Moin @eva und @gretikatz!
gretikatz hat geschrieben:Vielleicht eröffnet papfl einen neuen Thread zu Deiner Frage? Der kennt sich besser aus.
Im Prinzip gibt's den schon:
Selincro®-ThreadAls der Faden seinerzeit eröffnet wurde, war Selincro® allerdings noch nicht auf dem Markt. Deshalb ist einiges in den ersten Postings noch spekulativ. Es relativiert sich aber dann, wenn man weiterliest...
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Selincro® (Wirkstoff: Nalmefen) und Baclofen sind zwei verschiedene paar Stiefel: Ersteres wirkt hauptsächlich über die Opioid-Rezeptoren, Baclofen - wir wir wissen - am GABA-B-Rezeptor.
Selincro® kann Betroffenen helfen, weniger zu trinken (es wurde ja auch zur Trinkmengenreduktion konzipiert). Bei einer bestimmten Gruppe von Betroffenen (etwa bis hin zur
"Kritischen Phase") können mit dem Medikament auch Erfolge erzielt werden.
Ein Beispiel: Es gibt Menschen, bei denen "arten" die Wochenenden "immer aus". Die sind jede Woche irgendwo anders eingeladen und haben zu "allem Übel" auch noch einen recht "trinkfreudigen" Freundeskreis. Sonntags wachen sie dann auf und ärgern sich maßlos, dass sie schon wieder so über ihre Stränge geschlagen haben. Oft trinken diese Menschen die ganze Woche über nichts oder wenig. Nur am Wochenende können sie es halt nicht bremsen. Bei dieser Gruppe kann es durchaus funktionieren, 1-2 Stunden vor dem Weggehen eine Selincro®-Tablette zu nehmen. Ganz vereinfacht kann man sagen, dass diese Tablette dann bestimmte "Andockstellen" und "Effekte" im Stoffwechsel "blockt". Man fühlt sich schneller "satt" und trinkt dann nicht mehr so viel.
Chronischen und biologisch stark abhängigen Alkoholikern hilft diese Bedarfsmedikation mit dem Ziel der Trinkmengenreduktion in der Regel nicht. Wenn Ihr mich fragt, hilft bei dieser Gruppe ohnehin nur die Abstinenz. Selincro® wird zwar auch hier gelegentlich eingesetzt, dann aber explizit zur Einschränkung des Konsums vor einem Therapieantritt mit dem Ziel der Abstinenz. Dementsprechend soll Selincro® ja auch nur maximal drei Monate (in Ausnahmefällen sechs Monate) begleitet von psychosozialen Maßnahmen verordnet werden.
Baclofen indes ist das einzig mir bekannte Medikament, das Menschen mit vormals chronischem Konsum wirklich helfen kann.
Es wirkt am GABA-B-Rezeptor, kann dort das lästige und meist für Rückfälle ausschlaggebende Craving eindämmen und taugt deshalb hervorragend zur Aufrechterhaltung der Abstinenz, weil es den Betroffenen ihre Entscheidungsfreiheit zurück geben kann: Aus dem
Ich
MUSS jetzt um jeden Preis unbedingt trinken wird ein: Ich
KÖNNTE jetzt trinken, wenn ich
WOLLTE.
In Kombination mit Alkohol halte ich Baclofen nach wie vor für suboptimal. Nicht zuletzt wegen der Antagonisierung (Alkohol und Baclofen sind "biochemische Gegenspieler") und der unberechenbaren Konsequenzen. Jede/r Abhängige weiß, wie schnell aus drei Bieren sieben werden können und wie viel Schnäpse da noch dazwischen passen...und dann ist das Zeug halt - geplant oder nicht - im Körper...
Kurzum: Wenn ich es irgendwie schaffen kann, weniger zu trinken, ist das natürlich immer ein (gesundheitlicher) Fortschritt. Aber Trinkmengenreduktion funktioniert halt nur bis zu einem gewissen Grad der Abhängigkeit. Bei chronischen Alkoholikern gibt's m. E. zur Abstinenz keine Alternative. Baclofen kann maßgeblich dazu beitragen, dass diese kein täglicher Kampf sondern eine echte Erlösung ist.
Papfl