Tach zusammen!
Papfl hat geschrieben:Das "Bierchen" beim Abhängigen sorgt nicht nur für einen Rausch oder Entspannung, sondern kann automatisch auch wieder Stoffwechselprozesse anregen, die "Suchtdruck" auslösen. Weil eben die Rezeptoren bei abhängigen Menschen anders reagieren als bei "Normalos".
Der "Trinkwunsch" mag bei Normalos und Abhängigen der gleiche sein, die Konsequenzen aber sind verschieden. Bei Normalos löst ein Drink keinen Suchtdruck aus.
ja, das ist halt die alte Frage:
Einmal Alki - immer Alki?Ist die Veränderung des Hirnstoffwechsels tatsächlich unumkehrbar? Für alle Abhängigen? Kann nicht sein, dagegen sprechen die verfügbaren Zahlen. Dann würde ja die Rückkehr zum Gartenbier jeden dritten Freitag bei niemandem funktionieren. Also ab wann und für wen ist die Wiederherstellung einer gesunden Hirnchemie nie mehr drin?
Dazu kommt das Problem: war die Hirnchemie vorher denn in Ordnung? Es wird ja ein genetisch veranlagtes verkorkstes GABAerges und/oder dopaminerges System diskutiert. Süchtig vom ersten Schluck an (galt auch für mich).
Dieses System wird natürlich durch den fortgesetzten Konsum immer weiter verreguliert, aber kann es nach Ende des Konsums nicht mehr in die Ausgangsposition zurück?
Nicht zuletzt ist bis zu einem gewissen Grad der Umgang mit der eigenen Hirnchemie ja lernbar. Man kennt seine Reaktionen irgendwann. Dass die Belohnungssysteme anfangen Samba zu tanzen, wenn der erste Schluck noch gar nicht drin ist, sondern schon von dem Moment an, als man alle guten Vorsätze über Bord geworfen und sich auf den Weg zur 24-Stunden-Tanke gemacht hat, das weiß man irgendwann ja.
Und klar, Craving reguliert die kognitiven Funktionen 'runter, keine Frage. Gerade der präfrontale Kortex (der für die guten und langfristigen Entscheidungen), wird verreguliert. Aber Craving schaltet die kognitiven Funktionen nicht
aus.Jeder weiß, auch auf dem Weg zur Tanke, dass dies die falsche Entscheidung ist, nur der "Ach, Scheiß' drauf!"- Effekt des Belohnungssystems ist stärker. Dazu kommt der fehlende aversive Reiz: es geht mir ja nicht beschissen während und nach dem Konsum, im Gegenteil. Die einzige "Strafe" ist, dass ich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in dreißig Jahren zehn Jahre früher sterbe, als nötig. Das zieht einfach nicht.
Aber wenn der Punkt kommt, an dem man für sich entscheidet, dass es genug ist, dann kommt auch der Punkt, an dem man sich auch von seiner verdrehten Neurochemie nicht mehr die Butter vom Brot nehmen lässt.
Das geht bei einigen von jetzt auf gleich, andere brauchen dafür länger, wieder andere kippen das Argument und die damit verbundenen Vorsätze wieder und landen in der "Ach-Scheiß'-drauf!"-Nummer.
Aber wo besteht zwischen diesen Leuten der Unterschied? Und ist die jeweilige Gruppenzugehörigkeit durch irgendetwas festgelegt und nicht zu ändern? Ich weiß es schlicht nicht.
Um auf die Definiererei zurückzukommen:
Papfl hat geschrieben:(Trink)erinnerung zielt eher auf das ab, was ich mit psychischem Craving meine.
Was hältst Du denn von Trink
sehnsucht als Beschreibung des psychischen Craving und in Abgrenzung zum Normalo - Trinkwunsch?
Sehnsucht als überhöhte positive Erinnerung, die diesen Zustand jedem anderen vorzieht? Mögliche Alternativstrategien sind zwar bekannt, werden aber als minderwertig gegenüber der Alternative Alkohol angesehen. Wohingegen der Trinkwunsch - also der "Normalbereich" - sich dadurch auszeichnet, dass Alkoholkonsum eine von vielen gleichwertigen Möglichkeiten ist. "Ich würde gern einen Wein zum Abendessen trinken! - Denkpause - Ach, Quatsch, ich muss ja heute Abend nochmal fahren. Na, dann eben nicht!" Das würde ich als völlig normal ansehen.
Die Trinksehnsucht dagegen würde nach dem "Ich muss ja heute Abend noch fahren!" in eine negativ wertende Routine übergehen: "So ein Mist! Ich hatte mich sooo auf den Wein gefreut. Und jetzt darf ich nicht? Scheiße, Mann! Ein Glas kann ich im Grunde doch riskieren, das ist ja noch unter 0,5 Promille!" Und so weiter...
DAS würde ich noch als süchtigen Bestandteil ansehen.
Verzeiht meine Wortklauberei, aber mir geht der Weg "normaler Trinkwunsch -> Abgleiten in süchtiges Verhalten -> Überwindung des süchtigen Verhaltens -> der ehemals völlig normale Trinkwunsch ist aus Gründen der Vorerkrankung jetzt ein kranker Trinkwunsch" nicht 'runter.
Ich kann die Bedingungen auch nicht benennen unter denen die Rückkehr zu normalem Trinkverhalten möglich bzw. unmöglich ist. Es wäre schon spannend, festzustellen:
betalbatim hat geschrieben:Ich glaube aber, daß ich auch eine Portion Glück gehabt habe,
worin genau dieses "Glück" besteht.
Das kann ich leider nicht. Aber ich kann auch nicht umhin festzustellen, dass es Menschen mit diesem "Glück" ganz offenkundig gibt.
LG
Willo