Polytoxi, Borderline, ADHS - und neu hier

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Wild-Child
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Polytoxi, Borderline, ADHS - und neu hier

Beitragvon Wild-Child » 21. Januar 2017, 18:03

Hallo zusammen,
ich bin neu hier und finde alles noch undurchsichtig.
Tut mir leid, wenn ich Fragen stelle, die an anderen Stellen schon beantwortet wurden oder meine Posts im falschen Forum einstelle:
Schickt mir dann bitte einfach den Link zu den entsprechenden Einträgen - Ich bin nicht firm in Internet-Foren. Trotzdem also nun zu mir:
Ich, w., Mitte 40. Polytoxikomanie, ADHS, Borderline, DIS, rez. Depressionen...
Alles in allem also nix Gutes.
Aber ich gehe arbeiten und lebe vollkommen selbstständig, von gelegentlichen Klinikaufenthalten mal abgesehen.
Im Frühjahr 2012 trat Alkohol nach ca vierjähriger Abstinenz wieder in mein Leben,
Gründe sind jetzt hier mal egal.
Aber erst ab Herbst 2014 wurde es dann wieder zum "Problem".
Viele Monate war mir das egal, fast schon mutwillig egal....
aber dann begann die Zeit, wo ich wieder aufhören wollte - und nicht mehr konnte.
Ich fing zwar an, dagegen anzukämpfen, aber je mehr ich kämpfte, umso stärker wurde der Suchtdruck. Reaktanz. Das ist leider heute noch so.
Trotzdem begann ich meinen Konsum konsequent aufzuschreiben, um mir nichts vormachen zu können. Mir nicht und anderen auch nicht. Wenigstens ehrlich will ich sein.
Jan. 2015 ließ ich meine Organe schallen und ein großes Blutbild nehmen.... und erklärte meiner Hausärztin auch warum. Da war aber alles ziemlich ok. Nur die Leber hatte geringe Anzeichen von Ablagerungen, aber nichts Dramatisches.
Seit Mitte 2016 versuche ich es nun zu lassen. Versuche meinen Lebensstil zu ändern, mir - wenn es irgend geht - gesunde Lebensmittel zuzuführen, ausreichend Schlaf zu bekommen und im Job nicht mehr über meine Grenzen zu gehen. Selbstfürsorge halt.
Dann kam ich per Zufall auf die Baclofen Therapie.
Ich habe bisher wirklich nichts von Medikamenten gegen Sucht gehalten.
Ich hielt das für Schwachsinn, der es nicht wert ist, sich damit zu beschäftigen.
Aber die Schilderungen von Olivier Ameisen in "Das Ende meiner Sucht" haben mich umdenken lassen: Dass Alkoholsucht etwas mit dem "Belohnungszentrum" im Gehirn zu tun hat, kann ich ja selbst ganz direkt nachempfinden. Täglich.
Irgendwie schaffe ich den Job - da bringe ich viel Selbstkontrolle für auf, halte durch und ertrage Ängste, Überforderungen und Demütigungen.
Aber wenn ich heimkomme möchte ich dafür dann "Belohnung" ( Entlastung, Entspannung, Ruhe).
Ich bin (noch) nicht körperlich abhängig, aber psychisch. Ich kann nur selten einen Tag ohne. Im Schnitt trinke ich 1,8 Liter Bier am Tag.
Über Borderline und Polytoxikomanie habe ich hier wenig gefunden,
deshalb schreibe ich auch. Ich habe gerade mit 2 x 5 mg Baclofen begonnen.
Aber ich merke nichts. Also wirklich nichts. Keine Entlastung oder Entspannung aber auch keine paradoxe Wirkung. Letzteres ist natürlich gut.
Gibt es hier noch andere wie mich? Erfahrungen?
Wenn ja, wäre ich froh, wenn Ihr mir schreiben könntet.
Ich bin dankbar für alle, die mir dazu etwas Informationen geben können.
Liebe Grüße
Wild-Child
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DonQuixote
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Re: Polytoxi, Borderline, ADHS - und neu hier

Beitragvon DonQuixote » 23. Januar 2017, 00:30

Hallo Wild-Child

Herzlich Willkommen in unserem Forum, und Danke, dass Du Dich uns anvertraust. Danke auch für Deinen offenen und sehr ausführlichen Erfahrungsbericht. Dort schreibst Du von „Polytoxikomanie“. Kannst Du erläutern, was da bei Dir nebst Alkohol noch für andere Suchstoffe oder suchtähnliche Verhaltensweisen mit im Spiel sind?

Mit polytoxer Sucht haben wir zugegebenermaßen nicht sehr viel Erfahrung, dennoch gibt es dazu mit unserer Suchfunktion etliche Resultate. Möglicherweise findest Du dort an der einen oder anderen Stelle eine Antwort auf Deine Fragen. Sucht ist eine sehr komplexe Angelegenheit, unser @Papfl hat das mal in einem speziellen Beitrag zusammenzufassen versucht.

Baclofen kommt für die Behandlung diverser stofflicher Abhängigkeiten oder suchtähnlichem Verhalten in Frage. Was die Baclofen-Therapie von der traditionellen Suchttherapie unterscheidet, wird hier erklärt. Ganz interessant ist auch die Erklärung, warum Baclofen kein Alkoholersatz ist. Einen ersten Überblick rund um das Medikament bietet unsere Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick. Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann.

Vielleicht jetzt noch ein paar Worte zu Ameisens Buch "Das Ende meiner Sucht". Der Kardiologe Olivier Ameisen war mit seinem Selbstexperiment quasi sein eigenes "Versuchskaninchen". Sein Erfahrungsbericht erschien bereits 2005 (!) in der renommierten Fachzeitschrift Alcohol And Alcoholism, und manche Vorgehensweise, die Olivier Ameisen als Patient Nummer eins in seinem Buch noch "ausprobierte", gilt heute - über zehn Jahre später - als überholt. In der letzten Dekade hatten zahlreiche Wissenschaftler die Gelegenheit, anhand Zigtausender Patienten zu erforschen, wie Baclofen bei einer Mehrheit am besten funktioniert. Alle, die heute mit Baclofen beginnen, haben das große Glück, auf diesen Erfahrungsschatz und die daraus resultierenden bewährten Schemata der Baclofen-Therapie zurückgreifen zu können (Leitfaden für die Anwendung). Sie müssen also keine "Versuchskaninchen" mehr sein [smile].

Und dann noch:

Wild-Child hat geschrieben:Ich habe gerade mit 2 x 5 mg Baclofen begonnen. Aber ich merke nichts. Also wirklich nichts. Keine Entlastung oder Entspannung […]

Das soll Dich nicht verunsichern. Je nach Patiententyp und Schwere der Abhängigkeit sind mitunter ziemlich hohe Dosierungen erforderlich. Ich kann dich also nur ermutigen, Deine Dosierung gemäß des oben bereits zitierten Leitfadens respektive der darin enthaltenen Tabelle weiter zu steigern. Wenn Du dazu oder zu anderen Themen noch Fragen hast, dann frag‘ einfach. Also bis denne …

DonQuixote

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Anemone77
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Re: Polytoxi, Borderline, ADHS - und neu hier

Beitragvon Anemone77 » 23. Januar 2017, 11:03

Hallo Wild-Child! [hi_bye]
ich kann aus meiner Erfahrung berichten, dass 10 mg Baclofen pro Tag noch sehr, sehr wenig sind. Ich selbst bin jetzt bei einer Dosis von 120 mg. Ich hatte selbst bei 100 mg doch öfters noch Craving! [sad] Aber ich glaube, dass sowieso jeder Mensch anders auf Baclofen reagiert! Man braucht sehr viel Geduld, bis man seine Dosis gefunden hat!

Was super ist, meine Verlustängste sind dank Baclofen nicht mehr so präsent! Ich hatte totale Ängste, und das täglich, dass meine Eltern sterben könnten... naja, und noch andere diverse Ängste.... Eine leichte Borderline-Diagnose habe ich auch (erfülle 5 Kriterien). Da hat Baclofen auch seine Wirksamkeit entfaltet... Bin viel entspannter!!!

Das wird schon alles!!! Alles Gute für Dich!!! [smile]

Liebe Grüße
Anemone
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Wild-Child
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Re: Polytoxi, Borderline, ADHS - und neu hier

Beitragvon Wild-Child » 23. Januar 2017, 18:07

Hallo nochmal,
und vielen Dank an DonQuixote und Anemone77 für Eure ermutigende Antworten. doppd
Den Leitfaden habe ich ja schon durchgelesen. Aber danke trotzdem besonders an DonQuixote für die Links...Ich werde mich da nach und nach durcharbeiten und einfinden.
Naja, ich reagiere - manchmal - echt empfindlich auf Medis.
Manchmal aber eben auch gar nicht..... das ist bei mir ziemlich unvorhersehbar. Medis, wo andere sagen, wie toll die wären sind für mich echt gruselig..und umgekehrt. Sie können extreme oder aber auch gar keine Wirkung zeigen. Deshalb hatte ich auch Angst / Hoffnung bei Baclofen.
Aber ich hab auch verstanden, dass ich Geduld haben muss ( nicht gerade meine Stäre) [unknown] [shout] .

Zu der Frage warum ich Polytoxikomanie angegeben habe...
Es fing im Grunde schon in der Grundschule mit Essstörungen an. Ich habe mich da manchmal mit Süßigkeiten so zu gefressen, dass ich danach mit Bauchschmerzen und Übelkeit heulend im Bett lag, bis ich endlich irgendwann eingeschlafen bin.
Damals war es aber nicht so problematisch, da ich sehr aktiv war und deshalb auch nicht dick....
Mit 10 fing ich an ( regelmäßig ) zu rauchen. Mit 13 kam dann Bier dazu.
Mit ca.16 nahm ich dann alles mögliche - konfus , was eben gerade verfügbar war - THC, Kokain, Crack, Heroin, Trips, Rohypnol, - Speed habe ich natürlich auch probiert, aber nichts daran finden können - Alkohol war in dieser Zeit eine Art Lückenfüller, wenn nichts anderes verfügbar war.
Parallel kamen dann auch richtige Essstörungen hinzu ( Magersucht, später Bulimie ). Alkhohol blieb lange in einer meist relativ verträglichen Menge Teil meines Lebens.
Die illegalen Drogen hörten auf, als ich meine Ausbildung ( mit 25 Jahren ) begann.
Ich konnte sogar irgendwann aufhören zu Rauchen. 7 Jahre lang.... In denen aber nach und nach der Alkohol wieder Überhand gewann. Dann war ich 4 Jahre trocken, begann aber bald wieder zu rauchen.
Nix mit "zufrieden trocken", es blieb immer eine Qual. Zudem bekam ich in der Firma neue Verantwortung und einen neuen Aufgabenbereich..und wurde arbeitssüchtig bis zum Zusammenbruch 2011.
2012 dann wieder Alkohol...
den Rest habe ich schon beschrieben.

Ich hatte schon immer eine große Angst vor Abhängigkeit jedweder Art.
Das Wechseln von einer Sucht zur anderen hat mich vielleicht an manchen Stellen wirklich auch vor Schlimmerem bewahrt. Aber daran, dass ich eine Suchtpersönlichkeit bin, ändert das nichts.

@Anemone77: Diese Art von Verlustängsten kenne ich am ehesten im Job. Also eher Versagensängste. Ich wäre echt dankbar, wenn Baclofen sich darauf auch positiv auswirken würde.

Liebe Grüße
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