Auf 3sat gab es vom 19. bis 25. Juni 2017 eine Themenwoche, in der verschiedenste Beiträge zum Thema „Sucht“ gesendet wurden. Eine dieser Sendungen war das Informations- und Talksendungsformat „Scobel“ vom 22. Juni 2017 mit dem Titel „Volksdroge Alkohol“. Ein Link zu dieser Sendung und das entsprechende Video stelle ich dann später ein. In dieser Sendung ging es, allerdings nur etwas am Rande, auch um Baclofen als mögliche Therapieoption der Alkoholabhängigkeit. Darin kamen in einem Video-Einspieler auch eine betroffene Patientin, zwei Suchtforscher der Berliner Charité, eine seit Jahren erfolgreich mit Baclofen behandelnde Ärztin und ein „Baclofen-Skeptiker“ zu Wort. Als Bonus-Material veröffentlichte 3sat auf seiner Web-Seite einige dieser Interviews in voller Länge, so wie sie in der Sendung („Scobel“) selbst nur sehr verkürzt wiedergegeben werden konnten. Ich habe dieses Bonus-Material aber mal für uns eingesammelt und gebe es nachstehend wieder:
- Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Bericht einer Betroffenen
https://www.youtube.com/watch?v=_sLFgYUqHmA
Dieser Erfahrungsbericht und die darin enthaltenen Interviewschnippsel wurden genau so bei „Scobel“ gesendet (Link folgt später). Ich führe das hier nochmal auf, damit Ihr Euch in Etwa ein Bild machen könnt, worum es geht.
- Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Interview mit einer Behandelnden Ärztin
https://www.youtube.com/edit?o=U&video_id=7280qu3KsEM
Im ausführlichen Interview: Dr. Cornelia Weigel, eine der erfahrensten „Baclofen-Ärzte“ Deutschlands, der es auch immer wieder gelingt, Vorträge, Posters oder Workshops an Deutschen Suchthilfekongressen zu platzieren. Die Fragen, die ihr von der Redaktion gestellt wurden lauteten:- Wie therapieren Sie Patienten, die alkoholsüchtig sind?
- Wie wirkt Baclofen?
- Welche Erfahrungen haben Sie mit Baclofen gemacht?
- Bei welchen Patienten wirkt Baclofen besonders gut?
- Was müssen Patienten für eine Einstellung mitbringen?
- Wie erfolgt die individuelle Eindosierung?
- Warum benötigt jeder Patient eine individuelle Dosierung?
- Welche Nebenwirkungen gibt es?
- Welchen Patienten darf Baclofen nicht verabreicht werden?
- Wie lange muss Baclofen eingenommen werden?
- Dürfen Sie Baclofen verschreiben, obwohl es für die Behandlung der Alkoholsucht nicht zugelassen ist?
- Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Interview mit den Leitern einer wissenschaftlichen Studie
https://www.youtube.com/watch?v=vElic4RpTGk
Im ausführlichen Interview: Dr. Christian Müller und Dr. Olga Geisel von der Charité Berlin, Autoren der Klinischen Studie „Baclad“. Die Fragen, die den Beiden von der Redaktion gestellt wurden lauteten:- Was genau war der Anlass Ihrer Studie zu Baclofen in der Abstinenzerhaltung?
- Nach welchen Kriterien haben Sie Patienten für die Studie ausgesucht?
- Haben die Probanden Baclofen gut vertragen?
- Wie haben Sie die individuelle Dosis für Ihre Probanden gefunden?
- Muss Baclofen so hoch dosiert werden?
- Hat Baclofen bei allen Probanden gewirkt?
- Gibt es Patienten, die besonders von Baclofen profitieren?
- Wie beurteilen Sie das Risiko möglicher Nebenwirkungen von Baclofen?
- Wie genau wirkt Baclofen?
- Kritiker sehen in Baclofen ein Ersatzmittel für Alkohol. Wie schätzen Sie das ein?
- Planen Sie eine weitere Studie in einem größeren Rahmen?
- Verschreiben Sie Ihren Patienten Baclofen?
- Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Interview mit einem Skeptiker
https://www.youtube.com/watch?v=nSksDO5cTkY
Wenn es um eine skeptische Einschätzungen von Baclofen als mögliche Therapieoption der Alkoholabhängigkeit geht, dann ist in Deutschland insbesondere Prof. Dr. Tom Bschor, u.a. Chefarzt der Abteilung Psychiatrie der Schlosspark-Klinik Berlin, ein oft herangezogener Interview-Partner. Die Fragen, die ihm von der Redaktion gestellt wurden lauteten:- Wie schätzen Sie Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit generell ein?
- Wo sehen Sie Gefahren?
- Kann Baclofen Patienten in eine neue Abhängigkeit bringen?
- Wie schätzen Sie Nebenwirkungen ein?
- Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Studie der Berliner Charité?
- Warum werden in Deutschland keine weiteren Studien zu Baclofen durchgeführt?
- Was halten Sie davon, dass Ärzte Baclofen außerhalb der Zulassung verschreiben?
- Werden nicht häufiger Medikamente außerhalb ihrer Zulassung verschrieben?
- Sind schon Patienten mit dem Wunsch an Sie herangetreten, Baclofen verschrieben zu bekommen?
Bei einigen Dingen ist er (Bschor) durchaus konziliant, ja er erscheint oft geradezu nachdenklich, wenn er z.B. meint, Baclofen sei ein sehr vielversprechendes Medikament, welches unbedingt weiter erforscht werden müsse. Sein Blick verengt sich dann allerdings, wenn er nur auf die bisher veröffentlichten randomisierten und placebokontrollierten Studien schaut. Natürlich hat er recht, wenn er ausführt, dass die Klinischen Studie „Baclad“. zu klein sei, um daraus „endgültige Schlüsse“ zu ziehen. Seine Hauptsorge ist allerdings nicht die seiner Meinung nach noch schlecht belegte Wirksamkeit von Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit, sondern vielmehr die Sicherheit der Anwendung dieses Medikaments in einer Dosierung, welche bis zum Dreifachen der ursprünglichen Zulassung erreichen kann. An mehreren Stellen des Interviews führt er das immer wieder aus und verweist auf die „sehr hohen Deutschen Standards“.
Mir kommt es schon fast irgendwie verkrampft vor, wie er (Bschor) die positive Erfahrungen mit weit über Hunderttausend Patienten aus Frankreich mit ebensolchen hohen Dosierungen einfach nicht zur Kenntnis nehmen will. Wenn man ihm (Bschor), der auch ein international renommierten Suchtexperten ist, Nichtwissen nicht unterstellen möchte, was dann?
Und Bschors Ausführungen zur „off label“ Behandlung, d.h. zu einem Individuellen Heilversuch mit einem zu diesem Therapiezweck nicht zugelassenen Medikament sind formal sicher korrekt. Wenn aber alle zugelassenen Medikamente (und die anderen Therapiemethoden), hinter denen sich Bschor im Interview verschanzt, sich als unwirksam erwiesen haben, was dann? Wäre nicht spätestens dann vielleicht ein Versuch mit Baclofen möglich, oder hilft dann nur noch Beten oder ein Langzeitaufenthalt in der Berliner Schlosspark-Klinik? Bschor sieht da jedenfalls keine Alternative und bezeichnet Heilversuche mit dem bereits hunderttausendfach erprobten Baclofen als „gefährlich und unverantwortlich“. Meine Meinung dazu: Gefährlich, ja sogar lebensgefährlich, ist die Alkoholkrankheit, und gerade die Unterlassung einer möglichen und weitestgehend sicheren Heilmethode (Baclofen-Therapie) ist es, was man dann „unverantwortlich“ nennen könnte.
Nun denn, Herr Bschor: Tausende praktizierende Ärzte, Doktores und Professores, in Frankreich, in Deutschland und in aller Welt, sehen das anders als Sie und behandeln ihre alkoholabhängigen Patienten mit Baclofen und dies mit großem Erfolg, ohne dass diese Patienten (Ihre Worte) „an dem Medikament sterben“. Und Ihre im Interview zum Ausdruck gekommene Anspielung, Prof. Olivier Ameisen könnte vielleicht auf Grund seiner Einnahme von Baclofen verstorben sein, ist … na ja.
Aber das wissen Sie selbst .
- Alkoholabhängigkeit - Die Wirkungsweise von Baclofen im Gehirn
https://www.youtube.com/watch?v=CcbQcwBXRn4
DonQuixote