Baclofen-Therapie vs. traditionelle Suchtbehandlung

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Papfl
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Baclofen-Therapie vs. traditionelle Suchtbehandlung

Beitragvon Papfl » 9. Oktober 2015, 11:43

Hallo zusammen!

Weil ich immer wieder gefragt werde, worin eigentlich der Unterschied bei der Baclofen-Therapie im Vergleich zur traditionellen Suchtbehandlung liegt, habe ich mir eine kurze Allegorie für die Beantwortung dieser Frage überlegt, die ich Euch nicht vorenthalten möchte [mocking] .

Die klassische Behandlung einer Erkrankung umfasst eigentlich zwei Phasen:

  • Behandlung der physischen/körperlichen Beschwerden (Arzt, Krankenhaus)
  • "Wieder-Fit-Machen" für den Alltag (Rehabilitation)
Beispiel: Oberschenkelhalsbruch. Tut höllisch weh. Weiß ich (leider) aus eigener Erfahrung :mst . Klar, dass da erst mal operiert und der Knochen wieder in die richtige Position gebracht werden muss. Je nach Schwere kommt dann eine Schraube oder eine Oberschenkelkopfprothese oder was ähnliches zur Stabilisierung rein.

Es werden also zunächst die physischen/körperlichen Gebrechen "repariert", weil das die logische Voraussetzung für die Phase zwei (Rehabilitation, Wiederherstellung der Mobilität) ist. Erst wenn die Operation vorbei, der Knochen in der richtigen Stellung und die Wunde einigermaßen verheilt ist, beginnt die Physiotherapie (Treppensteigen, Biegen, Dehnen, Strecken...), bis im Idealfall nach ein paar Wochen die ursprüngliche Beweglichkeit des Beines wieder hergestellt ist.

Würde man den Oberschenkelhals-Patienten nach den Kriterien der "klassischen" Suchttherapie behandeln, wäre eine Operation überflüssig. Im übertragenen Sinne würde man ihm ein Schmerzmittel geben (äquivalent zur "Entgiftung") und anschließend gleich mit den Treppen-, Dehn- und Streckübungen beginnen. Der Patient würde irgendwann mit gebrochenem Bein oder falsch zusammen gewachsenem Knochen sowie entsprechenden Schmerzen entlassen werden, und wenn er dann unter diesen Bedingungen wieder "auf die Schnauze" fällt und den Oberschenkel erneut bricht, könnte man sich das nur schwer erklären [unknown] ?!? Denn: "Er war doch wochenlang in krankengymnastischer Behandlung gewesen...".

Was beim Oberschenkelhalsbruch die Operation, ist bei der Alkoholabhängigkeit Baclofen. Das Medikament ersetzt keine Psychotherapie (resp. keine krankengymnastische Reha) mit aller damit verbundenen Arbeit, Fleiß, Training, Reflektion etc. - aber es stellt die physischen/körperlichen Voraussetzungen her (wie die Operation beim Oberschenkelhalsbruch), damit die Therapie/Reha im Anschluss überhaupt erst Sinn macht.

Mit "gebrochenem" Hirn ("physischem Craving") kann man nämlich unter Umständen auch ganz schnell wieder "auf die Schnauze" fallen :wink: .

Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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