Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 26. November 2014, 10:30

So. Da bin ich nun. Ich kann ja leider (noch?) keinen Bericht über Baclofen schreiben, aber immerin geht es hier ja auch um den Weg in die Abstinenz, da kann ich hoffentlich bald was beitragen :)

Also erstmal zu den Gegebenheiten:

Ich bin wie Goethe und trinke jeden Abend eine Flasche Rotwein, nur leider bin ich dabei nicht so brilliant wie er. Meine Leberwerte dürften noch in Ordnung sein, körperliche Entzugserscheinungen hatte ich noch nie, aber ich bin trotzdem alles andere als glücklich mit der Situation. Denn eigentlich will ich gar keinen Alkohol mehr trinken. Ich ernähre mich sonst eigentlich ziemlich gesund, treibe Sport und von außen sieht man mir mein Doppelleben (noch) nicht an. Ich wünschte mir, ich könnte auch den Alkohol aus meinem Leben verbannen, denn der passt so gar nicht in meinen sonstigen Lebensstil und eigentlich würde ich gerne mindestens 90 werden. Ich habe mich von Anfang an schuldig gefühlt, wenn ich getrunken habe (bis auf wenige Gelegenheiten) und war eigentlich nie der Meinung, Alkohol sei wirklich etwas, das man zum Leben braucht. Trotzdem bin ich immer tiefer im Sumpf versunken. Ich dachte immer, ich könne manche Dinge einfach nicht ertragen, wenn ich mir nicht eine gelegentliche Auszeit nehmen könnte. Manchmal hab ich den Stoff sogar angewidert in mich hineingezwungen, da das Trinken immer noch besser zu sein schien als die Realität. Manchmal hab ich es dann doch wieder genossen im Sinne einer blöden Rebellion wie "hehe, ihr brecht mich nicht, ich mach mich mit meinem Bewusstsein mal einfach kurz vom Acker".
Ich trinke nichts Hartes und "eigentlich" trinke ich auch niemals tagsüber. So, da war es, das böse Eigentlich. Denn in letzter Zeit bröckeln auch da meine Hemmungen. Ich bin tagsüber oft alleine, stehe unter wahnsinniger Anspannung, weil ich eigentlich in 6 Wochen meine Abschlussarbeit abgeben müsste und bis dahin noch am besten einen Job bräuchte, und statt mich dem Problem auseinanderzusetzen, hau ich immer mehr ab. Und jeden Tag sag ich mir: heute wird es anders. Also dann, auf ein neues: heute wird es anders.

Ich bin übrigens in psychotherapeutischer Behandlung und hab es da lange auch geschafft, mich dem Wein nicht mehr so zuzuwenden. Allerdings nur mit Hilfe von Neuroleptika :( Das funktioniert aber gerade kaum, denn dann müsste ich ja wissen, dass ich den Abend ohne Alkohol aushalte, denn beides gleichzeitig zu nehmen wäre höllisch verzwickt. Das wäre auch der Grund, warum mich Baclofen immer mehr interessiert, denn wenn das tatsächlich etwas müde macht, dann bräuchte ich ja quasi keine Einschlafhilfe mehr... naja. Muss noch überlegen. Jetzt erstmal zu Selincro, das kenne ich nämlich schon. Ich muss ein wenig in meinem Gedächtnis kramen. Also:

1. Tag mit Selincro (vor einigen Wochen): Es war ein Samstag. Ich war alleine und es zwar so ca. gegen 19 Uhr. Ich muss dazu sagen, dass ich an dem Tag kaum etwas gegessen hatte und schon am ersten Glas Wein genippt habe. Soll laut Packungsbeilage ja möglich sein. Das Medikament begann schnell zu wirken (so 20 min vielleicht). Auf einmal fühlte sich das Glas Wein wie eine ganze Flasche Wein an und ich fühlte mich gar nicht mehr gut. Ich versuchte noch ein wenig aufzuräumen, aber das war bald nicht mehr möglich. Der Gedanke, auch nur einen einzigen weiteren Schluck Alkohol zu trinken, erschien mir ... es wäre irgendwie gar nicht mehr gegangen! Das könnte aber auch daran liegen, dass insgesamt gar nichts mehr ging, denn es ging mir immer schlechter, also legte ich mich ins Bett. Es wurde eine furchtbare Nacht. Der Schwindel wurde nach einer Weile besser, aber mir war dermaßen übel, dass es nicht mehr feierlich war. Außerdem habe ich bis zum Morgen kein Auge zugemacht. Tut mir leid, liebes Selincro, aber das war gar nichts :(

Ich glaub, ich muss mal zwischenspeichern :)

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 26. November 2014, 10:47

2. Tag mit Selincro (eine Woche später):

Nachdem ich mich mit meiner Ärztin besprochen hatte, ergab sich eine Woche später erneut die Möglichkeit, es mit Selincro zu versuchen. Mir war zwar klar, dass die Tablette nicht mehr so gut gegen das Verlangen nach Alkohol wirkt, wenn ich sie halbiere, aber ich hatte nach dem ersten furchtbaren Versuch zu große Angst. Also nahm ich diesmal eine halbe Tablette und achtete vor allem auf eine gute Grundlage (!). Ofenkäse und Selincro vertrugen sich sehr viel besser, so dass ich diesmal nahezu keine Übelkeit verspürte. Da es noch früh am Tag war, legte ich mich erst einmal etwas hin, um die Phase der größten Nebenwirkungen quasi zu verschlafen. Angeblich soll das schlimmste nach max. 2 Stunden rum sein. Das wollte ich nicht erleben also ab ins Bett. Ich schlummerte tatsächlich ein wenig vor mich hin, aber der Schwindel war schon noch fies. Das Schlimmste war, dass ich meinen Körper auf einmal nicht mehr spüren konnte und ich immer wieder quasi nachgucken musste, ob ich da nicht unbemerkt mit verbogegenen Gliedern rumliege. Das war nicht schön (fairerweise muss ich aber sagen, dass das nicht unbedingt auf Selincro zurückzuführen ist...). Irgendwann stand ich dann auf und testete, wie alltagstauglich Selincro für mich ist. Ich ging duschen und verließ sogar das Haus, ging einkaufen und traf mich mit meinem Partner. Das war zwar alles möglich, aber das Gefühl dabei war trotzdem eklig. Ich hab ja schon Erfahrung mit Psychopharmaka, aber so hab ich mich noch nie gefühlt (und leider meine ich das negativ). Es war als wäre mein Körper betrunken, nur mein Geist war ganz klar. Ich hatte sogar Angst, ich würde schwanken oder lallen, wenn ich mich konzentriere. Arbeiten gehen wäre so unmöglich gewesen! Immerhin stimmte es aber, dass ich wieder nichts trinken wollte. Ich hatte nicht nur keine Lust, sondern ich wollte tatsächlich nicht!

Fazit: zweiter Versuch ging zwar nur noch halb in die Hose, lies Selincro für mich als Notfallmedikament aber definitiv ausfallen. Anderen möge es anders ergehen.
In meinem Fall stellt sich nun nur noch die Frage, ob es bezüglich der Nebenwirkungen einen Gewöhnungseffekt gibt. Angeblich sollen die nach zwei bis drei Tagen verschwinden. Das müsste ich also mal ausprobieren.

Leider befinde ich mich nun in einer Zwickmühle. Da Selincro für mich nicht alltagstauglich ist, kann ich es erst abends nehmen. Abends ist die Flasche ein aber längst schon gekauft. Und die Erlebnisse der ersten beiden Versuche, waren nicht besonders motivierend...

ich habe es gestern und vorgestern wieder gut ohne Alk geschafft, vielleicht hab ich ja heute den Mut für ein weiteres Experiment. Ich geh jetzt aber auf jeden Fall erstmal Erfahrungsberichte vergleichen ;)

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Chinaski
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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Chinaski » 26. November 2014, 15:29

Hallo Ninja,
die NW hören sich ja heftig an.
Kein Wunder das man da nicht mehr trinken möchte oder besser gesagt kann.
Wenn es einem so geht wie du schreibst ist das wirklich nicht Alltagastauglich.
Vielleicht gibt es sich ja mit den NW wenn du es öfter genommen hast.
Baclofen hat auch NW aber die vergehen sehr schnell und beeinträchtigen einen nicht so dermaßen wie du es beschreibst.
Ich nehme Baclofen jetzt fast 2 Jahre und es beeinträchtigt mich überhaupt nicht im Alltag.
Ich nehme es 3x täglich wie ein X - beliebiges Medikament und alles ist bestens.

Ninja schreibt: ..
aber immerin geht es hier ja auch um den Weg in die Abstinenz, da kann ich hoffentlich bald was beitragen


Es geht in diesem Forum nicht nur um Abstinenz!
Es geht auch um Reduktion und Moderaten Konsum!
Du kannst also alles berichten sogar von Rückschlägen.

Bitte berichtete weiter wie es dir mit Selincro und deinem persönlichen Weg aus der Sucht ergeht.

Gruß Chinaski

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 26. November 2014, 17:07

Hm. Also wenn ihr mit Baclofen auch durch so eine Phase der Nebenwirkungen durchmüsst, dann macht mir das doch nochmal etwas Hoffnung, dass es mit Selincro genauso sein könnte. Dann will ich es auf jeden Fall noch einmal versuchen, aber da brauch ich dann wieder frei an den Tagen danach.

Es ist schön, dass ich hier von allem berichten kann. Das war auch der Grund, warum ich so lange kein passendes Forum gefunden habe. Das Wort "Abstinenz" passt auch irgendwie gar nicht so recht zu dem, was ich mir für meine Zukunft vorstelle. Abstinenz hat für mich was mit Enthaltsamkeit, mit Verzicht zu tun. Das würde ich das gar nicht sehen. Ich hätte schon seit langem nicht mehr das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen. Ich kann mir die "ich trinke aus Überzeugung keinen Alkohol"-Einstellung für mich sehr gut vorstellen. Eigentlich müsste ich alleine auf Grund meiner inneren Einstellung schon heute mit Dreckszeug aufhören können (entschuldigung [biggrin] ) . Aber ich kann es nicht. Ich bin zu schwach und vor allem bin ich zu feige, mich meinen Problemen zu stellen. Wenn das Verhandeln mit sich selbst kommt (meistens so ungefähr um diese Zeit...), dann stell ich mir immer die Frage: kann ich mich heute meinen Ängsten stellen? Der diffusen Furcht, wenn es dunkler wird? Den Gedanken, die zu kreisen beginnen, wenn ich mit mir selbst alleine unter der Decke bin (wie das klingt)? Den Albträumen? Den Zukunftsängsten? Tja. Und nur allzu oft bin ich nicht stark genug. Ob ich es heute sein kann? Das ist es schon wieder, dieses beängstigende Flattern...

Taktik heute: einen möglichst ausgefüllten Abend verbringen und spät heim kommen. Geplant ist noch ein Einkaufsbummel, Fitnessstudio und ein Spaziergang.
Mögliche Gefahren: Streit mit meinem Partner. Wenn ich mein Lernpensum nicht schaffe (macht mich unruhig -> Versagensängste).

Ich gebe zu, für heute setze ich mir so wie die letzten Tage erstmal das Ziel, weniger zu trinken. Ich brauche erst wieder einen ordentlichen Tag-Nacht-Rythmus. Mal schauen, vielleicht bin ich ja schon am Wochenende für einen weiteren Selincroversuch bereit.

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GoldenTulip
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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon GoldenTulip » 26. November 2014, 18:02

Ninja,
Mögliche Gefahren: Streit mit meinem Partner. Wenn ich mein Lernpensum nicht schaffe (macht mich unruhig -> Versagensängste).


In der Kampfkunst wird gefragt, ob der Meister zuhause ist.

Auch zu Trinken kann ein Ausweg aus dieser Falle sein. Alkohol ist auch gut. Darin besteht die eigentliche Falle. Man kann aber beschließen, diese zu benutzen, um nach Hause zu kommen, statt ihr ausgeliefert zu sein.

Ich gebe zu, für heute setze ich mir so wie die letzten Tage erstmal das Ziel, weniger zu trinken


Das ist meiner Erfahrung nach total sinnlos.

Weniger zu Trinken für was? Wofür lohnt es sich, nüchtern zu sein. Das würde ich fragen.

Herzlich,
Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Chinaski » 26. November 2014, 19:59

Hallo ninja,
Du schreibst..
dann stell ich mir immer die Frage: kann ich mich heute meinen Ängsten stellen? Der diffusen Furcht, wenn es dunkler wird? Den Gedanken, die zu kreisen beginnen,


Das machen viele Alkoholkranke das sie sich bewusst oder unbewusst mit Alkohol selbst gegen ihre Ängste Therapieren.
Baclofen wirkt bei vielen auch sehr gut gegen Ängste ohne das man das belämmerte Psychopharmaka Gefühl hat.
Eigentlich fühlt es ganz normal an... aber was ist schon normal? [smile]

Wie ist das bei Selincro? Ist über solche durchaus positiven NW irgendetwas bekannt?
Ich bin auf deine Erfahrungen gespannt.


Gruß Chinaski

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 26. November 2014, 20:32

Off-Topic:
Gerade auf dem Heimweg dachte ich mir: ich bin wie ein Bollen Knete. Wenn man hineinschlägt, dann hinterlässt das immer einen Abdruck. Wenn man in einen Ballon haut, dann dellt er sich zwar ein, nimmt aber immer wieder seine Form an (sofern er nicht platzt). So stell ich mir "die Normalos" vor. Da kommt ein Ungemach im Leben und es trifft sie auch, aber am Ende kommen sie immer wieder in Form. Bei mir hinterlässt alles viel zu schnell tiefe Spuren...

Eine mögliche Gefahr ist eingetreten: Streit mit Partner. Oh Mann. Das ist jetzt schon fast eine Stunde her und ich hab noch nichts getrunken. Das ist länger als meistens in so einem Fall. Ich versuche euch einfach mal zu antworten, das lenkt vielleicht ab...

Hallo Chinaski. Noch habe ich nichts über so positive Nebenwirkungen von Selincro geschrieben, aber ich werd mich mal schlau machen. Vielleicht gibt's ja einen positiven Erwartungseffekt. Selincro soll eher sogar zu Schlafstörungen führen - die natürlich wieder durch ein anderes Medikament ausgeglichen werden können...

Hallo Conny. Über den Meister muss ich erstmal nachdenken. Wofür es sich im Moment lohnt nüchtern zu sein? Ich bin mal ganz ehrlich. In der Stimmung, in der ich mich gerade befinde: gar nichts. Aber ich weiß ja, dass ich sowieso zu Stimmungsschwankungen neige, also werde ich erstmal etwas Zeit verstreichen lassen. In einer Stunde kann nich vielleicht klarer denken.
Das mit dem "erst ein paar Tage weniger trinken", das hat schon ein paarmal gut funktioniert. Das war ne Zwischenstation und danach kam gar nicht trinken. Das liegt daran, dass ich oft einen katastrophale Tag-Nacht-Rhythmus habe. Und den Alltag verliere ich auch sehr schnell aus den Augen. Ich muss jetzt erstmal mühsam wieder einen äußeren Rahmen errichten. Währenddessen hab ich oft noch keine Kraft, gar nichts zu trinken... ach wenn sich das doch nur ändern würde :( Ich bin eine Geisel, verdammt.

Plan heute noch: Wohnung aufräumen, ein bisschen zocken, lesen gehen, vor 12 Uhr schlafen gehen - und auf Alkohol so lange wie möglich verzichten. Ohne Rituale geht bei mir gar nichts. Aber ich will wenigstens versuchen, nichts zu trinken, versprochen. Ach, irgendwie komm ich mir gerade schon wieder total erbärmlich vor. Hab ich nicht gesagt, ich will die Sache positiv und mit Elan gehen?!

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon GoldenTulip » 26. November 2014, 20:39

Für mich ist da nix erbärmlich.

Ich danke Dir, später mehr

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 28. November 2014, 08:26

Mein Threattitel nervt mich mittlerweile total an. Warum muss ich es immer so kompliziert machen?!

Naja. Also erstmal was Gutes: Das mit dem weniger trinken funktioniert sehr gut und ich bin bald so weit, es wieder ganz sein zu lassen. Ich bin heute das erste Mal seit Ewigkeiten wieder ordentlich aus dem Bett gekommen und fühle mich halbwegs erholt. Außerdem hab ich mich weiter mit der Frage beschäftigt, warum es sich lohnt, nüchtern zu sein. Naja, tagsüber fallen mir da tausend Gründe ein: nur so kann ich mein Studium beenden, einen Job finden, Dinge tun wie Sport machen, den Haushalt managen, etc. Für den Abend fallen mir da noch kaum Gründe ein, aaaaber: am Morgen danach fit aufzustehen und die Kraft für den ganz normalen Alltag haben, das ist natürlich ein unschlagbarer Grund! Daran habe ich mich an den letzten zwei Abenden irgendwie festgekrallt.
Ich probiere es jetzt außerdem erstmal mit dem Kalzium aus. Ich habe festgestellt, dass ich irgendwie... hm... pillenmüde bin. Ich hab grad die Nase von von Chemie, die an meinem Gehirn rumdoktert. Ok. Der Alk doktert ja auch daran herum. Vielleicht geht das als weiteres Argument durch...

Also auf in einen neuen Tag und Grüße in die Runde :)

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 1. Dezember 2014, 14:15

ICH WILL MEINEN THREATITEL ÄNDERN! Nein, Admins sind nicht gefordert. Erst muss ich mir darüber im Klaren werden, wie ich das handhaben mag :)

Wo fang ich an. Ach ja. Manchmal hab ich ein wenig Angst, dass meine Therapeutin zufällig hier lesen könnte. Irgendwie ist es schon etwas beängstigend, dass die ganze Welt meine Gedanken mitkriegt. Auf der anderen Seite ist Austausch so essenziell. Ich guck mal, was ich gefahrlos preisgeben kann. Hm.

Ich öffne mich noch einen Klecks. Ich bin derzeit noch in Therapie, wobei Alkohol eher eine "Begleiterscheinung" ist. Das Hauptthema hat, hm, sagen wir mal mit diversen kleinen aber zahlreichen Traumata zu tun, die großen Einfluss auf meine Persönlichkeit hatten. Hm. Es ist nicht meine erste Therapie, muss ich dazu sagen. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich überhaupt über manches reden konnte, ohne gleich, hm... "reif für die Klinik" zu sein. Folglich mache ich gerade das, was der ein oder andere "Traumatherapie" nennen könnte. Nun hatte ich vorher bei einem anderen Therapeuten die Erfahrung gemacht: "Wenn sie trinken, kann ich sie nicht therapieren". Aha. Ich hab das Thema demnach verschwiegen, aber wie man sich vorstellen kann, hat das nicht so recht geholfen. Bei der Therapeutin jetzt habe ich das Thema offen benannt (mit dem Hintergedanken - wenn es keinen Raum hat, kann es auch nicht das richtige sein). Ich hab mich wunderbar aufgehoben gefühlt. Ich konnte meinen Konsum zunächst bremsen, habe ihn massiv halbiert und habe die ganze Zeit das Gefühl "du bist kurz davor es zu schaffen". Deswegen hab ich es mit Selincro versucht, hab mich hier angemeldet... oh, ich hab den Kampf aufgenommen verdammt!
Und nun will die Krankenkasse die Therapie nicht weiter unterstützen. Begründung: Alkohol.

Mir gehen gerade tausend Gedanken durch den Kopf. Muss es mir gut gehen, um Therapie zu machen? Welchen Sinn hätte Therapie dann noch? Ich steh gerade kurz vor meinem Studienabschluss. Soll ich den eher versauen und dann in der Entzugsklinik landen? Oder schlimmer? Was wird aus mir, wenn ich keinen Abschluss habe? Ich mache die Therapie nicht wegen dem Alkohol, sondern weil ich ein zahlendes, arbeitendes Mitglied der Gesellschaft werden will, ihr Witzbolde. Mein Abschluss, ordentliches Leben steht jeden Tag so (...) nah an der Kippe. Wenn ihr wollt, dann trinke ich keinen Tropfen mehr, liebe Krankenkasse - ganz ohne Therapie. Werdet ihr dann dafür grade stehen, wenn es schlimmer - sprich teurer wird? Das Geld scheint ja schließlich der Hauptfaktor zu sein. Gutachter bekommen Provisionen für abgelehnte Therapieanträge, ach ja... ich hoffe, es geht dir gut, lieber Gutachter. Ich hoffe, du hast ein reines Gewissen.

Entschuldigt. Das musste raus. Meine Therapeutin hat bereits den Widerspruch eingelegt. Ich weiß, ich bin gerade ungerecht, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass offener Ärger besser ist, als sich zu besaufen. Stellt mich die Krankenkasse gar auf die Probe? Ja, ja... lernen kann ich heute jedenfalls nicht mehr [sad]

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon GoldenTulip » 1. Dezember 2014, 19:30

Ninja, mein Schatz,

es laufen viele Verrückte durch die Welt, und nur wenige stellen sich in Frage.
Da bist Du schonmal auf der richtigen Seite [biggrin]
Traumatisiert zu sein fällt nicht unter Kavalliersdelikt. Eine teure, und nicht leichte Kost ist dies hier:
http://www.amazon.de/Sucht-Bindung-Psychotherapie-Traumafolgen-neurobiologischen/dp/3794527461/ref=sr_1_7?ie=UTF8&qid=1417458072&sr=8-7&keywords=bindung+trauma

Weißt Du, was mir an dem Buch gefallen hat?!. Das man sich nicht mehr wie ein Idiot fühlt.
Therapien sind ja gut und richtig, nur, das Problem ist, dass man dadurch wieder "zurechtgebogen" werden soll. Und manchmal gibt es nicht mehr, dass man wieder richtig tickt. Man mag nicht mehr. Zurechtgebogen zu werden, beispielsweise.
Eine Art psychosozialer seelischer Burnout.

Zu lernen, mit der eigenen "Besonderheit" zu leben, wäre da schon great.

Ein Geisterfahrer , hunderte [shok]

Und eine Packung Tempos und 1000 Entspannungsmethoden,

lieb Conny

Home is, where heart is, für Dich:

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 3. Dezember 2014, 01:18

Ich guck mir das Bild schon seit drei Tagen an :) :)
Hatte aber bis dato keine Worte... ach, ich und die drei Pünktchen. Symptomatisch wahrscheinlich. Deuten konnte ich sie noch nie. Ich hoffe, ihr akzeptier sie noch... da sind sie wieder!

Zurück zum Thema (bäh, würg, murks).
Ich hab den Termin bei meiner Therapeutin, hm, zumindest vorläufig verschmerzt und beginne wieder nachzudenken. Die teure, nicht leichte Kost hab ich tatsächlich schon seit wenigen Wochen auf meinem Notebook, schon allein, weil ich die Schreibe von Ulrich Sachsse so mag. Ich kenne Bücher von ihm aus anderen Zusammenhängen. Ich hab mich übrigens manchmal gefragt, ob es nicht irgendwie therapieschädigend ist, wenn ich so viel über die Hintergründe weiß. Ich trinke sowieso so viele mitmenschliche Botschaften, warum muss ich mir dann noch dieses intime (würg) Zweiergespräch erschwerden. Ich hab deswegen gerade die neurobiologischen Grundlagen gelesen, an den Rest hab ich mich irgendwie nicht rangetraut. Aber wenn ich demnächst ohnehin therapiefrei bin...
Mir scheint gerade zu passieren, was schon auf Seite 1 steht: die Traumatherapeuten schieben die Sucht vor, die Suchttherapeuten das Trauma. In meinem Fall hatte ich, trotz vorheriger Schwierigkeiten, eine Therapeutin gefunden, die beides integrieren wollte, bei der ich das Gefühl hatte, das beides seinen Raum haben durfte. Wobei ich den Begriff "Sucht" nie so recht integrieren konnte. Bin ich wirklich süchtig? So habe ich mich vorgestellt, und was die psychische Komponente angeht, so muss ich mich dem beugen. Aber ICD 10 beherrscht die Krankenkassen, und seit dem ich mich mehr damit beschäftige... hm... lange Rede, kurzer Sinn: Diagnose Alkoholanbhämgigkeitssyndrom oder so ähnlich. Gutachter schiebt mich rum: erst Suchttherapie, dann Trauma, ergo keine Therapieverlängerung. HAT DER EIGENTLICH JEMALS PRAKTIZIERT??????!!!!!!
Ok. Ruhig Blut. Dabei lief es so gut. Ich bin zwar noch nicht zufrieden mit meinem Konsum, aber ganz ehrlich... ich könnte schlimmeres tun - und ich tue es nicht!!! (nicht erschrecken. Sich hinlegen und verzagen und mehr oder weniger unbewusst Ehe und Studium an die Wand fahren ist auch ein Akt der Autoaggression - das wäre der Supergau, den es zu verhindern gilt).

Mein Fernziel ist es auf jeden Fall, nicht mehr so dämliche Abwägungen treffen zu müssen. Aber schon wieder... sind wir bei der Henne und dem Ei. Erst der Alk? Erst die Vergangenheit? Sollte ich dem Gutachter schreiben, dass ich von heute auf morgen nicht mehr trinke, denn ich kann mir andere Dummheiten ausdenken?! Vermaledeit! Was ist das für ein System?!

Wut hilft im übrigen gegen Dämlichkeit ;) Also verzeiht...

Hab grad beim runter scrollen nochmal the Cat in the drawer gesehen. Hach... So friedlich. Zu lernen mit der Besonderheit zu leben... das entspricht wohl dem Prinzip der "radikalen Akzeptanz" nach Linehan resp. irgendeiner buddhistischen Weisheit. Soll nicht abwertend klingen. Ich muss mich nur offensichlich langsam mit der ein oder andern Sache abfinden...

Zeit zum Schlafen - im übrigen ohne Alk! *stolz bin*
Das wird wohl wieder eine schlaflose Nacht...

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Re: Erfahrungen über den Weg aus der Suchtfalle

Beitragvon Ninja » 20. Dezember 2014, 17:08

Wie niedlich die Katze in der Schublade schon wieder ist :)

Ich weiß, ich hab mich schon wieder ewig nicht gemeldet. Um mich herum wird gerade alles wieder etwas viel und außerdem, naja... hatte ich ein paar fiese Rückfälle... :(
Ich hab mich jetzt wieder gefangen und will mein Leben wieder aufs Neue anpacken (und immer und immer und immer wieder - sieh es positiv! Du bist das perfekte Steh-auf-Männchen! Und das Glas ist halb voll).

Weihnachten berührt mich gerade kaum, aber Silvester macht doch einen tierischen Eindruck auf mich. Wieder ein neues Jahr mit neuen Chancen. Wieder das alte Jahr vergangen. Wie hab ich es genutzt? Bin ich zufrieden? Was lerne ich daraus für das kommende?

Es mag schrecklich verrückt klingen, aber irgendwie habe ich Alkoholismus immer als eine Phase betrachtet, die ich durchmachen muss, und die irgendwann abgeschlossen sein wird. Ich habe einen sehr selbstzerstörerischen Charakter. Bevor ich anfing zu trinken habe ich ... ach, vielleicht helf ich damit ja anderen... also ich hab mich selbst eine Weile lang leider heftig verletzt, so bis es auch suchtartig wurde, aber ich hab es besiegt! Den Weg dahin werde ich nie vergessen und das Wissen daraus wird mir auch in Bezug auf Alkohol gute Dienste tun... was ich sagen will: auch das war eine Phase. Eine furchtbare zwar, aber sie ging vorbei und so traurig es klingt, ich musste sie durchmachen. Ich musste bis an meine Grenzen gehen, erfahren, dass mein Leben dadurch nicht besser wird, musste mich an mir selbst austoben, um dann müde niederzufallen und mit neuen Plänen für die Zukunft wieder aufzustehen.
Ich spüre, dass nun die Phase des Alkohols ebenfalls an meine selbst gesteckten Grenzen ausgeschöpft hat. Was wollte ich eigentlich erreichen? Was hab ich mir noch gedacht, als ich mit 17 das erste Mal mit dem Wein spazieren war? "Mama, ich will dir zeigen wie scheiße das ist".
Ich glaube, jetzt ist es gut. Mal abgesehen davon, dass es real gar nicht gebracht hat. In meinem Kopf hat es immerhin einige Jahre des "wie du mir, so ich dir" gebracht. Hab ich mich nun endlich ausgetobt? Bin ich meine Wut über ihre Sucht nun los?

Ich bin jedenfalls gleichgültiger geworden. Ja. Ich glaube, ich bin wieder müde. Interessant. Irgendwo bin ich doch ein sehr wütender Charakter wie es scheint. Verdammt. Die Psychologen hatten Recht.

Ich bin mir bewusst, dass ich damit von heute auf morgen keine "Lust" mehr auf Alkohol habe. Immerhin ist an diesem "Stoff" etwas "besonderes". Er ist eine tückische Droge, die Veränderungen an deinem Gehirn bewirkt.

Und dennoch spüre ich, dass das grundlegende Motiv sich langsam - endlich - erübrigt.

Und bevor ich noch das Wort zum Sonntag verkünde, höre ich jetzt besser auf. Das waren nur ein paar unleidliche Gedanken :)


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