einen Versuch ist es wert

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Papfl
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Papfl » 12. September 2014, 19:13

Hallo Lisa!

Erst mal "Hut ab!" für die Kehrtwende beim Stadtfest [good] . Überall Ausschank von Bier und Wein ist selbst für viele "Baclofen-Fortgeschrittene" im ersten halben Jahr noch zu viel Herausforderung. Überfordere Dich bitte nicht. Es ist verständlich, dass Du Deinen "Angstgrad" jetzt austesten möchtest, aber geh' nicht gleich von 0 auf 100 [mocking] ! Angst, Menschen, Alkohol...alles auf einmal ist zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich einfach noch etwas zu viel. Dass Du das sofort erkannt und den Rückwärtsgang eingelegt hast, zeugt von Weitsicht und dem echtem Willen, das Leben nachhaltig zu verändern. Klasse!

Ich glaube, allein schon die kurze Busfahrt in eine andere Stadt morgen ist für Dich ein Meilenstein, auf den Du mächtig stolz sein kannst. Und falls das aus irgendwelchen Gründen daneben gehen sollte - geht die Welt auch nicht unter. Dann vielleicht über-morgen, oder über-über-morgen...auf dem Weg aus der Angst und der Sucht geht man auch mit Unterstützung von Baclofen machmal zwei Schritte nach vorn und ab und zu halt auch wieder einen zurück - das Schöne daran ist, dass man immer ein Stückchen vorwärts kommt und nicht stagniert oder gar komplett zurückfällt.

@GoldenTulip hat vor langer Zeit mal einen Spruch in dieses Forum eingebracht - für alle, bei denen es mal nicht so läuft wie gewünscht:

GoldenTulip hat geschrieben:Hinfallen, Aufstehen, Krone richten, weitergehen...

Denn wir "Abhängigen" vergessen manchmal, dass das Leben für alle Menschen aus "Aufs" und "Abs" besteht. Nur, weil wir nicht mehr trinken, macht das Schicksal für uns diesbezüglich keine Ausnahme.

In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Spaß morgen!
Papfl
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 13. September 2014, 06:31

Hallo Papfl, stimmt, bei dem Stadtfestbesuch fühlte ich mich überfordert. Aber unter all den Menschen keine Angst zu verspüren war es das im Nachhinein wert! Trotzdem werde ich in Zukunft achtsamer mit mir umgehen. Es war nämlich "nicht einfach wieder gut" als ich zuhause war. Hatte fast 2 Stunden mit dem Gedanken an Alkohol zu kämpfen, obwohl ich gleich meine Dosis Bac nahm. Bin froh, dass ich heute, am 6. Tag wieder aufdosieren kann, die "Leichtigkeit" lässt nach.

Für meine Busfahrt ist alles gerichtet, ich werde berichten, ob ich an meinem Ziel angekommen bin oder schon vorher aussteigen musste. Muss aber jetzt an etwas anderes denken, mich mit irgendetwas beschäftigen, sonst steige ich sicher nicht mal ein [sad] .

Liebe Grüße
Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Chinaski » 13. September 2014, 09:40

Guten morgen Lisa,
wenn du jetzt die Erfahrung gemacht hast das dir Ansammlungen von Menschen wo viel Alkohol getrunken wird nicht gut tut solltest du solche Veranstaltungen erstmal meiden.
Es kommt bestimmt die Zeit wo du psychisch stabiler bist und dann auch solche Veranstaltungen kein Problem mehr sind.
Ich nehme jetzt seit 19 Monaten Rückfallfrei Baclofen und mir ist es total egal ob in meiner Gegenwart Alkohol getrunken wird oder ob er verfügbar ist.
Gib dir Zeit und bleib einfach dran! Schritt für Schritt!

LG Chinaski

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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Suse » 13. September 2014, 23:54

Liebe Lisa,

wie gut deine Berichte klingen! Tatsächlich kann Baclofen selbst in geringen Dosierungen solche Auswirkungen haben. War bei mir auch so. Ich denke, da kommen verschiedene Aspekte zusammen: Der Entschluss "das Problem" endlich anzugehen, plus die zugehörigen positiven Gefühle, welche die Wirkung der Tabletten noch verstärkt.

Auch diesen Satz von dir kann ich sehr gut nachvollziehen:
Ich kann nicht die Tabletten nehmen und dazu "mäßig" Alkohol trinken, ich kann nur unmäßig. Oder Tabletten aufhören und weitersaufen.


Ganz oder gar nicht. Leider gehöre ich auch nicht zu den Menschen, die dank Baclofen ein Glas Wein trinken können und danach keinen weiteren Drang mehr verspüren. Allerdings habe ich anfangs tatsächlich noch weiter getrunken und unsere Mengen ähneln sich. Es kam automatisch, dass aus 2 Flaschen Wein, eine wurde, womit es zunächst natürlich bergauf ging.
Dennoch sehe ich deinen Weg als den besseren an. Von Anfang an gar nichts zu trinken beschleunigt den Prozess sicher ungemein.
Ich habe extrem getrunken, im Höchstfall 3 bis seltenst 4 Flaschen Wein über den Tag verteilt.
Körperliche Entzugserscheinungen hatte ich ebenfalls nie, was gut ist, aber nicht heißt, man wäre nicht süchtig. Mein Dilemma spielte sich im Kopf ab - bisweilen heute noch.


Lisa schrieb: vorbei an 1000 Flaschen von Wein und Bier. Mit dem Gedanken: nein ich WILL nicht mehr, schnappte ich mir eine Wasserflasche und ging zur Kasse. Schreibe das so ausführlich, weil dies noch am Samstag für mich UNVORSTELLBAR gewesen wäre! Ich wäre NICHT daran vorbeigekommen, obwohl ich noch am Morgen voller Ekel alle Reste des Abends in den Abfluß gekippt hatte mit dem eisernen Willen, ich trinke nichts mehr. Es hat nie funktioniert.


Ein Wahnsinnsauftrieb! Inzwischen kann ich in den Supermarkt gehen und Sekt, Wein und Bier kaufen, weil meine Tochter ihren 18. feiert und es interessiert mich nicht die Bohne.
Hätte man mir das vor einem Jahr erzählt...ich hätte es nicht geglaubt, bzw gedacht, klar, dann nimmst du dir für den Eigenbedarf ja auch was mit ;-)

dir weiterhin alles Beste und zum Abschluss noch jenes:

Chinaski schrieb: @Papfl, viel mehr freut es mich dich zu lesen! [smile]
Deine guten Beiträge habe ich wirklich sehr vermisst.


Ich freue mich, Euch beide bisweilen wieder zu lesen, und zwar sehr!

lieben Gruß, Suse
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 14. September 2014, 03:53

Ich habs geschafft!!! An der Bushaltestelle kämpfte ich noch mit mir: warum tust Du Dir das nur an? Niemand zwingt Dich dazu und außerdem bekommt es ja keiner mit, wenn ich jetzt nicht einsteige. Mir war übel und mein Herz klopfte bis zum Hals. Dann kam der Bus und ich dachte: wenn Du DAS jetzt schaffst, dann schaffst Du auch die kommende Woche ohne Alkohol! Das half. Ich stieg ein... und nach wenigen Minuten war die Angst komplett weg. Ich fühlte mich einfach nur wohl, konnte die aufregend schöne Fahrt genießen.
In O. angekommen lief ich über die Brücke zur Innenstadt, begleitet von Menschenmassen. So viele Menschen konnte nur bedeuten: Jahrmarkt. Und so war es. Das größte Stadtfest des Jahres. Ich fliehe aus meiner Stadt, um dem zu entgehen und wo lande ich? Inmitten von Ausschankbuden mit Wein und Bier. Tolle Planung [biggrin] . Aber seltsamerweise machte es mir nicht das geringste aus. Ich war so glücklich, nach 8 Jahren das erste Mal wieder hier zu sein und wollte so viele Orte wiedersehen, da war kein Raum frei in meinem Kopf für Gedanken an Alkohol. Es waren wunderschöne Stunden und müde vom vielen Laufen aber glücklich und zufrieden fuhr ich am Nachmittag wieder zurück.

Am Abend zuhause fühlte ich mich wie eingesperrt. Hatte so wahnsinnig Lust auf die Musikgruppen in der Stadt, dass ich es trotz gestriger schlechter Erfahrung noch einmal wagen wollte. Lieber Zähne zusammenbeißen und dabei sein als isoliert in meiner Wohnung. Und es wurde eine gute Erfahrung daraus. Wenn andere trinken wollen, sollen sie es tun, ich kann es nicht mehr und ich WILL es nicht mehr! Außerdem glaube ich, an diesem Tag waren sooo viele Glücksgefühle in meinem Bauch, da hätte nichtmal der kleinste Schluck Wein noch Platz gehabt [biggrin]


Liebe Suse, danke für Deinen Beitrag, er tut mir sooo gut!!! Dass Du heute dazu in der Lage bist, in den Supermarkt zu gehen, um für andere Alkohol für eine Feier einzukaufen, kann ich mir momentan echt noch nicht vorstellen, aber es wäre mein Traum!! Und dass ich von Anfang an keinen Alkohol mehr zusammen mit Baclofen trinke, verdanke ich einzig und alleine der Tatsache, dass ich ein Angsthase bin. Die Angst davor, wie Alkohol und Baclofen zusammen wirken, hat mich schon so manches Mal vor einem Scheitern bewahrt. Also hat die Angst auch ihre guten Seiten.

Hallo Chinaski, wow, 19 Monate rückfallfrei mit Baclofen, das gibt mir Mut! Es lohnt sich zu kämpfen, ich werde dranbleiben!

Liebe Grüße euch allen
Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Papfl » 14. September 2014, 08:34

Hallo Lisa,

erst mal ein Rieeeeesenkompliment [good] . Für den kompletten gestrigen Tag - und überhaupt [smile] . Solche Aktionen ganz alleine durchzuziehen ist nochmal ein Stück schwerer, als wenn jemand als "Stütze" dabei ist.

Wie Du selbst schreibst, war das (gleich zweimal) eine tolle Erfahrung für Dich, auf die Du wirklich stolz sein kannst. Dass der Alkohol hier und da noch "lockt", ist ganz normal. Ist sogar bei mir manchmal noch so (musste gerade selbst unter meinem "Apfelbildchen" nachschauen, wie lange ich schon Baclofen nehme - seit Ende Juli 2012 [mocking] ). Vor allem, wenn ich irgendwo bin, wo ich früher immer getrunken habe. Aber dieser Druck lässt nach (s. @Suse).

@Chinaski und ich haben an dieser Stelle schon ein paar Mal von der "Entscheidungsfreiheit" geschrieben. Genau das ist es, was Dir Baclofen zurück geben kann. Du kannst wieder frei entscheiden, ob Du trinken möchtest, oder nicht. Solange Du nicht WILLST, MUSST Du nicht. Diesen Unterschied verstehen aber nur Menschen, die selbst einmal abhängig waren. Für die sog. "Normalos" ist dieser Zusammenhang nicht nachvollziehbar. Muss ja auch nicht :wink: .

Wie es sich dann verhält, wenn man doch mal trinkt, ist individuell ganz verschieden. Ich kenne ganz wenige, die das nach langer Zeit mit Baclofen einigermaßen kontrolliert hin bekommen. Bei den meisten klappt es nicht.

Deshalb sind solche Erfahrungen, wie Du sie gestern gemacht hast, auch so immens wichtig. Weil Du durch sie buchstäblich lernst, wie schön das Leben auch ohne Alkohol sein kann. Dann fällt das "Nicht-Wollen" immer leichter.

Lisa, ich freue mich ganz arg für Dich, dass es bei Dir so aufwärts geht.

You made my day!
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 14. September 2014, 12:18

Hallo Papfl, ich werde gleich rot, dankeeeee!!!!! Solche Aktionen alleine durchzuziehen, ist besser für mich als mit "Stütze". Habe dies gemeinsam mit meinem Therapeuten während meiner Verhaltenstherapie herausgefunden. Er hat mir zwar immer angeboten, mich bei schwierigen Aufgaben zu begleiten (erinnere mich da spontan an meine Angst, über Brücken zu laufen, als er mich mit dicken Winterstiefeln zur Therapiestunde erwartete, bereit, mit mir gemeinsam loszumarschieren), das gab mir Sicherheit, geschafft habe ich es am Ende immer alleine.

Du schreibst das so toll über "Entscheidungsfreiheit", GENAU SO empfinde ich es: tausend Mal habe ich versucht, nichts mehr zu trinken, habe es niemals länger als 2 - 3 Tage geschafft, gleichwohl ich mich nicht als willensschwach bezeichnen würde. Kann sehr diszipliniert und konsequent sein. Aber im Kampf gegen den Alkohol konnte ich mit reiner Willenskraft nichts mehr erreichen. Mit Baclofen ist es komplett anders: ich WILL zwar schon lange nicht mehr, aber endlich kann ich dies auch umsetzen!

Danke Papfl für Deinen Beitrag, er gibt mir sooo viel!!!

Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Papfl » 14. September 2014, 12:55

Hallo Lisa,

da Du ja jetzt künftig wahrscheinlich öfter "um die Häuser ziehen" wirst [mocking] , möchte ich Dir noch kurz die "Notfallpille" erklären. Viele von uns haben immer eine Baclofentablette mit dabei, wenn sie unterwegs sind. Im Geldbeutel, in der Handtasche oder in so einer kleinen Box am Schlüsselbund...

Wie der Name schon sagt, ist diese Tablette für den Notfall gedacht. Es hat sich nämlich gezeigt, dass es sehr gut hilft, wenn man in brenzligen Situationen (Alkohol, Angst...) ausnahmsweise zur normalen Tagesration etwas Baclofen zusätzlich einnimmt (in Deinem Fall würde ich im Moment sagen so ca. 5 - 10 mg - hängt ein bisschen davon ab, wie hoch die eigentliche Tagesdosis liegt). Als Du zum Beispiel an der Bushaltestelle "mit Dir gekämpft" hast, wäre diese "Notfallpille" eine Möglichkeit gewesen...statt z.B. den ganzen Ausflug abzublasen. Am besten ist es, wenn man die "Notfallpille" gleich im Mund zerkaut oder unter der Zunge zergehen lässt, damit der Wirkstoff sich schneller verteilen kann.

Normalerweise ist der Alkoholwunsch bzw. die Angst dann schon nach ca. 10 Minuten wieder weg! Das soll jetzt natürlich nicht heißen, dass man immer beim kleinsten Anflug von "Gefahr" zur "Notfallpille" greift, aber es gibt wirklich Situationen, da kann das eine echte Alternative sein.

LG Papfl
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 15. September 2014, 05:48

Hallo Papfl, das mit der "Notfallpille" hab ich schon öfter hier gelesen. Vielen Dank für die ausführliche Erklärung!! Hatte früher in solchen Situationen immer Lorazepam dabei. Aber seit einigen Jahren verzichte ich darauf komplett wegen Gefahr der Abhängigkeit. Oft reicht mir schon, eine "Hilfe" dabei zu haben, dass ich den nächsten Schritt gehe, anstatt abzubrechen oder umzukehren. Meine Tagesdosis sind heute 20 mg. Dosiere sehr langsam und vorsichtig auf, da ich jede 5 mg spüre. Mein Organismus reagiert anscheinend sehr sensibel auf Medikamente, habe ich schon früher mit den ganzen Psychopharmaka erfahren. Die haben mich jedesmal "erschlagen", wirklich geholfen hat nichts (außer Lorazepam).

Gestern Abend führte mich mein Abendspaziergang zum Bahnhof. Diesmal nicht, um mich wie gewohnt mit Alk einzudecken, sondern ich hab mir Bahnverbindungen geholt! Der Gedanke, am nächsten Samstag evtl. irgendwohin mit der Bahn zu fahren gefällt mir unheimlich!!! Ich glaube, das wird mein neues Hobby... [biggrin]

Eigentlich kann ich es selbst noch gar nicht glauben: heute beginnt die 2. Woche und es geht mir von Tag zu Tag besser. Bilde mir sogar ein, dass ich beim Schwimmtraining eine Verbesserung spüre. Es fällt mir total leicht, die ersten 1000 m durch zu kraulen, erst die zweiten 1000 m wechsle ich auf Brust und Kraul.Und danach fühle ich mich nicht einmal "geschafft". Dabei war zu Beginn meine größte Angst, nachdem ich von Atemdepression (?) als Nebenwirkung gelesen hatte, dass sich Baclofen nachteilig auf meine Schwimmerei auswirken könnte. Das wäre das Schlimmste für mich. Schwimmen ist für mich lebensnotwendig, sowohl für die Psyche als auch Physis.

Das einzige, was mich momentan etwas stört, ist der unregelmäßige Schlaf. Aber das ist in meiner Situation Jammern auf hohem Niveau [biggrin]

LG Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Papfl » 15. September 2014, 08:41

Guten Morgen Lisa,

Lisa hat geschrieben:Das einzige, was mich momentan etwas stört, ist der unregelmäßige Schlaf.

und
Lisa hat geschrieben:...habe in den vergangenen Jahrzehnten die Erfahrung gemacht, dass pflanzliche Mittel insbesondere in Form von Dragees bei mir eine Wirkung gleich Null haben...

Genau so ging's mir auch. Weil ich seinerzeit zusätzlich zum Einschleichen von Baclofen nicht auch noch ein rezeptpflichtiges starkes Schlafmittel einnehmen wollte, aber dennoch dringend auf regelmäßigen, regulären Schlaf angewiesen war, habe ich mich durch verschiedene pflanzliche Mittel "gewurschtelt" und bin an diesem hängengeblieben. Warum gerade die 500mg-Baldrian-Dragees von Kneipp bei mir Wirkung zeigten, kann ich nicht erklären. War halt so. Gibt's in fast allen Apotheken und Drogeriemärkten (dm, Rossmann, Müller).

Dass man davon laut Packungsbeilage ganz offiziell bis zu 3 mal täglich 4 überzogene Tabletten nehmen darf, kam mir sehr entgegen. Insgesamt zwölf Dragees habe ich zwar nie genommen, aber 3 bis 4 Dragees vorm Schlafengehen und jedesmal, wenn ich nachts aufgewacht bin (so ca. 3x pro Nacht) habe ich 2 Dragees "nachgeworfen". Und bin prompt wieder eingeschlafen. Ach ja, eine Viertelstunde Entspannung(s)übungen (PMR, Autogenes Training) habe ich vorm Einschlafen auch gemacht. Sowas ist nie verkehrt.

Mit dieser Methode hat sich mein Schlafverhalten binnen einer Woche wieder normalisiert. Vielleicht hätte sich's auch so (ohne Baldrian und Entspannung) nach zwei bis drei Wochen wieder eingerenkt, weil sich mein Körper an die Umstellung auf Baclofen von alleine gewöhnt hätte. Aber wie gesagt: Ich musste morgens raus und brauchte meinen Schlaf.

Kannst ja mal ausprobieren [smile] .

Einen schönen Tag wünscht
Papfl
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 15. September 2014, 09:18

Guten Morgen Papfl,
na die probier ich doch heute gleich mal aus! Meine Entspannungs-CD's liegen sowieso immer griffbereit, höre sie gelegentlich vor dem Schlafengehen. Aber mit dem Einschlafen hab ich nicht mal so die Probleme. Nach 3 - 4 Stunden bin ich halt hellwach. Lesen hilft manchmal.
Ich nehm das jetzt einfach mal so hin, dass sich mein Körper erst daran gewöhnen muss, ohne Alk zu leben. Heute Nacht hab ich zB mal aufgeschrieben, seit wann mein Alkoholkonsum bedenkliche Formen angenommen hat. Das reicht 17 Jahre zurück! Nicht mal Schockerlebnisse konnten mich bekehren. Musste an einen nächtlichen Sturz in meiner Wohnung vor ca. 6 Jahren denken (doppelter Bruch der Schulterkugel) und an ein Erlebnis, als ich fast das Haus abgefackelt hätte, weil ich nachts noch Kuchen backen musste und dann eingeschlafen bin. Mein Schutzengel hatte noch nie Langeweile mit mir [biggrin]
17 Jahre!!! Und da mache ich mir nach 1 Woche Gedanken, weil ich nicht schlafen kann?!?! Vor einer Woche hätte ich es noch nicht mal für möglich gehalten, eine ganze Woche durchzuhalten!!! Von meiner "Fernbusreise" möcht ich jetzt mal gar nicht reden [biggrin]

Auch Dir einen wunderschönen Tag!
LG Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Suse » 15. September 2014, 23:21

Lisa schrieb: Nicht mal Schockerlebnisse konnten mich bekehren. Musste an einen nächtlichen Sturz in meiner Wohnung vor ca. 6 Jahren denken (doppelter Bruch der Schulterkugel) und an ein Erlebnis, als ich fast das Haus abgefackelt hätte, weil ich nachts noch Kuchen backen musste und dann eingeschlafen bin.


Tatsächlich unfassbar, was die Sucht mit einem macht. Sturz von der Kellertreppe mit geprellten Rippen, Schmerzen, die das Aufstehen aus dem Bett (in das mich mein Mann geschleppt hatte) am nächsten Tag eigentlich schier unmöglich machten. Eigentlich. Was mich unter Höllenqualen die Stufen heruntergetrieben war zwar mehr der Drang nach Zigaretten, aber als ich dann mal da war...

Kopfwunde durch Sturz gegen die Heizung, verknackster Knöchel durch fahrlässiges Laufen auf hohen Hacken inklusive dreiwöchiges Humpeln auf einer wichtigen beruflichen Veranstaltung, einmal eine Verbrennung durch heißes Wasser, die Liste ließe sich länger gestalten, von höchstpeinlichen Auftritten auf Partys mal abgesehen.

Bei mir war es eher so, dass mich diese Situationen noch eher zum Alkohol greifen ließen, sei es wegen der Schmerzen oder des unerträglichen Gefühls der Scham.

Ein guter Grund, sich etwas einzuschenken, fand ich.

lieben Gruß und weiterhin alles Gute, Suse
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 16. September 2014, 04:10

Hallo Suse, das kenne ich nur zu gut: vor Schmerzen oder Scham weiter zu trinken, half mir oft, mich selbst zu ertragen!
Suse hat geschrieben:Tatsächlich unfassbar, was die Sucht mit einem macht.

Gestern Abend hatte ich ein ganz eigenartiges Gefühl als ich durch "meinen" Einkaufsmarkt ging: das war nicht ICH, die sich hier den Einkaufswagen voll lud, das war eine "Andere". Es war die Sucht. Und irgendwie kam mir diese andere Person in diesem Moment ziemlich fremd vor....

Ich starte in den 10. Tag voller Zuversicht und voller Verwunderung, wie leicht es mir fällt, auf Alkohol zu verzichten. Vielleicht bin ich da aber auch im Vorteil, dass mir Alkohol schon lange nicht mehr geschmeckt hat? (Wein kaufte ich nach Vol.%, unter 12 % ging gar nicht, und nicht nach der Rebsorte). Baclofen ist für mich jedenfalls ein kleines Wunder.

Liebe Grüße
Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 16. September 2014, 04:20

Guten Morgen Papfl, mir kommt gerade hierzu

Papfl hat geschrieben:
Hermann Hesse hat geschrieben:...jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...


der letzte Absatz in den Sinn:

"Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden,
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!"

Ein wunderschönes Gedicht!

Einen wunderschönen Tag wünscht Dir
Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon William » 16. September 2014, 05:49

Lisa hat geschrieben:
Ich starte in den 10. Tag voller Zuversicht und voller Verwunderung, wie leicht es mir fällt, auf Alkohol zu verzichten.

...

Liebe Grüße
Lisa


Wie mich das freut zu lesen!!!! Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Ich wünsche dir die gleiche Erfahrung die ich gemacht habe. Die Nebenwirkungen vom Bac wurden recht schnell weniger, der Alkohol verlor immer mehr an Bedeutung, mein Leben verändert sich seitdem 1. Tag radikal zum positiven.

Ich drück dir die Daumen. Bleib dran!!!

Willi(am) [hi_bye]

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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 16. September 2014, 07:12

Danke Willi(am)!! Es freut mich sehr zu hören, dass es Dir ähnlich erging! Ich hatte einzig am 3. Tag ein paar depressive Gedanken, wo ich dachte, das schaffe ich nie, also hör ich lieber gleich auf. Diese haben mir 5 mg Bac einfach mal so weggepustet. Vor allem erstaunt es mich, mit welch einer geringen Dosis ich so eine Wirkung erziele. Und das momentan noch ohne jegliche Nebenwirkung... toi toi toi [biggrin]
LG Lisa
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Lisa » 16. September 2014, 07:28

hm... Schlafstörungen schon fast vergessen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese überhaupt von Baclofen kommen. Wenn ich mich jahrelang jeden Abend mit Alkohol bis zur Bewusstlosigkeit zudröhne, kann ich ja nicht erwarten, dass mein Körper innerhalb weniger Tage zu einem normalen Schlafrhytmus findet. Das muss er erstmal wieder lernen. Aber ich bin ja noch jung und lernfähig [biggrin]
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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon Papfl » 16. September 2014, 08:05

Hallo Lisa,

ja, Du hast recht: Hermann Hesse hat wirklich tolle Sachen geschrieben. Vor allem "unsereins" findet sich und seine Sehnsüchte in seinen Texten und Gedichten oftmals wieder...

Ich muss zugeben, dass ich Dich - als ich heute morgen aus dem Haus ging - ein klein bisschen beneidet habe: Die ganze Woche so schönes Wetter, und ich muss arbeiten... [sad] . Mach' wenigstens Du was draus...

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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon William » 16. September 2014, 21:00

Hi Lisa!

Ja, mit dem Schlafrhytmus hatte/habe ich auch meinen "Spass". Allerdings wird dies von Woche zu Woche besser. Ich schlafe noch etwas unruhig aber immerhin durch. Um nicht gleich in die nächste Sucht zu rutschen habe ich die Einnahme von Schlafmitteln unterlassen. Ein wenig nachhelfen tue ich mit Baldrian und es gibt keinen Kaffee mehr am späten Nachmittag.

Ob das vom Bac oder vom Alk kommt weiss ich auch nicht, aber Hauptsache es wird besser. Ganz ehrlich, ich habe das Thema Alkoholverzicht lange vor mir hergeschoben aus Angst nicht einschlafen zu können. Vor meiner Bac Zeit hatte ich das mal probiert, Resultat die ganze Nacht fast gar nicht geschlafen.

Schöne Grüße
William

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Re: einen Versuch ist es wert

Beitragvon delle54 » 16. September 2014, 23:30

Als schlafanstossendes Mittel hat sich das Antidepresivum Mirtazapin bestens bewährt. Der Stoss in den Schlaf ist wörtlich zu nehmen, wenn man die Schmelztablette beim hinlegen auf der Zunge zergehen lässt. Das Besondere: es wirkt gleichbleibend, also keine Dosissteigerung notwendig - somit keine Abhängigkeit wie z.B. bei Benzos.


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