Ein Hallo in die Runde

Hier erhalten Angehörige von Alkoholabhängigen Rat und Hilfe sowie auch Arztvorschläge. Und sie können dort lesen, wie andere mit dem Problem umgehen.
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Lavita22
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Ein Hallo in die Runde

Beitragvon Lavita22 » 11. Mai 2016, 21:02

Ich habe von einer Freundin von dem Forum gehört und über die Wirkung vobn baclofen bei der Unterstützung beim Alkoholentzug. Mein Ex-Mann hat mich gebeten, ihm dabei zu helfen, da er nicht in der Lage ist, das selbst in die Hand zu nehmen.
Zum Hintergrund: Er ist seit ca. 1999 stark alkoholabhängig. 2002 erkrankte er an einer Lungenentzündung und dabei kam die Alkoholthematik voll zum Ausbruch. Er musste für 4 Wochen in ein künstl. Koma gelegt werden, da die Suchtsymptome einfach zu stark waren. Nach über 6 Wochen Krankenhausaufenthalt sowie Reha war er über ein paar Jahre stabil. Aber ohne Alkohol ging es nicht, obwohl er das 5 Jahre gut im Griff hatte.
Der nächste große Auslöser war der Schlaganfall seiner Mutter, den er Stück für Stück im Alkohol ertränkte. Seit 2010 hatte er mehrfach Entzüge hinter sich - allerdings war es immer nur die körperliche Entgiftung. Danach gelang es ihm für eine Zeit lang trocken zu sein.
Die Einsicht, dass er alkoholkrank ist, hatte er die ganzen Jahre nicht. Ich stand viele Jahre hinter ihm, aber irgendwann hatte mich auch meine Kraft verlassen. Unsere Kinder haben unter den ständigen Auswirkungen stark gelitten. Die Trennung hat er bis heute nicht verkraftet. Leider kommt er aus eigener Kraft allein nicht aus der Situation heraus.
Mittlerweile hat sein Gesundheitszustand stark gelitten und er hat den starken Wunsch, von der Sucht loszukommen.
Bis Ende letzten Jahres war er selbständig mit eigenem Geschäft. Aufgrund seiner Krankheit mussten wir den Betrieb schließen. Das "Nichtstun" lässt ihn aus seiner Spirale nicht herauskommen.
Ich erhoffe mir, hier Anregungen aber auch Hilfe zu finden. Schön wäre eine Empfehlung eines Therapeuten/Arztes, der sich mit diesem Medikament auskennt. Ich wünsche mir für meinen Ex-Mann, dass er noch ein paar schöne Jahre ohne den ständigen Zwang zu haben, verleben kann. Er war mal ein so starker und positiver Mensch und nun sitzt ein Häufchen Unglück vor mir.
Ich danke euch!

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Papfl
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Re: Ein Hallo in die Runde

Beitragvon Papfl » 12. Mai 2016, 08:54

Hallo Lavita22!
Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] . Schön, dass Du Deinen Ex-Mann unterstützen möchtest [good] .

Trotzdem können Betroffene ihre Abhängigkeit natürlich nur mit einem guten Stück Eigeninitiative und "Arbeit an sich selbst" überwinden. Du kannst Deinen Ex-Mann bei seinem Weg aus der Abhängigkeit begleiten und unterstützen, aber gehen muss er ihn alleine [pardon] .

Lavita22 hat geschrieben:Das "Nichtstun" lässt ihn aus seiner Spirale nicht herauskommen.

Diese Lethargie kennen viele hier gut. Dahinter steckt auch ein großes Stück Enttäuschung, Resignation, Hoffnungslosigkeit etc..

Deshalb ist es wichtig, dass er (und auch Du) weiß(t), dass die Rückfälle nichts mit Willensschwäche oder fehlender Disziplin etc. zu tun haben. Schuld daran ist das sog. Craving. Unser Beitrag über Craving erklärt das ganz gut und kann auch so manches Schuld-, Scham- und Versagensgefühl nehmen bzw. relativieren.

Mit der Erfahrung, dass die klassische Suchttherapie oft nur zu befristeten Abstinenzphasen führt, steht Dein Mann nicht alleine da. Die Baclofentherapie (= Medikament gegen physisches Craving + Psychotherapie) ist diesbezüglich umfassender und nach allem, was wir heute wissen, auch erfolgreicher. Warum das so ist, habe ich anhand eines Beispiels hier versucht zu erklären.

Solange dieses physische Craving die Oberhand hat (also die Gedanken ständig nur um Alkohol kreisen, das Verlangen nach dem Suchtmittel vollkommen den Zwängen der Biochemie unterliegt), ist es in der Tat sehr schwer und oftmals nur kurze Zeit mit größter Anstrengung und Kraft möglich, dem Druck zu widerstehen.

Hier kann Baclofen helfen. Dabei solltet Ihr aber wissen, dass Baclofen keine Wunderpille ist, die man schluckt und alles wird von alleine gut. Das Medikament kann dabei helfen, die ständigen Gedanken an Alkohol und das unbändige Verlangen, das über kurz oder lang dazu führt, dass Betroffene wieder zur Flasche greifen und rückfällig werden, einzudämmen. Es schlägt einem das Glas aber nicht aus der Hand.

Vielmehr kann es Betroffenen die Entscheidungsfreiheit zurück geben: Im Idealfall MUSS man nicht mehr zwingend trinken, weil man gegen das Verlangen machtlos ist. Man KANN sich wieder frei entscheiden, ob man trinken möchte, oder ob man es lieber lässt. Stattdessen braucht es dann natürlich andere Alternativen, die einem das geben, was bislang der Alkohol geleistet hat. Belohnung, Entspannung, "Kicks", "Glücksgefühle", Hemmungslosigkeit, Ausschalten von Ängsten, etc...Alkohol kann viele Funktionen übernehmen.

Das ist dann die eigentliche "Arbeit an sich selbst", an der über kurz oder lang niemand vorbei kommt. Dafür kann Baclofen den Kopf frei machen - nicht mehr, aber auch nicht weniger [smile] .

Weil ich nicht genau weiß, wie weit Ihr schon in der Materie "drin" steckt, sind hier zunächst mal ein paar Links mit Informationen zu Baclofen:

Einen ersten Überblick rund um das Medikament findet Ihr in unserer Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick.

Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann.

Genaueres zur Dosierung und Therapie steht im Leitfaden für die Anwendung.

Desweiteren empfehle ich die Lektüre des Buches "Das Ende meiner Sucht" von Olivier Ameisen. Der Kardiologe Olivier Ameisen war selbst betroffen und hat Baclofen als Therapieoption bei Abhängigkeitserkrankungen (wieder)entdeckt. Das Buch ist spannend zu lesen! Ihr könnt die E-Book-Version des Buches auch kostenlos über dieses Forum "ausleihen". Bei Interesse schreibt das einfach in die Private Nachricht (PN) an @DonQuixote mit rein, wenn Ihr ihn um eine Arztadresse bittet.

Da wir unsere Arztadressen aus naheliegenden Gründen nicht öffentlich rausgeben, möchte ich Euch bitten, @DonQuixote (er verwaltet unsere Arztadressen) nochmal kurz mit einer Privaten Nachricht (PN) anzuschreiben und ihm Euren Wohnort samt Postleitzahl mitzuteilen. Er wird sich dann per E-Mail bei Euch melden.

Falls Ihr weitere Fragen oder Sonstiges auf dem Herzen habt, könnt Ihr die natürlich jederzeit stellen [smile] . Vielleicht hat Dein Ex-Mann ja auch Lust, sich selbst hier im Forum anzumelden. Das wäre auch schon mal ein kleiner Schritt gegen das "Nichtstun"...Muss nicht sofort sein. Ich kann mir gut vorstellen, wie er sich gerade fühlt. Wahrscheinlich hat er im Moment so ziemlich Lust zu gar nichts...

Alles Gute einstweilen! Das wird schon... [good] !

Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Ein Hallo in die Runde

Beitragvon Lavita22 » 12. Mai 2016, 14:26

Hallo Papfl,

vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort.

Ich weiß, dass er nur allein diesen Weg beschreiten kann. Deine Antwort werde ich ihm ausdrucken, so kann er selbst nochmal alles nachlesen.
Vielen Dank auch für die vielen Links. Ich habe mich natürlich schon im Vorfeld gut informiert ;-). Das Angebot mit dem E-Book nehme ich sehr gern an (habe ich bereits per PN gemacht).
Und ich werde meinen Ex-Mann auf jeden Fall ermuntern, sich auch bald in dem Forum anzumelden. Bislang hängt es aber an seiner finanziellen Situation, die ihm keinen Internetanschluss gewährt. Da bin ich aber dran.
Ich berichte, wie es weitergeht...
DANKE!!!

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DonQuixote
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Re: Ein Hallo in die Runde

Beitragvon DonQuixote » 12. Mai 2016, 21:04

Hallo Lavita

Danke für Deine PN (Privatnachricht) von heute Nachmittag. Eine E-Mail mit Arztempfehlung ging soeben an Dich raus.

Apropos Ausdrucken: Ich würde das nicht nur mit der Antwort von @Papfl machen, sondern auch mit den diversen Dokumenten, die dort verlinkt sind. Denn je besser die Patienten über die Baclofen-Therapie informiert sind, ums so besser hilft sie in der Regel auch.

Euch beiden für die Behandlung das Allerbeste wünscht

DonQuixote


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