Moin zusammen!
Chinaski hat geschrieben:Das Mitglied @Papfl kennt sich mit diesen komplexen Abläufen aus und kann sie auch sehr gut erklären.
Wenn er auch im Moment wenig schreibt Antwortet er bestimmt... irgendwann.
...und da bin ich auch schon
. Dass ich momentan hier weniger aktiv bin, hat nichts mit Desinteresse am Forum zu tun - es ist schlichtweg einer momentan enormen Alltagsbelastung geschuldet, die wenig Zeit für das "Hobby" Forum lässt. Nichtsdestotrotz lese ich täglich mit und klinke mich nach wie vor ein, wenn es sich ergibt: So wie jetzt
.
Ich schätze die Verfasserin des Textes
"Der kleine Prinz begegnet dem Alkoholtrinker" sehr, finde aber, dass sie sich in ihrer theoretischen Begründung für die Baclofen-Therapie zu sehr auf den Botenstoff Dopamin fixiert. Wie @lucidare schon
ganz richtig angemerkt hat, sind die Stoffwechselabläufe im Gehirn recht kompliziert, und es ist auch legitim, in solchen allgemeinen Erklärungen zu vereinfachen (mache ich ja auch
), aber um die Wirkungsweise von Baclofen zu verstehen, kommt man um GABA und Glutamat nicht umher. Die Dopaminausschüttung ist hier nur ein Aspekt unter mehreren.
Ich versuch's mal:
Zunächst zum Dopamin. Eine sehr schöne und anschauliche Erklärung, wie das Belohnungssystem funktioniert und warum Drogen bei der Dopamin-Ausschüttung eine Rolle spielen, findet man zum Beispiel
hier. Dieser Text deckt sich in der oberen Hälfte auch weitestgehend mit den Ausführungen beim "kleinen Prinzen".
Wenn sich allerdings aus dem Verlangen nach Drogen eine Sucht entwickelt, spielt Dopamin, dessen Produktion inzwischen zugunsten des Suchtmittels herunter gefahren wurde, eher eine Nebenrolle. Dann wird Glutamat interessant (s. zweite Hälfte des verlinkten Textes). Die Schlagworte heißen dann nämlich nicht mehr "Wohlbefinden" oder "Belohnung", sondern
"Erregung".
An dieser Stelle sei auch nochmal der Hinweis auf die Flash Animation
"Drugs and the Brain" erwähnt, in der sehr eindrucksvoll erklärt wird, was passiert, wenn sich zu viel Glutamat im System befindet.
Für alle, die sich die Animation nicht anschauen wollen: Glutamat ist ein Neurotransmitter, der für Erregung sorgt. Wenn wir also angespannt sind, aufgeregt, hippelig, unruhig, etc., geht das zu einem großen Teil auf Glutamat zurück.
Alkohol wirkt beruhigend, das kennen wir alle. Das ist deshalb so, weil Alkohol die Glutamat-Rezeptoren blockiert. Wenn die "Empfänger" für Glutamat blockiert sind, kommen logischerweise weniger erregende Reize an, und wir fühlen uns schnell entspannter, ausgeglichener, ruhiger...
Bei langem, andauerndem, hohem Alkoholkonsum (und dadurch dauerhaft blockierten Rezeptoren) produziert "das Hirn" zusehends mehr Glutamat resp. mehr Rezeptoren, weil es sich "nicht erklären kann", warum nur so wenig Wirkung "draußen" ankommt. Die Folge: Wir brauchen immer mehr Alkohol, weil immer mehr blockiert werden muss, um Entspannung zu erreichen.
Lässt man den Alkohol dann weg, sind Unmengen von Glutamat und entsprechende Rezeptoren im System, die plötzlich durch nichts mehr blockiert werden. Die Folge ist eine totale Übererregung, in ihrer schlimmen Form bekannt als Entzugserscheinungen, abgemildert als Craving.
Und hier setzt die Baclofen-Therapie an: Wenn wir den Alkohol nicht mehr als beruhigendes Element zur Verfügung haben, brauchen wir eine Alternative. Normalerweise hat unser Körper die auch parat, nämlich in Form von Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Die GABA-Produktion ist aber - das ist jetzt ein weiterer "Nebenkriegsschauplatz" - inzwischen auch ziemlich herunter gefahren, weil Alkohol nicht nur die Glutamat- sondern auch die
GABA-Rezeptoren manipuliert hat.
Baclofen als GABA-Agonist kann hier Abhilfe schaffen: Durch seine beruhigende und entspannende Wirkung kann das Medikament - regelmäßig und über einen längeren Zeitraum eingenommen - Raum dafür schaffen, dass sich die Glutamat-Überproduktion und die GABA-Unterproduktion wieder normalisieren.
Und dann - jetzt schließt sich der Kreis - ist auch wieder ausreichend Dopamin im System, weil
Abstinenz die Dopaminproduktion fördert.
Das war jetzt zwar auch vereinfacht, aber - naja - etwas ausführlicher vereinfacht...
Grüße ins Rund vom
Papfl