Hallo, Ihr Lieben,
ich nehme mal einen neuen Anlauf, Licht in den Nebel zu bringen, und nutze die Vorlage von Dir Willo, als Einstieg.
Wer sich von der Meinung anderer so triggern lässt, dass er deswegen trinken muss, hat sein eigenes Problem nicht gelöst.
Das ist völlig korrekt aber irgendwie auch etwas nichtssagend. Mir ist jedenfalls noch kein Trinker begegnet, der von sich gleichsam behauptet, seine Probleme gelöst zu haben
Von wem als von anderen sollte ich mich denn triggern lassen. Ich steh ja nicht vorm Spiegel und rufe "Buh!" um mich selbst zu erschrecken. Das klappt sowenig, wie sich selbst durchzukitzeln.
An die Neuen hier: Dies ist kein Baclofen-Erfahrungsbericht, sondern ein Bericht über
meine Auseinandersetzung mit
meinem Alkoholismus. Unentschiedene nehmen bitte diesen Beitrag nicht zur Kenntnis.
Oopsie, gerade deswegen neugierig geworden? Macht nichts, aber dann bitte auf eigene Kappe lesen. Danke.
So, zum Thema.
Heute hab ich gemerkt, wie mir der Alkohol Schutz und Shelter ersetzt, der mir mit dem Tod meiner Mutter verloren gegangen ist. Mit ihrem Tod war der Puffer weg. Ich war 17, sie 37.
Ich habe lange gebraucht, um die 17-Jährige wieder ausfindig zu machen, die damals den Kontakt zu sich, und das Vertrauen in alle anderen, verloren hat.
Ich bin froh, dass ich mein Home-Coming-Syndrom mit Alkohol, und nicht mit Heroin ausgelebt habe. Ich glaube, dann wäre ich schon tot.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn nach 30 Jahren der Panzer Risse bekommt, und die alte Persönlichkeit wieder in ihre eigenen Fußstapfen tritt. Ich gehe ein bisschen wie auf rohen Eiern dabei. gleichzeitig steckt mein Habitus in manchen alten Spuren fest. Mit 47 Jahren punkige Attitüden zu haben, ist schon , sagen wir, strange.
Nach zwei Jahren mit, und zwei Jahren ohne Baclofen, kann ich sagen, dass die, die ich heute bin, ich ohne Baclofen nicht wäre.
Ist Euch mal aufgefallen, dass Angst und Hoffnung beide in der Zukunft liegen? Wahrscheinlich. Trauer und Ärger Vergangenheit sind?
Ich will damit sagen, dass die Macht des Alkohols m.E. darin liegt, einen wieder in die Gegenwart zu transportieren. Keine Reue, keine Angst. Da wird mir klar, wie groß angelegt das Projekt ist, ohne Alkohol zu leben.
Ehrlich? Ich kann mir kaum vorstellen, darauf zu verzichten. Ich kann mir vorstellen, Stückchen für Stückchen Puzzlesteine zurückzugewinnen, aber mal eben so auf das, was mein Leben zusammengehalten hat, zu verzichten, ist mir absolut undenkbar.
Ich werde nie eine ordentliche Antialkoholikerin werden. Dafür war der Cut zu tief. Und die Therapien wirken nur an der Oberfläche. Niemand ist meine Mama.
Bevor das endgültig abdriftet:
Ich bin skeptisch, ob Heilung möglich ist ohne Gehirnwäsche. Oder eher: Wieviel Kraft brauche ich, um mich von Grund auf neu zu erfinden, und alle alten emotionalen Hüllen abzustreifen? Möchte ich das überhaupt? Das kostet auch einen Teil meiner Identität.
Gestern gab es einen schönen Moment. Ich saß mit meiner Katze, der Mietzi da, kraulte ihr den Bauch, und konnte fühlen, dass die Liebe meiner Mutter zu mir durch mich durchgeflossen ist hin zu Mietzchen. Da war ich glücklich.
Hätte ich mich meiner "Alkoholproblematik" nicht gestellt, wäre diese Empfindung an meinem Panzer abgeprallt.
Es wird schon alles gut, nur nicht immer so, wie man es sich vorstellt.
Soll ich diesen Beitrag abschicken? Wer, wenn nicht ich, wann, wenn nicht jetzt.
Conny