Eine weitere Vorstellung...

[Hale]

Servus zusammen,

nach lesen von gefühlt hundert Vorstellungen hier im Forum möchte ich den Schritt nun auch wagen.
Ich bin 47 Jahre alt, verheiratet, habe einen kleinen Sohn und komme vom Alkohol nicht mehr los.
Mit dem ersten alkoholischen Getränken kam ich mit 19 Jahren in Berührung. Bis zum 40. Lebensjahr war alles noch halbwegs im Rahmen.
Getrunken wurde nur in Gesellschaft, bei Partys, beim Weggehen usw. Allerdings war es damals schon so, dass der Alkohol mir geholfen hat mehr Selbstvertrauen zu haben und hemmungsloser zu sein.
Allein zu Hause war der Alkohol kein Thema.
Dann ab 40 wurde auch mal zu Hause eine Flasche zum Abendessen, Film schauen etc. geöffnet. Aber alles noch einigermaßen im Rahmen (falls es so etwas überhaupt gibt).
Vor ca. 4 Jahren habe ich den Alkohol genutzt um Stress abzubauen, ruhiger zu werden und hier begann für mich der Teufelskreis.
Mittlerweile trinke ich so gut wie jeden Abend 4-6 Flaschen Bier, am Wochenende auch durchaus mal ab dem Vormittag. Das endet dann meist in 10 Flaschen Bier.
Jetzt fange ich schon an Bier zu verstecken, manchmal gibt es schon eine Flasche Bier bei der Heimfahrt von der Arbeit.
Eigentlich all die Dinge, die in vielen vielen anderen Vorstellungen zu lesen sind. Harte Sachen und auch Wein sind bei mir kein Thema.
Vor meinem Umfeld kann ich das, denke ich, noch ganz gut verbergen, ich werde nicht aggressiv und auch nicht besonders albern dabei. Ich bleibe meiner Meinung nach relativ normal, was vermutlich auch an der Gewohnheit liegt.
Gesundheitlich geht es mir soweit gant gut, ich bin so gut wie nie krank, habe keine Fehltage in der Firma.
Aber ich stelle eine Wesensveränderung fest. Ich kann mich nicht mehr richtig über Dinge freuen, so wie es früher war, bin ungeduldig, schnell genervt.
Alles Dinge die ich von mir nicht kannte und dass möchte ich wieder ändern.
Interessant ist auch, dass der Alkohol bei mir nicht mehr so wirkt wie früher. Hemmungsloser werde ich dadurch nicht, mehr Spaß habe ich dadurch auch nicht. Es ist eigentlich nur noch Gewohnheit.
Anfang des Jahres habe ich von heute auf morgen einen Monat lang aufgehört zu trinken. Das ging eigentlich gar nicht so schwer.
Ich war auch auf Feiern und habe dort alkoholfreies Bier getrunken. Mir hat es nichts ausgemacht. Das Craving war nach zwei Wochen ertragbar. Mir ging es echt gut dabei. Morgens wieder gute Laune zu haben war eine tolle Erfahrung.
Mein selbst gestecktes Ziel war allerdings nur der eine Monat und somit habe ich danach wieder ein paar Bier getrunken. Ist ja kein Problem dachte ich mir ich kann ja jederzeit wieder aufhören, das hatte ich mir ja gerade bewiesen. Ja Pustekuchen, das Ganze Problem kommt schlimmer wieder zurück.
Vor langer Zeit habe ich mir aus Spanien Baclofen besorgt. Mir ist klar, dass es unbegleitet von einem Arzt völliger Blödsinn ist, aber...
Seit ein paar Monaten mache ich immer wieder mal einen Selbstversuch damit und zwar am Wochenende in der Früh 20mg.
Ab der Einnahme dauert es maximal eine Stunde und das Craving ist so gut wie weg. Ich fühle mich dann sehr ruhig, die Nervosität lässt nach.
Die Gedanken können sich um etwas anderes drehen als "wie komme ich unauffällig an das nächste Bier".
Nebenwirkungen die ich verspüre sind nicht schlimm, ab und zu ein ganz leichter Schwindel und was andere auch beschrieben haben, man steht ein wenig neben sich. Die Wirkung hält sehr lange, fast bis Abends.
Was mir noch aufgefallen ist, dass klingt vielleicht ein bisschen blöd.
Ich bin irgendwie fokussierter auf die Dinge, ich nehme Sachen war die ich mit craving nicht wahrgenommen habe. Es ist irgendwie schwer zu beschrieben.
Nun ja egal. Fakt ist ich möchte den Alkohol aus meinem Leben verbannen und bin auf der Suche nach einem passenden Arzt.


Viele Grüße!

[shelf]

Hallo und willkommen Hale,

das Abstumpfen durch fortgesetzten Alkoholmissbrauch ist eine der harmlosesten aber unausweichlichsten "Nebenwirkungen".
Zum Glück ist das nicht irreversibel. Wie du ja schon festgestellt hast.

Die Möglichkeit der besseren Fokussierung durch Wegfall des cravings ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen.
Allmählich gesellt sich dann (wenn du weiter machst) auch eine geschärfte Wahrnehmung der "kleinen Dinge" hinzu.

Um einen Baclofen verschreibenden Arzt in deiner Nähe zu finden, schicke bitte eine
PN (persönliche Nachricht) an unseren (Postleitzahl/Wohnort angeben).
Er wird sich dann, so schnell er kann, bei dir melden.

Hinweis zu PN:
Nicht wundern wenn die PN im Postausgang "liegen bleibt".
PN werden nicht "gesendet", sondern quasi zur "Abholung bereitgelegt".
Sobald der Empfänger sie "abgeholt" hat, rutschen sie in "gesendet".

Inzwischen (und nicht nur bis dahin) empfehle ich dir die Lektüre dieser Forenbereiche/threads/Inhalte:





und zum besseren Verständnis der Wirksamkeit




LG

[Hale]

Hi shelf,

vielen Dank für die Info's.
PN an DonQuixote ist raus.

Werde weiter berichten....

Viele Grüße!

[DonQuixote]

Hallo Hale

Danke für Dein Interesse an unseren Forum, und Danke, dass Du Dich uns anvertraust. Deine mit Angabe Deines Wohnortes habe ich erhalten, eine Mail mit Arztvorschlag ging soeben raus, und zwar an Deine Mail-Adresse bei <hotmail.com>, mit der Du dich hier im Forum registriert hattest. Ganz viel Erfolg bei Deiner nun hoffentlich bald beginnenden wünscht

DonQuixote

[Hale]

Kurzes Update:
Nach langem hin und her überlegen hatte ich heute meinen ersten Termin beim vorgeschlagenen Arzt.
Er hat sich viel Zeit für mich genommen und erst einmal nur zugehört. Das Gespräch war zu keinem Zeitpunkt belehrend oder von oben herab.
Ich habe mich sehr gut aufgehoben gefühlt.
Das Medikament hat er noch nicht verschrieben, da er erst ein paar medizinische Untersuchungen macht (Blutwerte, Ultraschall).
Nächste Woche habe ich den nächsten Termin... ich halte Euch auf dem Laufenden.


Gruß,
Hale

[Lucidare]

[laggard]

Hallo Hale,
toll, das du dein Problem angehst
Du hast einen grossen Schritt gemacht

VG Laggard

[Hale]

So heute war der zweite Termin beim Doc zum Ultraschall.
Gesundheitscheck soweit alles OK.

Er hat mir dann eine Dosierungsempfehlung für den Anfang gegeben.
1. Tag 15mg über den Tag verteilt.
2. Tag 30mg über den Tag verteilt.
Da das Craving bei mir tendenziell eher Abends auftritt, kann ich das Einahme-Raster nach hinten verschieben.
Sprich die erste Dosis Mittags, zweite Nachmittags und die dritte am Abend.
Die 30mg soll ich dann täglich um 5mg steigern, bis das Craving nachlässt.

In zwei Woche muss ich wieder beim Arzt vorsprechen...

Mal schauen wie es läuft. Seit Anfang Januar befinde ich mich in meiner selbst auferlegten Abstinenzphase (so wie im letzen Jahr). Allerdings war das bis jetzt ein harter Kampf, ich hoffe das lässt jetzt bald nach.

Bis bald,
Hale

[Lucidare]

[Hale]

Hi Lucidare,

danke für die Tipps.
Das mit dem langsamer aufdosieren werde ich wohl berücksichtigen.
Ich denke, dass ich es auch bei einer gleichmäßigen Verteilung über den Tag belasse, da das Craving am Wochenende auch deutlich früher auftritt, dass hatte ich beim Arzt heute gar nicht bedacht.

Die 5mg Steigerung waren pro Tag gedacht.

Viele Grüße!

[Lucidare]

[Hale]

Hier ein kurzes Feedback.
Mittlerweile trinke ich seit 3 Wochen (fast) keinen Alk mehr, davon 1 Woche mit Baclofen Unterstützung.
Fast weil ich letztes Wochenende ein Glas Wein getrunken habe, was aber ohne Rückfall in alte Verhaltensmuster abgelaufen ist.

Meine Baclofen Dosis liegt momentan bei 40mg am Tag.
11 Uhr 10mg
14:30 15mg
18 Uhr 15mg

Ob das Baclofen schon wirkt kann ich nicht so genau sagen. Ich habe schon das Gefühl, dass der Verzicht leichter fällt.
4 Wochen ohne Trinken, habe ich ja auch schon letztes Jahr geschafft. Interessant wird es diesmal wenn es darüber hinaus geht.

Nebenwirkungen sind momentan nur starke Müdigkeit am Abend.
Da fallen mir dann gerne mal die Augen zu beim Fernsehschauen (was bei dem Programm eigentlich kein Wunder ist).
Wenn ich mich geistig aktiv beschäftige, dann tritt die Müdigkeit nicht auf, aber sobald das Gehirn im "Leerlauf" ist kommt die Müdigkeit sehr plötzlich. Mal sehen, wie das weitergeht bei höheren Dosen.


Viele Grüße!
Hale

[Lucidare]

[Hale]

Hallo,
was ich bis jetzt die ganze Zeit versäumt habe den Forumsbetreibern und aktiven Schreibern zu danken, dass Ihr diese Plattform geschaffen habt und am Leben erhaltet!
Mir hat das Lesen hier sehr viel gegeben und letztendlich dazu geführt mich einem Arzt anzuvertrauen.

So hier noch ein kurzer Abriss der Letzen drei Wochen.
Anfang Februar war ich wieder beim Arzt. Blutabnahme und ein kurzes Gespräch.
Diesmal hat er mir 25mg Tabletten verschrieben.
Nächster Termin Ende Februar.

Anfang Januar war ich auf einer Geburtstagsfeier, dort habe ich dann 5 Bier in 8 Stunden getrunken. Am nächsten Tag hatte ich kein großes Verlangen nach Alkohol, was früher definitiv anders gelaufen wäre.
Diese Woche habe ich dann beim Fußballschauen noch ein Bier getrunken und das war‘s dann auch in den vergangenen 3 Wochen.

Die Müdigkeit lässt mittlerweile auch etwas nach.
Andere Nebenwirkungen sind nicht bewusst zu Tage getreten.

Meine aktuelle Dosierung:
Mo-Fr: 3x 30mg
Sa-So: 4x 25mg

Ein Erlebnis ist noch erwähnenswert. Beim Wäsche einräumen bekam ich vor kurzem wie aus dem Nichts den fast unwiderstehlichen Drang in den Keller zu gehen und Bier zu trinken.
Das Gefühl hatte ich lange Zeit nicht mehr in dem Ausmaß. Ich habe dem wiederstanden aber das war schon etwas gruselig so ganz ohne Vorwarnung.

Wie auch immer ich melde mich in ein paar Wochen wieder….


Viele Grüße!

[Hale]

Eine Geschichte bin ich noch schuldig geblieben.
Warum habe ich bei der Feier eigentlich wieder 5 Bier getrunken?
Irgendwie hatte ich das schon vorher für mich festgelegt, dass ich dort etwas mehr trinken möchte.
Einerseits eine falsche Entscheidung in der jetzigen Situation, anderseits hat es mich aber auch interessiert wie der Abend und der nächste Tag so verlaufen wird.

Momentan bin ich auch noch nicht so weit komplett verzichten zu wollen.
Ich schau mal wie es mir weiter ergeht und vielleicht nehme ich dann irgendwann die letzte Hürde und lass es ganz sein mit dem Alk.

Baclofen hat mir auf jeden Fall geholfen die Kontrolle wieder zu erlangen. So wenig Alkohol zu trinken, wie in den letzten sieben Wochen habe ich schon seit Jahren nicht mehr geschafft.

Bis bald.

[shelf]

[Hale]

Ich schreibe mal ein paar Themen nieder, die mich gerade beschäftigen:

Am Anfang der Therapie war ich sehr gut gelaunt, fast euphorisch.
Das Gefühl ist so mittlerweile nicht mehr vorhanden.
Es hat vermutlich auch damit zu tun, das man am Anfang ohne den Alkohol jeden Tag deutliche Besserung verspürt.
Man ist ausgeschlafen, nicht mehr genervt in der Früh, keine Kopfschmerzen, Gewichtsreduktion usw.
Nicht falsch verstehen, es geht mir gut nur der "Höhenflug" ist vorbei.
Jetzt merkt man das es gute und schlechte Tage gibt und das wird nicht mehr vom Alkohol bestimmt.

Mit meiner Tabletten-Verteilung bin ich noch am ausprobieren.
Die 100mg am Tag sind, glaube ich, schon nahe an der richtigen Dosierung.
Mein Arzt hat mir vorgeschlagen die Einnahme unter der Woche auf den Nachmittag zu legen um das Craving am Abend zu stoppen.
Ich habe aber gemerkt, dass das nicht richtig funktioniert. Am Abend kommen trotz höherer Baclofen-Peaks Gedanken an Alkohol auf, ich fühle mich auch unruhig.
Eine gleichmäßige Einnahme über den Tag verteilt, auch wenn in der Früh noch kein Craving vorhanden ist, funktioniert bei mir besser.
Aktuell sind meine Einnahmezeiten Mo-So 9/12/15/18 Uhr.
Das klappt so weit ganz gut.
Ich habe aber nach wie vor Abends mit meiner Müdigkeit zu kämpfen. Das geht soweit, dass ich vor dem Laptop sitze, einen Artikel lese und mir dabei die Augen zufallen.
Macht es Sinn die Zeiten weiter auseinander zu legen? Z.B. die erste um 8 Uhr und die letzte vor dem Schlafen gehen.
Vielleicht wird das mit der Müdigkeit dann besser.
Im Forum habe ich gelesen, dass manche kleinere Dosen aber dafür öfters einnehmen.
Das ist auf jeden Fall auch mal einen Versuch wert.

An Ostern hatte ich einen, wenn auch nicht ganz so schlimmen, Rückfall.
Wir hatten Besuch und Mittags gab es einen Begrüßungs-Prosecco. Danach ein paar Gläser Wein.
Als der Besuch weg war habe ich noch fleißig weiter getrunken, vielleicht noch 5-6 Bier.
Es war alles fast wie früher, der Drang nach Alkohol. Das geheime Trinken.
Baclofen habe ich an dem Tag nur bis Mittag genommen, Nachmittags und Abends keine Tablette.
Am nächsten Tag habe ich Bac normal eingenommen. Ich habe aber bis Abends mit dem Drang nach Alkohol gekämpft.
Seit dem Tag bin ich wieder bei 0,0 und es bereitet mir auch wieder keine Schwierigkeiten darauf zu verzichten.

An den zwei darauffolgenden Tagen ergaben sich dann zwei Situationen, in denen ich plötzlich mit Klaustrophobie zu tun hatte.
Wir waren mit dem Zug unterwegs. An einer Haltestelle gingen dann die Türen wegen einem Defekt nicht mehr sofort auf.
Da war ich knapp an einer Panikattacke. Die Türen gingen nach kurzer Zeit, zum Glück, wieder auf und wir konnten den Zug verlassen.
Es hat sich dann ziemlich schnell beruhigt aber im nachfolgenden Zug haben wir die Reise fortgesetzt und da kamen die Gefühle wieder auf, wenn auch nicht so stark.

Am nächsten Tag im Büro haben wir für eine Besprechung die Tür geschlossen und es kam wieder Panik bei mir auf.
Ein Kribbeln im ganzen Körper, Herzrasen, kalter Schweiß und das Gefühl die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren.
Ich habe den Raum dann fluchtartig, mit einer Ausrede, verlassen.
In einem Artikel im Internet (https://www.lernen.net/artikel/platzang ... test-4318/) habe ich gelesen, dass so etwas auch mit dem GABA-System zusammenhängen kann.
Eventuell war der hohe Alkoholkonsum in Verbindung mit Baclofen ein möglich Auslöser dafür.

Beim Arzt bin ich übrigens aktuell mit 6 Wochen Abstand.
Er nimmt jedes mal Blut ab und führt ein kurzes Gespräch mit mir.


So das wars erst einmal für heute.
Bis Bald!

[Lucidare]

[Lucidare]

[Hale]

Hallo Lucidare,

danke für Deine Antworten und Kommentare!

Den Rechner hatte ich mir vor einiger Zeit schon heruntergeladen und ein paar Varianten durchgespielt.
Man sieht dort sehr gut den Tagesverlauf aber ich habe noch wenig Erfahrung was dieser Verlauf mit meinem Körper macht.

Ist es besser einen gleichmäßigen Level über einen möglichst langen Zeitraum zu haben oder sind hohe Werte am Abend wichtig? Eventuell ist auch eine hohe Baclofen Dosis vor den typischen Craving Zeiten wichtig.
Habe ich überhaupt bestimmte Zeiten an denen das Craving normalerweise auftritt?
Braucht es eine Tablette vor dem Schlafen gehen, da sich das positiv auf die Nacht auswirkt?
Es gehen mir diesbezüglich viele Fragen durch den Kopf.
Es ist ja auch leider nicht damit getan das mal schnell auszutesten.
Heute habe ich mit der Variante begonnen häufiger kleinere Dosen einzunehmen.
Für heute hat das gut funktioniert. Die Müdigkeit war am Nachmittag am stärksten, jetzt am Abend ist alles OK.
Drang nach Alkohol so gut wie nicht vorhanden.
Das werde ich auf jeden Fall über einen längeren Zeitraum testen.


Viele Grüße.
Hale