Baclofen: Pro / Contra Debatte November 2012 in Berlin

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DonQuixote
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Baclofen: Pro / Contra Debatte November 2012 in Berlin

Beitragvon DonQuixote » 10. Dezember 2012, 03:19

Hallo @all, erst mal [cool]

Ist an der Behandlung der Alkoholsucht mit hoch dosiertem Baclofen vielleicht was dran? Fragt man sich allenthalben auch in Deutschland und deshalb setzte die „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)“ an ihrem Kongress 2012 mit knapp 9000 Besuchern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eine Pro / Contra Debatte zu dem Thema an.

Kongressprogramm der DGPPN hat geschrieben:Baclofen ist ein GABA-B-Rezeptoragonist, der zur Behandlung von Spastik zugelassen ist. Durch den spektakulären Bericht des französischen Kardiologen Oliver Ameisen über eine vollständige Heilung seiner langjährigen Alkoholabhängigkeit durch hochdosiertes Baclofen erlangte dieser Behandlungsansatz breites Interesse bei Laien und Wissenschaftlern. Die Baclofen-Verordnungen stiegen merklich an. Unkontrollierte Fallberichte liegen bereits seit dem Jahr 2000 vor, die kontrollierten Studien zur Rückfallprophylaxe mit Baclofen ergaben widersprüchliche Ergebnisse. In Form einer Pro-Contra-Debatte sollen die vorhandenen wissenschaftlichen Fakten vermittelt werden und die Chancen, sowie die Risiken dieses medikamentösen Ansatzes zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit diskutiert werden. Die in dem fruchtbaren Streitgespräch zu erörternden Aspekte umfassen unter anderem die Evidenzlage, die pharmakologischen Wirkmechanismen, die Risiken, die Frage der erforderlichen Dosierung/Hochdosisbehandlung, das Abhängigkeitspotenzial von Baclofen, die Gefahr falscher Heilsversprechungen und des Bedienens von süchtigen Konzepten, die Einbettung in ein suchttherapeutisches Gesamtkonzept, die Diskussion in den Medien und unter Betroffenen, alternative Behandlungsmöglichkeiten und die umstrittene Rolle von Oliver Ameisen.

Nicht dass jetzt alle 9000 Besucher in dieses „fruchtbare Streitgespräch“ reingeströmt wären, denn es war nur eines von 619, welche an diesem Kongress stattgefunden haben. Weitere Infos oder gar Medienechos zu dieser Experten-Debatte liegen mir nicht vor.

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pragha
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Re: Baclofen: Pro / Contra Debatte November 2012 in Berlin

Beitragvon pragha » 10. Dezember 2012, 12:23

Hallo DonQuixote,
eigentlich sollte man annehmen, gar nicht so schlecht, dass der Fachverband das Thema Baclofen auf seiner Agenda hat. Tom Bschor, der sich in der Vergangenheit mit Bemerkungen wie:"ein Medikament das nicht abhängig macht, kann auch nicht helfen" hervorgetan hat, und auf der anderen Seite die Charitè in Gestalt von Herrn Müller,der auch in seinem letzten Review-Artikel noch geschrieben hat, dass er vor der unkontrollierten off-label Verschreibung von Baclofen warnt, was soll da rauskommen als ein negatives Resumee? Im Grunde zeigen es auch einige der anzusprechenden Themen wohin es geht: Abhängigkeitspotential von Baclofen, umstrittene Rolle von Oliver Ameisen, das Bedienen süchtiger Konzepte, die Behauptung, dass kontrollierte Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt hätten (meines Wissens gibt es nur die US-Studie mit 30 mg/d und einer mehr als zweifelhafter Auswahl der Probanden mit einem negativen Ergebnis; all dass was aus Frankreich kommt wird ignoriert). Diskriminierung von Baclofen auf einem so wichtigen Kongress als Ziel einer vermeintlich wissenschaftlichen Auseinandersetzung zeigt wo Deutschland im Vergleich zu Frankreich steht.
Ich würde mir wünschen, dass die Charitè einmal über ihre eigene Baclofen - Studie berichtet (erst 2/3 der geplanten 54 Probanden rekrutiert (Stand Oktober 2012),aber da gibt scheinbar nichts außer Bemerkungen von Prof. Heinz (dem Vorgesetzten von Herrn Müller), dass das Ergebnis nicht uneindeutig ist: manche profitieren, manche nicht. Und beim letzten Deutschen Suchtkongress (Okt. 2012) hat Prof. Heinz noch vor der off-label Verschreibung von Baclofen gewarnt, also was ist von der Pro/Contra-Diskussion zu erwarten?
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Re: Baclofen: Pro / Contra Debatte November 2012 in Berlin

Beitragvon DonQuixote » 16. Dezember 2012, 17:08

Hi pragha

pragha hat geschrieben:Ich würde mir wünschen, dass die Charitè einmal über ihre eigene Baclofen - Studie berichtet (erst 2/3 der geplanten 54 Probanden rekrutiert (Stand Oktober 2012))

Erst 2/3 der Patienten rekrutiert? Das ist ja krass wenig, die Studie hat doch schon vor fast zwei Jahren begonnen! Lass mich einfach mal frisch von der Leber weg über die Gründe spekulieren:

  • Die Studienleitung ist selbst nicht wirklich von der Sache überzeugt.
  • Patienten halten sich zurück, schließen sich nicht selbst an, weil sie Angst haben, in die Placebo-Gruppe zu fallen.
  • Bereits mit der Baclofen-Therapie vertraute Ärzte/Therapeuten zögern mit der Überweisung, genau aus den unter Punkt 2. genannten Gründen.
  • Noch nicht mit der Baclofen-Therapie vertraute Ärzte/Therapeuten haben dieselben Vorbehalte, ziehen die Baclofen-Therapie eh in Zweifel, man kann das mit den bisherigen Methoden sowieso besser und mag eine solche Alternative seinen Patienten nicht zumuten.
  • Hab ich was vergessen?
In Frankreich scheint es dieselben Probleme zu geben. „BACLOVILLE“, die Studie die von ausgesprochenen Baclofen-Befürwortern getragen wird, hat nach einem dreiviertel Jahr, trotz Dutzender angeschlossener Suchtzentren, erst eine Rekrutierungsquote von ca. 70 %.

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Re: Baclofen: Pro / Contra Debatte November 2012 in Berlin

Beitragvon pragha » 16. Dezember 2012, 17:38

Hi DonQuixote,
also dass sich Prof. Heintz von der Charitè bisher nicht als Vorreiter der Baclofentherapie dargestellt hat, sondern sich eher distanziert verhält, ist wohl bekannt. Aber in Frankreich ist die Lage in Bezug auf die Probanden auch nicht toll, obwohl die Studienleitung voll hinter der Studie steht. Ist schon klar, wenn du dir was von Baclofen versprichst, willst du nicht deine Zeit mit einem Placebo vertrödeln.
Aber für die Phase III- Studien für Nalmefene hat man ca. 2000 Probanden gefunden scheinbar ohne Probleme und die Studien wurden sehr stringent durchgezogen. Möglicherweise ist der geringe finanzielle Anreiz für die Probanden bei den Baclofenstudien eine Erklärung.
pragha


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