Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Anemone77
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Anemone77 » 24. Februar 2017, 10:03

Hallo Purzelbaum, [hi_bye]

ich finde auch, dass Du sehr überheblich rüberkommst..! Nach dem Motto: 'Seht alle her... ich habe es geschafft ohne irgendwelche Pillen'! Das ist ja sehr schön für dich!!! Herzlichen Glückwunsch dafür!!! Du solltest aber auch die Süchtigen respektieren, denen es nicht so einfach gelingt ohne eine "Krücke" (Baclofen) trocken zu werden!
Die menschen sind so unterschiedlich und es muss jeder SEINEN Weg finden! Also bitte mehr Respekt!!!

Ich kann nur von mir sagen, dass ich -- weiß Gott -- alles versucht habe um trocken zu werden! Viele Entgiftungen, zwei Langzeittherapien, Gruppenbesuche, regelmäßige Besuche bei meiner Suchttherapeutin, zweimal täglich zu den AA's.... usw.. dann folgten Versuche mit Campral und Naltrexon.... leider war die Wirkung dieser Tabletten gleich Null... In den letzten 2, 3 jahren brauchte es keinerlei Auslöser mehr, wie Stress, Ängste, Traurigkeit o. ä., um bei mir Suchtdruck auszulösen. Mein mitunter extremer Suchtdruck bescherte mir immer nur kurze Trockenphasen.
Es war ein ständiger Kampf um die Abstinenz und irgendwie kein angenehmes Leben mehr.

Hier ein Zitat von Dr. Olivier Ameisen (Das Ende meiner Sucht), kennst Du ja sicherlich:

Das Verlangen eines Süchtigen nach seinem Suchtmittel ist wie der Hunger eines Verhungernden, schreibt der suchtkranke französische Arzt Olivier Ameisen. Dieselben Hormone werden freigesetzt, dieselben Gehirnregionen aktiviert. Das Gehirn stuft Alkohol als lebensnotwendig ein. „Der Gedanke an das Suchtmittel kann sich in den ruhigsten Momenten in das Bewusstsein des Süchtigen einschleichen und schnell das ganze Denken ausfüllen“, so Ameisen. Vernunft, Scham und Selbsthass konnten ihn nicht aufhalten. Als würde ein anderer seinen Körper kontrollieren, zog er los und kaufte Schnaps, so Olivier Ameisen


Genauso war es in den letzten Jahren bei mir! Jeden Tag dieser Wahnsinn im Kopf, jeden Tag dieses Gedankenkreisen nur um den Alk.... einfach nur schrecklich. Ich wollte aufhören und konnte es nicht...

Ich bin so froh Baclofen (Empfehlung meiner Suchttherapeutin) gefunden zu haben! Welch eine Erleichterung. Ich fühle mich endlich frei von diesen Zwangsgedanken. Jetzt kann ich mich wieder auf das Leben konzentrieren, was davor ja nicht möglich war. Ja, ich würde sogar sagen, dass mich Baclofen vor dem Tod bewahrt hat....

Ich sage nochmal, Menschen sind so unterschiedlich in ihrem Suchtverhalten. Manchen benötigen eben ein Medikament auf dem Weg zur Abstinenz!!! Das ist überhaupt nicht schlimm und verwerflich.

Denk mal drüber nach!

Anemone
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 24. Februar 2017, 10:58

Anemone77 hat geschrieben:
Manchen benötigen eben ein Medikament auf dem Weg zur Abstinenz!!! Das ist überhaupt nicht schlimm und verwerflich.



Das hab ich auch nicht geschrieben, dass irgendwas daran verwerflich wäre, Baclofen zu nehmen.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Chinaski » 24. Februar 2017, 16:09

Hallo,

bei keiner mir bekannten Krankheit ist es verwerflich ein Medikament zur Heilung oder zur Unterstützung zu nehmen.
Viele chronisch Kranke nehmen täglich Tabletten um ihren Tag zu bewältigen.
Da kräht kein Hahn danach!
Nur wir Suchtkrüppel sollen bitteschön leiden und den steinigen weg zum Gipfel nehmen während alle anderen mit der Seilbahn fahren.

Gruß
Chinaski

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Anemone77 » 27. Februar 2017, 09:46

Hallo Chinaski, doppd

super, Du hast es auf den Punkt gebracht1!!!


DANKE

LG Anemone [smile]
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Per Asien » 19. März 2017, 13:22

Chinaski hat das sehr gut gesagt, finde ich auch. Lisbeth und Anemone haben davor auch schon sehr treffende Gedanken dazu formuliert.

Ich frage mich im Übrigen, warum jemand, der es geschafft hat, ohne Baclofen trocken zu werden, das unbedingt in einem Forum für Baclofen mitteilen muss? Extremer Geltungsdrang, Besserwissertum oder gar Trolliges andere Runterziehen wollen??

Traurig sowas. Und ich merke, ich muss vorsichtig sein, wo ich was ancklicke, selbst hier im Forum. Wen man noch am Anfang steht mit Baclofen und gerade froh ist über die ersten Veränderungen, braucht man sowas gar nicht. Ich jedenfalls nicht.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Lucidare » 19. März 2017, 13:52

Hallo Per Asien,

erstmal Willkommen im Forum von mir!

Per Asien hat geschrieben:Ich frage mich im Übrigen, warum jemand, der es geschafft hat, ohne Baclofen trocken zu werden, das unbedingt in einem Forum für Baclofen mitteilen muss? Extremer Geltungsdrang, Besserwissertum oder gar Trolliges andere Runterziehen wollen??


Bevor Du urteilst lese Dir bitte den Thread, vor allem am Anfang durch. Irgendwo in der Mitte oder am Ende anzufangen, kann den Zusammenhang empfindlich stören. Ich denke der Forenberteiber @DonQuixote billigt auch die Meinung anderer, die nicht mit Baclofen zum Ziel gekommen sind und dies sollten wir auch respektieren. Nicht umsonst gibt es hier diese Unterkategorie. Über den Inhalt des Posts kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein, die Diskussion sollte meiner Ansicht nach aber sachlich bleiben.

Traurig sowas. Und ich merke, ich muss vorsichtig sein, wo ich was ancklicke, selbst hier im Forum. Wen man noch am Anfang steht mit Baclofen und gerade froh ist über die ersten Veränderungen, braucht man sowas gar nicht. Ich jedenfalls nicht.


Sicher, wenn man emotional aufgewühlt ist, muss man auf Ruhe achten und Aufregung vermeiden. Du musst Dir ja nicht zum Anfang im Forum das gesamte Programm geben. Die entsprechenden Links die Dir @Papfl zur Verfügung gestellt hat, sind wesentlich entspannter.

LG
Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen. Ronja von Rönne

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Per Asien » 19. März 2017, 14:27

Fast alle Links, die Papfl mir geschickt hatte, kannte ich schon. Weil ich ein höflicher Mensch bin, habe ich trotzdem danke gesagt. Warum Du meinst, mich belehren zu müssen, verstehe ich nicht. Mag ich auch nicht. Also lass das doch bitte künftig.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Bine » 19. März 2017, 22:47

Hi Purzelbaum und @ All,
also ich habe es so verstanden, nochmal :-!? für 4 Jahre ohne Alkohol. Und auch ohne Baclofen.
Es funktioniert, ist aber sehr schwierig, ich habe es selber mal 1 Jahr "ohne alles" geschafft.
Danach auch noch eine gewisse Zeit mit "kontrolliertem Trinken".
1 Jahr ?
Nun mal was zu der Ursprungsfrage: Einmal Alki, immer Alki ?
Ja, das ist wohl so. Und da nützt einem Baclofen auch nicht unbedingt was, wenn man nicht immer wieder achtsam ist und auf sich aufpasst, es nimmt einem das Craving und das ist schon mal eine groẞe Erleichterung, ich kenne das, da ich nach einem Entzug, nur mit meinem Willen, geschafft habe nichts mehr zu trinken und das war manchmal nicht einfach. Die "Trinkanfälle" haben sich mit der Zeit verlängert, kamen immer seltener, aber sie waren da. Sie zu überstehen war manchmal nicht leicht.
Jetzt und heute wäre ich so dankbar gewesen, wenn ich damals schon Bac gehabt hätte. Da hätten vielleicht auch schon 5mg mal sporadisch eingenommen was gebracht.
Dann wäre ich sicher besser damit klar gekommen. Und verwerflich finde ich es auch nicht.
Gut, das ist eine eigene anerzogene/selbst herbei geführte Krankheit, aber andere haben auch Krankheiten und nehmen täglich Medikamente damit sie überleben/weiter leben können.
Chinaski hat geschrieben:Nur wir Suchtkrüppel sollen bitteschön leiden und den steinigen weg zum Gipfel nehmen während alle anderen mit der Seilbahn fahren.

Nee, das muẞ nicht sein. Wir haben oft genug schon den steinigen Weg genommen.

Lisbeth5811 hat geschrieben:Purzelbaum hat geschrieben:Das ist doch aber keine Entscheidungsfreiheit, wenn die Entscheidung nur so getroffen werden konnte wie sie getroffen wurde, weil Baclofen eingenommen wurde. Entscheidungsfreiheit ist für mich, wenn ich ohne Baclofen entscheide keinen Alk zu trinken.

Kannst du für dich ja machen, is deine Entscheidungsfreiheit !
War aber Angriff auf die Leute die sich für Baclofen entschieden haben.
Dir alles gute für die nächsten Jahre. Bleib sauber auch ohne Bac.
Vergiss das nie : Einmal Alki immer Alki ! Is so !
Aber ich bin dann lieber Alki mit meinem Glas Wein vorerst, als mit der ganzen Portion die ich mal in mich rein gefüllt habe. Und mach mir den Stress mit "NIE WIEDER" nicht mehr.

Gruẞ Bine

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 20. März 2017, 08:15

Moin Bine,

was ist nicht schwierig im Leben, nicht mal weiter saufen.

Nur mit dem Willen allein, wird das – meiner Meinung nach – nichts mit dem Trockenwerden. Da musst du dein ganzes Leben ändern – Bekannte austauschen, Gewohnheiten ändern, Hobbys ändern… manchmal auch Wohnort und Arbeitsstelle. Niemand sagt, dass das einfach ist. Aber irgendwann musste ich wissen was ich will: Leben oder weiter saufen.

Und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, bin ich froh, dass ich kein Baclofen zur Hand hatte. Ich hätte mich nur auf eine neue Krücke gestützt und wäre wieder nicht allein gelaufen. (Noch mal: Ich will damit keinen von Euch – oder überhaupt – angreifen, das ist meine Meinung aus meinen Erfahrungen heraus.)

Noch dazu, dass ja Baclofen nie dazu gedacht war, Abstinenz zu erzeugen. Es sollte von jeher dazu dienen, Alkohol kontrolliert trinken zu können – so hab ich das jedenfalls verstanden.

Ich wollte lange Zeit kontrolliert Alkohol trinken können – so lange, bis ich mich gefragt habe, was es mir jetzt in diesem Augenblick positives (gutes) bringen würde, einen Wodka oder Weinbrand oder … zu trinken. Die Antwort war, dass es mir nichts Positives bringen würde. Nicht vom Geschmack her, nicht von der Wirkung her, eben Nichts.

Und das ist für mich das Entscheidende und das, was es mir mittlerweile relativ leicht macht abstinent zu leben. Es ist kein Verzicht mehr, weil ich nicht weiß auf was ich durch Abstinenz verzichten müsste.

Auf was ich verzichten müsste wenn ich wieder saufe, muss ich hier nicht aufzählen, das weiß jeder selbst.

Und noch was: Es geht mir „auf den Sack“, dass ich immer wieder lese, dass ich hier Jemanden angreifen würde obwohl ich jedes Mal schreibe, dass ihr machen könnt was ihr wollt und ich hier nur meine Meinung und meine Erfahrungen, ohne eine Wertung eures Verhaltens, schreibe. (Na gut, es gab auch bei mir eine Zeit, in der ich mich ständig von Irgendjemandem persönlich angegriffen fühlte, die ist seit 4 Jahren vorbei.)

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Lucidare » 20. März 2017, 08:45

Hi Bine,

die Wege sind nun mal individuell und daraus ergeben sich auch verschiedene Meinungen. Für mich ist das mit dem Alkohol wie mit dem Krieg und der Liebe. Es ist (fast) jedes Mittel erlaubt. Ob nun die totale Abstinenz oder kontrolliertes Trinken, Hauptsache die Systeme sind wieder im grünen Bereich. D.h, der Alkohol hat keinen Einfluss mehr auf mein Handeln und meine Gesundheit. Es gibt Empfehlungen, dass z.B. die Dame nicht mehr als ein Glas (12g Alk.) und die Herren nicht mehr als 2 Glas (24g Alk.) Wein am Tag mit zwei trinkfreien Tagen die Woche konsumieren sollen.

Purzelbaum hat geschrieben:Ich schreibe nicht viel aber ich lese hier fast jeden Tag. Wenn ich dann lese, dass jemand daran denkt, sich mit einem Glas Wein "was Gutes" zu tun, da geht mir der Hut hoch. Was tut man sich denn Gutes mit einem Glas Wein, wenn man mit dem Saufen aufhören will?


Ja, alles richtig. Es ist sicher besser, über einen gewissen Zeitraum total auf Alkohol zu verzichten. Meiner Meinung nach sollten das eher Jahre als Monate sein. Ich muss jetzt nochmal aus @Papfels exzellenten Craving-Beitrag zitieren.

Papfl hat geschrieben:Was hier so einfach und einleuchtend klingt, ist für den Einzelnen mit viel Arbeit verbunden. Der Weg aus der Abhängigkeit ist anstrengend. Und das geht auch nicht von heute auf morgen, weil man stellenweise sein Leben komplett umkrempeln muss. Es gilt, alternative Wege, neue Strategien zu entwickeln, um das Leben auch ohne Suchtmittel wieder genießen zu können. Aber es geht. Von Tag zu Tag besser. Psychotherapie, eigene Lernerfahrungen und das "Reinhören" in sich selbst können dabei wichtige Hilfsmittel sein.


Im Grunde gibt es immer Gründe für's Trinken. Es gibt genügend Menschen, die sich einfach nur mal in der Menge vertan haben, weil es immer so lustig ist. Die hören auf, schütteln sich einmal und weiter geht's. Schwierig wird es, wenn ich Dinge verändern muss. Wie z.B. den nervigen Job, den ich nur noch im Suff ertrage. Sicher kann man sich etwas Neues suchen. Was ist aber, wenn die Nerven so blank liegen, dass ich das nicht kann? Oder ich habe ein gewisses Alter, wo es schwer ist, etwas zu finden? Wie schaffe ich es mich zu arrangieren? Diese Probleme, oder Trigger, müssen vielfach gelöst werden, da sonst immer die Gefahr eines Rückfalls besteht.

Purzelbaum hat geschrieben:Das liegt sicher am geänderten Belohnungssystem, veränderter Stressbewältigung und dem Ablegen von bestimmten Gewohnheiten. Gut, das war nicht von Anfang an einfach aber wenn ich nicht irgendwann mit Veränderungen angefangen hätte - auch wenn manche nicht einfach waren - würde ich heute noch saufen. Versuche mit ab und zu mal einem Glas und Ähnlichem habe ich vorher jahrelang gemacht und die sind immer gescheitert. Früher oder später hatte mich der Alk immer wieder im Griff wenn ich mit solchem Unsinn wie "ein Glas geht ja mal" anfing. Erfolg gibt es meiner Meinung nach nur bei Konsequenz (Gut, weiter saufen ist auch konsequent.)


Für mich ist hier der Unterschied zwischen dem was @Papfl sagt und dem was @Purzelbaum sagt, nicht sehr groß.

Pruzelbaum hat geschrieben:Oder da säuft XY tage- oder wochenlang nichts und dann muss XY unbedingt wegen schlechter Stimmung oder wegen einer Depression oder wegen was auch immer plötzlich saufen. Nö, XY muss nicht wegen irgendwas saufen, das plötzlich passiert. XY hat nur auf einen Grund gewartet endlich wieder saufen zu können, weil sich XY vorher überhaupt nicht auf so eine Situation vorbereitet hat und im Grunde ja auch gar nicht wirklich mit der Sauferei aufhören will - noch nicht. Ich kenne das, Ausreden waren bei mir auch immer herzlich willkommen. Ach ja, was der Säufer doch für ein bemitleidenswerter Mensch ist, wirklich bedauerlich. So wird das aber nichts - denke ich.


Lieber Purzelbaum, Du musst hier bitte ganz klar unterscheiden. Der Alkoholmissbrauch kann Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) auslösen. Umgekehrt können psychische Erkrankungen den Alkoholmissbrauch auslösen. Wenn dies der Fall ist, O. Ameisen hat es schon mal formuliert, muss der Betroffene erst einmal therapierbar gemacht werden. D.h, simpel gesagt, der Alk muss weg um überhaupt zu erkennen, was ist durch den Alk ausgelöst und was ist die Grunderkrankung um diese behandeln zu können. Wenn Du unerträgliche Schmerzen hast und vermeintlich nichts hilft außer drei Bier, was würdest Du tun? Sicher scheint das der bequeme Weg zu sein, weil man denkt es gibt keine Alternativen. Dies Alternativen müssen aber auch gefunden werden und das ist auf Anhieb nicht immer einfach. Meine "Medizin" herzugeben war für mich undenkbar. Das hat für die Umwelt sicher Streckenweise kindische Züge angenommen, für mich war es aber todernst. Ja klar, ich habe über die Jahre immer wieder Versuche untenommen, die Krankheit (Angststörung) in den Griff zu bekommen, was leider nicht so richtig funktioniert hat und sicher war der Konsum nicht immer dramatisch, trotzdem, diese Gemengelage aufzulösen ist eine richtige Aufgabe.

Zum Thema vorbereitet sein: Meine Grunderkrankung, die Angststörung, schlummert im Moment. Damit fällt für mich der Grund weg, zu konsumieren. Wenn ich (bitte nicht nachmachen!!) auf einer Veranstaltung mal (selten) ein Glas Sekt trinke, ist das eben so. Ein Zweites schenke ich mir, weil ich vom Ersten schon ganz leicht angeschiggert bin. Nun hat sich vor einigen Monaten, trotz aller Vorbereitung aufgrund eines Ereignisses, bei mir auch mal der berühmte Hebel umgelegt. Ich möchte das durchaus als Fernsteuerung bezeichnen. Kurzum: Ich habe mir die Birne zugeschüttet. Genau einmal. Kurios war, dass sich in dem Fall eine richtige Sättigung nicht einstellen wollte. Ich habe dann abgebrochen. Mich hat das ziemlich erschrocken gemacht und ich war schon ein paar Tage ziemlich angegrabbelt. Ich habe, Gott sei Dank, ziemlich schnell die Kurve gekriegt. Ich wollte einfach nicht wieder dahin zurück, wo ich hergekommen bin. Was ich damit sagen will ist, Vorbereitung ist gut, was mache ich aber wenn doch der (unwahrscheinliche) Fall eintritt? Habe ich ein "Notfallprogramm"? Wer kann helfen?

LG
Zuletzt geändert von Lucidare am 20. März 2017, 14:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Lucidare » 20. März 2017, 08:53

Hi Purzelbaum,

Purzelbaum hat geschrieben:Noch dazu, dass ja Baclofen nie dazu gedacht war, Abstinenz zu erzeugen. Es sollte von jeher dazu dienen, Alkohol kontrolliert trinken zu können – so hab ich das jedenfalls verstanden.


Nahein, das hast Du falsch verstanden. Es soll das physische Craving lindern. Lese Dir bitte mal den Craving-Beitrag durch. Dann wird das ganz bestimmt verständlicher. [smile]

LG
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 23. März 2017, 07:23

Ich glaube nicht, dass ich etwas falsch verstanden habe. Warum sollte Prof. Ameisen sonst folgendes gesagt haben: „Baclofen ermöglicht uns, nicht länger Gefangene der impulsiven Gefühle der Sucht zu bleiben. Das bedeutet, es kann zu Genesung führen, ohne notwendigerweise abstinent zu werden", wenn er mit Baclofen Abstinenz erreichen wollte?

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Lucidare » 23. März 2017, 09:15

Hi Purzelbaum,

o. Ameisen hat geschrieben:Das bedeutet, es kann zu Genesung führen, ohne notwendigerweise abstinent zu werden"


Ja, auch richtig. Die Betonung liegt aber auch auf es kann.

Papfl hat geschrieben:Olivier Ameisen war mit seinem Selbstexperiment quasi sein eigenes "Versuchskaninchen". Sein Erfahrungsbericht erschien 2005 (!!!) in der renommierten Fachzeitschrift Alcohol And Alcoholism, und manche Vorgehensweise, die Olivier Ameisen als Patient Nummer eins in seinem Buch noch "ausprobierte", gilt heute - über zehn Jahre später - als überholt.


Sicher war er fasziniert, dass es eine Möglichkeit gibt, eine durchaus tödliche Krankheit mit Hilfe dieses Medikamentes unter Kontrolle zu bringen. Es war Ihm wohl auch ein inneres Bedürfnis, der Umwelt zu beweisen, dass es die "totale Kontrolle" ermöglicht. Während eines Interviews in einem prominenten deutschen Fernsehsender hatte er ein Glas Rotwein neben sich stehen. Ob das nicht ein wenig zu laut getrommelt war, darüber möge sich jeder selbst eine Meinung bilden. Ich habe mich auch von diesem "Vorbild" leiten lassen und bin beim ersten Versuch damit ziemlich auf die Nase gefallen.

Aus meiner eigenen Erfahrung heraus erachte ich auch eine angestrebte und auch praktizierte totale Abstinenz für sinnvoll. Wie oben schon geschrieben, sollten das eher Jahre sein. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, Du und ich, das wir im Grunde priviligiert sind. Du bist den klassischen Weg gegangen, der bei Dir zum Erfolg geführt hat. Diesen Weg habe ich auch mehrfach versucht zu gehen und bin gescheitert. Ich habe acht Wochen in der Akutpsychatrie (damit ist nicht "geschützt" gemeint) verbracht. Vollgepumpt mit Diazepam, das leider nicht die gewünschte Wirkung zeigte. Wenn es ganz schlimm wurde, durfte ich auch mal Tavor schlucken. Wirkung =0. Es schloß sich dann noch eine weitere Therapie über mehrere Wochen an. In dieser Zeit wurde dreimal (!) die gesamte Medikation geändert. Ich wurde dann mit dem warmen Rat, doch eine Selbsthilfegruppe zu besuchen, nach Hause geschickt. Adressen wurden mir ausgehändigt. Aus diesem Grund ist es für mich durchaus ethisch/moralisch vertretbar, meine Genesung mit Hilfe eines unkonventionellen Weges voranzutreiben der dann auch zum Erfolg geführt hat. Klassisch, kontolliertes Trinken, Medikamente oder Katzendreck, egal. Wer heilt hat recht.

Chinaski hat geschrieben:Viele chronisch Kranke nehmen täglich Tabletten um ihren Tag zu bewältigen.
Da kräht kein Hahn danach!
Nur wir Suchtkrüppel sollen bitteschön leiden und den steinigen weg zum Gipfel nehmen während alle anderen mit der Seilbahn fahren.


Absolut. Es gibt rund 15.000 Alkoholtote im Jahr in Deutschland. Ich muss jetzt mal Wiki bemühen.

Wikipedia hat geschrieben: Etwa 15 Prozent schaffen es, langfristig abstinent zu bleiben, während bis zu 85 Prozent aller nur entgifteten alkoholabhängigen Patienten rückfällig werden.


So richtig handfeste Zahlen, wie es nach einer weitergehenden klassischen Behandlung aussieht, habe ich auf Anhieb nicht gefunden. Es schwirrt iwo was von 70% Rückfallquote herum. Obwohl der Begriff "Rückfall" auch sehr dehnbar und verschieden interpretiert wird. Zeit für was Neues?

LG
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 23. März 2017, 10:24

Alles gut.

Ziel war – und dabei bleibe ich – das Trinken von Alkohol kontrollieren zu können, trinken zu können wenn es gewollt ist und aufhören zu können, wenn es gewollt ist. Wer das mit Baclofen ein Leben lang durchhält – Hut ab. Allein ich glaube nicht daran, dass das gut geht.

Ich war 4 Mal – glaube ich – jeweils für 2 – 3 Wochen zur Entgiftung, dort hab ich außer Distra nichts bekommen und das war auch gut so. Was die Entgiftungen für mich gebracht ha-ben, waren paar Wochen ohne Alk – auch nicht schlecht. Das waren aber noch Zeiten, in denen ich nur mit dem Saufen aufhören wollte, wenn ich paar Flaschen Schnaps intus hatte. Da tat ich mir dann immer besonders leid und es war so schön, wenn sich jemand um mich gekümmert hat. Wieder nüchtern und aus der Psychatrie raus, führte mein Weg nach Hause erst mal direkt und zielsicher in den nächsten Supermarkt um eine Flasche Schnaps zu kaufen. Jetzt ging mir‘s ja wieder gut. Und mal ehrlich, was hatte ich denn für Konsequenzen zu befürchten? Keine. Ich war allein und meine Co’s hatte ich im Griff, die erledigten doch alles für mich, alle Geldangelegenheiten, Miete, Strom, Ämter usw. Also konnte ich in Ruhe weiter saufen.

(Ach so, kurz noch mal zu den Entgiftungen: So wie ich mich dort benommen habe, so hat das Personal auch reagiert. Einmal hab ich in meinem Suff gedacht, dass ich dort „den Larry“ raushängen lassen muss und alle nur für mich zu rennen haben – die haben mich ganz schnell auf den Boden der Tatsachen runter geholt und ich hab nach etwas nachdenken um Entschuldigung gebeten. Es ist schon manchmal peinlich, was das Personal sich alles gefal-len soll, da war bei mir auch schon mal fremd schämen angesagt.)

Um des lieben Friedens willen machte ich die erste Langzeittherapie, in der ich mich schon nach paar Wochen wieder auf Zu Hause freute, um wieder saufen zu können.

Bei der zweiten LZT war das ähnlich aber immerhin sprangen jedes Mal 16 nüchterne Wochen dabei raus.

Klick hat es gemacht, nachdem ich im kalten Entzug Halluzinationen bekam. Das war eklig, hätte mit dem Tod enden können - das will ich nie wieder.

Nach ca. 2 Jahren Abstinenz kam mir der Gedanke, dass das doch vielleicht funktionieren könnte mit dem kontrollierten Trinken von Alkohol. Ich hab immer mal wieder überlegt und hab das dann aber wieder zur Seite gelegt, weil das irgendwie nach einer gewissen Zeit nicht mehr wichtig war. Und dann hab ich mich – wie geschrieben – gefragt was mir das Positives bringen würde, das Ergebnis kann nachgelesen werden.

Am Anfang hatte ich mal Schiss vor dem „nie wieder Alk“, jetzt vor dem „wieder Alk“. Und eine gehörige Portion Respekt hab ich vor Alk bekommen, der ist wahrscheinlich stärker als ich und da will ich es nicht auf einen erneuten Kampf ankommen lassen. Wahrscheinlich würde ich verlieren.

Und da komme ich wieder zu Baclofen. Das ist ja für mich alles nur hypothetisch, weil ich kein Baclofen nehme. Aber mit Baclofen würde ich wahrscheinlich irgendwann leichtsinnig werden oder überheblich – ich kenne mich und dann würden aus vlt. zwei Gläsern wieder zwei Flaschen werden – wie geschrieben, vielleicht.

Zu dem Rückfall „interpretieren“: Da gibt es nicht zu interpretieren. Nach einer nüchternen Zeit (Trinkpause) wieder Alk, egal in welcher Form, ist ein Rückfall.

Wobei eine Trinkpause nun nicht die Zeit ist, in der ich schlafe und Abstinenz nicht zwei Tage ohne Alk. Vegan lebst du nicht, wenn du mal zwei Tage nur Wodka trinkst.

Manchmal lese ich, dass jemand jeden Tag nur noch … was weiß ich wie viel … Alk trinkt und nun hofft, dass er keinen Rückfall baut. Was für einen Rückfall denn, frage ich mich da.

(Ich hoffe, dass ich nicht wieder Jemandem auf den Schlips getreten bin – alles nur meine persönliche Meinung bzw. meine Erfahrung mit und ohne Alk.)

MfG

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon APunkt » 23. März 2017, 12:21

Hallo zusammen!

Wenn ich an dieser Stelle mitdiskutieren darf: aus meiner ganz privaten Perspektive zwei Dinge. Einmal empfand ich es gerade zu Beginn der Baclofen-Therapie als ungemein entlastend, nicht sofort und zwingend die Abstinenz als alleiniges Ziel definieren zu müssen. Die Aussicht auf Abstinenz, die aber auf einem nicht unnötig steinigen Weg erreicht werden kann, war für mich der Hauptmotivator, a) eine Therapie meiner Abhängigkeit überhaupt zu starten und b) sie auch in schwierigen Phasen beizubehalten.

Ob dabei am Ende eine völlige Abstinenz steht oder ein normales, gesundes Trinkverhalten im medizinisch unbedenklichen Bereich, lasse ich jetzt mal bewusst offen, das kann und darf jede/r für sich entscheiden. Aber das ist der Punkt: das darf ich als Patient, als Betroffener, selbst mitentscheiden. Allein die Aussicht auf diese Entscheidungsfreiheit, die ich als Abhängiger ja genau nicht mehr habe, ist ein so großer emotionaler Wert dieser Therapie, dass das bereits ein Alleinstellungsmerkmal ist.

Und zum Zweiten: was ist vom Dogma der ewigen Abstinenz bzw. des sofortigen Rückfalls bei jedwedem Alkoholkonsum, unabhängig von Höhe, Frequenz, Dauer, Anlass… zu halten?
Wissenschaftlich haltbar ist diese Theorie nach meinem Kenntnisstand nicht. Es wird nicht umsonst im angloamerikanischen Sprachraum sehr sorgfältig unterschieden zwischen einem „relapse“, also einem echten Rückfall in abhängiges Verhalten, und einem „lapse“, also einem Ausrutscher, der eben genau nicht wieder zu abhängigem Trinkverhalten führt. Gäbe es die zwingende Folge des sofortigen Rückfalls, wie sie oft und gern von daran gutverdienenden Einrichtungen propagiert wird, wäre ein „lapse“ schon biochemisch gar nicht möglich, ebenso wenig eine untherapierte Remission. Beides sind aber Lebenswirklichkeiten, die meiner Ansicht nach kaum wegzudiskutieren sein dürften.
Welche der Wahlmöglichkeiten – Abstinenz mit oder ohne Medikament oder auch Rückkehr zu medizinisch unbedenklichem Konsum mit oder ohne Medikament – nun für den einzelnen Betroffenen die beste Alternative darstellt? Das herauszufinden ist eine Aufgabe für jeden einzelnen Betroffenen und seine behandelnden Ärzte und Therapeuten, nichts für eine wie immer geartete und vermutlich in allen Fällen unhaltbare Verallgemeinerung.

Viele Grüße

A.
"Everyone wants to be Cary Grant. Even I want to be Cary Grant." (Cary Grant)

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Lucidare » 23. März 2017, 15:20

Hi PB,

Purzelbaum hat geschrieben:Am Anfang hatte ich mal Schiss vor dem „nie wieder Alk“, jetzt vor dem „wieder Alk“. Und eine gehörige Portion Respekt hab ich vor Alk bekommen, der ist wahrscheinlich stärker als ich und da will ich es nicht auf einen erneuten Kampf ankommen lassen. Wahrscheinlich würde ich verlieren.


Sicher eine durchaus gesunde Einstellung. Genau diese hat mich neulich vor Gröberem bewahrt.

Purzelbaum hat geschrieben:Manchmal lese ich, dass jemand jeden Tag nur noch … was weiß ich wie viel … Alk trinkt und nun hofft, dass er keinen Rückfall baut. Was für einen Rückfall denn, frage ich mich da.


Vielleicht muss man da gedanklich unterscheiden. Ich muss dann (Oh Gott [mocking]) nochmal von mir berichten. Ich habe zeitlebens unter einer sozialen Phobie gelitten. Wenn diese nach "innen" gerichtet gewesen wäre, hätte ich damit wahrscheinlich leben können, allerdings machte sich diese durch das Zittern der rechten Hand bemerkbar. Je nach Stresspegel erst rechts und wenn es dumm gelaufen ist, links gleich mit. Das folgte auch einer Logik. Je weniger vertraut die Personen für mich waren, je stärker der Tremor. Das führte dazu, dass Essen und Trinken in Anwesenheit anderer Leutchen zum Horror wurde. Es ist nicht so, dass ich dagegen nichts unternommen habe. Leider war man vor 25 oder 30 Jahren im Bereich der psychischen Erkrankungen noch nicht so weit. Ich habe ein Jahr nichts getrunken, der Tremor könnte ja alkoholbedingt sein. Ich habe Notfallpillen bekommen, eine Verhaltenstherapie gemacht usw.. Es ging nicht weg. Außer, ich habe ein bisschen vorgeglüht.

Ich habe mal im Archiv gekramt:

WilloTse hat geschrieben: [...] Zum Einen hat Alkohol für mich keine (mutwillig) selbstzerstörerische Komponente. Im Gegenteil. Ich habe mich im Grunde zeitlebens für mich selbst geschämt. Für meine Herkunft, meine Familie, meine Klamotten, meine Zeugnisse, meinen beruflichen Werdegang, meine Entscheidungen, für alles.

Ab 0,6‰ war das kein Thema mehr, da wurde die Brust was breiter, der Rücken was gerader und ich konnte alles das, was ich bin und was mich ausmacht, von "unmöglich" zu "ungewöhnlich" transformieren. Und das sogar verkaufen; ich war nicht schlecht, so ab 0,6‰.
Insofern hat Alkohol für mich eher eine selbst(wert)erhaltende denn eine selbstzerstörerische Funktion gehabt.


(Hi Willo, falls Du hier noch lesen solltest, liebe Grüße. Ich habe neulich erst an Dich gedacht, von wegen Deja vu und so.)

Es ergibt sich hierdurch eine gewisse Konditionierung. Diese Verhaltensweise kann als unüberbrückbare Hürde erscheinen. Es erscheint der Eindruck, das Einzige was hilft, aufgeben zu müssen. Wenn jetzt der "Big Bang" nicht gelingt, warum soll ich es nicht migrierend versuchen (dürfen)?

Und da komme ich wieder zu Baclofen. Das ist ja für mich alles nur hypothetisch, weil ich kein Baclofen nehme. Aber mit Baclofen würde ich wahrscheinlich irgendwann leichtsinnig werden oder überheblich – ich kenne mich und dann würden aus vlt. zwei Gläsern wieder zwei Flaschen werden – wie geschrieben, vielleicht.


Ja, gebe ich Dir auch recht. Das Risiko, das Schicksal herauszufordern sehe ich auch. Es gibt Dir Keinereiner die Garantie, dass es immer wieder funktioniert. Mit Baclofen und auch ohne. Ich habe mal darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn Baclofen in Deutschland tatsächlich zugelassen wird. Ob da nicht Einige denken würden, is ja nicht so schlimm ich kann ja...

Zu dem Rückfall „interpretieren“: Da gibt es nicht zu interpretieren. Nach einer nüchternen Zeit (Trinkpause) wieder Alk, egal in welcher Form, ist ein Rückfall.


Da muss ich Dir leider wieder widersprechen. Allein Wiki kennt fünf davon. Von der Weinbrandbohne bis 7 Tage Menge blablabla.. ist alles dabei. Sorry, habe ich mir nicht ausgedacht. [unknown] Am interessantesten ist der "trockene Rückfall". Lieber trockener Alkoholiker, wenn Du mal schlechte Laune hast, es könnte ein trockener Rückfall sein. [cool]

LG

P.S.: Wenn Du jetzt im Sommer jemanden vor einem Kaffee sitzen siehst, mit einer Kaffeetasse in der Hand und diese betrachtend, mit glänzenden Augen und breit grinsend, so leicht grenzdebil, das bin dann ich.
Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen. Ronja von Rönne

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon laggard » 23. März 2017, 20:30

Hallo zusammen
Hallo APunkt
APunkt hat geschrieben:Wenn ich an dieser Stelle mitdiskutieren darf: aus meiner ganz privaten Perspektive zwei Dinge. Einmal empfand ich es gerade zu Beginn der Baclofen-Therapie als ungemein entlastend, nicht sofort und zwingend die Abstinenz als alleiniges Ziel definieren zu müssen. Die Aussicht auf Abstinenz, die aber auf einem nicht unnötig steinigen Weg erreicht werden kann, war für mich der Hauptmotivator, a) eine Therapie meiner Abhängigkeit überhaupt zu starten und b) sie auch in schwierigen Phasen beizubehalten.
.


Besser kann man es nicht ausdrücken doppd
Auch für mich war die Zwanglosigkeit ein Grund, mit Baclofen anzufangen
Was hab/hatte ich schon zu verlieren ?
Das ein Medikament , welches den Trinkdruck unterdrückt,auch Nebenwirkungen hat ,dürfte auch klar sein.Ebenso gehört eine gewisse Anfangseuphorie dazu (sorry an alle Starter) , aber auch ein "Da muss du durch "
Es geht halt nicht ohne .

Aber
Erst mit Bac durfte ich erfahren , wie schön es ist ,Abends nüchtern sein zu dürfen.
Erst mit Bac gehe ich wieder ohne Angst durch die Welt
Erst mit Bac habe ich den Abstand zum Alk/lerne um /lerne mich kennen /bin stolz auf mich

Ob ich mein jetztiges Trinkverhalten beibehalte/halten kann ,steht da auf einem ganz anderem Blatt
Ich bin noch lange nicht angekommen ....wo auch immer

V G

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon laggard » 23. März 2017, 20:42

Lucidare hat geschrieben:
WilloTse hat geschrieben: [...] Zum Einen hat Alkohol für mich keine (mutwillig) selbstzerstörerische Komponente. Im Gegenteil. Ich habe mich im Grunde zeitlebens für mich selbst geschämt. Für meine Herkunft, meine Familie, meine Klamotten, meine Zeugnisse, meinen beruflichen Werdegang, meine Entscheidungen, für alles.

Ab 0,6‰ war das kein Thema mehr, da wurde die Brust was breiter, der Rücken was gerader und ich konnte alles das, was ich bin und was mich ausmacht, von "unmöglich" zu "ungewöhnlich" transformieren. Und das sogar verkaufen; ich war nicht schlecht, so ab 0,6‰.
Insofern hat Alkohol für mich eher eine selbst(wert)erhaltende denn eine selbstzerstörerische Funktion gehabt.


(Hi Willo, falls Du hier noch lesen solltest, liebe Grüße. Ich habe neulich erst an Dich gedacht, von wegen Deja vu und so.)

Es ergibt sich hierdurch eine gewisse Konditionierung. Diese Verhaltensweise kann als unüberbrückbare Hürde erscheinen. Es erscheint der Eindruck, das Einzige was hilft, aufgeben zu müssen. Wenn jetzt der "Big Bang" nicht gelingt, warum soll ich es nicht migrierend versuchen (dürfen)?

Hallo Lucidare [hi_bye]
volle Zustimmung

Ich habe übrigens auch mal das Archiv nach dieser Diskussion abgesucht
Toller Threat
Alleine die immer wiederkehrende Diskussion zum Thema "Ganz Abstinent/Moderat /oder was auch immer"auf beiden Foren zeigt doch schon , wie wichtig diese Thema ist
Und kann viele Abhängige dazu bringen mit Bac anzufangen

VG

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 24. März 2017, 07:27

Moin, erst mal zum Rückfall:

Ich hab nicht geschrieben, dass meine Definition des Rückfalls allgemeingültig sein soll. Das ist eben mein Standpunkt zum Rückfall. Es ist doch so, dass jeder mit seiner Variante klar kommen sollte und wenn das für den einzelnen mit seiner Variante funktioniert – warum nicht. Hauptsache glücklich dabei und vielleicht irgendwann mal trocken.

Wichtig ist – finde ich -, dass dann aber auch bemerkt wird, wenn irgendwas wieder „aus dem Ruder läuft“. Wenn der Zeitpunkt verpasst wurde, ist es natürlich viel schwerer sich Hilfe zu holen.

Ich denke auch manchmal, was wissen die Wissenschaftler (Theoretiker) denn von Rückfall und vom Saufen überhaupt. Die können viel forschen und schreiben aber die Experten sind wir.


Nein, ich wollte nicht aber ich mach‘s nun doch:

Moin Bine,

du bist genau der Mensch, mit dem ich zu Beginn der Abstinenz nicht hätte am Tisch sitzen wollen. Warum? Bei dem Gedanken an Alkohol hättest du nicht gesagt: Trink keinen Alk, du hast nun schon so und so lange durchgehalten, versau dir das nicht, rede lieber mit mir darüber oder mit wem auch immer… Nein, du hättest gesagt: Trink ruhig ein Glas, ist nicht so schlimm, abstinent kannst du später immer noch werden.

Und warum hättest du das gesagt, weil du nicht allein mit einem Glas in der Hand hättest da sitzen wollen, weil du dir da blöd vorgekommen wärst. Das ist bei anderen Sachen genau so, da wird jemand von dir nicht dafür gelobt, dass er eine Sache durchzieht obwohl sie ihm offensichtlich Schwierigkeiten bereitet, nein, da gibst du den Rat doch aufzuhören oder es ganz sein zu lassen wenn es schwierig wird. Wenn’s schwer wird aufhören, aufgeben das sind deine Ratschläge. Gut, du machst das vielleicht so. Das kann‘s doch aber nicht sein.

Vor jedem der hier oder wo auch immer der den Mut aufbringt ob mit oder Baclofen mit dem Saufen aufzuhören, ziehe ich den Hut. Und für jeden, wünsch ich mir, dass er es schafft ganz vom Alk los zu kommen, deswegen „trommel“ ich und nicht weil ich wieder saufen will.

Ich finde das gut, dass es hier einige gibt, die mit Hilfe von Baclofen ihren Alk - Konsum weit herunter „schrauben“ konnten und nun ihr Verhalten auswerten und das Ziel haben, es irgendwann bis zur Abstinenz zu schaffen. Das ist nicht einfach aber sie kämpfen und geben nicht gleich beim geringsten Widerstand auf. Und das nicht nur beim Trockenwerden.

Dass ich nicht (mehr) an das kontrollierte Trinken – mit oder ohne Baclofen – glaube, das ist meine Sache.

Ich finde, dass es helfen kann, zu sehen, dass es auch abstinent geht, sehr gut geht und da muss ich nicht auch noch in jedem zweiten Beitrag schreiben, dass weiter saufen nichts macht, das machst du ja schon.

Interessant auch, dass ausgerechnet du immer wieder irgendwas von „auf den Schlips getreten“ schreibst.

(Und auch sonst ist das hier wie beim Fernsehprogramm: Wenn dir eine Sendung nicht gefällt, musst du sie nicht ansehen. Von meiner Seite her keine Diskussion mehr über das oben geschriebene.)

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Lucidare » 24. März 2017, 08:33

Hi PB,

Purzelbaum hat geschrieben:Wichtig ist – finde ich -, dass dann aber auch bemerkt wird, wenn irgendwas wieder „aus dem Ruder läuft“. Wenn der Zeitpunkt verpasst wurde, ist es natürlich viel schwerer sich Hilfe zu holen.


Absolut richtig. good

Und auch sonst ist das hier wie beim Fernsehprogramm: Wenn dir eine Sendung nicht gefällt, musst du sie nicht ansehen. Von meiner Seite her keine Diskussion mehr über das oben geschriebene.


Ob das was nützt? Duck und wech... [crazy_pilot]

LG
Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen. Ronja von Rönne


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