Doktorarbeit hat geschrieben:3.7 Faktoren welche den Misserfolg beeinflussten (Seiten 50 – 51)
Unter den 26 Patienten die keinen Erfolg hatten, mussten 6 die Behandlung wegen
Nebenwirkungen abbrechen.
Der Misserfolg der Behandlung ist verbunden mit:
- Generellen psychischen Problemen (DQ: Achtung Statistiker: (OR= 7,7, p=0,02)).
- Angstzuständen (OR= 5, p=0,03)
- Kein Verspüren einer Reduktion des Cravings. (p<0,0001)
- Gewissen Nebenwirkungen: Müdigkeit (Erschöpfung? Franz: „fatigue“) / Schläfrigkeit (OR= 2,6, p=0,004), Depressionen (OR=10,3, p =0,002), Verwirrung (OR=3,5, p<0,0001) und Atemprobleme (OR=10,3, p=0,02)
1. Synthese der Hauptergebnisse (Seite 52)
Die soziologischen und medizinischen Probleme der Alkohlabhängigkeit spielen im Französischen Gesundheitswesen eine bedeutende Rolle. Zurzeit ist kein Medikament in der Lage, dieser Krankheit wirksam zu begegnen.
Das Ziel dieser Arbeit war, bei Patienten mit Abhängigkeit oder Missbrauch und nach Einnahme von Baclofen, zu untersuchen, ob Abstinenz oder die Kontrolle des Konsums innerhalb der von der WHO empfohlenen Grenzen, innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von einem Jahr, möglich ist.
Die Behandlung war sehr oft eine „Behandlung der letzten Chance“, ob die Patienten bereits mehrfache medikamentöse Behandlungen versucht hatten oder nicht. Aus diesem Grund wurden auch keinerlei Ausschlusskriterien berücksichtigt.
Zu Beginn der Untersuchung wurde keine Baclofen-Höchstdosierung festgelegt, die durchschnittliche Dosis von 130 mg liegt über derjenigen von andern Studien (30 mg oder maximal 90 mg)zu Baclofen gegen Alkoholsucht. Die notwendige Dosis war unvorhersehbar.
Wir haben von den Patienten weder verlangt, den Alkoholkonsum vor der Baclofeneinnahme abzusetzen, noch haben wir die gleichzeitige Einnahme von Baclofen und Alkohol untersagt. Kein Patient wurde für die Untersuchung hospitalisiert.
Baclofen wurde mit zunehmender Dosis verschrieben, bis die Patienten eine genügende Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol entwickelten.
Baclofen erlaubte im Beobachtungszeitraum von einem Jahr die Abstinenz bei 60 % der Patienten und Alkoholkonsum innerhalb der von der WHO empfohlenen Grenzen bei 20 % der Patienten.
Die Verringerung des
Cravings ist mit diesen Resultaten eng verbunden: Die Verringerung des Cravings ist ein Schlüsselfaktor zur Verringerung des Alkoholkonsum oder gar zur Abstinenz.
Die unerwünschten Nebenwirkungen scheinen ein Hindernis für den Behandlungserfolg zu sein: Je schwerwiegender sie sind (wie Verwirrtheit, Atemprobleme) je weniger erscheint Baclofen wirkungsvoll.
Außerdem müssen, nebst der Verschreibung von Baclofen, Patienten mit Alkoholproblemen auch ganzheitlich betreut werden, das heißt in biomedizinischer, sozialer, kultureller, ethischer, juristischer oder gar spiritueller Hinsicht.
2. Nutzen und Grenzen der Untersuchung
2.1 Nutzen der Untersuchung (Seite 53)
Keine andere Untersuchung mit Baclofen hat je eine so große Anzahl an Patienten (132) eingeschlossen.
Der Untersuchungszeitraum von einem Jahr ist ebenfalls ein schlagkräftiges Argument in unserer Untersuchung. Noch nie gab es eine solche mit so langer Dauer. Dies ist übrigens auch eine der Empfehlungen der EMA (European Médicines Agency) von 2010 für Molekül-Studien im Zusammenhang mit Alkohol.
Was in den erhaltenen Resultaten neu ist, ist der nicht zu vernachlässigende Anteil von Patienten, die ihren Alkoholkonsum auf ein von der WHO empfohlenes Maß zurückführen konnten. Diese Daten sind interessant: Es ist das erste Mal, dass es eine Behandlung erlaubt, Alkohol kontrolliert zu trinken ohne in eine Exzess zu verfallen.
Da Baclofen gut mit Alkohol verträglich ist (vergleiche Evans S, Bigasa A. Acute interaction of baclofen in combination with alcohol in heavy social drinkers. Alcohol Clin Exp Res, Vol 33, 2009(1) ; 19-30), ist es deshalb nicht verboten, Alkohol und Baclofen gleichzeitig einzunehmen.
Das Nichtvorhandensein von Craving lässt den Patienten nicht in einen exzessiven Alkoholismus zurückfallen. Als einziges bekanntes Medikament erlaubt Baclofen ein solches Risikomanagement.
Das erlaubt uns, für einen Paradigmenwechsel zu plädieren: Die Abstinenz wäre dann nicht notwendig, um alle Probleme des Alkoholismus zu behandeln. Dies muss noch durch Studien der Stufe A bestätigt werden.
2.2 Hauptsächliche Schwierigkeiten und deren Vermeidung („Principaux biais“) (Seite 54)
PatientenrekrutierungDie Mehrzahl der Patienten hatte alles versucht, Missbrauch und/oder Abhängigkeit zu stoppen. Für sie handelte es sich um eine Behandlung der letzten Chance, eine Behandlung aus Mitgefühl.
Die meisten hatten das Buch von Professor Ameisen gelesen, alle wollten sie daran glauben, außerdem kamen einige Patienten von sich aus, um den Wunsch nach einer Behandlung mit Baclofen explizit auszusprechen.
Übrigens sind in den letzten zwei Jahren viele Internet-Foren entstanden, in denen Patienten von ihren Erfolgen mit Baclofen berichten. Die Patienten waren über den Nutzen dieses neuen Moleküls im Bilde.
Ärztliche Begleitung („intervention“)
Nur zwei Mediziner haben die Patienten begleitet. Diese zwei Mediziner, einer davon in der Suchtbekämpfung bereits reputiert und anerkannt, können eine wichtige Rolle beim Behandlungserfolg spielen. Einer der Mediziner wird in „Das letzte Glas“ von Olivier Ameisen als einer der einzigen Ärzte in Frankreich genannt, welcher Baclofen verschreibt. Der andere nahm zusammen mit einem seiner Patienten an einer landesweit ausgestrahlten Fernsehsendung teil, in der letzterer von der erfolgreichen Behandlung seiner Alkoholkrankheit berichtete.
Die Patienten dieser beiden Mediziner fühlten sich privilegiert („ich habe einen Arzt, anerkannt in seinem Bereich, der ist nicht wie die anderen.“ und „Er verschreibt mir ein Medikament außerhalb des Zulassungsbereichs.“).
Der Arzt als Träger positiver oder negativer Effekte, genauso wie ein Medikament, spielt eine entscheidende Rolle bei Betreuung und Erfolg einer Behandlung: „Das Medikament Arzt“ (Jaury P. Groupes Balint. AKOS Encyclopédie Pratique de Médecine. 1-0015,2003, 3p.
Aus den Augen verlorene Patienten45 Patienten wurden im Laufe der Untersuchung aus den Augen verloren. Die Patienten kamen nicht mehr zu den ärztlichen Konsultationen
Haben sie überhaupt mit der Einnahme von Baclofen aufgehört? Haben Sie einen Arzt gefunden, der näher bei Ihrem Wohnort lag? Bei einem guten Dutzend der NICHT aus den Augen verlorenen war dies so, denn zahlreiche Patienten kamen aus entlegeneren Gebieten, ja sogar aus dem Ausland, um unsere zwei verschreibenden Ärzte zu konsultieren.
3. Literaturvergleich (Seite 57)
Unsere Arbeit ist die Weiterverfolgung eines Fachartikels von O. Ameisen und R. de Beaurepaire, die die Gabe von hochdosiertem Baclofen an 100 Patienten untersuchten. (Ameisen O, de Beaurepaire R. Suppression de la dépendance à l’alcool et de la consommation d’alcool par le baclofène à haute dose : un essai en ouvert. Annales Médico-Psychologiques 168 (2010) 159–162.)
Sie untersuchten Baclofen mit hoher Dosierung (forschend) („prospective“) über einen Zeitraum von drei Monaten.
Was wir feststellen, ist die ähnliche mittlere Dosierung (130 mg in unserer Arbeit, 145 mg in oben genanntem Fachartikel).
Ihre Erfolgsquote ist mit 88 % etwas höher als die unsere mit 80 %. Diese leicht höhere Quote kann mit dem kürzeren Beobachtungszeitraum erklärt werden (weniger aus den Augen verlorene, engere Betreuung in den ersten Wochen).
Es gibt zurzeit keinen anderen Fachartikel, welcher die Einnahme von Baclofen in hoher Dosierung untersucht.
4. Perspektiven (Seite 57)
Die vorliegende, ergebnisoffene Untersuchung gestattet uns, weiter zu gehen: Eine Untersuchung dieses Typs ist die Vorstufe zu einer Doppelblind-Studie. In der Tat könnte nur eine Doppelblind-Studie mit Baclofen gegen Placebo unsere Ergebnisse bestätigen. Solche Studien werden 2011 in Berlin beginnen (mit einer Dosierung bis 90 mg/Tag) sowie auch in Amsterdam.
Die bisherigen Daten von Doppelblindstudien sind nicht schlüssig. Über drei Monate, bei 30mg/Tag, hat Baclofen in der Studie von Garbutt seine Wirksamkeit gegenüber Placebo nicht unter Beweis gestellt. (Garbutt J, Kampov-Polevoy A, Galiop R, Kalka-Juhi L, Flannery A. Efficacy and safety for alcohol dependence: a randomized, doubled-blind, placebo-controlled trial Alcohol Clin Exp Res, Vol 34 , 2009 (11); 1849-1857.)
Festzuhalten ist, dass Ende 2010 Avanesyan eine Zusammenfassung („abstract“) veröffentlichte. Es handelt sich um eine retrospektive Studie über ein Jahr: 14 Patienten mit einer
Alkoholischen Steatohepatitis („hépatite alcoolique“) wurden mit 30 mg/Tag behandelt. 13 Patienten haben Ihren Alkoholkonsum eingestellt der 14. hat seinen Konsum sehr stark reduziert (von 50 Gläsern auf drei Glaeser pro Tag). Die Leberwerte hatten sich verbessert (Bilirubin und Transminasen) (Avanesyan A et al. Utilization of baclofen in maintenance of alcohol abstinence in patients with alcoholic hepatitis in a real-life clinical setting. Hepatology 2010; 52 suppl: A1641.)
Schlussfolgerung (Seite 58)
Alkoholismus ist im Französischen Gesundheitswesen ein großes Problem. Annähernd jeder fünfte Patient, welcher einen Allgemeinpraktiker aufsucht, hat ein Alkoholproblem.
Der Fortschritt („avancée“), den Baclofen für dieses Krankheitsbild bedeuten könnte, ist sowohl in medizinischer als auch sozialer Hinsicht erheblich.
Die vorliegende Untersuchung, wenn auch nur als Vorstufe, zeigt uns den Nutzen von hochdosiertem Baclofen und öffnet den Weg zu einem Paradigmenwechsel.
Das Dogma „Null Alkohol“ fällt. Ein tolerierbarer Konsum gemäß WHO ist mit Baclofen möglich, ohne Abhängigkeit oder Exzess nach sich zu ziehen. Die einzige Grenze scheinen die damit einhergehenden Nebenwirkungen zu sein.
Eine Doppelblindstudie mit einer deutlich höheren Anzahl Patienten scheint unausweichlich um unsere Resultate zu bestätigen. Ein Projektentwurf für eine solche klinische Studie wurde eingereicht, dessen Zusammenfassung liegt als Anlage 4 bei