Die "W-Fragen"

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Papfl
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Re: Die "W-Fragen"

Beitragvon Papfl » 26. Juli 2013, 09:45

Morgen Willo!

An die "W-Fragen" musste ich auch denken, als ich das "Wozu?" im anderen Thread gelesen hatte.

WilloTse hat geschrieben:Die These im Zusammenhang mit moderatem oder kontrolliertem Trinken lautet doch: Ein Bier schadet wahrscheinlich wirklich nichts...

Es bringt ja aber auch nicht "wirklich" was. Zumindest nicht in den Kategorien, in denen ich als Abhängiger denke. Dieses eine Bier könnte Sinn machen, wenn ich ein klassischer "Genusstrinker" wäre. Jemand, der ein kühles Bier trinkt, weil es geschmacklich eben so gut zum T-Bone-Steak oder zum Schweinehals passt. Oder weil ihm Weißwürste ohne Weizen einfach nicht schmecken. Jemand, dem bei einem 2,99-Wein alle Haare zu Berge stehen, weil er das noble, sorgfältig dekantierte Achtel vorm Kaminfeuer gewohnt ist. Jemand, der auch kein Problem hat, nach diesem einen Bier wieder aufzuhören - und nicht befürchten muss, dass der ganze Rattenschwanz

WilloTse hat geschrieben:...Wiedereintreffen des geliebten Glücksstoffes ein biologischer Trigger ist. Aber ein Bier steigert auch das Gefühl, den Alkohol unter Kontrolle zu haben, und hier lauert psychologische Gefahr: wenn ich ein Bier gefahrlos trinken kann, dann doch auch zwei...

ihn wieder einholt. Zu den Menschen, die nach zwei Stückchen Schokolade die Tafel wieder einpacken und für den nächsten Tag zur Seite legen, gehöre ich (leider oder glücklicherweise ?!?) nicht.

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GoldenTulip
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Re: Die "W-Fragen"

Beitragvon GoldenTulip » 26. Juli 2013, 18:48

Die blaue, oder die rote Pille?


nicht tiefgreifend, aber auch nicht verkehrt:
http://www.die-matrix.net/?page_id=19

Es wird ja den eher auch theoriefreundlichen Alkoholikern gern unterstellt, sie bauen eigentlich nur ein immer komplexeres, hanebücheneres Konstrukt um ihr Sucht drumherum, statt sich ihrem Problem zu stellen.
"Wer trinken will, findet Gründe, wer nicht trinken will, findet Lösungen."

Ich bin jetzt lange genug durch die Forenlandschaft gestolpert, um zu versuchen, die Argumentationen einigermaaßen nachzuvollziehen.

Aktuell nervt mich am meisten, dass ich selbst mit Baclofen eine Art Abstinenzgelübde hinlegen sollte.
Baclofen wirkt, wenn Du nichts trinkst, ist nicht so das intellektuelle Highlight, finde ich.
Ich will diese Frechheit auch begründen:
Was habe ich von Baclofen, wenn es mein Craving unterdrückt, aber weder den Wunsch noch die Absicht, zu trinken? Viel Müdigkeit und Libidoverlust. Das war meine Quintessenz. Bessere Möglichkeiten, wieder weniger zu Trinken. Ich konnte wieder einschlafen. Aber dann allein....
Da ich aber weitergetrunken hatte, ist die Anti-Craving-Wirkung irgendwie an mir vorbeigegangen.
Hochdosieren wollte ich ja auch nicht so wirklich. Da war auch Angst.

Und etwas hat es bewirkt: Wahlfreiheit in Aussicht. Das war gut. Hoffnung. Das war noch besser. Heilung? Für mich zu riskant. Ich misstraue Hirnmedikamenten. Zu schlapp zum Kühlschrank zu laufen ist keine echte Heilung.

Ich gehöre wohl auch zu den 15 %, denen Bac alles egal macht, außer den Alkohol.
"Ja, aber Du nimmst es auch verkehrt!" Genau [cray] . Da ist die Grenze.
Wenn Du nichts mehr trinken willst, ist es das Beste ever auf dem Markt. Es schlägt Dir halt nicht das erste Glas - oder den Wunsch- aus der Hand.

Das wäre doch hilfreich, mal zusammenzutragen, was Baclofen bewirken kann, und was nicht -(bei allen).

Um dem Ganzen etwas Sinn zu verleihen: Das "Wozu" muss man selbst entwickeln. Das " Can you stand it" auch.
Man ist kein Hamster im Laufrad mehr- oder kann sich sein Laufrad wieder aussuchen. Man bekommt Zeit.

So, weiter geht es für mich nach Baclofen, ohne hätte ich gar nicht erst angefangen, neue Wege zu suchen,

mir fehlen im Forum die Rubriken, wie es weitergeht ohne die Abkürzung zu nehmen, ich habe Bedarf an Vorbildern/ Austausch über das "wie weiter, was dann",

LG Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Re: Die "W-Fragen"

Beitragvon WilloTse » 27. Juli 2013, 07:02

Moin Conny,
GoldenTulip hat geschrieben:"Wer trinken will, findet Gründe, wer nicht trinken will, findet Lösungen."

Das ist so'n Satz, den hasse ich wie die Pest.
Wer trinken will, hat Gründe, für die er noch keine andere Lösung findet.

GoldenTulip hat geschrieben:Das wäre doch hilfreich, mal zusammenzutragen, was Baclofen bewirken kann, und was nicht -(bei allen).

Es kann
- die physiologische Seite des Craving unterbinden
- (generalisierte) Angst mindern
- depressive Verstimmungen aufhellen
- vorübergehend euphorische Stimmung auslösen

es kann nicht
- die psychische Seite des Craving unterbinden
- die Trinkgründe beseitigen
- die Trinkgewohnheiten beseitigen
- alternative Kompensationstechniken für die Trinkgründe aufzeigen
- Alkoholkonsum an sich unterbinden

Im Idealfall befähigt das, was es kann, den Patienten dazu, das, was es nicht kann, selbst in die Hand zu nehmen.

GoldenTulip hat geschrieben:mir fehlen im Forum die Rubriken, wie es weitergeht ohne die Abkürzung zu nehmen, ich habe Bedarf an Vorbildern/ Austausch über das "wie weiter, was dann",

Ich sehe einfach niemanden, der das bisher geschafft hätte.
Am ehesten Leute wie @betalbatim, @rockine, wenn alles klappt @Pippilotta-Argentina.
Aber bb und rockine haben halt Bac genommen, Abstinenz erreicht, Bac abgesetzt, Abstinenz beibehalten.
Ich kann's ja auch nicht ändern.
Aber zurück auf "Los", keine Medikation, MT mit gelegentlichen Ausrutschern, und das ganze im Normalo-Bereich, als wäre nie was gewesen? [unknown]

Und diese ganze Medikation so hoch halten, dass das abendliche Achtel möglich ist? Schaut her, ich nehme ein potentes, nicht für diese Anwendung zugelassenes Hirnmedi, damit ich moderat das Zeug trinken kann, das mir ja ach-so-gleichgültig geworden ist? Das ist doch Irrsinn.
Wen wundert's da, dass Suchtmediziner auf diese Idee nicht so recht anspringen?

Auch, wenn ich diesen Ochsenfrosch nicht schlucken mag, aber ich sehe dauerhaft keine Alternative zur Abstinenz. Ich wollte, ich sähe noch eine, glaub' mir. Ich sehe keine mehr.
Der Weg dahin - darüber können wir uns unterhalten, tun wir ja auch.

Aber back to the roots? An die Möglichkeit glaube ich nicht mehr.

Papfl hat geschrieben:Zu den Menschen, die nach zwei Stückchen Schokolade die Tafel wieder einpacken und für den nächsten Tag zur Seite legen, gehöre ich (leider oder glücklicherweise ?!?) nicht.


Das kommt noch dazu, beim Thema "wozu": was ist der Sinn von einem Gin?
Für 'ne ganze Pulle hab' ich die Antwort. Aber für einen??

LG
Willo

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Re: Die "W-Fragen"

Beitragvon Papfl » 27. Juli 2013, 09:01

@ all

Um mal wieder auf den Thread-Titel zurück zu kommen (keine Angst...ich bleibe schon bei Euch [smile] ). Jetzt mal ganz unabhängig von Baclofen gefragt:

WIE unbeschwert können wir, die wir uns tagtäglich mit unserem "Alkoholproblem" beschäftigen (Forum, hinterfragen, analysieren, Lösungswege suchen, etc.) denn überhaupt noch mit Alkohol umgehen? Schwingt nicht schon beim ersten Glas aufgrund unseres Problembewusstseins immer schon ein Stück weit das schlechte Gewissen mit? Kann uns denn Alkohol trinken überhaupt noch Spaß machen? Wie früher, als wir nicht drüber nachgedacht haben?

Oder gibt es am Ende nicht doch wirklich nur die blaue (alles beim Alten belassen) oder die rote Pille? Und wie sähe die rote Pille aus?

Fragt sich
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Re: Die "W-Fragen"

Beitragvon Papfl » 27. Juli 2013, 10:28

Papfl hat geschrieben:Wie sähe die rote Pille aus?

Meiner Ansicht nach ist die „rote Pille“ zunächst mal die Abstinenz. Gelegentlich kursiert ja das „Gerücht“, man könne nach einem halben Jahr wieder an MT oder KT denken, aber so weit will ich jetzt gar nicht gehen. In einem halben Jahr kann sich so viel verändern…es reicht, sich darüber Gedanken zu machen, wenn es soweit ist.

WARUM Abstinenz?

Weil beide Wege – der rein in die Alkoholsucht und der raus aus der Alkoholsucht – sehr viel mit Konditionierung und Lerntheorie zu tun haben.

Wir haben vor langer Zeit festgestellt, dass Alkohol uns gut tut. WOFÜR jeder von uns individuell den Alkohol benutzt hat, ist egal. Fakt ist: Die Wirkung hat uns etwas gebracht.
Daran haben wir uns gewöhnt. Weil Alkohol so ein „tolles“ ALL-IN-ONE Allroundmittel ist, das ganz viele Bedürfnisse auf einmal befriedigen kann, hat unser „träger“ Körper schon bald gemerkt, dass er sich ja gar nicht mehr so anstrengen muss, um natürliche, körpereigene Arznei herzustellen. Also hat er seine Produktion heruntergefahren oder sogar ganz eingestellt.

Nach vielen Jahren nun merke ich, dass mir der Alkohol nicht mehr gut tut. Weil ich abhängig geworden bin. Weil sich soziale oder gesundheitliche Konsequenzen bemerkbar machen, oder weil der Stoff einfach nicht mehr so funktioniert, wie er soll. Pech für mich, dass mein Körper inzwischen verlernt hat, wie die alternative, körpereigene Arznei hergestellt wird. Auch die ganzen alten Verhaltensmuster (Stichwort: Neuronales Netz), die Strategien, wie ich mir natürliche Entspannung, natürliche Glücksgefühle, natürliche Abwechslung etc. erzeugen kann, sind eingerostet bzw. zugewachsen.

Hier liegt das größere Problem, denn die körpereigene Arznei kann ich (vorerst) von außen zuführen: Baclofen. Aber alles andere muss ich wieder ERLERNEN.

Diese Lernprozesse sind individuell höchst verschieden und für manch einen anstrengender als für andere. Das hängt damit zusammen, auf wie viel „Erlerntes von einst“ ich zurückgreifen kann. Was kann ich von früher reaktivieren? Viele haben bereits in jungen Jahren mit Alkohol begonnen und sich ihre Glücksgefühle schon recht früh künstlich erzeugt. Sie kennen also positive Gefühlszustände nur in Kombination mit Alkohol. Viele hatten eine schwere Kindheit, die nicht gerade übermäßig mit Spaß und freudigen Erlebnissen bestückt war, auf was also zurückgreifen?

Es ist nicht hoffnungslos, aber Arbeit. Ich muss meinem Körper und meinem Hirn beibringen, dass ich auch in nüchternem Zustand gut drauf sein kann. Dazu ist es nunmal von Vorteil, abstinent zu sein. Zumindest, bis Körper und Hirn geschnallt haben: Es geht auch ohne Alk!

Lacht jetzt nicht, aber Sex scheint für die Rekonditionierung eine gute Methode zu sein. Als ich vor einigen Monaten in einer Gruppe (Alter 29-43 Jahre, vorwiegend Männer) gefragt habe, wer in seinem bisherigen Leben schon mal nüchtern Sex hatte, streckten nach reiflicher Überlegung zwei von zwölf. Inzwischen haben einige von ihnen dieses „Versäumnis“ nachgeholt und der Beischlaf scheint ihnen (und auch ihren Partnerinnen!) nüchtern mehr gegeben zu haben als in angetrunkenem Zustand. Da ein Orgasmus ja bekanntlich zu den sehr prägenden Erlebnissen gehört, sind die Auswirkungen im neuronalen Netz entsprechend intensiv und hinterlassen entsprechend tiefe Spuren.

Wie wenig wir uns vorstellen können, dass das Leben auch ohne Alkohol spannend, interessant und lebenswert sein kann, wird nachvollziehbar, wenn man sich ein bisschen mit sog. „Spiegelneuronen“ beschäftigt.

Über „Spiegelneuronen“ können wir uns in andere Menschen hinein versetzen und ähnlich wie sie empfinden. Wenn man zum Beispiel im Fernsehen sieht, wie sich jemand mit einem Messer schneidet, „frösteln“ wir als Zuschauer indirekt mit, wenn die Klinge ein rote Blutspur auf der Haut hinterlässt, obwohl wir ja gar nicht betroffen sind. Aber wir können erahnen, wie schmerzhaft das sein muss.

In punkto Alkohol sind viele von uns nur dürftig mit "Spiegelneuronen" ausgestattet. Dass man bestimmte Dinge auch ohne Alkohol „genießen“ kann, ist uns eher fremd. Folglich können wir auch wenig Empathie für den „Spielverderber“ entwickeln, der inmitten einer Alkohol trinkenden Gruppe mit der Cola in der Hand ausgelassen mitfeiert. Weil wir es schlichtweg nicht nachvollziehen können. Besser funktioniert das z. B. bei spielenden Kindern. Hier können wir eher "innerlich" mitlachen, weil wir ja schließlich auch mal jung waren und (hoffentlich) ähnlich vergnügt umher tollten.

@ Conny fragt:

GoldenTulip hat geschrieben:mir fehlen im Forum die Rubriken, wie es weitergeht ohne die Abkürzung zu nehmen, ich habe Bedarf an Vorbildern/ Austausch über das "wie weiter, was dann"

Das Sammeln solcher nüchternen Episoden gehört dazu.

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Re: Die "W-Fragen"

Beitragvon Chinaski » 27. Juli 2013, 10:41

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Re: Die "W-Fragen"

Beitragvon Abliand » 22. August 2018, 04:56

So jedenfalls - mit individuellen Unterschieden - ist es doch, solange die Sauferei klappt. Solange der Alk noch kein Problem ist, sondern ein zuverlässiges Mittel, um sich die Laune zu verbessern.


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