungsbehörde gemeldet?
    • Keine (79,7 %)
    • Eins bis vier (13,7 %)
    • Fünf bis 29 (5,9 %)
    • Dreißig und mehr (0,7 %)
  • R: Wie oft schreiben Sie „Off-Label“ auf Ihr Baclofen-Rezept?
    • Nie (48,6%)
    • Manchmal (12,1 %)
    • Oft (9,2 %)
    • Immer (30,1 %)
  • S: Wie oft schreiben Sie „Nicht erstattungsfähig“ auf Ihr Baclofen-Rezept?
    • Nie (69,5 %)
    • Manchmal (9,2 %)
    • Oft (6,3 %)
    • Immer (15 %)

Soderle, das waren jetzt einfach mal die „Rohdaten“ der Umfrage. Über die einzelnen Punkte lässt sich bestimmt trefflich diskutieren, vor allem, wenn man sich den ganzen Artikel und alle Rahmenbedingungen mal genau ansieht. Dafür fehlen mir aber hier die Zeit und der Platz. Noch etwas zum Schluss: Gemäß Angaben der Autoren wurde die Online-Umfrage anonym durchgeführt, und Mehrfachabstimmung sei nicht möglich gewesen.

DonQuixote

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Re: Umfrage in einer franz. Fachvereinigung von Suchtmedizinern

Beitragvon DonQuixote » 4. April 2015, 18:57

Seid gegrüßt

Die französische „Société Française d’Alcoologie“ (SFA) hat sich ja früher als Verfechterin von Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit nicht besonders hervorgetan. Drollig, dass die einfachen Mitglieder der SFA dann doch mit ihren Füssen respektive mit ihren Rezeptblöcken abstimmten (siehe mein letztes Posting) und das Medikament nichtsdestotrotz massenhaft verschrieben.

Anzurechnen ist der SFA nun allerdings, dass sie sich anlässlich ihres letzten Kongresses (18. bis 20. März 2015) einen ganzen Nachmittag dem anti-craving-Medikament Baclofen widmete. Vortragender war unter Anderen auch Samuel Blaise, der Präsident der „Association Olivier Ameisen“, hier für unsere frankophilen Freunde dessen Vortrags-Folie, und wenn das nicht reicht, dann hier noch ein Audio-Link zu seinem Vortrag (Dort „Valider et télécharger le fichier“ klicken!).

DonQuixote


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