Selbsteinsicht

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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Monni
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Selbsteinsicht

Beitragvon Monni » 22. August 2016, 13:36

Hallo zusammen,
ich bin 37 Jahre alt und muss mir selbst eingestehen, dass mein Alkoholkonsum in den letzten Jahren über ein gesundes Maß hinausgeht. Ich trinke (glücklicherweise!) auf den Wunsch meiner Freundin, drei Tage in der Woche keinen Alkohol (Mo,Di und Mi), was ich seit etwa 2,5 Jahre mache. Dieser drei tägige Verzicht auf Alkohol fällt mir äußerst scher, da sich die Gedanken konstant auf den Donnerstag fokussieren. Sobald der Feierabend am Donnerstag eingetreten ist, schaffe ich mir Erleichterung indem ich mich mit 2-4 Flaschen Bier belohne. Freitag, Samstag und meistens auch am Sonntag trinke ich dann regelmäßig Alkohol. Die Menge schwankt und ich schieße mich auch nicht wirklich ab, aber ich sehe schon zu, dass ich ein gewisses Wohlfühllevel erreiche und auch halte. Dazu gehört auch, dass ein oder andere Bierchen heimlich zu trinken, da meine Alkoholverträglichkeit mittlerweile konstant steigt. Im Schnitt würde ich sagen, dass ich pro Woche etwas mehr als eine halbe Kiste Bier trinke. Mir macht das mittlerweile richtig sorgen, da ich das Gefühl habe, konstant von einer inneren Unruhe begleitet zu sein. Ich war vor ungefähr 1,5 Jahren bei meinem Hausarzt und habe über eine ständige innere Unruhe geklagt und ich nicht wüsste und mir auch nicht erklären kann, wo dieses herkommt. Es fühlt sich an, als ob ich um meine Herzgegend ein schweres Eisengewicht bei jeden Atemzug mit Auf,- und Ab,- Bewegen muss. Meine Hausärztin meinte, dieses würde vom Stress kommt und hat mich zum Kardiologen überwiesen. Die Test´s haben ergeben, dass ich Topfit bin und in einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung. Ich solle halt nur schauen, mich nicht zu sehr zu stressen. Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich von meiner erhöhten Alkoholkonsum nicht gesprochen habe, da ich Angst habe, mich Ihr ggü. aus unterschiedlichen Gründen (Eltern, seit Kind dort etc.) zu outen. Bei der PlusMinus Reportage wurde ich auf dieses Mittel Baclofen aufmerksam und bin dann auf dieses Forum gestoßen. Bin nun seit mehreren Tagen in diesem Forum die unterschiedlichsten Beiträge am lesen und habe mittlerweile die Vermutung, dass es sich bei meinem Phänomen mit der Unruhe und Herzrasen (ohne übermäßigen Stress von außen) und dieses crawing handelt. Ich habe das Gefühl, ich komme gar nicht mehr zur Ruhe und mein Herz mit den zwanghaften Gedanken geben Vollgas. Ich muss dazu sagen, dass ich in der Vergangenheit auch Erfahrungen mit Kokain gesammelt habe, was sich aber auf wenige mal pro Jahr beschränkt. Mein Suchtgedächtnis hat dieses aber entsprechend abgespeichert.

Ich würde auch gerne erfahren, welche Arzt in meiner Region sich darauf spezialisiert hat, und werde Herr DonQuixote privat anschreiben. Zusätzlich habe würde mich interessieren, ob man die Einnahme von Baclofen verheimlichen kann oder würdet ihr empfehlen, hier mit offenen Karten zu spielen? Habe halt Sorge (wie so viele anderen auch) mich zu outen. Wie lange dauert die Behandlung mit Baclofen ungefähr und wie schaut es mit anderen Alternativen aus?

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Papfl
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Re: Selbsteinsicht

Beitragvon Papfl » 22. August 2016, 14:18

Hallo Monni!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] ! Schön, dass Du da bist [smile] .

Monni hat geschrieben:Bin nun seit mehreren Tagen in diesem Forum die unterschiedlichsten Beiträge am lesen und habe mittlerweile die Vermutung, dass es sich bei meinem Phänomen mit der Unruhe und Herzrasen (ohne übermäßigen Stress von außen) und dieses crawing handelt.

Da vermutest Du vollkommen richtig [good] . Viel besser, als Du das in Deinem Eingangsposting getan hast, kann man das typische "Craving" glaube ich gar nicht beschreiben.

Wenn Du magst, kannst Du mal einen Blick in dieses kurze Video von Dr. Anna Rose Childress werfen. Da kannst Du "Craving" sogar sehen (als fMRT visualisiert bei Kokainpatienten). Eine etwas längere Version des Videos findest hier in unserem YouTube-Kanal.

Wenn man sich das "Neuronenfeuerwerk" vor Augen hält, das da im Hirn herum spukt, ist es kein Wunder, dass sich Betroffene auf nichts anderes mehr konzentrieren können als ihr Suchtmittel.

Hier kann Baclofen helfen. Es ist zwar keine Wunderpille, die man schluckt und alles wird von alleine gut. Das Medikament kann aber die ständigen Gedanken an Alkohol und das unbändige Verlangen, das über kurz oder lang dazu führt, dass Betroffene wieder zur Flasche greifen MÜSSEN, eindämmen.

Baclofen schlägt einem das Glas also nicht aus der Hand, aber es kann Betroffenen die Entscheidungsfreiheit zurück geben: Im Idealfall MUSS man nicht mehr zwingend trinken, weil man gegen das Verlangen machtlos ist. Man KANN sich wieder frei entscheiden, ob man trinken möchte, oder ob man es lieber lässt. Stattdessen braucht es dann natürlich andere Alternativen, die einem das geben, was bislang der Alkohol geleistet hat. Belohnung, Entspannung, "Kicks", "Glücksgefühle", Hemmungslosigkeit, Ausschalten von Ängsten, etc...Alkohol kann viele Funktionen übernehmen.

Das ist dann die eigentliche "Arbeit an sich selbst", an der über kurz oder lang niemand vorbei kommt. Dafür kann Baclofen den Kopf frei machen - nicht mehr, aber auch nicht weniger [smile] .

Monni hat geschrieben:Zusätzlich habe würde mich interessieren, ob man die Einnahme von Baclofen verheimlichen kann oder würdet ihr empfehlen, hier mit offenen Karten zu spielen? Habe halt Sorge (wie so viele anderen auch) mich zu outen. Wie lange dauert die Behandlung mit Baclofen ungefähr und wie schaut es mit anderen Alternativen aus?

Wenn Du zu einem von uns vermittelten Arzt gehst, brauchst Du Deine Abhängigkeitserkrankung nicht verheimlichen. Unsere Ansprechpartner sind allesamt sucht- und baclofenerfahren und stehen selbstverständlich unter ärztlicher Schweigepflicht. Da kannst Du wirklich ganz offen sein.

Und wie Du das in Deinem Umfeld handhabst, bleibt ganz und gar Dir überlassen. Du nimmst halt im Idealfall morgens, mittags und abends Tablette(n). So wie bei Kopfweh, Allergien, zu hohem Blutdruck, etc.. Das Problem ist wahrscheinlich eher, wie Du Freunden und Bekannten erklärst, warum Du "auf einmal" nichts mehr trinkst. Damit stehst Du nicht alleine da [smile] . In diesem Thread gibt's einige Stellungnahmen dazu.

Zur Therapiedauer lässt sich schwer etwas sagen. Es braucht natürlich eine gewisse Zeit, bis sich die Biochemie wieder umgestellt resp. regeneriert hat. Die Erfahrung sagt, dass man die ideale persönliche Erhaltungsdosis mindestens 6 Monate, besser ein Jahr lang beibehalten sollte.

Danach kommt's drauf an: Manche schleichen das Medikament aus und testen, ob sie auch ohne klar kommen. Manchmal klappt das, manchmal nicht. Dann ist es aber auch kein Problem, man kann jederzeit wieder mit Baclofen - langsam aufdosiert - beginnen. Manche nehmen das Medikament nur noch im Bedarfsfall - also wenn sie merken, dass irgendetwas "triggert". Oft ist es auch so, dass man später mit einer geringeren Dosierung als der ursprünglichen Erhaltungsdosis auskommt. Das ist - wie so vieles bei der Baclofen-Therapie - sehr individuell.

Genau so wie die Frage, ob "kontrollierter" Alkoholkonsum nach einer gewissen abstinenten Baclofen-Zeit wieder möglich ist. Viele berichten davon, dass ihnen der Alkohol nicht mehr "wirklich" schmeckt...und lassen es dann einfach ganz oder trinken nur noch ab und zu bei besonderen Gelegenheiten ein "Gläschen" mit. Weit weniger schaffen es, ihren Konsum tatsächlich zu "kontrollieren" und trinken regelmäßig, können aber nach zwei oder drei Drinks problemlos aufhören.

Aber soweit bist Du ja noch nicht. Ein Schritt nach dem anderen [smile] . Du schreibst, Du hast @DonQuixote bereits mit einer Privaten Nachricht (PN) um einen Ansprechpartner in Deiner Umgebung gebeten? Dann wird er sich voraussichtlich gegen Abend mit den entsprechenden Infos bei Dir melden.

Näheres zum Thema Craving und der Wirkungsweise von Baclofen findest Du hier. Was die Baclofen-Therapie von der traditionellen Suchttherapie unterscheidet, wird hier erklärt.

Einen ersten Überblick rund um das Medikament bietet unsere Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick. Genaueres zur Dosierung und Therapie findest Du im Leitfaden für die Anwendung.

Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann. Und natürlich das Buch "Das Ende meiner Sucht" von Olivier Ameisen. Der Kardiologe Olivier Ameisen war selbst betroffen und hat Baclofen als Therapieoption bei Abhängigkeitserkrankungen (wieder)entdeckt. Das Buch ist spannend zu lesen! Du kannst die E-Book-Version des Buches auch kostenlos über dieses Forum "ausleihen".

Ich denke, dass Du mit Baclofen recht bald erste Erfolge erzielen könntest und die innere Unruhe spürbar nachlässt.

Einen guten Start wünscht
Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Selbsteinsicht

Beitragvon Monni » 22. August 2016, 15:13

Hallo PapFl, vielen Dank für Deine Antwort.
Ich werde mal schauen, was mir DonQuixote antwortet. Falls es sich um einen Arzt handelt, der zu weit von meinem Wohnort entfernt ist, werde ich mich an einen anderen Arzt mit einer entsprechenden Fachrichtung wenden. Ich freue mich über die Entscheidung hier geschrieben zu haben und finde es super, dass es dieses Forum zur Informationsgewinnung/ Informationsaustausch gibt!!

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Re: Selbsteinsicht

Beitragvon DonQuixote » 22. August 2016, 20:04

Hallo Monni

Und herzlich willkommen im Forum.

Monni hat geschrieben:Es fühlt sich an, als ob ich um meine Herzgegend ein schweres Eisengewicht bei jeden Atemzug mit Auf,- und Ab,- Bewegen muss. […] Die Test´s [beim Kardiologen] haben ergeben, dass ich Topfit bin und in einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung. Ich solle halt nur schauen, mich nicht zu sehr zu stressen.

Von außen und als quasi Ferndiagnose ist das natürlich schwer zu sagen, aber ein solches Symptom kann auch auf eine generelle Angststörung hinweisen. Vorteil: Baclofen hat auch ein gerüttelt Maß an angstlösenden Eigenschaften und könnte auch da Linderung verschaffen, ganz abgesehen von der der Bekämpfung des Cravings. Probieren geht über Studieren und deshalb:
Eine Mail mit Arztvorschlag ging soeben raus .../ [crazy_pilot] \...

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