Vorstellung bzgl. Arztsuche

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Rafi1991
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Vorstellung bzgl. Arztsuche

Beitragvon Rafi1991 » 16. März 2017, 10:22

Hallo, meine Name ist Rafi. Ich bin 25 Jahre alt und etwa seit 10 Jahren alkoholabhängig. Über google bin ich auf dieses Forum gestoßen. Habe schon zwei Entziehungskuren angefangen und abgebrochen. Aufgrund der Schilderungen vieler Mitbetroffener habe ich starkes Interesse an einer Baclofenkur. Von meiner Familie kann ich kaum Hilfe erwarten, da sowohl mein Vater, als auch meine Mutter ebenfalls ein Alkoholproblem haben. In meiner Jugend hat mein Vater mir keine Verbote hinsichtlich des Alkohols auferlegt. So bin ich langsam in den Teufelskreis reingerutscht. Inzwischen können meine Eltern meinen Zustand nicht mehr ertragen und haben mich quasi vor die Tür gesetzt. Außer Vorwürfe bekomme ich nichts von ihnen, weshalb ich ganz alleine mit meinem Alkoholproblem da stehe und mir wirklich niemand hierbei helfen kann. Ich will einfach bloss von dem Zeug loskommen, da ich aufgrund dieser Umstände inzwischen seit mehreren Monaten arbeitslos bin und mein Leben den Bach runter geht. Ich bin auch nicht der Typ, welcher sich stundenlang mit Therapeuten auseinandersetzen kann und will. Ich denke daher, dass die Tablettenkur für mich das einzig Wahre ist und bitte um eure Unterstützung bei der Arztwahl.

Danke im Voraus!

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Papfl
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Re: Vorstellung bzgl. Arztsuche

Beitragvon Papfl » 16. März 2017, 15:28

Hallo Rafi1991!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] . Schön, dass Du da bist [smile] !

Dass es nach so mancher herkömmlichen Therapie immer wieder zu Rückfällen kommt, hat nichts mit Willensschwäche, mangelnder Disziplin oder fehlendem Durchhaltevermögen zu tun. Schuld daran ist das sog. Craving. Unser Beitrag über Craving erklärt einiges und kann auch so manches Schuld-, Scham- und Versagensgefühl nehmen bzw. relativieren.

"Sucht" hat zwei Komponenten. Und das wird in der traditionellen Suchttherapie oft "vergessen":

  • Den "Trinkzwang" (physisches Craving), gegen den Betroffene nichts tun können, weil es sich dabei um biochemische Vorgänge handelt, die durch eigenes Zutun nicht beeinflussbar sind und
  • den "Trinkdrang" (psychisches Craving), oft ausgelöst aus Mangel an Alternativen zum Alkohol, um bestimmte Gemütszustände zu erreichen (Belohnung, Entspannung, "Kick", Hochgefühl, Hemmungs- oder Angstlosigkeit etc.). Hier können Betroffene selbst aktiv werden, indem sie sich beispielsweise andere Strategien suchen, um sich zu belohnen, sich zu entspannen, Ängste abzubauen etc.
    --> verhaltenstherapeutische Ansätze.
Bei ersterem (physisches Craving) kann Baclofen helfen: Durch den jahrelangen Alkoholkonsum ist die Biochemie aus dem Gleichgewicht geraten. Das "Hirn" hat bezüglich des Suchtmittels in gewisser Weise ein Eigenleben entwickelt, das man willentlich nicht mehr beeinflussen kann. Ständig wiederkehrendes Gedankenkreisen um Alkohol ist die Folge, bis man sich irgendwann auf gar nichts anderes mehr konzentrieren kann und letztlich trinken MUSS.

Dagegen kann man einen Tag, eine Woche, vielleicht auch Monat(e) ankämpfen, aber irgendwann holt einen der "alte Freund" doch wieder ein. Ganz abgesehen davon, dass so ein ständiger Kampf um die Abstinenz auch nicht gerade das ist, was man sich unter angenehmem Leben für gemeinhin so vorstellt.

Durch die entspannende, hemmende Wirkung von Baclofen kann im Idealfall das physische Craving eingedämmt werden, d. h. man muss nicht mehr ständig an Alkohol denken und gewinnt ein Stück weit seine Entscheidungsfreiheit zurück:

Aus dem Trinkzwang "Ich MUSS jetzt unbedingt etwas trinken, koste es was es wolle" wird ein "Ich KÖNNTE jetzt etwas trinken, kann's aber auch lassen oder auf später verschieben."

Baclofen "schlägt einem also das Glas nicht aus der Hand", aber es hilft dabei, wieder eigene Entscheidungen zu treffen und nicht mehr "fremdbestimmt" zu sein. Das ist ein wichtiger erster Baustein auf dem Weg aus der Abhängigkeit. Wenn das Denken nicht mehr ständig vom Suchtmittel bestimmt ist, wird der Kopf frei, um Maßnahmen gegen die andere Komponente des Cravings - den "Trinkdrang" (psychisches Craving) zu entwickeln.

Die Idee, die hinter der Baclofen-Therapie steht, ist also

a) über die "Beruhigung" der GABA-B-Rezeptoren langfristig einen ausgeglichenen, entspannten, relaxten Zustand herzustellen, damit extreme Stress-Situationen, Spannungen, Ängste und Verstimmungen etc., die einen zur Flasche greifen lassen, gar nicht erst aufkommen und

b) das körperliche Verlangen nach Alkohol (physisches Craving) einzudämmen, um die zwanghafte Komponente des abhängigen Trinkens ein Stück weit auszuschalten.

Erfahrungsgemäß ist es - zumindest in der Anfangsphase - daher wichtig, möglichst einen gleichmäßigen Baclofenspiegel über den Tag verteilt aufzubauen (z. B. mit drei bis vier Einnahmezeitpunkten im Abstand von +/- 4 Stunden) und das Medikament dabei langsam in kleinen Schritten aufzudosieren. Wie man dabei am besten vorgeht, steht im Leitfaden für die Anwendung bzw. in den auf die jeweilige Tablettenstärke zugeschnittenen Dosierungstabellen hier im Forum, die sich als gute Orientierungshilfen erwiesen haben.

Einen ersten Überblick rund um das Medikament bietet unsere Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick.

Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann. Und natürlich das Buch "Das Ende meiner Sucht" von Olivier Ameisen. Der Kardiologe Olivier Ameisen war selbst betroffen und hat Baclofen als Therapieoption bei Abhängigkeitserkrankungen (wieder)entdeckt. Das Buch ist spannend zu lesen! Du kannst die E-Book-Version des Buches auch kostenlos über dieses Forum "ausleihen". Bei Interesse schreibe das bitte einfach in die Private Nachricht (PN) an @DonQuixote mit rein, wenn Du ihn um eine Arztadresse bittest.

Da wir unsere Arztadressen aus naheliegenden Gründen nicht öffentlich rausgeben, möchte ich Dich bitten, @DonQuixote (er verwaltet unsere Arztadressen) kurz mit einer Privaten Nachricht (PN) anzuschreiben und ihm Deinen Wohnort samt Postleitzahl mitzuteilen. Er wird sich dann voraussichtlich gegen Abend bei Dir mit allen Infos melden.

Einen guten Start in ein hoffentlich unbeschwerteres Leben wünscht
Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
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DonQuixote
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Re: Vorstellung bzgl. Arztsuche

Beitragvon DonQuixote » 16. März 2017, 22:18

Hallo Rafi

Eine E-Mail mit Arztempfehlung für Deine Region ging soeben an Dich raus, und zwar an Die Mail-Adresse, mit der Du Dich hier im Forum registriert hattest. Bedenke aber, dass es mit einer einfachen "Tablettenkur" nicht unbedingt getan ist. Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Ärzten und ein "Arbeiten an sich selbst" sind schon auch notwendig. Baclofen erleichtert das allerdings ungemein, und in diesem Sinne wünsche ich Dir alles Gute und viel Erfolg bei Deinen weiteren Schritten.

DonQuixote


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