Hi Bine,
die Wege sind nun mal individuell und daraus ergeben sich auch verschiedene Meinungen. Für mich ist das mit dem Alkohol wie mit dem Krieg und der Liebe. Es ist (fast) jedes Mittel erlaubt. Ob nun die totale Abstinenz oder
kontrolliertes Trinken, Hauptsache die Systeme sind wieder im grünen Bereich. D.h, der Alkohol hat keinen Einfluss mehr auf mein Handeln und meine Gesundheit. Es gibt Empfehlungen, dass z.B. die Dame nicht mehr als ein Glas (12g Alk.) und die Herren nicht mehr als 2 Glas (24g Alk.) Wein am Tag mit zwei trinkfreien Tagen die Woche konsumieren sollen.
Purzelbaum hat geschrieben:Ich schreibe nicht viel aber ich lese hier fast jeden Tag. Wenn ich dann lese, dass jemand daran denkt, sich mit einem Glas Wein "was Gutes" zu tun, da geht mir der Hut hoch. Was tut man sich denn Gutes mit einem Glas Wein, wenn man mit dem Saufen aufhören will?
Ja, alles richtig. Es ist sicher besser, über einen gewissen Zeitraum total auf Alkohol zu verzichten. Meiner Meinung nach sollten das eher Jahre als Monate sein. Ich muss jetzt nochmal aus @Papfels exzellenten
Craving-Beitrag zitieren.
Papfl hat geschrieben:Was hier so einfach und einleuchtend klingt, ist für den Einzelnen mit viel Arbeit verbunden. Der Weg aus der Abhängigkeit ist anstrengend. Und das geht auch nicht von heute auf morgen, weil man stellenweise sein Leben komplett umkrempeln muss. Es gilt, alternative Wege, neue Strategien zu entwickeln, um das Leben auch ohne Suchtmittel wieder genießen zu können. Aber es geht. Von Tag zu Tag besser. Psychotherapie, eigene Lernerfahrungen und das "Reinhören" in sich selbst können dabei wichtige Hilfsmittel sein.
Im Grunde gibt es immer Gründe für's Trinken. Es gibt genügend Menschen, die sich einfach nur mal in der Menge vertan haben, weil es immer so lustig ist. Die hören auf, schütteln sich einmal und weiter geht's. Schwierig wird es, wenn ich Dinge verändern muss. Wie z.B. den nervigen Job, den ich nur noch im Suff ertrage. Sicher kann man sich etwas Neues suchen. Was ist aber, wenn die Nerven so blank liegen, dass ich das nicht kann? Oder ich habe ein gewisses Alter, wo es schwer ist, etwas zu finden? Wie schaffe ich es mich zu arrangieren? Diese Probleme, oder Trigger, müssen vielfach gelöst werden, da sonst immer die Gefahr eines Rückfalls besteht.
Purzelbaum hat geschrieben:Das liegt sicher am geänderten Belohnungssystem, veränderter Stressbewältigung und dem Ablegen von bestimmten Gewohnheiten. Gut, das war nicht von Anfang an einfach aber wenn ich nicht irgendwann mit Veränderungen angefangen hätte - auch wenn manche nicht einfach waren - würde ich heute noch saufen. Versuche mit ab und zu mal einem Glas und Ähnlichem habe ich vorher jahrelang gemacht und die sind immer gescheitert. Früher oder später hatte mich der Alk immer wieder im Griff wenn ich mit solchem Unsinn wie "ein Glas geht ja mal" anfing. Erfolg gibt es meiner Meinung nach nur bei Konsequenz (Gut, weiter saufen ist auch konsequent.)
Für mich ist hier der Unterschied zwischen dem was @Papfl sagt und dem was @Purzelbaum sagt, nicht sehr groß.
Pruzelbaum hat geschrieben:Oder da säuft XY tage- oder wochenlang nichts und dann muss XY unbedingt wegen schlechter Stimmung oder wegen einer Depression oder wegen was auch immer plötzlich saufen. Nö, XY muss nicht wegen irgendwas saufen, das plötzlich passiert. XY hat nur auf einen Grund gewartet endlich wieder saufen zu können, weil sich XY vorher überhaupt nicht auf so eine Situation vorbereitet hat und im Grunde ja auch gar nicht wirklich mit der Sauferei aufhören will - noch nicht. Ich kenne das, Ausreden waren bei mir auch immer herzlich willkommen. Ach ja, was der Säufer doch für ein bemitleidenswerter Mensch ist, wirklich bedauerlich. So wird das aber nichts - denke ich.
Lieber Purzelbaum, Du musst hier bitte ganz klar unterscheiden. Der Alkoholmissbrauch kann Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) auslösen. Umgekehrt können psychische Erkrankungen den Alkoholmissbrauch auslösen. Wenn dies der Fall ist, O. Ameisen hat es schon mal formuliert, muss der Betroffene erst einmal therapierbar gemacht werden. D.h, simpel gesagt, der Alk muss weg um überhaupt zu erkennen, was ist durch den Alk ausgelöst und was ist die Grunderkrankung um diese behandeln zu können. Wenn Du unerträgliche Schmerzen hast und vermeintlich nichts hilft außer drei Bier, was würdest Du tun? Sicher scheint das der bequeme Weg zu sein, weil man denkt es gibt keine Alternativen. Dies Alternativen müssen aber auch gefunden werden und das ist auf Anhieb nicht immer einfach. Meine "Medizin" herzugeben war für mich undenkbar. Das hat für die Umwelt sicher Streckenweise kindische Züge angenommen, für mich war es aber todernst. Ja klar, ich habe über die Jahre immer wieder Versuche untenommen, die Krankheit (Angststörung) in den Griff zu bekommen, was leider nicht so richtig funktioniert hat und sicher war der Konsum nicht immer dramatisch, trotzdem, diese Gemengelage aufzulösen ist eine richtige Aufgabe.
Zum Thema vorbereitet sein: Meine Grunderkrankung, die Angststörung, schlummert im Moment. Damit fällt für mich der Grund weg, zu konsumieren. Wenn ich (bitte nicht nachmachen!!) auf einer Veranstaltung mal (selten) ein Glas Sekt trinke, ist das eben so. Ein Zweites schenke ich mir, weil ich vom Ersten schon ganz leicht angeschiggert bin. Nun hat sich vor einigen Monaten, trotz aller Vorbereitung aufgrund eines Ereignisses, bei mir auch mal der berühmte Hebel umgelegt. Ich möchte das durchaus als Fernsteuerung bezeichnen. Kurzum: Ich habe mir die Birne zugeschüttet. Genau einmal. Kurios war, dass sich in dem Fall eine richtige Sättigung nicht einstellen wollte. Ich habe dann abgebrochen. Mich hat das ziemlich erschrocken gemacht und ich war schon ein paar Tage ziemlich angegrabbelt. Ich habe, Gott sei Dank, ziemlich schnell die Kurve gekriegt. Ich wollte einfach nicht wieder dahin zurück, wo ich hergekommen bin. Was ich damit sagen will ist, Vorbereitung ist gut, was mache ich aber wenn doch der (unwahrscheinliche) Fall eintritt? Habe ich ein "Notfallprogramm"? Wer kann helfen?
LG