der alkohol, meine dramen und ich

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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maniackrypto
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der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon maniackrypto » 25. Oktober 2012, 19:56

ich habe mir vorher die texte der anderen nicht durchgelesen, deswegen weiß ich nicht, was man hier so schreiben "sollte". ich tippe einfach mal drauf los.
erstmal die grunddaten zu meinem leben: ich bin männlich, gehe auf die vierzig zu (wurde dieses jahr 30), bin „polymorph“ gestört (schönes wort oder?), schwul (auch das noch...), und, welch wunder, süchtig.

Jetzt folgt, der einfachheit halber ein text über meine sucht- und krankheitskarriere, den ich in einer berühmt-berüchtigten berlin entgiftung in berlin schreiben und vortragen musste (etwas ausführlicher aber immer noch extreme kurzfassung):

meinen ersten indirekten kontakt mit alkohol hatte ich bereits als kind in meiner „familie“ , in der meine leibliche „mutter“, mein erzeuger als auch meine großmutter soffen und gewalt, meine verwahrlosung (ich brachte mir mit elf alleine zähneputzen bei) sowie jahrelanger seelischer sowie missbrauch an mir vorherrschten.
Mit 14 jahren fragte ich meinen erzeuger, was er denn von schwulen hält (ich hatte schon so eine vorahnung...) und die antwort war: „schwule sind krank, pervers, abartig und kinderschänder!“. Da ich auf keinen fall ein kinderschänder werden wollte, beschloss ich dünn und klein wie ein kind zu bleiben.
Mit 15 jahren nahm ich deswegen 42 kilo in 7 monaten ab und litt an starken ängsten, woraufhin ich wegen magersucht das erste mal in eine posychosomatische behandlung kam. ich hatte meine erste sucht!
Leider kehrte ich nach dieser kur, die eine der schönsten erinnerungen meiner jugend sind, in diese „familie“ zurück, in der sich nichts geändert hatte. Alle soffen munter weiter.
Mit 16 versteckte ich eine 2 liter Weinbrandflasche vor meiner „mutter“ in meinem zimmer (als ob sie das abgehalten hätte...).
Dort staubte sie friedlich einige monate vor sich hin. Ich entwickelte jedoch in dieser zeit eine schwere depressive symptomatik die zudem gepaart war mit heftigen wutausbrüchen. So trat ich einmal ein loch in die wand meines zimmers. Anfassen und mich beruhigen durfte mich schon lange niemand mehr. Bei berührungen verkrampfte ich mich.
Irgendwann nach der schule, in mir herrschte nur noch tiefe verzweiflung, nahm ich einen schluck aus dieser flasche – und * zack * ich schlief sofort ein. Ich konnte meine probleme in mir und um mich vergessen! Und so einfach!
Mein konsum steigerte sich in den nächsten 5 monaten von ein paar schluck aus dieser flasche hin und wieder nach der schule zu einer dreiviertel flasche „hartem“ 2-3 mal die woche. Die flaschen sammelte ich alle in meinem schrank, da es im ganzen kaff nur einen einzigen glascontainer gab und ich konnte sie ja schlecht im hausmüll entsorgen. Alkohol wurde mein persönliches antidepressivum. Nur nachdem der rausch vorbei war – katzenjammer. Also nachkippen. Der bekannte teufelskreis.
Ich wurde für mehrere monate in die kinder-und jugendpsychiatrie auf die geschlossene eingewiesen, da mein immer desolatrerer zustand auch meinen lehrern nicht entging und sie meine zugedröhnten „eltern“ darauf aufmerksam machten. Dort erster selbstmordversuch. Borderline-diagnose (die spinnen doch!!!).
Nach dem aufenthalt blieb ich noch einige monate trocken, doch entwickelte ich eine bulimie und erste selbstverletzungen begannen. Da war ich mittlerweile 17. irgendwann griff ich wieder zum alk, diesmal jedoch tetra-pack wein (klappert nicht). Wieder 3-4 mal die woche vollräusche. Gleichzeitig begann ich mich zu prostituieren, nicht da ich das geld brauchte. Ich sehnte mich nach nähe, konnte diese aber nur besoffen und bekifft ertragen.
Mit 18 zog ich zu meiner ehemaligen psychiatrielehrerin (für mich wurde sie meine „mom“) und ihrem mann, die mir viel gaben (ich ließ langsam wieder ungefährliche berührungen zu). Was sie so alles mit mir erlebt haben....ist eine eigene „geschichte“.
Trotzdem...es herrschte immer noch chaos in mir und meiner seele.
Mit 19 zog ich in eine eigene wohnung, soff, kiffte, fresskotzte, schnitt....aber ich bin immer noch ganz „normal“ in meinen augen. Kam mehrfach in die klinik, ließ mich jedesmal gegen ärztlich rat entlassen (wie gesagt: „normal“).
dennoch beendete ich mit 21 die 12. klasse. Danach wieder ein loch. Ich floh nach berlin, lebte dort auf der straße, bei drückern, strichern, drogenabhängigen (einmaliger konsum von heroin und koks). Durchgehend besoffen und bekifft. ca. 8 wochen lang. Irgendwann rief meine „mom“ die polizei in berlin an und bat um mithilfe, die dies auch tat und mich als „hilflose, selbstgefährdete person“ suchte. Sie fing mich, als ich barfuß in ein 5 sterne hotel ging und dort nach einem zimmer fragte (schwankend, lallend). Ich kam mal wieder in die klapse. Dort das erste mal entzugserscheinungen (und meinen ersten krampfanfall). Wieder borderline-diagnose, diesmal auch alkoholabhängigkeit. Pfffff...ich doch nicht.
Nach mehreren wochen (monaten?) wurde ich in meine heimat „zurückeskortiert“ (ich frage mich, warum sie mir nicht getraut haben...) . Ich zog nach berlin, begann eine schauspielausbildung – aber meine probleme nahm ich mit, deswegen schaffte ich die ausbildung nicht. Ich pendelte jahre zwischen krankenhaus und – je nachdem wo ich lebte (eigene wohnung, obdachlosenheim, notunterkunft) hin und her. Alles wurde extremer: mein suff (bis zu 5 promille), schnitte am brustkorb und im gesicht, bulimisache attacken bis zu 12 mal am tag.

Der suff ist bei mir das gefährlichste. Einmal (einmal!) schaffte ich es durch eine lange therapie und danach betreutes wohnen für 13 monate. Doch unerwartete und unerwiderte liebe brachte mich zum straucheln – und die abwärtsspirale begann von neuem. Ich weiß, ich bin süchtig. Aber ich weiß, ich kann abstinent leben. Durch einen arzt, dem ich einfach die wahrheit gesagt habe („ich will nicht an meiner sdauferei verrecken! Ich nehme schon baclofen und ich will dass sie mich kontrollieren und es mir weiter verschreiben!“) komme ich nun auch ohne internet an die tabletten.
Bin jetzt bei einer dosis von 3 x 12,5. bisher komnme ich gut damit zurecht. So, soviel zu mir

ich hoffe ich habe hier nicht den rahmen gesprengt (?)

liebe grüße

maniac krypto

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Papfl
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Re: der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon Papfl » 25. Oktober 2012, 21:14

Hallo maniackrypto!

Boah...musste nach Deinen Zeilen erstmal kräftig durchatmen. Auch, weil sie einmal mehr belegen, wie man in diesem Land auf der Suche nach (psychologischer) Hilfe buchstäblich "durchgereicht" und nach den sog. therapeutischen "Maßnahmen" wieder alleine gelassen werden kann.

Immerhin ein paar "Lichtblicke" scheint es ja dennoch gegeben zu haben (z. B. Deine "mom" [smile] ). Hast Du noch Kontakt zu ihr?

Es ist echt beeindruckend, dass Du mit Deiner Vita so reflektiert und immernoch kämpferisch rüberkommst. Und den Mut und die Motivation hast, nach wie vor etwas zu ändern. Hut ab!

Und einen ersten Erfolg hast Du ja bereits erzielt:

maniackrypto hat geschrieben:Durch einen arzt, dem ich einfach die wahrheit gesagt habe...komme ich nun auch ohne internet an die tabletten.


Geht doch [good]. Mit Deiner aktuellen Dosierung (3 x 12,5 mg) scheinst Du auch zurecht zu kommen. Für einen Start wäre es m. E. etwas heftig, aber Du hattest ja geschrieben, dass Du bereits vor Deinem ersten Beitrag hier im Forum mit der Einnahme begonnen hast. Insofern ist es - denke ich - okay. Wenn Du weiter hochdosieren möchtest (musst), weil sich die erhofften Effekte (noch) nicht eingestellt haben, gehe das bitte langsam an. Aber das weißt Du ja selbst...

DonQuixote hat geschrieben:...solltest Du Baclofen ohnehin nur unter ärztlicher Aufsicht einnehmen. Insbesondere auch bei einer Borderline-Störung ist das notwendig, da es hier zusammen mit Baclofen manchmal zu wirklich üblen Nebenwirkungen, bis hin zu schweren Verwirrungszuständen kommen kann. Ich sagte MANCHMAL, nichts spricht dagegen, es mit Baclofen zu versuchen.


Inwiefern das ein Thema ist, kannst Du selbst bzw. könnt Ihr (Dein Arzt und Du) wahrscheinlich am besten beurteilen.

Vielleicht noch kurz zum Thema Psychotherapie (ich habe da auch ein paar hinter mir [hi_bye] ): Nicht alles, was man da lernt, ist per se schlecht. Und klar: Es ist auch durchaus möglich, nach solchen Aufenthalten abstinent zu bleiben. Aber oft gleicht diese Abstinenz einer "Tortur" (Ameisen, 2009). Weil es eben nicht so einfach ist, das Leben außerhalb der "Käseglocke" und ohne "Stoff" (wieder) zu genießen. Irgendwie macht nichts mehr so richtig Sinn.

Man hat Zeit. Man wartet...aber auf was eigentlich? Vielleicht auf glückliche Momente...die ja laut Therapeut schon irgendwann wieder kommen...man muss halt was dafür tun...und gerade das ist eben so unendlich schwer, wenn die Gedanken nach wie vor nur um das eine kreisen...den Stoff...das vermeintliche Glück...das doch durch die Pulle so viel einfacher zu haben ist! Stichwort: "Craving".

Wenn Dir solche Gedanken nicht fremd sind, dann kennst Du den Kampf. Und Du weißt, wie viel Kraft der kostet. Das ist nicht das versprochene "glücklichere Leben ohne Alkohol", das ist das verdammte "anstrengende" Leben des "ständigen Widerstehens". Bis zum Rückfall. Je länger Du den hinauszögern kannst, desto größer fällt die Anerkennung Deiner Umwelt aus ("Jetzt hast Du es doch schon ein halbes Jahr geschafft...das nächste Mal packst Du's ganz!"). Und Du könntest Deinem Gegenüber ins Gesicht springen, weil er/sie keine Ahnung hat, was das für Dich bedeutet...

Die Tipps aus der Therapie (neue Freunde kennenlernen, neue Hobbies entdecken, Sport treiben, Perspektiven suchen...) sind ja allesamt nicht schlecht, aber völlig fehl am Platz bei jemandem, der seine komplette Kraft auf den oben beschriebenen Kampf ("Craving") aufwenden muss.

Hier kann Baclofen Abhilfe schaffen, weil es Dein "Kopfkino" positiv beeinflusst. Es schafft sozusagen erst die Voraussetzungen dafür, dass Du offen und fähig bist, das in der Therapie Gelernte überhaupt umzusetzen und anzuwenden. Weil die Ressourcen, die Du bislang für den Kampf gegen "Craving" aufwenden musstest, frei werden für all die anderen Dinge, die das Leben "lebenswert" machen.

Unter diesem Gesichtspunkt macht auch DonQuixotes Aussage Sinn:

DonQuixote hat geschrieben:Gegen eine Baclofen begleitende Psychotherapie spricht gar nichts...


Im Gegenteil: Es wäre die erste Psychotherapie mit der Aussicht auf wirklichen, langfristigen Erfolg.

Du bist auf einem guten Weg! Weiter so!

Beste Grüße
Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon Argentina1 » 26. Oktober 2012, 03:31

Hallo Mania und Papfl,
Es gibt Momente hier im Forum wo mir fast die Tränen kommen und jetzt war gerade einer! Ich fasse mich auch kurz. Mania, was du da schreibst löst bei mir eine Gänsehaus aus, weil ich nicht manchmal nicht weiß wie sehr ein Mensch erst um Hilfe schreien muss um sie zu bekommen - und sie dennoch nicht bekommt? Es tut mir aufrichtig leid was die widerfahren ist und ich hoffe das wenigstens wir dir hier im Forum nun helfen können die Sucht zu besiegen.

@ Papfl, das war mit Abstand eine der "schönsten" Antworten die ich jeh gelesen habe!!! Ich glaube in deiner Antwort können sich viele widererkenne und ich danke dir für deine Worte.

Lg, Argentina

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Re: der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon Susann » 26. Oktober 2012, 08:22

Hallo Maniac.

Genau wie bei Argentina, hat mich die Geschichte Deines bisherigen Lebens mehr als berührt.

Es heißt, man bekäme nie mehr aufgeladen, als man bewältigen kann... und bisher konnte ich das für mich bestätigen. Selbst an dem Punkt, wo ich lieber "tot" als lebendig gewesen wäre, also während meiner extremen Sucht nach Alkohol, reichte die Kraft aus, um wieder aufzustehen.

Aber Deine Vergangenheit, dass was Du in den letzten Jahren seit Deiner Jugend erleben musstest, ist für mich kaum vorstellbar und ich wäre wahrscheinlich nicht wieder aufgestanden, soviel Kraft hätte ich nicht gehabt.

Aber DU BIST WIEDER AUFGESTANDEN und versuchst jetzt von der Sucht loszukommen und dafür verdienst du meinen größten Respekt und meine Bewunderung.

Wir hier im Forum haben immer ein offenes Ohr und die "alten" Hasen, die erfahrenen Leute hier, die schon eine längere Zeit Bac nehmen oder genommen haben, können Dir sicherlich mit vielen guten Ratschlägen beiseite stehen. Papfl hat ja schon das wichtigste gesagt.

Ich drücke Dir ganz ganz fest die Daumen, dass Du es mit Hilfe von Bac schaffst, es gibt hier viele gute Erfolgsberichte zu lesen. [biggrin]

LG Susann
Jeder Krise kann man nur mit absoluter Ehrlichkeit entgegentreten!

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Re: der alkohol, meine dramen und ich: DIE ERSTE WOCHE

Beitragvon maniackrypto » 27. Oktober 2012, 11:51

hallo ihr, die es tatsächlich geschafft habt, sich durch meinen wohl etwas zu langen text zu kämpfen!

erstmal vielen lieben dank für die unterstützung durch eure antworten.

erstmal ein paar kurze worte zu meiner "ersten woche mit baclofen". ich war natürlich skeptisch. eine pille gegen sucht?!? jedoch bin ich das erste mal seit monaten ohne einen klinikaufenthalt eine woche trocken geblieben. ob das nun an baclofen liegt, oder ob ich mir wünsche, es WÄRE das baclofen, oder ob ich einfach von mir aus clean und trocken geblieben bin...ist mir ehrlich gesagt erstmal egal.
ICH BIN EINE WOCHE TROCKEN!

meine dosis beträgt momentan 12,5 x 12,5 x 25mg. nebenwirkungen hatte ich bis auf anfangs eine dezente müdigkeit nicht. aber ich bin ja diverse pillen gewöhnt. diese nehme ich auch weiterhin. ohne mein antidepressivum (höchstdosis) liege ich nur im bett und habe keinerlei antrieb (oft nicht mal zum saufen!), wenn ich mich überhaupt irgendwo hin bewege dann schleichend und wie ein schatten (wie darkwing duck (he, ich bin noch nicht erwachsen, ich darf das schauen!) sagt: ich bin der schatten, der die nacht durchflattert...."). und ohne mein neuroleptikum kann ich nicht schlafen und habe zudem alpträume. momentan möchte ich auf beides noch nicht verzichten.

ich schaffe es endlich mal kontinuirlich zur arbeit zu gehen (bin praktikant in einem sozial-pflegerischen beruf und dieses praktikum gibt mir, neben tagesstruktur, auch emotional sehr viel).

leider habe ich weiterhin bulimische attacken, die sich jedoch auf den abend begrenzen und meistens nur einmalig sind. angeblich soll baclofen ja auch dagegen helfen, aber ich bin schon zufrieden damit, wenn ich nicht mehr nur über der kloschüssel hänge. wobei gesagt werden muss, dass eine fressattacke zu finanzieren wesentlich teurer ist als sich den suff zu finanzieren. die langzeitfolgen sind am ende auch tödlich. aber ich übe mich in geduld...

darüber hinaus ist meine vergangenheit seit längerem schon wieder präsent, was wohl an den umständen der letzten monate liegen mag, die mehr als stressig und belastend waren und somit mein "schutzschild" etwas in sich zusammengesackt ist.
ich meine, aus der betreuten wg rauszufliegen, die ich als mein zuhause angesehen habe, dann wieder in ein obdachlosenheim zu gehen; die ständige konfrontation mit meinem ex-mitbewohner, in den ich verliebt zu sein scheine, er sich jedoch für sex mit einem anderen entschieden hat, was mir das herz zerissen hat; sich dann wieder aus der obdachlosigkeit in eine eigene wohnung zu kämpfen und das alleinsein auf die reihe zu kriegen (was ich bis heute noch nicht ganz verkrafte) und gleichzeitig meine (wohl eher dysfunktionale (herrliches wort aus einer therapie!)) entscheidung, mich von meinen paar übriggebliebenen freunden zu distanzieren, da ich trotz antidepressivum doch depressiv bin.... alles etwas viel.
deswegen kann ich meine vergangenheit momentan wohl schlecht von mir wegschieben. wie samuel beckett schon sagt: "erinnerungen sind tödlich". ich hoffe, ich kann mein schild wieder aufbauen. bis ich irgendwann lerne, mit dieser meiner geschichte umzugehen (bei der nächsten therapie? :roll: )

dennoch... ich bin eine woche trocken.

so nun die direkte ansprache an:

@ papfl:
Papfl hat geschrieben:oft gleicht diese Abstinenz einer "Tortur" (Ameisen, 2009). Weil es eben nicht so einfach ist, das Leben außerhalb der "Käseglocke" und ohne "Stoff" (wieder) zu genießen. Irgendwie macht nichts mehr so richtig Sinn.


ich muss sagen, nach meinen 13 monaten abstinenz war es keine tortur mehr, nicht zu konsumieren. das verlangen nach dem stoff wurde irgendwann weniger. dennoch war ich nicht "geheilt".
aber ich erinnere mich an eine situation, ich war an einem verkaufsoffenen sonntag einkaufen (ich brauchte dragierte erdnüsse....) und jeder einkäufer hat aus mir unerfindlichen gründen kostenlos eine flasche wein angeboten bekommen. ich habe ohne zu zögern abgelehnt, jedoch war ich im nachhinein am überlegen, wenn ich jetzt noch viermal in den laden ginge und mir viermal kaugimmis an verschiedenen kassen kaufen würde, hätte ich vier flaschen wein umsonst... verrückt, ich weiß, aber das ist die sucht nunmal.

ich habe weiterhin kontakt zu meiner ehemaligen "mom", wenn er auch teilweise sehr anstrengend und belastend ist. aber das ist der kontakt mit mir immer. ich bezeichne sie nicht mehr als mom, da dies eine idealisierung ihrer person ist (ich habe sie früher als engel gesehen) und bei einer idealisierung kommt es unwiderruflich irgendwann auch zu einer abwertung. die beiden extreme hat sie lange genug mitgemacht. und ich auch. sie ist jetzt eine gute freundin für mich und wir telefoinieren regelmäßig.


@ argentina:
es muss dir nicht "leid" tun, was mir widerfahren ist. es ist meine geschichte, sie hat mich im positiven als auch im negativen geprägt und ohne sie wäre ich wohl ein wesentlich oberflächlicherer mensch geworden. und das fände ich furchtbar!

@ susann:
Susann hat geschrieben:Aber Deine Vergangenheit, dass was Du in den letzten Jahren seit Deiner Jugend erleben musstest, ist für mich kaum vorstellbar und ich wäre wahrscheinlich nicht wieder aufgestanden, soviel Kraft hätte ich nicht gehabt.


ja, ich bin nach jeder fall wieder aufgestanden, mal schneller, mal brauchte ich mehr zeit und oft genug wäre ich einfach gerne liegengeblieben. ich bin ein stehaufmännchen. es wäre nur mal wieder schön, für längere zeit zu STEHEN, ohne zu fallen. aber das übe ich. jeden tag auf´s neue. [smile]

so, dass erstmal für jetzt. verdammt, schon wieder so viel geschrieben!
naja, jedenfalls werde ich euch auf dem laufenden halten, wie mein weiterer weg mit baclofen aussieht. wohl unter erfahrungsberichte.

schnuffigste grüße

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Re: der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon Rettungsflugsaurier » 28. Oktober 2012, 19:50

Hallo Krypto [hi_bye]

auch von mir ein herzliches wilkommen. Muste auch erst mal schlucken, nachdem ich deinen Bericht gelesen habe...
Mach dir bitte keine Gedanken wegen der Länge deiner Texte. jeder so, wie er (Sie) es möchte. Manchmal könnte ich auch ganze Romane schreiben (einige hier können das bestätigen [whistle] ) und dann ist mir wieder danach, mich etwas zurückzuziehen...
Nicht vergessen - Ameisen hat für seine Geschichte schlappe 320 Seiten gebraucht. Von Jack London, Hemingway und Bukowsky fang ich besser gar nicht an... Da ist also noch reichlich Luft nach oben
[biggrin]
Mal angenommen, ich nehme mir vor, heute gar nichts zu tun -
und ich schaffe das auch.
Hab ich dann was erreicht, oder nicht ?

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DonQuixote
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Re: der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon DonQuixote » 29. Oktober 2012, 13:19

Hallo Many

Ich habe lange mit einer Antwort und einem Willkommensgruß gezögert. Eine Antwort hatte ich längst verfasst aber nicht abgeschickt. Der Text gammelt seither auf meinen Zwischennotizen rum. Egal: Ich schick‘s jetzt ab, unverändert, dafür in Quote gesetzt:

DonQuixote hat geschrieben:Hallo Many

Wow, brutaler Lebenslauf den Du da schilderst, im wahrsten Sinne des Wortes. Papfl hat eigentlich schon alles gesagt, ich fasse nur noch zusammen:

Baclofen heilt NICHTS, keine Neurose, keinen Weltschmerz, nicht Arbeitslosigkeit, Beziehungs- oder Schlafprobleme etc. etc. ABER: Baclofen verringert sehr effizient den Suchtdruck (Craving) von Suchtstoffen, und dort insbesondere, aber nicht nur, von Alkohol. Und das hilft enorm. Man kann sich nämlich jetzt um die anderen Baustellen kümmern, ohne ständig zugedröhnt zu sein. Nur so ist man als Patient, oder als Person für sich selbst, „erreichbar“.

Lieber Many. Dein Weg wird noch lang und steinig sein.

Das war’s was ich schreiben wollte.

DonQuixote

P.S. Nein, Deine Beiträge sind nicht zu lang!

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doch nochmal eine message hier

Beitragvon maniackrypto » 29. Oktober 2012, 23:19

ich weiß und wusste von anfang an, dass baclofen kein allheilmittel ist. und meine anderen.... "probleme" beeinflußen meinen konsum auch ohne craving, so wie mein konsum meine anderen probleme beeinflußt. es ist zum durchdrehen.

ich habe heute konsumiert, bewusst und nicht weil ich konsumieren wollte (auch wenn mir das wohl keiner glaubt), sondern weil ich mich in einem extremen gefühlszustand, den ich nicht mehr ausgehalten habe (seelischer schmerz...ach egal), wiedergefunden habe. erst wollte ich mich wieder verbrennen, obwohl meine verbrennung 2. grades jetzt schon seit 6 wochen behandelt wird und somit immer noch präsent ist. ich habe mich dann für´s trinken "entschieden". ich habe mich nicht vollständig "weggekickt", einfach nur so viel, um den schmerz weniger oder nebulöser zu fühlen.

ich habe das vorher nicht erwähnt, aber ich habe einen aufnahmetermin für eine therapie, die ich bereits dreimal gemacht habe, einmal erfolgreich (2006 hab ich abgebrochen (ich war noch nicht so weit), 2007 bin ich geflogen (hab heimlich abführmittel konsumiert, hatte ungeschützten sex und hab gekifft...). 2009 hab ich die therapie geschafft, leider habe ich seitdem vieles vergessen (umgang mit gefühlen? was ist das...). die therapie nennt sich DBT-S (dialektisch behaviorale therapie mit sucht) und ist speziell für menschen mit einer borderline diagnose. keine ahnung, ob ich sie nochmal machen sollte.
ich schäme mich auf der einen seite, es trotz guter vorsätze, trotz dem (eventuell wirksamen) baclofen nicht geschafft zu haben. aber ich werde mich nicht dafür rechtfertigen oder verurteilen. weil dann ende ich gleich wieder in der suizidalität. und ich bin dem tod schon oft genug von der schippe gesprungen, diesmal lass ich ihn nicht zu nah an mich ran.

ihr könnt mich jetzt niedermachen oder kritisieren oder was auch immer ihr wollt. ich will hier nur ehrlich sein. baclofen mag gegen craving helfen, aber es schützt einen nicht vor einem rückfall.

gruß

maniac krypto


HERZSCHLAG
zerfleischt und zerfetzt
bist du
fühlendes herz.
zerissen hat man dich.
doch weiter
pumpst du
schmerz um schmerz
in unsere
noch atmenden leiber.
ein jeder,
der dir nahe war,
ein jeder,
der dich berührte,
jeder,
den du bedingungslos liebtest,
hat dir das angetan.
fühlendes herz,
zerfleischt und zerfetzt,
lass das schlagen sein.

- m-k

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Re: doch nochmal eine message hier

Beitragvon Argentina1 » 30. Oktober 2012, 01:44

maniackrypto hat geschrieben:
ihr könnt mich jetzt niedermachen oder kritisieren oder was auch immer ihr wollt. ich will hier nur ehrlich sein. baclofen mag gegen craving helfen, aber es schützt einen nicht vor einem rückfall.

Hola Maniackrypto! (Geschafft den Namen zu schreiben!! [smile] )

Hier wird dich NIEMAND niedermachen oder kritisieren, das schlag dir sofort aus dem Kopf!!!!!!!!! Im Gegenteil, wir werden oft als ein zu liberales Forum kritisiert, aber genau das macht das Forum so "lebens und liebenswert", weil hier JEDER schreiben kann wie es ihm geht und welche Fortschritte oder nicht, man mit Bac macht.

Bac hilft 100% NICHT vor einem Rückfall, das wird immer wieder falsch interpretiert, ala: Ich nehme Bac und Alk wird mir egal...lange nicht, dazu wirst du im Zweifelsfall noch 1000 Rückfälle habe, aber du wirst es erreichen, da stimme ich mit Don Q und seinen Ansätzen überein.

Wieso wolltest du dich verbrennen???? Frage nur rein aus Neugier und weil ich so etwas wahrscheinlich noch nie gehört habe...

Lg Argentina

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Re: der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon maniackrypto » 30. Oktober 2012, 02:46

hallo argentina,

ich bin es einfach mittlerweile so gewohnt, dass man mich kritisiert und niedermacht... in meiner (ehemaligen) selbsthilfegruppe (eine dialoggruppe) bekam ich zu hören: "wir wissen auch nicht mehr weiter. bei dir ist hopfen und malz verloren" .
*bamf*. das hatte gesessen....

ich wollte durch den körperlichen schmerz den rest verdrängen. es werde durch selbstverletzungen körpereigene morphine ausgeschüttet... die betäuben. und das wollte ich. körperlicher schmerz = seelische erleichterung.

ich seh eh schon aus wie frankenstein.... mein ganzer körper ist voller narbe, hab mir meinen ganzen körper zerschnitten und verbrannt. dachte dadurch würde ich die erinnerungen auslöschen können, wie SIE mich berührt hat. mich küssen wollte.... nein...diese erinnerungen kann ich nicht auslöschen. ja, auch frauen können täter sein... sind sogar 20% aller missbräuche... scheiße, ich hab doch mein limit überschritten... werde wieder überflutet von erinnerungen....

am ende steht man immer allein

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Susann
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Re: der alkohol, meine dramen und ich

Beitragvon Susann » 30. Oktober 2012, 08:54

Dein Schicksal berührt mich immer mehr und eigentlich gibt es dafür keine tröstenden und aufbauenden Worte. Auch Schmerz, Leid und Angst können wir Dir hier nicht nehmen, aber wir können für Dich da sein, indem wir zuhören. Bleib jetzt nicht stehen, sondern geh wieder weiter.

Und schreib Dir ruhig alles von der Seele, wenn das helfen sollte. Hab Dir eine PN geschrieben.

LG Susann
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