Erfahrungsberichte WilloTse

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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WilloTse
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Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 30. Januar 2012, 10:04

Ich setzte dann die schöne und wichtige Tradition des "Tagebuches" fort. Damit die Zusammenhänge auch zusammen bleiben, kopiere ich hier erstmal das Wichtigste aus meiner "Vorstellung" 'rein:

Seit März 2010 nehme ich Baclofen gegen Alkoholsucht. Ich habe seit meinem 15. Lj. getrunken, war immer "Wirkungstrinker". Genuss ist ein guter Tee. Alk trinke ich, wenn ich den Rausch suche. Jetzt bin ich 44 Jahre alt und weiß immer noch nicht, was an einem teuren Wein eigentlich schmeckt. Hauptsache, er "dreht".

Ich habe Baclofen langsam aufdosiert, bis auf 25 mg/d. Dann hatte ich einen Punkt erreicht, der sich unglaublich gut anfühlte.

Kein Alk, keine Mühe. Thema durch. "Ich bin geheilt".

Nach knapp drei Monaten: Rückfall. Ich konnte ihn sanft ausbremsen, habe es als "Lehre" verbucht. Von dort an MT ("moderates Trinken": Alkohol ja, aber in geringem Rahmen und gut kontrolliert).

Etwa ein halbes Jahr später begann ich eine Aversion gegen die lebenslange Medikation mit Baclofen aufzubauen. Ich nahm ein Medikament, dass massiv ins "Betriebssystem" eingreift, um ein anderes Mittel, das genau das Gleiche tut, moderat - gesellschaftskonform - auch zu mir nehmen zu können.

Schwachsinn, oder?

Ich bin dann aus einer Laune heraus auf homöopathisches Baclofen umgestiegen. Homeda C30.

Nun ist C30 nach homöopathischem Verständnis eine sehr mächtige Potenzierung, als Einmalgabe gedacht.

Ich hab's trotzdem drei Monate lang täglich geschluckt und fühlte mich prima dabei. Irgendwie innerlich "sauber". Dann kam ein Mördermonstertrigger. Ich musste mich der Tatsache stellen, dass ich als Zehnjähriger einem sexuellen Missbrauch durch meinen Schulbusfahrer nur knapp entgehen konnte. Ich sehe noch heute meine Flucht.

Ihr könnt Euch denken, was folgte. Prost.

Ich bin sofort wieder auf "normales" Baclofen eingeschwenkt, habe weiter getrunken. Ich habe aufdosiert und weiter getrunken. Ich habe bis 75 mg/d aufdosiert, fühlte mich völlig dissoziiert (im negativen Sinne: ich stand komplett "neben mir") und: habe weiter getrunken. Ich hatte irgendwann eine völlige Gleichgültigkeit dem Alkohol gegenüber ereicht. Es war mir völlig gleichgültig geworden, wie viel ich trank. War ich tatsächlich nur zu blöd, Baclofen "richtig" zu nehmen?
Im Rahmen einer Operation im September 2011 habe ich Baclofen komplett abgesetzt.

Ich nehme es seither nur noch als "Notfallpille", wenn die Sauflust kommt (6,25 mg, Einmalgabe). Das funktioniert im Prinzip gut, wenn ich es denn nehmen WILL.

Wenn ich trinken will, nehme ich es gar nicht erst.

Seit Beginn meines Baclofen - Weges habe ich intensiv an mir gearbeitet. Warum trinke ich, wann trinke ich, welche Alternativen habe ich? Was an mir liebe ich so wenig, dass ich bereit bin, mich selbst zu zerstören?

Ich bin mittlerweile vorangekommen. Ich habe mich beruflich entschleunigt.
Ich habe meine Lebensziele umgesteckt. Tausche "Erfolg" gegen "Ruhe".

Ich finde wieder Freude an Kleinem, rege mich aber über Kleines nicht mehr auf. Das alles war Arbeit (und ist es noch). Es hilft aber ungemein. Ich meditiere, suche immer meine Mitte, die Intuition, die Ruhe. In neun von zehn Fällen klappt das. Im zehnten Falle: Prost. Ohne schlechtes Gewissen.

Weiter bin ich nicht, so weit bin ich.

LG Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 30. Januar 2012, 10:11

So, und nu weiter im Text:

Letzte Woche habe ich mich einem Rückfallwillen gegenüber gesehen (ja, WILLEN!, in voller Härte), der sich gewaschen hatte.

DA war nix mehr von "ein bisschen Spaß muss sein!" Ich wollte mich versenken. So hart und so schnell wie möglich.

Da es ziemlich spät abends war, habe ich das nicht mehr geschafft. Nach ein paar Litern Bier (so etwa drei, also für mich eigentlich keine echte Ansage) bin ich ins Bett gegangen.

Was jetzt folgt, ist eine Mail, die ich heute Morgen an Conny schrieb, ich kopier's hier einfach mal 'rein:

"Ja, alles wieder im Lot. Kumulierte Fehlinterpretationen, würde ich mal sagen. Seit Wochen hätte ich "Gründe" gehabt, hab' aber nicht weil... Willo 2.0 mir im Wege stand (Anm.: intern mit Conny meine Bezeichnung für ein grundsätzlich verbessertes Lebenskonzept;-)). Der Anspruch absoluter Abstinenz den Nachteil der ohnehin unerreichbaren "Absolutheit" in sich trägt. Aufgestauter Ärger und Frust einfach ein Ventil suchte und fand. Der Winter mit seinen permanenten Erkältungen (kleine Kinder sind wahre Bazillen - Mutterschiffe) den ganzen Kerl ausgehöhlt hatten, dazu das immer noch nicht einwandfrei funktionierende Knie nervt (lt. Physiotherapeutin kann ich mit zwei Jahren rechnen, bis das alles wieder funktioniert!!!).

Ich werde stärker auf die ersten Anzeichen achten: ich komme morgens nicht in die Meditation, die Versenkung haut einfach nicht hin. Dann, statt das gelassen hinzunehmen und es morgen, oder auch später am Tag, nochmal zu probieren, bin ich schon um 6:00 Uhr angepisst, weil die Drecksscheißmeditation auch nicht, verdammte Hacke...usw. Die Authentizität wird dem vermeintlich wichtigeren "Alltag" (oder meinetwegen der Persona, oder der Diplomatie) geopfert, die kognitive Dissonanz wird immer lauter - und päng.

DAS wäre der Augenblick, ein Notprogramm abzuspulen: Affenhirn geht nicht aus? Bass spielen! Keinen Bock, keinen Aufraff? Rausgehen, radfahren. Geh' an die Sonne, beweg' Dich! Auch nicht? Echt nicht?? Dann friss' halt ein Bac.

Ich hab' mich besoffen und wie ein Oberarsch aufgeführt. Dann war klar: heute kommt der Totalabschuss. Daraufhin habe ich - ich WOLLTE einfach nicht - Bac reingehauen. 6 - 6 - 0, am Mittwoch 6 - 12 - 6, am Donnerstag 12 - 6 - 0, seit Freitag wieder ohne.

Alles wieder im Lot, mir geht es gut. Kein weiterer Alkohol, kein Druck, ich bin gut 'drauf. Meditation geht in Sekundenschnelle in die Tiefe, ich geh' morgens um 6:00 Uhr - nach der Meditation - 'ne halbe Stunde spazieren, alles bestens.

Am Mittwoch war ich wegen der relativ krassen Dosissteigerung ganz schön verpeilt, das war es mir in dem Moment aber wert. Ansonsten: keine nennenswerten NW.

Fazit: Notfallpille und innere Gegenmaßnahmen reichen mir, ich hätte sie nur etwas früher ansetzen sollen.

Und diese Erkenntnis war auch ein paar Liter Bier wert, oder?"

Ja, das also dazu.

Es gab den eigentlich vorhersehbaren Totalabschuss am Dienstag nicht mehr. Ich habe die Bac - Notbremse gezogen, und es hat wie erhofft und erwartet funktioniert.
Ich bleibe also bei meinem Notfall - Pillen - Konzept. Das war der erste echte Härtetest.

LG

Willo
Zuletzt geändert von WilloTse am 28. März 2013, 07:09, insgesamt 2-mal geändert.

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WarzoEcht » 30. Januar 2012, 11:12

Gelöscht wegen Zwangsouting.
Zuletzt geändert von WarzoEcht am 24. März 2013, 22:29, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon dphn » 30. Januar 2012, 11:18

danke für deinen Bericht, Willo. Er zeigt, das Bac auch hilfreich ist "um Schlimmeres zu verhindern". Als ich noch getrunken habe war es auch so, dass wenn es mir gelang erst spät anzufangen, dass dann hin und wieder die Müdigkeit den SD ablöste und nicht so viel passierte. Es konnte aber auch sein, dass ich mich bis morgens um 4 völlig zuknallte. Steuern konnte ich das nicht wirklich.
Was ich nach 3 Tagen Bac absolut nicht sagen kann ist, dass ich irgendwie "verpeilt" bin. 2 x 6,25 Fr und Sa. und 2 x 12,5 So. Ich war ziemlich gelassen, habe mich soweit fit gefühlt. Schlafen ging völlig problemlos. War auch nicht sonderlich müde tagsüber. Bislang alles im grünen Bereich. Heute noch kein Bac, da morgens Venlafaxin.

warzoecht hat geschrieben:BAC nach einem Rückfall stärker zu dosieren (bei mir zur Zeit 12,5 - 25 - 12,5), um wieder runterzukommen; dabei komplette Abstinenz (meine derzeitige Lösung).


Hi warzo,
wie kommst du denn nach nem Rückfall klar? Wie erlebst du die Entzugserscheinungen mit Bac?

LG
Dirk
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WarzoEcht » 30. Januar 2012, 12:14

Gelöscht wegen Zwangsouting.
Zuletzt geändert von WarzoEcht am 24. März 2013, 22:28, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon dphn » 30. Januar 2012, 12:32

Hi warzo,

ich bin nur deshalb zu der Annahme gekommen, weil ich hier im Forum schonmal irgendwas mit mehr Bac, weniger Entzugssymptome gelesen habe, frag mich jetzt aber nicht wo. Die bewährten Methoden sind mir natürlich auch nicht fremd.

LG
Dirk
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 30. Januar 2012, 21:22

Lieber Willo,

wie Du weißt, bin ich ein vielseitig interessiertes Wesen, dem nichts Menschliches fremd ist. Ich stöbere daher auch ab und an auf den Abstinenzseiten herum, die in ihrer Rigorosität sowohl faszinierend als auch erschütternd sind. Kein Scherz. Ich versuche dabei, hinter die Denkweise zu kommen, die jegliche Regung von Wünschen und Wollen, die iirgendwie mit Alkohol verbunden ist, so resolut in den Boden stampft.

Du hast Freunde, die nach einem Kneipenbesuch vor der Tür stehen? Wirf sie raus.
Du arbeitest in der Gastronomie (seit 35 Jahren und bist 55 Jahre)- nasses Denken, nicht den Job zu canceln.
Du liebst Deinen alkoholabhängigen Freund, mit dem Du seit 15 Jahren zusammen bist? Ab in die Co-Gruppe und weg mit ihm.

Es wird niemand gezwungen, solche Foren zu frequentieren, also: so what. Manchen hift das. Gut so.
Stelle ich es "unserem" Umgang mit "menschlicher Schwäche" gegenüber, wird mir ganz mulmig. Mir geht es hier nicht um Ideologiestreitigkeiten, jeder, wie er / sie will.

Wogegen ich vehement sprechen möchte, ist aber die Setzung, dass man mit Gewalt die Krankheit - das Böse in sich selbst- ausrotten sollte - in welcher Form auch immer. Sprache entlarvt.

Vielleicht steckt in jedem Schluck auch ein bisschen Hoffnung, ein Traum, ein Wunsch. Und den sollte man nicht mit dem Bade ausschütten.
Es wird soviel Zeit darauf verwendet, wieder sozial kompatibel, verwertbar, berechenbar zu sein, mir kommt es komisch vor, dass ein seelischer Prozess durch Suchttherapeuthen, Medikamente incl. Bac., Außenwelt reglemetiert zu werden versucht wird, als müsste man nur den Schalter umlegen, damit alles wieder normal ist oder scheint.

Ich glaube nicht, dass das unserer menschlichen Natur entspricht.
Ich glaube, dass wir viel mehr Zeit brauchen, um das Innen und Außen abzugleichen. GGG 2.0 sozusagen.

Liebe Grüße,
Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 30. Januar 2012, 21:44

eigentlich war dies ein Zufallsfund, den ich Willo zukommen lassen wollte,
aber weil es kein Geschenk im eigentlichen Sinne ist, sondern mehr ein Statement, kann vielleicht der eine oder die andere auch was damit anfangen.
Andreas Altmann. Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend.

http://www.amazon.de/Schei%C3%9Fleben-m ... 834&sr=8-1


Ok, Goethe hätte es anders formuliert. Da heißt es das Leiden des jungen Werther.

"Eine Kindheit der Nachkriegszeit im idyllischen Wallfahrtsort Altötting. Doch die Geschichte, die Andreas Altmann erzählt, handelt weder von Gnade noch von Wundern, sondern von brutaler Gewalt und Schrecken ohne Ende. Schonungslos blickt Altmann zurück: auf einen Vater, der als psychisches Wrack aus dem Krieg kommt und den Sohn bis zur Bewusstlosigkeit prügelt, auf eine Mutter, die zu schwach ist, um den Sohn zu schützen, und auf ein Kind, das um sein Überleben kämpft. Erst als Jugendlichem gelingt Altmann die Flucht. Die schreckliche Erfahrung aber kann ihn nicht brechen. Sie wird vielmehr der Schlüssel für ein Leben jenseits des Opferstatus."

LG Conny
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 30. Januar 2012, 22:04

...mich hat daran beschäftigt, dass das Gefühl "irgendwie falsch zu sein" nie greifbar wurde. Alles war falsch, aber niemand hat mir Gewalt angetan, mich vergewaltigt, kein prügelnder Vater, keine Monster in Sicht. Und doch und doch, immer das Gefühl im falschen Film zu sein, nie in der eigenen Haut.
Der alkoholische Zusammenbruch war folgerichtig, aber ich habe es nie wirklich verstanden. Ich war schon viel früher absent, kaputt, unbewusst.
Und nun versuche ich zu verstehen und mir mein Recht auf Unversehrtheit zurückzuerobern.
So ist das alles gekommen.

Conny
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon dphn » 30. Januar 2012, 22:19

@conny

dein Eintrag hier über die Abstinenzseiten hat mich jetzt bewogen, da mal was zu zu schreiben. Meine ehrliche Meinung zu den dort angepriesenen Verhaltensweisen ist ziemlich negativ besetzt, obwohl ich schließlich auch trocken lebe. Es ist eben so, dass ich zwei Jahrzehnte auf der anderen Seite stand und vom Alkohol abhängig geworden bin und jetzt soll ich urplötzlich so tun, als würde ich die Weisheit mit Löffeln fressen? Auch wenn ähnliche Dinge in Therapieeinrichtungen gepredigt werden, ich kann vieles so nicht annehmen. Ich bezeichne mich ja auch nicht umsonst als "kampftrocken", weil irgendwo schon noch die Sucht in mir wohnt. Ich denke aber, dass es vielen so geht wie mir, nur sind nicht alle ehrlich. Sie predigen Tag für Tag Abstinenz und haben eine Selbstdarstellung, die auf mich abstoßend wirkt. So will ich nicht werden. Sie sind militant gegenüber Personen, die (noch) trinken, obwohl sie selbst schon in der Gosse lagen. Viele von ihnen haben anscheinend vergessen, wo sie herkommen. Sicherlich mögen einige von ihnen überzeugter trocken leben, als ich es tue, aber ich fühle mich nur bei dem Gedanken an diese Haltung schon unwohl. Ich habe zwei Jahre lang bei saufnix,de geschrieben, bis ich dann erkannt habe, dass ich dort mit mir selbst nicht weiterkomme. Bevor ich auf einem so hohen Ross daherreite, saufe ich lieber wieder.

LG
Dirk [hi_bye]
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 30. Januar 2012, 22:25

Bevor ich auf einem so hohen Ross daherreite, saufe ich lieber wieder.


kein Alkohol ist eben auch nicht die Lösung. Ein bisschen mehr Mühe darf schon sein.

Danke, Conny
Zuletzt geändert von GoldenTulip am 31. Januar 2012, 07:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon argentina » 31. Januar 2012, 00:50

@ Conny

"Es wird soviel Zeit darauf verwendet, wieder sozial kompatibel, verwertbar, berechenbar zu sein, mir kommt es komisch vor, dass ein seelischer Prozess durch Suchttherapeuthen, Medikamente incl. Bac., Außenwelt reglemetiert zu werden versucht wird, als müsste man nur den Schalter umlegen, damit alles wieder normal ist oder scheint."

Ich glaube nicht das es bei uns jeh wieder "normal" wird, aber das hängt auch davon ab was man als "Normal" betrachtet. Eigenliebe ist da vielleicht noch der beste Therapieansatz, sich und seine Fehler und Schwächen zu akzeptieren.

Lg Argentina ( gerade etwas wirr [smile] )

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 31. Januar 2012, 10:23

argentina hat geschrieben:Eigenliebe ist da vielleicht noch der beste Therapieansatz, sich und seine Fehler und Schwächen zu akzeptieren

Ja, darauf läuft's letzten Endes immer hinaus, oder? In the end, it's all about love.

Autonomie und Authentizität - und trotzdem geliebt werden? Geht das? Geht nicht, sagt meine - falsche - Erfahrung.

Meist hockt er daheim
und traut sich nicht 'raus.
Wenn er ist, wie er ist,
dann lachen's ihn aus.

Bald glaubt er's noch selber,
dass er krank und schlecht ist
weil die Engstirnigkeit
nach wie vor im Recht ist.

(aus: Konstantin Wecker, "Renn' lieber, renn', Übersetzung aus dem bayerischen von mir)

An dieser meiner falschen Erfahrung bin aber nicht ich Schuld.

Ich wäre ja gern, wie ich bin. Hat nur irgendwie immer nicht hingehauen. Vielleicht der Grund, warum die Meditation bei mir zur Zeit so gut greift: da kann ich eine Stunde lang einfach mal ICH in Reinkultur sein, wenigstens im Kopf.

Dieses permanente Gekämpfe und Gelüge und Gehänge und Gewürge der Saufnixen isses doch auch nicht. Das ist doch letztlich Feigheit vor dem Feind. Der Ansatz: ich schlucke bis ein mein Lebensende Baclofen und bin geheilt, ich kann sogar hier und da ein Piccolöchen... Nur wehewehe, ich setze es ab, dann kommt die "Trigger&Prost" - Nummer sofort zurück (danke @WarzoE für diesen Ausdruck!! [clapping] ). Isses das?

Wie ein Kind, dass sich die Hände vor die Augen hält und laut singt, damit das Gespenst es nicht sieht.
Klappt nicht. Ich hab's probiert.

Nur, der Typ, der sich sehenden Auges kaputtsäuft, das ist halt auch nicht das echte ICH.

Autonomie geht nicht mit einer Flasche in der Hand, die mir genau diese Autonomie wieder nimmt.

Ich stehe hier und trinke, weil ich in meiner Entscheidung frei sein will.
Und ich will trinken, was mich organisch zerstört und mir die Freiheit der Entscheidung nimmt.

Wer dieses Säufer - Koan lösen kann: 'raus mit der Sprache.

Liebe Grüße @all

Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 31. Januar 2012, 10:32

Moin Willo,

Koans sind nicht zum Lösen da....
Zwei Gedanken dazu:

1. Der Gegenpart der Liebe ist Angst.
2. Freiheit ist (auch) Einsicht in Notwendigkeit.

LG Conny
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 31. Januar 2012, 10:36

ergänzend zum Koan (aus: Wikipedia)

„Masagin springt hervor!
Worte sind vertraut, noch vertrauter ist der Geist.
Wer über Falsch und Richtig spricht,
ist ein Mensch des Falschen und Richtigen.“

Deutlich wird hier die Auffassung des Zen, dass in den existenziellen Fragen Bezeichnungen und Konzepte nutzlos sind.
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 31. Januar 2012, 11:16

GoldenTulip hat geschrieben:Koans sind nicht zum Lösen da....

Naja, doch, letztlich schon: sie lösen den Geist von der Vorstellung, alles in irgendwelche "logischen" "aus A folgt B" - Reihen stellen zu können.

"Schlecht" gibt es erst, wenn "gut" definiert ist. "Krank" erst, wenn "gesund" definiert ist. Ohne Definition gibt es nur "Sein".
Wobei "Nichtsein" sich eben nicht definieren lässt. Wenn Du es versuchst, ist es schon wech...

Ich liebe ZEN, und das innere Aikido wird meine Lösung "sein". Wobei ich bestenfalls beim gelben Gürtel bin, wie ich letzte Woche mal wieder lernen durfte.

Ja, GGG 2.0. Mindestens.

LG Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 31. Januar 2012, 11:20

Nee, FDH (FühleDenkeHandle) 2.0.

In "GGG" ist mir immer noch viel zu viel Passivität.

LG Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 31. Januar 2012, 11:42

Hi nochmal,

Autonomie geht nicht mit einer Flasche in der Hand, die mir genau diese Autonomie wieder nimmt.


Mir geht es darum, dass "Autonomie" - in diesem Kontext - letzlich ein Konzept ist, das dazu einlädt, an ihm zu scheitern.
Wenn dann hinzukommt, dass die "Ich-bin-nicht-wert-geliebt-zu-werden" Gedankenmaschine (eingeimpfte Glaubenssätze) losrattert, ist man so gut wie chancenlos.

Selbstliebe, wie argentina sie beschreibt, ist kein passiver Akt "Bin schon ganz ok so, kann halt manchmal nich' anders", es ist ein mit sich selbst in Beziehung treten, da können auch schon mal die Fetzen fliegen.
Wie in jeder guten Beziehung.

Nicht der Alkohol raubt die Autonomie, sondern die Inanspruchname seiner Funktion als bequemes Lösungsmittel, die eigene Bequemlichkeit, darauf zurückzugreifen, obwohl andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
IASS (Ich-arme Sau-Sydrom, wer's nicht kennt). Passiv-autoagressiv, Opferrolle.

LG Conny
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 31. Januar 2012, 11:58

GoldenTulip hat geschrieben:dass "Autonomie" - in diesem Kontext - letzlich ein Konzept ist, das dazu einlädt, an ihm zu scheitern

Hi Conny,

dann haben wir aneinander vorbeigeredet, sorry.

Mit "Autonomie" meine ich das vollständige, kontextfreie Selbst - Sein, die tatsächliche innere Unabhängigkeit von jeglichen Konzepten. Alkohol spielt dabei eine, aber nicht die alleinige Rolle.

Klarer so?

LG

willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 31. Januar 2012, 12:11

ay ay capt'n [smile]

aaaber
die tatsächliche innere Unabhängigkeit von jeglichen Konzepten


existiert exakt so lange, wie man sich in der Versenkung befindet. Sobald man die Augen wieder öffnet, bleiben nur noch Konzept, Prozess und Näherung. Ich glaube, da sind wir uns aber schon einig.

So klarer? [twiddle]
Conny
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