Nicht nachlassen-ehrlich währt am längsten!

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Ännchen
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Nicht nachlassen-ehrlich währt am längsten!

Beitragvon Ännchen » 30. November 2019, 11:33

Liebe Mitstreiter,

Der Leidensdruck der Sauferei hängt wie ein nasser Lappen über meinem Leben.
Jeden Tag eine Flasche Wein! Bei Veranstaltungen, Feiern auch deutlich mehr. Ich bin leider seit einigen Monaten wieder dabei.
Rund 40 Jahre begleitet mich der Alkoholmissbrauch.
Die besten Phasen waren immer die Trockenphasen. Mal 10 Monate abstinent, mal reduzierter Konsum überJahre etc.
Aber niemals schlief die Bestie so ganz.
Seit der Kindheit habe ich schon depressive Verstimmungen - Huhn oder Ei?
Jedenfalls ist Alkohol keine Option zur Selbstbehandlung- ganz im Gegenteil.
Alkohol kostet Serotonin, durch die Überstimulierung des Belohnungssystems gibt es im Nachgang hangover und Kater etc.. pp..
Diese Fakten sind jedem im Forum hinlänglich bekannt.
Meine Besuche bei der AA haben mir nicht nachhaltig geholfen. Das Programm ist mir doch zu sehr auf Angst aufgebaut, und bei craving hilft die Höhere Macht mir persönlich nicht.
Das Suchtproblem zu versachlichen hilft mir am besten!
Ich habe wieder den Kontakt zu meiner Ärztin aufgenommen und mache mich nun erneut auf den Weg.
Es soll mindestens 2,5 Jahre dauern, bis man Baclofen aussschleichen kann.
Viel zu früh aufgehört und leichtsinnig geworden.
Da ich selbst vom Fach bin, dachte ich, die Baclofen-Therapie in Eigenregie machen zu können.
Hat nicht funktioniert. Es tut gut, sich in die Hände einer erfahrenden Ärztin zu begeben. Kontrolle abgeben!
Die Dosis 5 Tage lang 5-5-5-5, dann 5 Tage 5-5-10-10, dann 5 Tage 10-10-10-10.
Enddosis 25-25-25 . Und bei Suchtdruck (Feiern!)immer sofort 25 mg oben drauf.
Frauen mit einer Flasche Wein pro Tag kommen mit ca. 75 mg /Tag in der Regel hin.
Ich lasse weiter von mir hören.
Allen hier im Forum guten Mut!
Ännchen
"Nur wer sich ändert, bleibt sich treu." (Wolf Biermann)

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Sonntag frühnüchtern

Beitragvon Ännchen » 1. Dezember 2019, 09:19

Guten Morgen,
Wie erwartbar, habe ich gestern mit Baclofen keinerlei Suchtdruck verspürt.
Etwas viel genascht (Zucker fürs Gehirn), war am Nachmittag sogar in der Stadt für Besorgungen und endlich mal wieder im Fitnessstudio. Wohnung adventlich hergerichtet.
Dann etwas Gesundes gekocht und lange mit einer Freundin telefoniert, den Ofen angemacht.
Gut geschlafen, bin um 7.30 wach geworden.
Ein perfekter Tag! Endlich mal wieder.
Gleich gehe ich vor die Türe und laufe ein paar Schritte über die Felder.
Momentan keine Angst mehr vor den nächsten Wochen: Weihnachten ist für mich immer besonders anstrengend und freudlos mit Alkohol.
Überhaupt ist das Leben mit diesem Gift ab einem gewissen Stadium leer, man ist nur noch eine Hülle, arbeitet allen Pflichten nur noch angestrengt hinterher.
Der Alkohol stiehlt einem schleichend das Leben.
Warum also noch trinken? Wenn diese Substanz doch nur noch Nachteile hat und einen sogar umbringen kann?
Weil durch Alkohol das Gehirn mit seinem neuronalen Netzwerk mit dem Hippocampus und der Amygdala (sehr alte Teile des Gehirns) umgebaut werden. Diese Hirnareale entziehen sich dem eigenen Willen, führen ein Eigenleben. Das durch den Alkohol überstimulierte Dopamin baut sich neue Autobahnen.
Dieser Vorgang geschieht unaufhaltsam, und er ist unumkehrbar. Kontrolliertes Trinken hat bei mir nur über kurze Zeit funktioniert. Sehr bald hatte die "voice of addiction" wieder die Oberhand, und nicht meine Pläne, weinger zu saufen.
"Alkohol ist Burka für die Birne." (Wiglaf Droste in memoriam)

Einen schönen 1. Advent wünscht Euch
Ännchen
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Lucidare
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Re: Nicht nachlassen-ehrlich währt am längsten!

Beitragvon Lucidare » 1. Dezember 2019, 14:26

Hallo Ännchen,

Ännchen hat geschrieben:Ich habe wieder den Kontakt zu meiner Ärztin aufgenommen und mache mich nun erneut auf den Weg. Es soll mindestens 2,5 Jahre dauern, bis man Baclofen aussschleichen kann.


Dann alles Gute auf Deinem Weg! [good] Wann ausgeschlichen werden kann oder darf, da gibt es keine Regel. Ich denke man spürt es. Wenn dann wieder ein Verlangen auftritt muss wieder gegengesteuert werden. Sich eine, nennen wir es Alkoholunverträglichkeit, einzugestehen drängt sich gerne in den Hintergrund. Ich habe doch nie etwas gehabt und eigentlich ist es doch normal etwas zu trinken... [pardon]

Ännchen hat geschrieben:Weil durch Alkohol das Gehirn mit seinem neuronalen Netzwerk mit dem Hippocampus und der Amygdala (sehr alte Teile des Gehirns) umgebaut werden. Diese Hirnareale entziehen sich dem eigenen Willen, führen ein Eigenleben. Das durch den Alkohol überstimulierte Dopamin baut sich neue Autobahnen


Wie der Alkohol insgesamt auf das Gehirn wirkt, welche Bereiche beeinflußt werden, ist so genau immer noch nicht erforscht. Was ziemlich genau bestimmt werden kann ist die Wirkung auf das gabaerge System und auf das Glutamat.

Ganz anschaulich wird das in "Drugs in the Brain" und in diesem kleinen Filmchen erklärt:
https://www.youtube.com/watch?v=UOSFZGzbAJk

GABA ist der wichtigste beruhigende und Glutamat der wichtigste erregende "Botenstoff" im Gehirn. Der Alkohol regt GABA an und beruhigt Glutamat (NMDA). In dem Sinne haben diese beiden Botenstoffe eine Art "Schleusenwärterfunktion" auf die "Taktung" des Gehirns. Wenn sich, so meine laienhafte Begründung, ein Fluchtreflex oder Ängste plötzlich durch eine chemische Substanz in ein Wohlbefinden umwandeln wird das Serotonin (Glück) und das Dopamin (Suchen und Belohnen) dazu wohl Applaus klatschen.

Mir geht es zum K..., ich nehme Drogen und alles ist schön. Das bestimmten Hirnbereichen zuzuordnen wird schwierig, da hier das System insgesamt durcheinander gebracht wird.

LG
Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen. Ronja von Rönne


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