tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

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Ninikie
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tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon Ninikie » 29. März 2015, 13:53

Hallo zusammen.

Leider konnte ich beim Foren-Durchstöbern keine Antwort auf diese Frage finden.
Folgende Fragestellung:

Ich bin derzeit bei ca 100 mg Bac. Dank dem Baclofen-Rechner folgender Weise aufgeteilt:
9:00 - 13mg
12:00 - 13mg
15:00 - 50mg
18:00 - 25mg

Seit einigen Tagen lasse ich die Morgen-&Mittagsdosis komplett weg und würde am Liebsten auch hie & da die Dosis am Nachmittag anpassen, evtl gar Baclofenfreie Tage machen, wenn ich weiß, dass es kein "SuchtdruckTag" werden kann (ja, die gibts!)
Hat jemand Erfahrung damit, die Dosis jeden Tag aufs neue individuell anzupassen?

Lieben Dank im Voraus für eure Hilfe und sonnige Grüße an diesem tristen Sonntag!
Nini

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Papfl
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Re: tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon Papfl » 29. März 2015, 14:54

Hallo Nini!

Würde ich nicht machen. Die Baclofen-Therapie "lebt" davon, etwas im biochemischen Stoffwechsel wieder einzuränken, was durch den chronischen Alkoholkonsum aus den Fugen geraten ist.

Konkret heißt das, dass durch eine konstante, regelmäßige Zufuhr von Baclofen im GABA-B-System dauerhaft für Entspannung, Ruhe, Ausgeglichenheit etc. gesorgt werden soll. Alkohol wird also - vereinfacht gesagt - überflüssig, weil man sich dank Baclofen auch ohne wieder ganz wohl fühlen kann [smile] . Zumindest auf der physischen Ebene. Das funktioniert aber erfahrungsgemäß langfristig nur befriediegend, wenn man einen gleichmäßigen "Baclofen-Spiegel" (Erhaltungsdosis) über den Tag verteilt aufrecht erhält. Insofern rate ich auch von einer Nur-morgens / Nur-abends-Dosis ab.

Wenn 100 mg/d pro Tag insgesamt zu hoch sind, dann würde ich langsam runterdosieren, aber die vier Einnahmezeitpunkte über den Tag verteilt auf jeden Fall beibehalten. Der Baclofen-Rechner zeigt ja recht anschaulich, wie schnell Baclofen im Körper abgebaut wird...von einer morgendlichen Dosis ist am Abend fast nichts mehr übrig - oder anders ausgedrückt: Der "Baclofen-Spiegel" ist dahin.

Baclofen bei Alkoholabhängigkeit ist kein Bedarfsmedikament. Für eine Anwendung, wie Du sie andeutest, wäre eventuell Nalmefen (Selincro®) eine Option. Dieses Medikament ist für die Einnahme an Tagen, an denen die Befürchtung besteht, "heute könnte es ausufern", gedacht.

Mein Rat wäre - falls Du bei Baclofen bleiben möchtest - auf jeden Fall den Fokus auf einen gleichbleibenden Spiegel zu richten. Der kann - sollten 100 mg/d zu hoch sein - zum Beispiel (angelehnt an Deine bisherige Dosierung) auch bei

12,5 mg
12,5 mg
25 mg
12,5 mg

liegen. An "Suchtdruck-Tagen" kannst Du ja bei Bedarf eine Notfallration von zusätzlichen 12,5 mg einbauen.

Wenn Baclofen Dir bislang geholfen hat, ist es nach knapp fünf Monaten (?) m. E. noch zu früh, das Medikament komplett abzusetzen. Der Organismus braucht halt eine gewisse Zeit, um sich umzustellen.

Was ist denn so "lästig" an der jetzigen Baclofeneinnahme? Nebenwirkungen? Immer dran denken müssen? Auf ein Medikament angewiesen zu sein?

Papfl
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Re: tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon Ninikie » 29. März 2015, 15:29

Danke Papfl führte die prompte Hilfe!
Aus der Warte, dass Baclofen langfristig den biochemischen Stoffwechsel ins Gleichgewicht bringt, hab ich es noch nicht betrachtet. Ich spüre den "sofort-Effekt", der aber eben leider auch sehr lahm macht. Da ich sonst unheimlich gerne viel Sport mache beeinträchtigt mich das ziemlich.
Aber Abstinenz hat Piorirität. Und abgesehen von der Nebenwirkung "Sofakartoffel" ist mir BAC nicht unsympathisch.

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Re: tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon Papfl » 29. März 2015, 15:36

Hi nochmal!

Wie gesagt: Wenn Dir die Gesamtdosis (100 mg/d) zu hoch ist, kannst Du langsam versuchsweise ein bisschen runterfahren. Du merkst ja, wann das Craving wieder zu stark wird bzw. die Tagesdosis zu gering ist.

Vielleicht liegt Deine akzeptable Erhaltungsdosis ja irgendwo bei +/- 75 mg/d, und dann klappt's auch wieder mit dem Sport... [smile] .

Die gleichmäßige Verteilung über den Tag hinweg ist halt von Vorteil!

Schönen Sonntag noch!
Papfl
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Re: tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon Ninikie » 29. März 2015, 15:50

Danke Papfl!
Das war sehr hilfreich!
Ich denke ich muss mich doch nochmal genau mit den neueren Studien zu BAC befassen.
Mir war bislang echt nicht bewusst, dass es den Hirnstoffwechsel umstellen kann. Hab ich dich richtig verstanden, dass es Hinweise darauf gibt, dass BAC diese langfristige Wirkung haben könnte?

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Re: tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon Papfl » 29. März 2015, 16:42

Ich versuch's mal so (stark vereinfacht):

Ein möglicher Grund, Alkohol zu trinken, ist der Wunsch, sich "wegzubeamen". Ein anderer kann die Sehnsucht nach Ruhe, Entspannung, Ausgeglichenheit, Stressabbau etc. sein. Auch unangenehme Stimmungen/Gefühle (Ängste, Traurigkeit, Unruhe etc.) versucht man mitunter, durch Alkohol zu betäuben.

Man weiß heute, dass das GABA-System dabei eine wichtige Rolle spielt. Sowohl Alkohol als auch Baclofen docken dort an. Allerdings an unterschiedlichen Stellen. Während Alkohol an GABA-A-Rezeptoren bindet, wirkt Baclofen ausschließlich im GABA-B-System (GABA-B-Agonist). Der große Vorteil des GABA-B-Systems ist es, dass es dort keine Toleranzentwicklung gibt. Man kann also von Baclofen nicht abhängig werden. Es gibt dort - und das ist die Kehrseite der Medaille für viele :wink: - aber auch kein Rauschpotential. Das heißt: Von Baclofen wird man auch nicht high oder berauscht.

Mit Blick auf das "Wegbeamen" hilft Baclofen also nicht wirklich weiter, wohl aber in punkto Beruhigung, Entspannung, Ausgeglichenheit, Anxiolyse ("Angstabbau"), depressive Verstimmungen...

Nun hat sich unser "Hirn" in all den Jahren des Alkoholkonsums daran gewöhnt, in bestimmten Situationen (Stress, Angst, Probleme, unangenehme Gefühle, "Gut Drauf Sein Wollen", "Wegbeamen") im GABA-A-System nach Lösungen zu suchen. Und wurde dort meist fündig. Weil's dort Alkohol gab bzw. dieser zeitnah nachgefüllt wurde.

Wenn's nun dort plötzlich keinen Alkohol mehr gibt, wird das "Hirn" unruhig, verkrampft, verzweifelt ---> CRAVING!

Es hat nach all den Trinkjahren fast schon "vergessen", dass es ja neben dem GABA-A- auch noch ein GABA-B-System gibt. Dort wird es zwar vergeblich nach dem "Rausch" suchen (s.o.), aber immerhin Entspannung, Ruhe, Ausgeglichenheit und etwas gegen die innere Unruhe, Ängste und depressive Verstimmungen finden.

Weil das GABA-B-System aber all die Jahre "sträflich" vernachlässigt wurde, ist es ganz schön eingerostet. Baclofen ist quasi das Öl, das die GABA-B-Maschine wieder zum Laufen bringen kann. Wie lange und wie viel geölt werden muss, ist bis jetzt noch nicht ganz klar. Es kann auf jeden Fall nicht verkehrt sein, jeden Tag aufs Neue ein bisschen Öl nachzugießen, um sicher zu gehen, dass die GABA-B-Maschine auch wirklich rund läuft.

Durchaus denkbar, dass man - wenn der ganze Rost und das Gequietsche nach ein paar Monaten/Jahren konsequenten Ölens nachgelassen haben - auch wieder weitestgehend auf das Öl verzichten kann, weil die GABA-B-Maschine dann wieder ganz ohne fremdes Zutun läuft.

Das wissenschaftlich zu untermauern ist allerdings in Anbetracht der Tatsache, dass sich mit Baclofen kein Geld mehr verdienen lässt, schon aus finanziellen Gründen nahezu unmöglich.

Beste Grüße
Papfl
Zuletzt geändert von Papfl am 30. März 2015, 21:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon gretikatz » 30. März 2015, 07:27

Sehr schön erklärt - dafür drei Daumen hoch von mir!

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Re: tägliche Anpassung der Baclofendosis möglich?

Beitragvon wassundhara » 30. März 2015, 19:08

Das finde ich auch , einfach Klasse.
Liebe Grüße Wassu


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