JazzGustls Real Book

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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JazzGustl
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Re: JazzGustls Real Book

Beitragvon JazzGustl » 2. August 2016, 11:55

Liebe Papfl, WilloTse und DonQuixote, Ihr Retter meines Lebens, meiner Musik und meines Selbstbewusstseins. Liebe Brüder und Schwestern im Weingeiste, verehrtes Publikum!

Ich hatte vor langer Zeit versprochen, mich gelegentlich zu melden und möchte das hier und heute mal einlösen.
Ich habe nach meinem letzten Beitrag vor gut einem Jahr Baclofen noch für 6 weitere Monate in der vollen Höhe von 150 mg/Tag genommen und danach abdosiert bis 75 mg/Tag. In dieser Dosierung nehme ich es weiter, überlege aber, in 2017 weiter abzudosieren und eventuell auch ganz damit aufzuhören. Ich lebe abstinent, habe aber bei Geburtstagen oder anderen Feierlichkeiten auch schon mal ein oder zwei Gläser Wein oder Sekt getrunken.

Mir geht es gut, ich war noch nie so ich. Ich weiß gar nicht, wieso ich mal gesoffen habe. Das ist irgendwie alles in ewig weiter Ferne.

Beruflich ist es bei mir konsequent bergauf gegangen. Wer sich noch erinnert: ich bin Berufsmusiker, Jazz-Bassist. Ich habe letztes Jahr einen kurzen Ausflug zurück in die klassische Orchestermucke gemacht, aber ich wusste schon nach kurzer Zeit wieder, warum ich nach dem Studium damit aufgehört hatte, das ist einfach nicht meins. Nichts gegen die Kolleginnen und Kollegen da, die haben musikalisch echt was los und viele von denen spielen auch nochmal in einer anderen Liga als ich. Aber dieses angeleitete Nachschaffen, das ist es einfach nicht. Macht ja Spaß, mal wieder die Wiener Klassiker rauf und runter zu spielen, aber wenn einem dabei die ganze Zeit die Hand juckt, weil man nicht nur die Musik, sondern auch mit der Musik spielen möchte, wird das schnell öde.

Ich habe dann, das hatte ich ja hier auch noch kurz erzählt, ein total irres Angebot aus den Staaten bekommen, Games-Music für ein Computerspiel zu „machen“. Eine Arbeit, die mich gereizt hat, und die ich sowas von kolossal unterschätzt habe…
Ich dachte, da fliegst Du für ein paar Tage in die Staaten, unterschreibst einen Vertrag und vier Wochen später steht das Ding. Ja, geschissen!
Wir – drei Kollegen und ich – haben da MONATE drangesessen. Du musst ja für jedes denkbare Szenario für jeden denkbaren Avatar in jeder denkbaren Umgebung die passende Musiksequenz haben. Boah war das ein Gepfriemel! Andererseits habe ich noch nie in meinem Leben als Jazzer (Popmusik: drei Akkorde für 10.000 Euro, Jazz: 10.000 Akkorde für drei Euro) so viel Geld verdient. Und Spaß gemacht hat es natürlich auch die Menge! Ist auch glaub' ganz gut geworden, das Spiel kommt demnächst in den Markt, bin mal gespannt!

Und die Zusammenarbeit mit den Kollegen war auch nochmal was völlig Neues: die Jazzszene in den Staaten ist halt was ganz Anderes als hier. Die spielen da völlig selbstverständlich crossover, hier undenkbar. Oder wenn hier mal ein Klassiker auf die Jazzbühne steigt, dann mit so einem "Gott bin ich cool"-Gehabe, das mit Musik oft nicht so viel zu tun hat. Mit guter schon garnicht. Einige wenige Ausnahmen bestätigen eigentlich nur diese Regel, leider.
Drüben spielt da der Jazzer schon mal mit nem HipHopper, sowas fassen wir hier nicht mit der Mistgabel an. Oder der Schlagerfuzzi hat selbstverständlich eine gute (!) BigBand in der Hinterhand. Ich hab da ein paar Nummern gesehen, da dachte ich erst, das ist der reine Kommerz. Gut, ist es auch. Aber mein lieber Herr Gesangverein, die haben da was über die ne Nebenbühne gezogen, da würdeste hier jeden Preis mit gewinnen. Und dann völlig unkompliziert. You got your bass with you? Cool, wanna jam with us? in ten minutes? See ya backstage, bro! Und dann stehste völlig unvorbereitet auf ner Bühne, das Publikum ist halb so alt wie hier und doppelt so groß, und gehst einfach mit. Das ist unglaublich! Politisch ist das Land ja leider induskutabel, aber musikalisch das Land of the Free. Wahnsinn, echt.

Da haben sich Kontakte ergeben, die ich jetzt regelmäßig pflege, wir haben in ein paar Clubs gespielt und haben da ein paar größere Projekte im Hinterkopf, die musikalisch einfach total geil sind. Das hätte ich noch vor zwei Jahren in meinem kühnsten Träumen nicht mehr zu träumen gewagt!

Ich hatte es ja letztes Jahr in meinem letzten Beitrag hier bereits geschrieben und ich wiederhole es gern nochmal: wer im Alkohol festzuhängen meint, probiere doch bitte die Baclofenbehandlung. Ganz mühelos und selbstverständlich ist die Heilung auch damit nicht, aber sie ist erstmals möglich!

Macht es gut, danke danke danke für Eure Arbeit hier. Dieses Forum hat immer einen Platz in meinem Herzen, Ihr seid die Besten!

rock on

Gustl
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Re: JazzGustls Real Book

Beitragvon Papfl » 2. August 2016, 15:20

Hi Gustl!
Vielen Dank für Dein Feedback! Ich hab' immer dran geglaubt, dass Du das packst doppd !
Spätestens seit diesem Posting...

Umso mehr freu' ich mich natürlich mit Dir :fdc !

Halt die Ohren steif...and keep on rocking [or jazzing] in the free world!



Alles Gute!
Papfl
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Albert Ein­stein (1879 - 1955)


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