Dreijährige Zulassung RTU in Frankreich erteilt

[Lucidare]

Off Topic

Moin,

Bevor ich gut über den Sommer komme, möge der Sommer jetzt erstmal über mich kommen. (Urlaub)

Dann mal gute Erhohlung!

LG

[DonQuixote]

Hi Shelf & all

Solange dieser Kompromiss eine höhere Dosierung (dann off label) "erlaubt" wäre schon viel gewonnen

Was immer auch in den Papieren zur einer Marktzulassung oder zu einer Nicht-Markzulassung drin stehen möge, so wird dort jedenfalls niemals drin stehen, dass hoch dosiertes Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängkeit "verboten" sei. Off-Label-Use steht immer ÜBER jeglicher Zulassung und unterliegt einzig und allein dem Ermessen des Behandelnden Arztes und dessen Patienten.

Oft sind höhrer Dosierungen nur während der "Dosisfindung" nötig. Das ist für "Zweigleisige" zwar nicht optimal, denn da geht es kaum ohne höhere Bac-Dosierung - aber " besser wie nüscht" ist es allemal.

Ein sehr gutes Argument!

Am wichtigsten wäre jedoch das damit verbundene Signal: "Ja, Baclofen ist definitiv zur Behandlung von Alkoholismus geeignet"

Ja, genau darum geht es!

DonQuixote

[Mcervantes]

Hallo Don und alle,
die ANSM hat heute für Baclofen (in der Version von BACLOCUR) die Marktzulassung (AMM) zur Therapie der Alkoholkrankheit erteilt, allerdings nur bis maximal 80 mg täglich. Hier der Link:

https://www.ansm.sante.fr/S-informer/Ac ... Communique

freuet Euch und frohlocket..

Grüße
Mcervantes

[Lucidare]

Hallo Mcervantes,

danke für's Raussuchen!

LG

[DonQuixote]

Seid gegrüßt

Freuet Euch und frohlocket ...

Da gibt es leider nichts, worüber man sich freuen oder frohlocken kann. Auf Grund einer höchst fragwürdigen Studie wurde nämlich in der Marktzulassung die Dosis auf maximal 80 mg / Tag beschränkt. Wie fragwürdig diese Studie ist, wurde bereits aufgezeigt.

Aber es kommt noch schlimmer:

• Die Zulassung greift erst dann, wenn andere verfügbare Therapien scheiterten. Ob damit alle anderen Therapien oder nur einige andere Therapien gemeint sind, bleibt offen, der Text der Zulassung ist da unpräzise.
  
• Die Zulassung gilt ausschließlich für das Medikament BACLOCUR® des Herstellers Ethypharm. Dabei handelt es sich allerdings um nichts anderes als das bisher unter diversen Markennamen kommerzialisierte Baclofen, z.B. LIORESAL® des Herstellers Novartis. Der Preis von BACLOCUR® ist noch nicht bekannt und derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen Hersteller und Gesundheitsbehörde. Vorteilhaft sind die gut handbaren Darreichungsformen von 10, 20 und 40 mg / Tablette, alle Tabletten sind zur präziseren Dosierung auch mit einer Bruch-Kerbe versehen. Solange BACLOCUR® noch nicht auf dem Markt ist, gilt weiterhin die vorläufige Zulassung (RTU) für Baclofen.
  
• Die Behandlung muss nach 3 Monaten abgebrochen werden, falls das Therapeutische Ziel (Konsumreduktion / Abstinenz) nicht erreicht wurde
  
• • Gestrige Pressemitteilung der Zulassungsbehörde ANSM
  • Detaillierte Vorschriften der Zulassung
• Die maximal zulässige Dosis von 80 mg hilft nach Einschätzung der Ärztevereinigung RESAB nur ca. 25 % aller Patienten. Die anderen 75 % bleiben demnach unterversorgt. In der RESAB haben sich einige hundert Baclofen verschreibende Ärzte zusammengeschlossen, und man ließ auch bereits verlauten, dass man sich nicht an die Vorgaben der Zulassung halten werde. Auch die Ausbildung von Ärzten in der richtigen Anwendung von Baclofen werde im Jahr 2019 fortgesetzt. Bisher nahmen 1‘600 Ärzte und Therapeuten an solchen Kursen teil.

Somit wird es zukünftig also auch in Frankreich in großem Umfang eine „off-label“-Anwendung von Baclofen bei der Therapie der Alkoholabhängigkeit und anderer Suchterkrankungen geben.

DonQuixote

[Lucidare]

Hallo DonQ,

Danke für Deine Informationen!

Sicher, und auch für die "Hitzköpfe" in Frankreisch, dieser Satz ist für mich der Positivste:

In der RESAB haben sich einige hundert Baclofen verschreibende Ärzte zusammengeschlossen, und man ließ auch bereits verlauten, dass man sich nicht an die Vorgaben der Zulassung halten werde. Auch die Ausbildung von Ärzten in der richtigen Anwendung von Baclofen werde im Jahr 2019 fortgesetzt. Bisher nahmen 1‘600 Ärzte und Therapeuten an solchen Kursen teil.

Die Zulassung gilt ausschließlich für das Medikament BACLOCUR® des Herstellers Ethypharm. Dabei handelt es sich allerdings um nichts anderes, als das bisher unter diversen Markennamen kommerzialisierte Baclofen, z.B. LIORESAL® des Herstellers Novartis. Der Preis von BACLOCUR® ist noch nicht bekannt und derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen Hersteller und Gesundheitsbehörde. Vorteilhaft sind die gut handbaren Darreichungsformen von 10, 20 und 40 mg / Tablette, alle Tabletten sind zur präziseren Dosierung auch mit einer Bruch-Kerbe versehen. Solange BACLOCUR® noch nicht auf dem Markt ist, gilt weiterhin die vorläufige Zulassung (RTU) für Baclofen.

...gilt die Zulassung der RTU... und wenn BACLOCUR® und ANSM mal wieder Jahre brauchen? Sicherheit ist etwas anderes.

LG

[DonQuixote]

Seid gegrüßt

Unter der Überschrift „Baclofène, deux pas en arrière, un pas en avant“ (Baclofen: Zwei Schritte zurück, ein Schritt vorwärts) hat sich nun auch die Französische Fédération Addiction geäußert. Deren Urteil ist nicht ganz so streng, immerhin anerkennt sie auch ein paar positive Aspekte:

• Ziel der Baclofen-Therapie ist nicht nur die Aufrechterhaltung einer Abstinenz, sondern auch die Konsum-Reduktion.
• Alle Ärzte können das Medikament zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit verschreiben.
• Das Vorhandensein von Psychiatrischen Begleiterkrankungen gilt nicht mehr als Ausschlusskriterium.

Keinen Zweifel lässt die Fédération Addiction hingegen an der Berechtigung ihrer Forderung, die Französische Zulassungsbehörde ANSM möge die Limitierung von 80 mg / Tag nochmals überdenken.

DonQuixote

[DonQuixote]

Seid gegrüßt

Der Preis von BACLOCUR® ist noch nicht bekannt und ist derzeit noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen Hersteller und Gesundheitsbehörde.
[...]
Solange BACLOCUR® noch nicht auf dem Markt ist, gilt weiterhin die vorläufige Zulassung (RTU) für Baclofen

Es ist noch keine Änderung in Sicht, jedenfalls ist da bis jetzt nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. "Die Franzosen" nehmen und machen das halt sehr gründlich, und dann kann das eben schon mal dauern

DonQuixote

[DonQuixote]

Seid gegrüßt

Es ist noch keine Änderung in Sicht, jedenfalls ist da bis jetzt nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. "Die Franzosen" nehmen und machen das halt sehr gründlich, und dann kann das eben schon mal dauern

Keine Angst. Ihr habt nichts verpasst. Noch immer gibt es keine Einigung zwischen Arzneimittelhersteller und der Zulassungsbehörde. Ich habe aber munkeln gehört, dass es eine solche Einigung noch bis Ende dieses Jahres geben soll. Aber wer weiß das schon

Ich bin da aber quasi tagesaktuell dran. Wenn sich da in der Sache irgendetwas oder irgendwer bewegt, dann erfahrt Ihr es. Oder, noch besser, Ihr folgt meinem Twitter-Acount.

DonQuixote

[Mcervantes]

Hallo zusammen,

die ANSM hat am 25.5.20 das Auslaufen der vorläufigen Genehmigung (RTU) zur Therapierung der Alkoholkrankheit mit Baclofen angekündigt. Ab dem 15.6.20 ist in Frankreich die Therapierung auf Baclofen-Basis nur noch mit BACLOCUR® zulässig, maximale Tagesdosis 80 mg:

https://www.ansm.sante.fr/S-informer/Ac ... s-de-sante

Ein Leitfaden für Ärzte und einer für Patienten ist erhältlich.

Leider ist mein Französisch nicht gut genug, um ins Detail zu gehen.

Grüße
Mcervantes (dank erfolgreicher Baclofen-Therapie noch immer alkoholfrei)

[DonQuixote]

Seid gegrüßt

Was für eine überraschende Wendung: Mit einstweiliger Verfügung hat ein Französisches Gericht am 17. Juni 2020, also zwei Tage nach Inkrafttreten, die Marktzulassung für Baclofen zur Behandlung der Alkohlabhängigkeit als unzulässig bezeichnet.

Geklagt hatte eine Patientin, tatkräftig unterstützt von der Patientenvereinigung BACLOHELP. Sie monierten, dass die Beschränkung der maximalen Dosis auf 80 mg/Tag eine große Zahl von Patientenaus aus ihrer laufenden Therapie werfe. Außerdem zweifelten sie die Seriosität des Dossiers an, welches der Zulassungsbehörde vorgelegt wurde. Das Gericht ist diesen Argumenten gefolgt, bis es in der Hauptsache entscheiden wird, gilt wieder die provisorische Zulassung (RTU) mit einer maximalen Baclofen-Dosis von 300 mg/Tag. Das Medikament BACLOCUR wurde einstweilen vom Markt genommen. Hier der Link zu einer entsprechenden Pressemeldung aus Frankreich.

DonQuixote

[DonQuixote]

Seid gegrüßt

In Frankreich ist vor kurzem eine neue Studie mit BACLOCUR angelaufen:

• Baclocur® Post-Authorisation Safety Study in Real-life Settings in France (BACLOLIFE)

Solche Studien nach der Marktzulassung eines Medikaments sind nicht ungewöhnlich. Untersucht werden sollen dort die angeblich ach so schlimmen Nebenwirkungen, welche zu dieser unsäglichen Begrenzung der Dosierung auf 80 mg / Tag geführt haben. Die geplante Teilnehmerzahl beträgt knapp 1´000 Patienten, die Studie wird dezentral durchgeführt, also in einer Vielzahl von Arztpraxen und Spitälern. Und wenn es nicht gerade um Corona geht, dauern solche Studien halt quälend lange, mit ersten Ergebnissen ist keinesfalls vor Ende 2024 zu rechnen.

Zur Höhe der Dosierung sagt das Studiendesign kurz und bündig: „Enrolled patients will receive treatment and evaluations for their disease as determined by their physicians in accordance with local standard of care.” Also ungefähr: „Die teilnehmenden Patienten erhalten eine Behandlung gemäß Anordnung durch ihre Ärzte und nach Maßgabe der lokalen Standards.“ Das dürften dann eben hauptsächlich Dosierungen bis zu den in Frankreich zugelassenen 80 mg/Tag sein, schließt aber eine höhere Dosierung auch nicht aus, denn erlaubt sind solche hohen Dosierungen auch in Frankreich nach wie vor, wenn auch dann nur im Rahmen eines sog. Individuellen Heilversuchs (Off Label Use).

Mal sehen, ob diese Studie dann etwas zur Entschärfung der Diskussion beitragen kann

DonQuixote

[DonQuixote]

Seid gegrüßt

Nach der Einstweiligen Verfügung hat das angerufene Französische Gericht nun auch in der Sache entschieden, dass nämlich die Begrenzung der Höchstdosis auf 80 mg / Tag in der Medikamentenzulassung von Baclofen (Baclodur®) für die Behandlung der Alkoholabhängigkeit aufzuheben sei! Der zuständigen Französischen Behörde für die Überwachung der Sicherheit von Medikamenten und Medizinalprodukten, ANSM, wurde hierfür eine Frist von 6 Monaten gewährt.

Na wenn das keine gute Nachricht ist! Ordentliche Quellennachweise gibt es dann später, sobald welche verfügbar sind. Bis jetzt gibt es halt nur ein paar ganz frische Screenshots aus dem Gerichtsurteil, bereitgestellt heute Abend durch den Twitterkanal der unterstützenden Kläger, der Patientenvereinigung „Collectiv BACLOHELP“.

DonQuixote

[Mcervantes]

Guten Tag miteinander,

die ANSM hat am 18.11.21 mitgeteilt, daß die Dosisbegrenzung von 80 mg pro Tag aufgehoben wird. Wenn 80 mg pro Tag nicht ausreichen, wird empfohlen, dass den Patienten eine multidisziplinäre Behandlung mit Spezialisierung auf Suchterkrankungen angeboten wird. Es wird dringend empfohlen, die Dosis von 300 mg / Tag nicht zu überschreiten.
Da meine Französischkenntnisse nicht sonderlich gut sind, habe ich die maschinelle Übersetzung der Verlautbarung verwendet.
Die Verlautbarung im Original ist verfügbar unter

https://ansm.sante.fr/actualites/alcool ... -baclofene

Grüße, Mcervantes

[DonQuixote]

Hallo Mcervantes
Erst mal vielen Dank für Deine Recherche

Und dann:

Da meine Französischkenntnisse nicht sonderlich gut sind, habe ich die maschinelle Übersetzung der Verlautbarung verwendet.

Bitte keine falsche Bescheidenheit. Du und Dein "Freund Google" haben das absolut korrekt wiedergeben!

Man beachte auch die Formulierungen "empfohlen" oder "sehr empfohlen". Das unterscheidet sich ganz markant von früheren Verlautbarungen der ANSM, wo nämlich nicht empfohlen, sondern knallhart diktiert wurde. So gesehen ist das ein sehr großer Fortschritt. Na ja, freiwillig machten sie das halt nicht und mussten erst gerichtlich dazu gezwungen werden.

Und kann vielleicht mal jemand recherchieren, zu welchem Preis das in Frankreich zugelassene Medikament Baclocur derzeit vermarktet wird? Etwas anderes als der Wirkstoff Baclofen ist da jedenfalls nicht drin. Klar, die Studien müssen natürlich refinanziert werden. Aber auch die Verhältnismäßigkeit ist natürlich ein Wert an sich. Wenn wir uns schon auf die so viel beschworene "Wertegemeinschaft' berufen.

DonQuixote

[Mcervantes]

Hallo DonQuixote,

die Suche nach den Preisen in Frankreich war etwas zeitaufwändig. Hier die Antwort mit entsprechenden Quellenangaben:
BACLOCUR© , Schachteln jeweils zu 30 Stück ist in Frankreich wie folgt erhältlich:
10 mg 4,57 Euro + 1,02 Euro Apothekengebühr = 5,59 Euro
20 mg 9,02 Euro + 1,02 Euro Apothekengebühr = 10,04 Euro
30 mg 13,49 Euro + 1,02 Euro Apothekengebühr = 14,51 Euro
40 mg 17,97 Euro + 1,02 Euro Apothekengebühr = 18,99 Euro
15% können erstattet werden (gilt meines Erachtens nur für den Medikamentenpreis).
Quelle (am einfachsten):
https://base-donnees-publique.medicamen ... php#result
mit Beispiel Baclocur 10 mg:
https://base-donnees-publique.medicamen ... d=66009893
Weitere Quellen:
https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/ ... 0043931567
PFHT: prix fabricant hors taxe = Produzentenpreis vor Steuer
PPTTC: prix public toutes taxes comprises = Publikumspreis incl. aller Steuern
und
https://www.vidal.fr/medicaments/bacloc ... 97238.html
Der Hinweis auf die 15% ist ganz unten auf der Seite, die Preise selbst entsprechen den von legifrance angegebenen.

Zum Vergleich:
Die Packung zu 30 Stück Baclofène Zentiva zu 10 mg. Ich habe in Frankreich nur die 10 mg Packungen für Baclofène und Lioresal finden können, keine höheren Dosierungen.
10 mg 2,48 Euro + 1,02 Euro Apothekengebühr = 3,50 Euro
Taux de remboursement (Rückerstattung): 30%
Quelle:
https://base-donnees-publique.medicamen ... d=64073783
Lioresal ist deutlich teurer, auch wenn man berücksichtigt, daß es sich um Packungen mit 50 Stück handelt.
10 mg 5,43 Euro + 1,02 Euro Apothekengebühr = 6,45 Euro
Taux de remboursement (Rückerstattung): 30%
Vergleich: Baclofène zu 2,48 x 50 : 30 = 4,13 statt 5,43
https://base-donnees-publique.medicamen ... d=60304050

Immerhin beträgt der Preisunterschied zwischen den 30-Stück Packungen 10mg BACLOCUR (4,57 Euro) und 10mg Baclofène Zentiva (2,48 Euro) 2,09 Euro – und das bei gleicher Wirksubstanz…….

Grüße, Mcervantes