Tach zusammen!
"Craving" ist für mich zunächst mal das "Verlangen" nach Alkohol (resp. einem anderen Suchtmittel).
"Craving" kann sich dabei in Form von "Suchtdruck" (physisch: biochemische Komponente --> nicht willentlich beeinflussbar) und "Trinkwunsch" (psychisch: Wegbeamen, Gewohnheit, Problemlösen, Entspannung... --> willentlich beeinflussbar) äußern.
Gegen den Suchtdruck ist man machtlos, weil es sich um körperliche Prozesse ("Automatismen") handelt, die willentlich nicht beeinflussbar sind. Dazu gehören selbstverständlich die klassischen Entzugserscheinungen (Schwitzen, Zittern, Unruhe, Erbrechen,...). Deshalb bekommt man dagegen bei der Entgiftung ja auch Medikamente (Distraneurin, Diazepam...). Wenn Betroffene das willentlich steuern könnten, bräuchte man die Medikamente nicht. Der beste Beweis dafür, dass körperliche Entzugserscheinungen nichts mit "Willen" zu tun haben, sind deren letzte Konsequenzen: Krampfanfälle oder sogar ein Delir.
Nun zeigt sich Suchtdruck aber nicht nur in so offensichtlichen Facetten wie Zittern oder Erbrechen. Suchtdruck gibt es auch im Hirn resp. im Stoffwechsel. Durch den jahrelangen Alkoholkonsum haben sich die Rezeptoren an den Alkohol gewöhnt. Sie sind im wahren Wortsinn davon "abhängig" geworden. Kommt nichts nach, spielen die Neuronen verrückt:
Auch dagegen sind Betroffene machtlos. Suchtdruck ist ein physisches Phänomen und sollte daher auch physisch (sprich: medikamentös) behandelt werden. Zum Beispiel mit den oben erwähnten Medikamenten beim akuten Entzug oder langfristig mit Baclofen.
@GoldenTulip hat recht, wenn sie schreibt, dass die klassischen Entzugssymptome (Schwitzen, Zittern, Unruhe, Erbrechen,...) nach ca. einer Wochen abgeklungen sind. Leider funktioniert das bei den Rezeptoren und im Stoffwechselsystem nicht so schnell. Solche "Neuronenfeuerwerke" (s. Bild oben) können noch sehr lange auftreten. Selbst, wenn der Betroffene abstinent ist.
Daran sind vornehmlich die positiven Erfahrungen, Erlebnisse, Stimmungen etc. schuld, die mit Alkohol gemacht wurden. In vielen Situationen gibt es sog. "Trigger" (Reize, die das Verlangen nach Alkohol auslösen). Sei's das frisch gezapfte, kühle Bier an einem heißen Sommertag, ein bestimmtes Lied, ein bestimmter Ort...oder auch der Ehekrach, Stress, Anspannung...
All die Dinge, bei denen Alkohol früher weitergeholfen hatte, können solche "Neuronenfeuwerke" (also "Suchtdruck") entfachen. Und dagegen sind die Betroffenen machtlos. Was nicht zuletzt die Fülle an Rückfällen bei der klassischen Entzugstherapie erklärt.
Baclofen kann das "Neuronenfeuerwerk" eindämmen:
Wenn @GoldenTulip in diesem Zusammenhang von "Stützrad" spricht, dann meint sie höchstwahrscheinlich, dass Baclofen den "Suchtdruck" minimieren kann. Die klassischen Entzugserscheinungen (Schwitzen, Zittern, Unruhe, Erbrechen,...) verschwinden nach ca. einer Woche, um den langfristigen Teil (Rezeptoren, Stoffwechsel) kümmert sich Baclofen.
Übrig vom ursprünglichen "Craving" (= "Suchtdruck" + "Trinkwunsch") bleibt also im Idealfall "nur" noch die psychische Komponente - der "Trinkwunsch" (Wegbeamen, Gewohnheit, Problemlösen, Entspannung...).
Und hier beginnt die eigentliche Arbeit für eine zufriedene Abstinenz. Hier gilt es, Alternativen und Strategien zu entwickeln. Was kann ich ändern, dass ich mich nicht mehr "wegbeamen" muss? Wie gehe ich künftig mit Problemen um? Wie kann ich Stress vermeiden bzw. anders damit umgehen? Was verschafft mir Entspannung? Was macht mir Spaß?
Der "Wunsch", in bestimmten Konfliktsituationen zu trinken oder um euphorische Momente noch zu toppen, ist verständlich und absolut nachvollziehbar. Es ist die schnellste und vermeintlich einfachste Lösung. Und die hat ja auch all die Jahre prima funtioniert. Aber im Gegensatz zum "Suchtdruck" muss ich dem "Trinkwunsch" nicht zwingend nachgeben. Mit viel Kraft und einer guten Portion Willen kann ich mich dem entgegenstellen. Und es wird von Mal zu Mal leichter, wie @betalbatim bereits geschildert hat. Einfach, weil man mit der Zeit abseits vom Alkohol neue, wertvolle und befriedigende Erfahrungen sammeln kann und sich ein gewisses "Es geht ja auch anders..." Raum schaffen kann.
Das geht alles nicht von heute auf Morgen...aber es kann funktionieren
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LG Papfl