durch eine Freundin bin ich auf das Medikament Baclofen aufmerksam gemacht worden und bin dann schnell auf euer Forum gestoßen. Ich habe den ganzen Nachmittag eure Erfahrungsberichte gelesen und fange gerade an, ein klein bisschen Mut zu fassen.
Meine Leidensgeschichte hat angefangen, als ich mit 17 Jahren beschlossen habe, magersüchtig zu werden. Die Menschen reagieren oft schockiert, wenn ich das so formuliere, aber es war tatsächlich eine bewusste Entscheidung, auch wenn mir die Konsequenzen natürlich damals nicht im Geringsten klar waren. Ich war verzweifelt und unglücklich, konnte mich aber niemandem mitteilen. Mit der Magersucht wollte ich mein Leid sichtbar machen. Allerdings war ich zu undiszipliniert und bin dann schnell auf den Trichter gekommen, mein Essen wieder zu erbrechen. Die Bulimie begleitet mich bis heute.
Mit 19 Jahren habe ich versucht, mir mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen, und habe im Anschluss meine erste 16-wöchige stationäre Psychotherapie gemacht. Neben Depressionen und der Essstörung wurde mir dort auch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Ich bin im Anschluss in eine ambulant betreute Wohngemeinschaft gezogen, in der ich vier Jahre gewohnt habe. Ich habe dort ambulante Einzel- und Gruppentherapie gemacht, noch die Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung erhalten, und bin während dieser Zeit aufgrund meines extremen Untergewichts arbeitsunfähig gewesen.
Erst als ich meinen damaligen Freund kennengelernt habe und zum ersten Mal in meinem Leben zulassen konnte, dass ein anderer Mensch sieht, wer und wie ich wirklich bin, als ich das erste Mal im Leben nicht mehr nur "ich", sondern ein Teil von "wir" war, konnte ich die Magersucht loslassen. Wir sind zusammen gezogen, ich habe eine Ausbildungsstelle in einem tollen Unternehmen gefunden, in dem ich auch heute noch sehr gerne arbeite, und hatte ca. zwei schöne und weitgehend symptomfreie Jahre.
Leider ist dieser Freund Alkoholiker. Und er ist immer öfter nach der Arbeit in die Kneipe gegangen,so dass ich einsam und frustriert zu Hause saß. Mit der Zeit hat er auch in unserer Wohnung immer mehr getrunken und ist teilweise im Streit auch handgreiflich geworden. Und irgendwann kam der Abend, an dem ich mich nicht mehr einsam und depressiv fühlen wollte. Also habe ich ein Glas Sekt getrunken, und siehe da, schon war die Welt bunter und ich voller Energie und Tatendrang. Aber wem erzähle ich das... Das ist jetzt ungefähr sechs Jahre her. Ich habe sehr schnell täglich getrunken, immer abends nach der Arbeit, und an den Wochenenden zunehmend auch tagsüber.
Von dem damaligen Freund habe ich mich Ende 2014 getrennt, war auch bereits neu verliebt und habe um diesen neuen Mann gekämpft. Der wollte aber von Anfang an keine richtige Beziehung, weil er im Leben andere Prioritäten (Karriere, nebenberufliches Studium, riesiger Freundeskreis) hat, von denen er keine runterschrauben wollte. Wir haben uns dann zweieinhalb Jahre lang ca ein Mal pro Woche gesehen, an den anderen Abenden war ich dann wieder alleine und hatte Liebeskummer. Umso mehr habe ich getrunken.
Bis ich an Weihnachten letzten Jahres meiner Familie, dem Freund und später auch dem Arbeitgeber meine Alkoholsucht offenbart habe, hat es von außen betrachtet aber niemand bemerkt. Innerhalb von vier Wochen habe ich eine Entwöhnungstherapie begonnen, diese nach fünf Wochen abgebrochen, weil das Therapiekonzept rein verhaltensorientiert war und ich ja auch noch tiefergreifende psychische Probleme habe, die in der Behandlung gar nicht mit betrachtet wurden. Ich bin dann vorübergehend bei meiner Schwester eingezogen um nicht allein zu sein, war bei Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen, und habe dennoch weitergetrunken. Im September letzten Jahres habe ich nochmal eine Entwöhnungsbehandlung beantragt, diesmal habe ich mir die Klinik mit einem tiefenpsychologischen Behandlungsansatz bewusst ausgesucht. Kurz vor Beginn haben mein jetzt Ex-Freund und ich uns getrennt, weil er nie Zeit für mich hatte und in der Krankheit nicht hinter mir stand, und ich extrem unzuverlässig geworden bin und mich auch äußerlich nicht gerade zum Positiven entwickelt habe. Also habe ich die sechzehnwöchige Therapie durchgezogen, habe mich gut und gestärkt gefühlt, sah wieder hübsch aus und konnte mir selbst im Spiegel in die Augen sehen, bin nach Hause gefahren und habe weitergetrunken.
Ich habe das Gefühl, dem einfach nichts entgegenzusetzen zu haben. Das Problem ist, dass ich nicht wirklich aufhören will, nicht aus tiefster Überzeugung. Ich kenne die Schritte vom "Ich darf nicht mehr Trinken" über "Ich will nicht mehr Trinken" bis hin zum "Ich brauche auch nicht mehr Trinken". Aber ich schwanke immer zwischen dem ersten und zweiten. Ich habe es auch schon lange nicht mehr hingekriegt, irgendeiner anderen Freizeitbeschäftigung nachzugehen. Früher habe ich Sport gemacht, viel getanzt, mich mit Freunden getroffen, davon ist nichts mehr übrig. Ich bin ziemlich verzweifelt, und seelisch wie körperlich an meiner Grenze. Dabei möchte ich so gerne wieder am Leben teilhaben und schöne Dinge erleben. Aber das geht eben nur nüchtern.
Wenn dieses Medikament also eine Aussicht bietet, ohne Alkohol leben zu können,möchte ich das unheimlich gerne probieren. Es wäre toll, wenn ich über diesen Weg die Kontaktdaten eines behandelnden Arztes in meiner Umgebung bekommen könnte.
Ich hoffe, ich habe euch jetzt nicht erschlagen mit meiner Lebensgeschichte, ist ein bisschen länger geworden als geplant
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