Sendung auf 3sat: Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit

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DonQuixote
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Sendung auf 3sat: Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit

Beitragvon DonQuixote » 27. Juni 2017, 23:52

Seid gegrüßt

Auf 3sat gab es vom 19. bis 25. Juni 2017 eine Themenwoche, in der verschiedenste Beiträge zum Thema „Sucht“ gesendet wurden. Eine dieser Sendungen war das Informations- und Talksendungsformat „Scobel“ vom 22. Juni 2017 mit dem Titel „Volksdroge Alkohol“. Ein Link zu dieser Sendung und das entsprechende Video stelle ich dann später ein. In dieser Sendung ging es, allerdings nur etwas am Rande, auch um Baclofen als mögliche Therapieoption der Alkoholabhängigkeit. Darin kamen in einem Video-Einspieler auch eine betroffene Patientin, zwei Suchtforscher der Berliner Charité, eine seit Jahren erfolgreich mit Baclofen behandelnde Ärztin und ein „Baclofen-Skeptiker“ zu Wort. Als Bonus-Material veröffentlichte 3sat auf seiner Web-Seite einige dieser Interviews in voller Länge, so wie sie in der Sendung („Scobel“) selbst nur sehr verkürzt wiedergegeben werden konnten. Ich habe dieses Bonus-Material aber mal für uns eingesammelt und gebe es nachstehend wieder:

  • Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Bericht einer Betroffenen

    https://www.youtube.com/watch?v=_sLFgYUqHmA

    Dieser Erfahrungsbericht und die darin enthaltenen Interviewschnippsel wurden genau so bei „Scobel“ gesendet (Link folgt später). Ich führe das hier nochmal auf, damit Ihr Euch in Etwa ein Bild machen könnt, worum es geht.
  • Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Interview mit einer Behandelnden Ärztin

    https://www.youtube.com/edit?o=U&video_id=7280qu3KsEM

    Im ausführlichen Interview: Dr. Cornelia Weigel, eine der erfahrensten „Baclofen-Ärzte“ Deutschlands, der es auch immer wieder gelingt, Vorträge, Posters oder Workshops an Deutschen Suchthilfekongressen zu platzieren. Die Fragen, die ihr von der Redaktion gestellt wurden lauteten:

    • Wie therapieren Sie Patienten, die alkoholsüchtig sind?
    • Wie wirkt Baclofen?
    • Welche Erfahrungen haben Sie mit Baclofen gemacht?
    • Bei welchen Patienten wirkt Baclofen besonders gut?
    • Was müssen Patienten für eine Einstellung mitbringen?
    • Wie erfolgt die individuelle Eindosierung?
    • Warum benötigt jeder Patient eine individuelle Dosierung?
    • Welche Nebenwirkungen gibt es?
    • Welchen Patienten darf Baclofen nicht verabreicht werden?
    • Wie lange muss Baclofen eingenommen werden?
    • Dürfen Sie Baclofen verschreiben, obwohl es für die Behandlung der Alkoholsucht nicht zugelassen ist?
  • Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Interview mit den Leitern einer wissenschaftlichen Studie

    https://www.youtube.com/watch?v=vElic4RpTGk

    Im ausführlichen Interview: Dr. Christian Müller und Dr. Olga Geisel von der Charité Berlin, Autoren der Klinischen Studie „Baclad“. Die Fragen, die den Beiden von der Redaktion gestellt wurden lauteten:

    • Was genau war der Anlass Ihrer Studie zu Baclofen in der Abstinenzerhaltung?
    • Nach welchen Kriterien haben Sie Patienten für die Studie ausgesucht?
    • Haben die Probanden Baclofen gut vertragen?
    • Wie haben Sie die individuelle Dosis für Ihre Probanden gefunden?
    • Muss Baclofen so hoch dosiert werden?
    • Hat Baclofen bei allen Probanden gewirkt?
    • Gibt es Patienten, die besonders von Baclofen profitieren?
    • Wie beurteilen Sie das Risiko möglicher Nebenwirkungen von Baclofen?
    • Wie genau wirkt Baclofen?
    • Kritiker sehen in Baclofen ein Ersatzmittel für Alkohol. Wie schätzen Sie das ein?
    • Planen Sie eine weitere Studie in einem größeren Rahmen?
    • Verschreiben Sie Ihren Patienten Baclofen?

  • Alkoholabhängigkeit und Baclofen – Interview mit einem Skeptiker

    https://www.youtube.com/watch?v=nSksDO5cTkY

    Wenn es um eine skeptische Einschätzungen von Baclofen als mögliche Therapieoption der Alkoholabhängigkeit geht, dann ist in Deutschland insbesondere Prof. Dr. Tom Bschor, u.a. Chefarzt der Abteilung Psychiatrie der Schlosspark-Klinik Berlin, ein oft herangezogener Interview-Partner. Die Fragen, die ihm von der Redaktion gestellt wurden lauteten:

    • Wie schätzen Sie Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit generell ein?
    • Wo sehen Sie Gefahren?
    • Kann Baclofen Patienten in eine neue Abhängigkeit bringen?
    • Wie schätzen Sie Nebenwirkungen ein?
    • Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Studie der Berliner Charité?
    • Warum werden in Deutschland keine weiteren Studien zu Baclofen durchgeführt?
    • Was halten Sie davon, dass Ärzte Baclofen außerhalb der Zulassung verschreiben?
    • Werden nicht häufiger Medikamente außerhalb ihrer Zulassung verschrieben?
    • Sind schon Patienten mit dem Wunsch an Sie herangetreten, Baclofen verschrieben zu bekommen?
    Seinen Vorbehalten gegenüber Baclofen als mögliche Therapieoption der Alkoholabhängigkeit wurde durch Dr. Cornelia Weigel, Dr. Christian Müller und Dr. Olga Geisel (Interviews siehe weiter oben) schon weitestgehend entgegnet. Ich möchte aber trotzdem hier noch einmal auf einige Argumente Tom Bschors eingehen:

    Bei einigen Dingen ist er (Bschor) durchaus konziliant, ja er erscheint oft geradezu nachdenklich, wenn er z.B. meint, Baclofen sei ein sehr vielversprechendes Medikament, welches unbedingt weiter erforscht werden müsse. Sein Blick verengt sich dann allerdings, wenn er nur auf die bisher veröffentlichten randomisierten und placebokontrollierten Studien schaut. Natürlich hat er recht, wenn er ausführt, dass die Klinischen Studie „Baclad“. zu klein sei, um daraus „endgültige Schlüsse“ zu ziehen. Seine Hauptsorge ist allerdings nicht die seiner Meinung nach noch schlecht belegte Wirksamkeit von Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit, sondern vielmehr die Sicherheit der Anwendung dieses Medikaments in einer Dosierung, welche bis zum Dreifachen der ursprünglichen Zulassung erreichen kann. An mehreren Stellen des Interviews führt er das immer wieder aus und verweist auf die „sehr hohen Deutschen Standards“.

    Mir kommt es schon fast irgendwie verkrampft vor, wie er (Bschor) die positive Erfahrungen mit weit über Hunderttausend Patienten aus Frankreich mit ebensolchen hohen Dosierungen einfach nicht zur Kenntnis nehmen will. Wenn man ihm (Bschor), der auch ein international renommierten Suchtexperten ist, Nichtwissen nicht unterstellen möchte, was dann?

    Und Bschors Ausführungen zur „off label“ Behandlung, d.h. zu einem Individuellen Heilversuch mit einem zu diesem Therapiezweck nicht zugelassenen Medikament sind formal sicher korrekt. Wenn aber alle zugelassenen Medikamente (und die anderen Therapiemethoden), hinter denen sich Bschor im Interview verschanzt, sich als unwirksam erwiesen haben, was dann? Wäre nicht spätestens dann vielleicht ein Versuch mit Baclofen möglich, oder hilft dann nur noch Beten oder ein Langzeitaufenthalt in der Berliner Schlosspark-Klinik? Bschor sieht da jedenfalls keine Alternative und bezeichnet Heilversuche mit dem bereits hunderttausendfach erprobten Baclofen als „gefährlich und unverantwortlich“. Meine Meinung dazu: Gefährlich, ja sogar lebensgefährlich, ist die Alkoholkrankheit, und gerade die Unterlassung einer möglichen und weitestgehend sicheren Heilmethode (Baclofen-Therapie) ist es, was man dann „unverantwortlich“ nennen könnte.

    Nun denn, Herr Bschor: Tausende praktizierende Ärzte, Doktores und Professores, in Frankreich, in Deutschland und in aller Welt, sehen das anders als Sie und behandeln ihre alkoholabhängigen Patienten mit Baclofen und dies mit großem Erfolg, ohne dass diese Patienten (Ihre Worte) „an dem Medikament sterben“. Und Ihre im Interview zum Ausdruck gekommene Anspielung, Prof. Olivier Ameisen könnte vielleicht auf Grund seiner Einnahme von Baclofen verstorben sein, ist … na ja.
    Aber das wissen Sie selbst [smile] .
Zu Guter Letzt noch ein kleines Video, welches die Wirkungsweise von Baclofen im Gehirn zu erklären versucht:

Viel Erkenntnisgewinn mit all diesen Videos aber auch sonst wünscht

DonQuixote

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Re: Sendung auf 3sat: Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit

Beitragvon Lucidare » 28. Juni 2017, 21:12

Hallo,

Lucidare hat geschrieben:Zu Guter Letzt noch ein kleines Video, welches die Wirkungsweise von Baclofen im Gehirn zu erklären versucht: [...]


Muss man das verstehen? Warum wird "versucht" etwas zu erklären? Wahrscheinlich, weil man die Antworten nicht kennt. Oder noch nicht so richtig. Warum fährt ein Auto? Es knallt irgendwo unter der Haube und dann läuft's. Oder Schiller's Glocke in der volksmundlichen Kurzform: Loch gebuddelt, Bronze rin - Glocke fertig. Bimbimbim.

Es mag auch sein, dass Dopamin eine Rolle im Suchtverhalten spielt. Aber nicht nur. Es ist ein ganzes System, was in Unordung gebracht wird. Muss man das Wissen? Eigentlich auch nicht. Wozu? Warum helfen Antibiotika, Chemotherapien, Schmerzmittel und Sondergleichen? Als Patient egal, Hauptsache es wirkt. Warum gräbt man sich allgemein in das Thema Baclofen so ein? Zeitweise sogar über die Medien? Muss man alles verteidigen und erklären, was einem geholfen hat? Quatsch. Muss man nicht. Warum überhaupt?

Oder ist es Leidensdruck? Mein selbst erlebter Leidensdruck als Angstler, den ich überwunden habe? Neugierde was dort passiert ist, mit mir. Auch egal. Das braucht keinen zu interessieren. Warum auch.

Nur bitte, bitte kann man doch darauf hinweisen, dass Dopamin nur ein Teil des Systems darstellt. Gerade als Angstler wusste ich gar nicht nie, dass ich überhaubt über ein Belohnungssystem verfüge. Es scheint aber eines zu geben. Einem Angstler zu erzählen, dass er trinkt weil er sich belohnen will, finde ich um ehrlich zu sein blöd. Vielleicht zuviel Glutamat, zuwenig Serotonin, zuviel Cortisol?

LG
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Re: Sendung auf 3sat: Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit

Beitragvon jivaro » 30. Juni 2017, 12:35

Lieber Lucidare,

Du sprichst mir da aus der Seele: für den Angsteler insbesondere ist da mal die AMYGDALA: Emotionsverarbeitung, Besetzung der Wahrnehmung, Angstregulierung... das gabaerge-System ist noch weit "unterschätzt". Auch die Verschaltungen zum präfrontalen Cortex (Teil des Vorderhirns) und anderen Schaltstellen untereinander ist wichtig und wird -wie so oft- multifaktoriell beeinflusst.

Und wie Alkohol tatsächlich im Gehirn wirkt ist auch noch immer nicht 100%ig erschlossen.

Lg jivaro

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Re: Sendung auf 3sat: Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit

Beitragvon jivaro » 30. Juni 2017, 12:40

Gleichwohl ist der Scobel-Beitrag das Beste für Baclofen was es seit Langem gab!

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Re: Sendung auf 3sat: Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit

Beitragvon Lucidare » 30. Juni 2017, 20:54

Hallo jivaro,

jivaro hat geschrieben:Gleichwohl ist der Scobel-Beitrag das Beste für Baclofen was es seit Langem gab!


Ja, das ist wahr. Der Einspieler hat schon seine Wirkung. Ich muss zugeben, bei bestimmten Themen ist es (auch) für mich schwer, eine neutrale Haltung zu bewahren. Es geht nicht immer um pro und contra, sonder auch um eine ausgewogene Darstellung der Medien. Von wegen Lügenpresse usw... Wir sind nicht bei einem Fußballspiel, von daher zählt man keine Tore oder Punkte. Ich für meinen Teil habe das für als erfüllt angesehen.

Vor allem Deinen Beitrag ( z.B. Interview), den Du zu dieser Sendung gegeben hast, hat mich sehr beindruckt. Einfach ehrlich, die Möglichkeiten aufzeigend und dabei auch nicht zu verschweigen, dass einem dabei auch nicht unbedingt der Puderzucker in den...usw.

Von daher :-!? und :vgn und Danke!

Zu der nachfolgenden Diskussion beim Scobel, fällt es mir schwer etwas zu sagen. Das lag gar nicht daran, was gesagt wurde, sondern wie es gesagt wurde. Ich pflege an dieser Stelle eine Empfindlichkeit. Jeder mag seine Ausbildung, Meinung, Konzepte, Erfahrungen und was weiß ich nicht verteidigen und zum Ziel führen wollen. Die Leute müssen auch Ihr Essen bezahlen. Nur, sorry, als Betroffener hat sich bei mir stellenweise ein Brechreiz breitgemacht.

GLG und nochmal :vgn
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Re: Sendung auf 3sat: Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit

Beitragvon jivaro » 30. Juni 2017, 22:45

Lieber Lucidare,

Danke [blus], es war für mich nicht leicht.

Für die Diskussion gebe ich Dir 100%ig Recht. Gut ist nur, dass die Diskutanten sich absolut nicht einig werden konnten und man merkte, dass es hier sehr wenig Übereinstimmung gibt. Eine Studie (hier explizit die Niederländische) als negativ zu bewerten ohne genau hinzuschauen ist -gelinde gesagt - schade; die Konzeption mit festen Dosierungen bei einem Medikament, das individuelle Dosierungen erforderlich macht ist schlichtweg zum Scheitern verurteilt. Von der Rekrutierung der Teilnehmer mal ganz abgesehen. Dass Soziologen das Problem teilweise aus einem für uns fremden Blickwinkel betrachten müssen wir wohl akzeptieren. Gefreut habe ich mich über die statements der Charité.

GLG jivaro


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