Baclofen: Neue beobachtende Studie aus England. 219 Patienten, maximale Dosis 90 mg / Tag

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DonQuixote
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Baclofen: Neue beobachtende Studie aus England. 219 Patienten, maximale Dosis 90 mg / Tag

Beitragvon DonQuixote » 18. Mai 2017, 18:46

Seid gegrüßt

Soeben online (gedruckt noch nicht) erschienen ist folgende Studie:

Den Englischen Abstract seht Ihr, wenn Ihr oben auf den Link klickt, eine vorläufige Version („Acceptet Manuscript“) des ansonsten kostenpflichtigen Volltexts kann ich Euch auf Anfrage zugänglich machen (Details folgen am Ende dieses Beitrags).

Hier die wichtigsten Aspekte der Studie:

  • Es handelt sich NICHT um eine randomisierte und gegen Placebo kontrollierte Studie.
  • Die Baclofen-Dosis betrug am Anfang 3 x 10 mg / Tag und wurde je nach Bedarf und Verträglichkeit auf maximal 3 x 30 mg / Tag, d.h. maximal 90 mg / Tag gesteigert.
  • Abstinenz war bei Studienbeginn nicht Voraussetzung. Vielmehr wurde die Auswirkung auf den Alkoholkonsum im Laufe der Behandlung einfach nur beobachtet.
  • Zu Beginn der Studie gab es 219 teilnehmende Patienten. Zwangsläufig nimmt diese Zahl im Laufe einer Studie dann ab. Den zeitlichen und quantitativen Verlauf kann man folgender Tabelle entnehmen:

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  • Ein Hauptmerkmal der Studie war, dass es sich bei den Patienten um Personen mit sehr hohem Alkoholkonsum (18 bis 40 UK-Units pro Tage, Median 25) und mit Lebererkrankung oder mit zumindest besorgniserregenden Leberwerten handelte. Die entsprechenden Daten (Alkoholkonsum und Leberwerte) stehen in dieser Tabelle:

    Bild

  • Zur Rekrutierung der Patienten: Da lässt mich mein wenig praktiziertes Schul-Englisch leider im Stich, und auch nach Konsultierung von Nachschlagewerken wurde ich nicht wirklich schlauer. Der englische Originaltext lautet:
    Englischer Fachartikel hat geschrieben:Patients were recruited from a nurse-led joint hepatology and alcohol treatment clinic in an acute hospital.

    Meine „Übersetzungskünste“ ergeben da leider nur: „Die Rekrutierung der Patienten erfolgte durch eine [irgendwie]-geführte [Irgendwas]-Abteilung eines [Sonstwas]-Spitals. Vielleicht kann uns da ja jemand bei der korrekten Übersetzung aushelfen [pardon] .

    Die Patienten hatten sich jedenfalls selbständig mit dem Wunsch nach einer Behandlung dorthin begeben. Ihre bisherigen medikamentösen (Campral und Naltrexon) Behandlungsversuche verliefen erfolglos, oder die oben genannten Medikamente waren in ihrem Falle kontraindiziert (Lebertoxizität). Die Patienten wurden auch, wie in solchen Fällen üblich, zwecks psychosozialer Betreuung an kommunale Einrichtungen vermittelt (Anmerkung: Dies ist nicht zu verwechseln mit einer fachärztlichen psychotherapeutischen Behandlung).
  • Der Anteil der Patienten, welche eine vollständige Abstinenz erreichten, betrug 55 % nach drei, respektive 53 % nach zwölf Monaten. Der Alkoholkonsum sank markant, nach drei Monaten betrug er nur noch 0 bis 15 (Median: 6) Uk-Units, nach zwölf Monaten dann noch 0 bis 13 (Median: 2) UK-Units. Auch die Leberwerte erholten sich in bemerkenswertem Ausmaß. Details dazu in den nächsten beiden Tabellen:

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  • 37,5 % der Patienten litten bei Studienbeginn bereits an einer diagnostizierten Leberzirrhose, bei weiteren 22,8 % war ein sonstiger Alkoholtoxischer Leberschaden vorhanden. Bei der Wirkung von Baclofen auf den Alkoholkonsum fanden die Forscher überraschenderweise keinen signifikanten Unterschied zwischen den zirrhotischen und den anderen Patienten, was Prof. Lorenzo Leggio auf Grund seiner eigenen, früheren Studien eigentlich noch vermutete (dort ab Minute 6:22).
  • Die Auswirkung von Baclofen auf das Craving wurde nicht ermittelt, obwohl dafür einige gute Werkzeuge zur Verfügung gestanden hätten. In zukünftigen Studien würden sie das sicher mit berücksichtigen, merkten die Forscher selbstkritisch an.
  • Die maximale Dosierung greift mit 90 mg / Tag meines Erachtens zu kurz, ist aber im Vergleich zu bisherigen Kontrollierten Studien mit maximal 30 mg / Tag schon mal eine deutliche Verbesserung. Einzige Ausnahmen: Eine Studie mit maximal 60 mg / Tag, die finde ich jetzt aber grad nicht, und dann natürlich noch die Studie BACLAD mit einer maximalen Dosis von 270 mg / Tag. Ein kleiner, aber hoffentlich vernehm- und spürbarer Seitenhieb: Die Studie BACLOVILLE ist leider immer noch nicht wirklich zitierfähig, da sie immer noch nicht veröffentlicht wurde!?! Es gibt in der aktuellen hier besprochenen Veröffentlichung leider keinen genauen Hinweis darüber, wie viele Patienten die angestrebte Dosis von 90 mg / Tag in Folge von Unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW, „Nebenwirkungen“) nicht erreichten. Eine Korrelation von Baclofen-Dosis und Behandlungserfolg findet man in dem Fachartikel ebenfalls nicht.
  • Die Autoren Lynn Owens, Andrew Thompson, Abi Rose, Ian Gilmore, Munir Pirmohamed und Paul
    Richardson von der University of Liverpool, United Kingdom, hatten bisher noch keine Studien zum Thema Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit veröffentlicht, wie jedenfalls meine Recherche in unserem Baclofen-Wiki ergab.
So, das war jetzt erst mal alles, was ich in Kürze aus dem Fachartikel herausschälen konnte. Aber vielleicht findet ja Ihr noch etwas. Den ansonsten kostenpflichtigen Vorab-Volltex („Acceptet Manuscript“) kann ich Euch auf Anfrage zugänglich machen. Schreibt mir dazu einfach eine PN (Private Nachricht), nichtregistrierte Gast-Leser können aber auch unser Kontaktformular verwenden.

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Re: Baclofen: Neue beobachtende Studie aus England. 219 Patienten, maximale Dosis 90 mg / Tag

Beitragvon Papfl » 18. Mai 2017, 20:31

Hi DonQ!

Danke für diese Fleißarbeit doppd !

Patients were recruited from a nurse-led joint hepatology and alcohol treatment clinic in an acute hospital.

würde ich mit

Die Patienten wurden aus der von Krankenschwestern geführten/betreuten Klinik für Hepatologie- und Alkoholbehandlung eines Akutkrankenhaus rekrutiert.

Mit joint ist hier gemeint, dass die beiden Abteilungen für Hepatologie und Alkoholbehandlung in besagtem Krankenhaus zu einem Komplex zusammen gefasst wurden (also nicht, dass die Krankenschwestern bekifft
waren [mocking] ). Eher wie "Joint Venture".

Und dass dieser Klinikkomplex vornehmlich von Krankenschwestern betreut wurde, mag vielleicht daran liegen, dass in solchen Abteilungen in erster Linie gepflegt wird und Medikamente ausgegeben werden. Einen Arzt brauchst Du da eigentlich nur bei der Patienten-Aufnahme und für die Verschreibung der Medikation. Und halt bei Komplikationen, aber dann kommt halt kurz einer rüber aus dem Akutkrankenhaus [pardon] .

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Re: Baclofen: Neue beobachtende Studie aus England. 219 Patienten, maximale Dosis 90 mg / Tag

Beitragvon DonQuixote » 18. Mai 2017, 21:26

Hi Papfl

Papfl hat geschrieben:
Patients were recruited from a nurse-led [...] hospital.

Würde ich übersetzen mit:

Die Patienten wurden aus einer von Krankenschwestern geführten/betreuten Klinik rekrutiert.

Das kling in unseren Ohren natürlich etwas seltsam, irgendwie nach Mutter Theresa in Kalkutta oder nach einem "Krankenhaus" in Europa Anfang des 19. Jahrhunderts. Aber ich weiß natürlich genau, was Du meinst, und Du hattest das dann ja weiterführen erklärt. Jedenfalls Danke für Deine Hilfestellung [good] . Möglicherweise ist ja "nurse-led" im Angelsächsischen Gesundheitssystem ein gängiger Begriff, für den es bei uns einfach keine Analogie gibt.

DonQuixote

P.S. Und hey, Danke für das "Fleißkärtchen" [smile] .


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