Hallo und guten Abend

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Mondlicht
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Hallo und guten Abend

Beitragvon Mondlicht » 18. August 2016, 23:32

Mein Lebensgefährte war vor 12 Jahren zu einer Langzeittherapie, danach ein paar Jahre trocken. Vor gut 7 Jahren fing er an, unregelmäßig etwas (meist Bier im Stadion) zu trinken. Meist konnte er nach dem Wochenende wieder aufhören, aber etwa alle 1-1,5 Jahre brauchte er eine Entgiftung, um wieder runterzukommen. Jetzt ist er wieder reingerutscht, allerdings zum dritten Mal im letzten halben Jahr. Bis auf dieses "kleine" Problem alle paar Wochen bis Monate, dass ein Abend mit Bier (= kontrolliertes Trinken) schon gehen wird, kommt er eigentlich klar und trinkt nichts. Wenn ich ihn dann böse anschau oder was sag, passt es ihm nicht. Manchmal macht er mir Vorwürfe, dass ich/mein Verhalten/meine persönliche Situation dazu beitragen würde, dass er trinkt, weil er sich Gedanken/Sorgen meinetwegen machen würde. Auf der anderen Seite ist er wieder froh, dass ich da bin, wenn's ihm schlecht geht.

Diese Vorwürfe ärgern mich zwar, aber ich lass mich nicht für sein Verhalten verantwortlich machen. Das Problem war vor mir da. Dass es existiert, habe ich erst erfahren, als wir schon eine Weile zusammen waren. Ich weiß inzwischen, dass ich ihm nicht wirklich helfen kann, auch wenn mich jede Phase ziemlich mitnimmt. Einen geliebten Menschen leiden zu sehen, kann einen ganz schön fertig machen. Schwierig für mich ist, dass er, außer in betrunkenem Zustand, nicht über das Thema reden will. Auch gibt es für mich kaum ein Aufarbeiten oder mir einfach mal etwas von der Seele reden zu können. Seine Eltern wissen zwar, dass er Alkoholiker ist, sollen aber von einem Rückfall nichts mitbekommen, damit sie sich keine Sorgen/ihm keine Vorwürfe machen. Außer mit ihnen und behandelnden Ärzten habe ich noch nie mit jemandem über seinen Alkoholismus geredet. Mit ihm selbst darüber zu reden geht auch nicht, da er jedes Mal meint, wenn er wieder runter ist, dass das jetzt zwar passiert und doof war, aber damit auch erledigt sei, weil er jetzt wieder klar kommt.

Wir sind seit knapp sieben Jahre zusammen und haben nach unserem ersten gemeinsamen Jahr eine lebensbedrohliche Krankheit mit mehreren OPs bei meinem Lebensgefährten gemeinsam überstanden. Nachdem er fast gestorben war, war er ein paar Monate auf meine tägliche Hilfe angewiesen. Durch dieses Erlebte hatte sich rückblickend unsere Beziehung verändert. Zuvor waren wir auf einer Ebene, doch dann habe ich mehr nach ihm geschaut. Er war lange Zeit körperlich beeinträchtigt, fühlte sich unter Menschen unwohl. Darauf habe ich Rücksicht genommen, habe gar nicht erst vorgeschlagen, etwas zu tun, wenn ich dachte, dass etwas nicht geht oder schwierig für ihn ist. Unser gesellschaftliches Leben hat sich dadurch etwas reduziert. Während dieser Zeit hatte er das erste Mal einen richtigen Rückfall, bei dem er Hilfe und eine Entgiftung in der Klinik brauchte. Nachdem er fast gestorben war und dann noch zeitweilig auf Hilfe angewiesen, brauchte sein Kopf eine Auszeit. Normalerweise genießt er seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit, weshalb diese Zeit extrem schwer für ihn war.

Allerdings hat er beim Trinken ein schlechtes Gewissen und keinen Spaß. Wenn er betrunken ist, zeigt er sich einsichtig, dass das doch keine gute Idee war, wieder etwas zu trinken, möchte Hilfe und ist gleichzeitig beschämt und voll Selbstvorwürfen. Wenn es ihm wieder besser geht, glaubt er, dass er alles allein hinkriegt.

Jetzt trinkt er seit letzten Mittwochabend und kommt einfach nicht runter. Der Urlaub ist am Sonntag vorbei und Entgiften in der Klinik hieße wieder wochenlang ausfallen. Er dachte, er würde es alleine packen, aber es geht nicht. Er hat noch Job und Führerschein und fährt auch nicht betrunken.

Mit der Entgiftung im ZfP Weinsberg hat er keine guten Erfahrungen gemacht, aber leider sind die für ihn aufgrund des Einzugsbereichs zuständig.

Zufällig bin ich gestern Abend bei PlusMinus auf einen Bericht über Baclofen gestoßen, und Google hat mich hierher geführt.

So, das war jetzt viel Info, und ich bedanke mich schon mal im Vorfeld für Eure "Ohren" und Hilfe! [hi_bye]

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Papfl
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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Papfl » 19. August 2016, 07:49

Hallo Mondlicht!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] . Schön, dass Du da bist [smile] .

Zunächst mal ist es wichtig, dass Du und auch Dein Freund weiß(t), dass die Rückfälle nichts mit Willensschwäche oder fehlender Disziplin etc. zu tun haben. Schuld daran ist das sog. Craving. Unser Beitrag über Craving erklärt einiges und kann auch so manches Schuld-, Scham- und Versagensgefühl nehmen bzw. relativieren.

Aus dem Verhalten Deines Freundes - wie Du es beschreibst - lese ich auch ein Stück weit Verzweiflung raus. Dazu muss man vielleicht wissen, dass seine abstinenten Phasen mit sehr viel Kraft und Kampf verbunden sind, dem Alkohol zu widerstehen. Als Außenstehende(r) sieht man das manchmal nicht, aber eine so erzwungene Abstinenz hat ganz viel mit "Zähne zusammen beißen" zu tun und ist extrem kräftezehrend. Man gibt sich alle Mühe der Welt, strengt sich an, bringt unendlich viel Kraft und Willen auf, und verliert den Kampf dann doch immer wieder. Das ist nicht nur frustrierend, sondern weckt auch jede Menge Selbstzweifel: Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet ICH das nicht hinkriege. Nicht nur Angehörige und Freunde stehen oft kopfschüttelnd da und fragen sich: "Wieso?". Das geht auch den meisten Betroffenen so.

"Sucht" hat zwei Komponenten. Und das wird in der traditionellen Suchttherapie oft "vergessen":

  • Den "Trinkzwang" (physisches Craving), gegen den Betroffene nichts tun können, weil es sich dabei um biochemische Vorgänge handelt, die durch eigenes Zutun nicht beeinflussbar sind und
  • den "Trinkdrang" (psychisches Craving), oft ausgelöst aus Mangel an Alternativen zum Alkohol, um bestimmte Gemütszustände zu erreichen (Belohnung, Entspannung, "Kick", Hochgefühl, Hemmungs- oder Angstlosigkeit etc.). Hier können Betroffene selbst aktiv werden, indem sie sich beispielsweise andere Strategien suchen, um sich zu belohnen, sich zu entspannen, Ängste abzubauen etc.
    --> verhaltenstherapeutische Ansätze.

Bei ersterem (physisches Craving) kann Baclofen helfen: Durch den jahrelangen Alkoholkonsum ist die Biochemie aus dem Gleichgewicht geraten. Das "Hirn" hat bezüglich des Suchtmittels in gewisser Weise ein Eigenleben entwickelt, das man willentlich nicht mehr beeinflussen kannst. Ständig wiederkehrendes Gedankenkreisen um Alkohol ist die Folge, bis man sich irgendwann auf gar nichts anderes mehr konzentrieren kann und letztlich trinken MUSS.

Dagegen kann man einen Tag, eine Woche, vielleicht auch Monat(e) ankämpfen, aber irgendwann holt einen der "alte Freund" doch wieder ein. Ganz abgesehen davon, dass so ein ständiger Kampf um die Abstinenz auch nicht gerade das ist, was man sich unter angenehmem Leben für gemeinhin so vorstellt.

Durch die entspannende, hemmende Wirkung von Baclofen kann im Idealfall das physische Craving eingedämmt werden, d. h. man muss nicht mehr ständig an Alkohol denken und gewinnt ein Stück weit seine Entscheidungsfreiheit zurück:

Aus dem Trinkzwang "Ich MUSS jetzt unbedingt etwas trinken, koste es was es wolle" wird ein "Ich KÖNNTE jetzt etwas trinken, kann's aber auch lassen oder auf später verschieben."

Baclofen "schlägt einem also das Glas nicht aus der Hand", aber es hilft dabei, wieder eigene Entscheidungen zu treffen und nicht mehr "fremdbestimmt" zu sein. Das ist ein wichtiger erster Baustein auf dem Weg aus der Abhängigkeit. Wenn das Denken nicht mehr ständig vom Suchtmittel bestimmt ist, wird der Kopf frei, um Maßnahmen gegen die andere Komponente des Cravings - den "Trinkdrang" (psychisches Craving) zu entwickeln.

Die Idee, die hinter der Baclofen-Therapie steht, ist also

a) über die "Beruhigung" der GABA-B-Rezeptoren langfristig einen ausgeglichenen, entspannten, relaxten Zustand herzustellen, damit extreme Stress-Situationen, Spannungen, Ängste und Verstimmungen etc., die einen zur Flasche greifen lassen, gar nicht erst aufkommen und

b) das körperliche Verlangen nach Alkohol (physisches Craving) einzudämmen, um die zwanghafte Komponente des abhängigen Trinkens ein Stück weit auszuschalten.

Erfahrungsgemäß ist es - zumindest in der Anfangsphase - daher wichtig, möglichst einen gleichmäßigen Baclofenspiegel über den Tag verteilt aufzubauen (z. B. mit drei bis vier Einnahmezeitpunkten im Abstand von +/- 4 Stunden) und das Medikament dabei langsam in kleinen Schritten aufzudosieren. Wie man dabei am besten vorgeht, steht im Leitfaden für die Anwendung, der sich als gute Orientierungshilfe erwiesen hat.

Im Rahmen dieses Therapieplans kann man dann durchaus - wenn das Trinkverlangen plötzlich mal besonders stark sein sollte - eine "Notfallration" Baclofen (die Höhe ist abhängig von der jeweils aktuellen Tagesdosis) einnehmen, um das Trinkverlangen in akuten Situationen zusätzlich zu unterbinden.

Das als "kleiner" Exkurs zum theoretischen Hintergrund - auch, weil wir seit dem äußerst gelungenen doppd
"PlusMinus"-Beitrag sehr viele neue Mitleser haben, die über die Baclofen-Therapie noch relativ wenig wissen [smile]

Mondschein hat geschrieben:Jetzt trinkt er seit letzten Mittwochabend und kommt einfach nicht runter.

Wie viel trinkt er denn gerade pro Tag? Ich frage deshalb, weil der "kalte" Entzug besonders bei hohem Alkoholkonsum sehr gefährlich sein kann (mögliche Krampfanfälle, Delir). Hat er denn starke Entzugserscheinungen, wenn er sich selbst entgiftet? Je nach Stärke des Entzugssyndroms wäre eine professionelle stationäre Entgiftung nämlich unumgänglich. Die muss übrigens nicht Wochen dauern, in einem normalen Krankenhaus geht das mitunter auch in 5-7 Tagen.

Es gibt diese Kurzfassung des CIWA-Ar (Clinical Institute Withdrawal Assessement), mit der man die Schwere von Entzugserscheinungen in etwa einordnen kann. Vielleicht könnt Ihr Euch daran orientieren.

Bei leichten bis mittelschweren Fällen kann man auch mit Baclofen entgiften (das Medikament hat sich da als gleichwertig mit Diazepam erwiesen). Wenn das Entzugssyndrom schwer ist, sollte man sicherheitshalber besser in eine Klinik gehen.

Vielleicht kannst Du (oder Dein Freund selbst?) zunächst ein paar Angaben zum aktuellen Alkoholkonsum machen. Das wäre mal ein erster Schritt. Dann können wir gemeinsam überlegen, wie's am besten weitergehen könnte...

Bis denne!

Papfl
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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Mondlicht » 19. August 2016, 09:53

Hallo Papfl,
Danke für Deine Antwort.

Natürlich weiß ich, dass er in seiner Sucht nicht anders kann. Ich bin ein sehr verständnisvoller und geduldiger Mensch und immer für ihn da, nur manchmal (und dann ist schon viel passiert, was ich weggesteckt hab) ist halt auch mein Kanal voll und ich bin ein wenig grummelig. Das war jetzt letzte Nacht so, was vielleicht in meinem Text etwas durchkommt. Auch wenn das für einen Außenstehenden etwas irritierend klingt, um meine Wünsche/Bedürfnisse geht es seit längerer Zeit kaum in unserer Partnerschaft und das frustriert auf Dauer auch die sanfteste Seele, wenn man im Gegenzug aber ständig kritisiert wird und auf jeden Furz hingewiesen und Streit/Diskussionen vom Zaun gebrochen werden. Ich akzeptiere seine Schwächen und weiß, dass ich nichts ändern kann, und mein Sohn (mit Asperger) hat nun mal auch seine resistenten Punkte. Da hilft alles Erziehen nichts, auch wenn mein LG der Meinung ist, dass er doch alt genug oder intelligent genug sei, etwas zu kapieren. Mein LG kann anderen nicht zugestehen, was er selbst, wenn auch manches unbewusst, ständig einfordert. Dann müsste ich ja im Gegenzug argumentieren, dass mein LG auch alt und clever genug sei, das mit dem Alkohol besser zu wissen. Das zermürbt einfach manchmal. Klar hab ich auch meine Schwächen und wunden Punkte und Muster, aus denen ich nicht raus kann, aber die darf ich auch haben. Die hat schließlich jeder und lebt damit.

Nochmal zu den Umständen bei uns: Ich trinke so gut wie nie Alkohol, vertrag dadurch auch nicht viel, bekomme von einem Glas Wein schon schwere Beine und spüre eindeutig, dass meine körperlichen Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Seit ich sein Problem kenne, gibt es für mich fast nix mehr und zuhause gleich gar nicht. Ich hätte ein schlechtes Gewissen und möchte es ihm nicht unnötig schwer machen.

Er trinkt seit Teenagerzeiten, was etwa 35 Jahren entspricht. Bis zu seiner Langzeittherapie vor 12 Jahren gab es wohl eine längere Zeit sprich mehrere Jahre, in denen er (fast) täglich getrunken hat.

Bei früheren Rückfällen war es eine Mischung von Bier, Wein, Sekt und Jägermeister, mit einer Verschiebung zu Hochprozentigem, je länger die Phase dauerte.

Seit knapp zwei Jahren trinkt er nur noch Bier, was sich nach den ersten zwei Tagen meist bei 5-6 Litern einpendelt, wie auch jetzt. In erster Linie machen ihm seine Gedanken zu schaffen, die sich durch den Alkohol beruhigen/abschalten lassen. Wenn er weiter reduziert, kommt ein Zittern dazu, was sich in Schüben zeigt. Außerdem schlägt er sich ab und an gegen den Kopf, weil er sich über seine eigene Dummheit und Schwäche aufregt.

Selbst schreiben kann/mag er nicht. Das fällt ihm schon schwer am Tablett, wenn er nüchtern ist. Aber er möchte meine Hilfe und meint, ich würde die Situation gut auf den Punkt bringen und könnte es gut ausdrücken. Wenn er trinkt, fällt es ihm auch leichter, über seine Verletzlichkeit zu reden, über das, was in ihm vorgeht. Er redet über Erlebtes bis in die Kindheit zurück, als er unter einer Art Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit litt, dadurch nicht selbst gelernt hätte, lieben zu können. Das liebevolle Miteinander, das ich mit meinem Sohn lebe und auch ihm entgegenbringe, kann er nicht richtig verarbeiten und erwidern. Das ist dann wieder ein Kummer, der ihn zum Weinen bringt.
Schon in seiner Kindheit hat er auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Grenzen, diese immer wieder ausgetestet, was auch im Erwachsenenalter wohl zu Situationen geführt hat, die er jetzt im Nachhinein zum Teil bedauert. Früher hat der Alkohol diese abgedeckelt, die Gedanken betäubt. Jetzt kommen diese Gedanken im Alkohol hoch, vor allem beim Nüchternwerden.

Die Entgiftung in Weinsberg hilft ihm dabei leider nicht. Er fühlt sich dort mit diesen Gedanken allein gelassen. Wenn er doch mal offen mit Ärzten redet, hat er das Gefühl, dass ihm daraus wieder ein Strick gedreht wird. Er hat dort kein Vertrauen.

Wegen eines Arztes von der Liste habe ich bereits DonQuixote angeschrieben, aber noch keine Vorschläge bekommen.

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Papfl
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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Papfl » 19. August 2016, 10:20

Hallo Mondlicht!

Mondlicht hat geschrieben: Ich bin ein sehr verständnisvoller und geduldiger Mensch und immer für ihn da, nur manchmal (und dann ist schon viel passiert, was ich weggesteckt hab) ist halt auch mein Kanal voll und ich bin ein wenig grummelig. Das war jetzt letzte Nacht so, was vielleicht in meinem Text etwas durchkommt.

Ich wollte Dich keinesfalls kritisieren...sorry, wenn das so rüber gekommen sein sollte [pardon] . Im Gegenteil, ich hatte eher ein bisschen Angst um Dich :wink: : Du als "Angehörige" bist ja in gewisser Weise auch gefährdet, in eine Co-Abhängigkeit rein zu geraten. Bei aller Fürsorge kann es schnell passieren, dass man selbst auf der Strecke bleibt. Manchmal ist es schwer, die richtige Balance zu finden zwischen Unterstützung (für Deinen Lebensgefährten) und Belastung (für Dich). Wenn Du merkst, dass Dir das alles zu viel wird, ist es Dein gutes Recht, auf Distanz zu gehen. Zu Deinem eigenen Schutz.

GoldenTulip in diesem Zusammenhang hat geschrieben:Tja, was kann helfen.
Liebevoll bezogen zu bleiben, und sich gleichsam konsequent auf sich selbst zu beziehen. Sich nicht in den Strudel zu begeben, und mit unterzugehen. Grenzen zu setzen, die einenen selbst schützen. Bis hier hin und nicht weiter. Als Fußabtreterin tust Du ihm keinen echten Dienst.
Ich bin beidseitig betroffen, als jemand, die trinkt, und habe gleichzeitig viele "Co-Anteile". Das hat mich gelehrt, in den nüchterneren Phasen des anderen Verabredungen zu treffen und ggf. auch aufzuschreiben, was verabredet worden ist. Das funktioniert in der Praxis ganz gut.
Bei Alkoholikern ist ja nicht das Problem, dass ihre Bedürfnisse "falsch" sind, sondern dass die Umsetzung oftmals nicht gut gelingt. Kommt dann diese scheußliche Lamoryanz (Ich bin das ärmste Wesen der Welt) dazu, wird es anstrengend - das killt dann auch die größte Liebe.
Mich nervt am meisten, wenn mein Gegenüber keine Verantwortung mehr für seine Handlungen/ Äußerungen zu übernehmen gewillt ist.
Er schimpft an Dir rum? Dann geh raus eine Runde um den Block. Denn wenn er es schafft, durch solches Verhalten Deine Aufmerksamkeit zu kriegen, wird er es wieder tun. Clickertraining unter Menschen, sozusagen. Belohne ihn dafür nicht mit Streit - das wirkt wie ein Verhaltensverstärker...

Dass Du @DonQuixote bereits wegen einer Arztadresse kontaktiert hast, ist super [good] . Er wird sich voraussichtlich gegen Abend bei Dir melden, wir sind ja alle "nebenher" auch noch berufstätig [mocking] .

Wenn eine weitere Entgiftung partout nicht in Frage kommt, wäre folgendes Szenario eventuell denkbar:

"So viel Alkohol wie nötig, so wenig wie möglich" - also Dein Lebensgefährte sollte jetzt nicht abrupt aufhören zu trinken, sondern - wenn möglich - einigermaßen darauf achten, dass es "im Rahmen" bleibt. Gut wäre KEIN Schnaps, vielleicht zwischendurch auch mal Radler statt Bier. Sobald Ihr dann eine Arztadresse resp. Baclofen habt, könnt Ihr langsam in Anlehnung an den Leitfaden für die Anwendung bzw. die Dosierungstabellen hier im Forum mit dem Einschleichen von Baclofen beginnen. Ganz klasse wäre es, wenn dabei der Alkohol weiter reduziert werden könnte.

Da Baclofen und Alkohol vereinfacht gesagt biochemische Gegenspieler sind und sich gegenseitig antagonisieren ("neutralisieren"), dauert es bei gleichzeitigem Alkoholkonsum meist etwas länger, bis das Medikament seine volle Wirkung entfalten kann. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem die "Waagschale" Alkohol <--> Baclofen zugunsten von Baclofen "kippt", und man kann dann an der idealen persönlichen Erhaltungsdosis feilen.

Wichtig ist auch, nichts über den Zaun brechen zu wollen. Die Baclofen-Therapie erfordert mitunter ein bisschen Geduld. Aber die zahlt sich ja bekanntlich aus [smile] !

Einen guten Start wünscht
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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Mondlicht » 19. August 2016, 12:40

Hallo und Danke für Deine schnelle Antwort, Papfl!

Ich hatte mich nicht angegriffen gefühlt, wollte nur sicher gehn, nicht missverstanden zu werden.

Stimmt schon, ich komm zu kurz, und wenn was platzt, auf das ich mich gefreut hab - so wie jetzt am Wochenende - fällt meine Toleranz etwas geringer aus. Dann bin ich sauer und weiß nicht wohin damit, weil ich ihm ja keine Vorwürfe machen kann/will, weil er es nicht mit Absicht macht. Es gab einiges, das in den letzten Jahren ausfiel, weil er ausfiel. Von manchen Dingen weiß er nichts, weil ich etwas als Überraschung geplant hatte, einen Tisch reserviert, ein Hotelzimmer gebucht, schon Tickets für etwas besorgt hatte, das dann aber nicht ging. Um ihm nicht unnötig ein schlechtes Gewissen zu machen, sag ich dann gar nichts darüber. Wenn er von etwas weiß, hat er ein schlechtes Gewissen und fühlt sich schlecht und unfähig, was ja auch wieder nicht weiterhilft. Als Konsequenz plane ich inzwischen fast nichts mehr, was mir dann auch gern mal wieder vorgeworfen wird, dass ich mich nicht einbringen würde. Scheiß Teufelskreis, da ich es nie recht machen kann. Frustrierend [sad] Das Nicht-recht-machen-können, egal was ich tue, ist eh ein generelles Problem. Seine Unzufriedenheit mit sich selbst überträgt er auf mich, ebenso seine Zukunftsängste, wenn es ihm schlecht geht, was dann manchmal auch in einen Vorwurf an mich mündet, das ich mit ein Auslöser für sein Trinken sei. Auf der anderen Seite sagt er, ganz ernst gemeint, dass es ihn ohne mich schon nicht mehr gäbe, weil ich ihm Kraft gab, etwas durchzustehen, oder auf ihn aufgepasst hab.

Ich bin ein positiver Mensch, denke, dass es immer irgendwie weitergeht. Er schafft es manchmal, meine ganze Energie mit nur einer Bemerkung aus mir herauszusaugen. Vor allem, wenn ich etwas Tolles, Neues oder Ungewöhnliches erlebt habe und es mit ihm teilen möchte, ist das echt frustrierend.

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Papfl » 19. August 2016, 12:53

Hallo Mondlicht!

Umso wichtiger ist es für Euch BEIDE, endlich aus diesem "Teufelskreis" auszubrechen. So kann's ja irgendwie nicht weiter gehen, oder?

Baclofen kann dabei helfen. Aber wie weiter oben schon geschrieben: Die Pille allein macht's nicht. Dein Lebensgefährte muss seinen Teil dazu beitragen, damit das Ganze Früchte trägt.

Eines ist klar: Mit Dir an seiner Seite hat er bessere Voraussetzungen als andere hier, die die Baclofen-Therapie zum Teil ganz alleine auf sich gestellt durchziehen mussten. Und die haben's auch geschafft :-!? ! Warum sollte es also ausgerechnet bei Euch nicht funktionieren?

Alles Gute einstweilen und pass' auf Dich auf!

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Mondlicht » 19. August 2016, 15:28

Danke für die aufmunternden Worte!

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon DonQuixote » 19. August 2016, 20:36

Hallo Mondlicht

Eine Mail mit Arztvorschlag ging soeben raus.

DonQuixote .../ [crazy_pilot] \...

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Mondlicht » 22. August 2016, 19:20

Danke für die Arztadresse. Im Moment ist meinem Lebensgefährten allerdings die Fahrstrecke etwas zu weit.
Deshalb hab ich heute mit der freundlichen Sprechstundenhilfe unseres Hausarztes geredet. Bei den letzten beiden Rückfällen war dieser Arzt auch unsere Anlaufstelle und hatte gut reagiert. Alternativen Methoden ist er normalerweise sehr aufgeschlossen gegenüber. Jetzt haben wir morgen einen Termin bei ihm und sollen mal ein paar Internetausdrucke zu Baclofen mitbringen.

Hat jemand Tips, welche Artikel kurz und gut verständlich sind? Ist es sinnvoll, die Dosierungstabellen mitzunehmen?

Mir scheint dieser Artikel ganz gut zu sein:
https://dl.dropboxusercontent.com/u/594 ... harite.pdf

LG

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Papfl » 22. August 2016, 19:38

Hallo Mondlicht!

Die Übersichtsarbeit der Charité ist auf jeden Fall eine gute Wahl [good] .

Etwas aktueller wären noch die


Den englischen Originaltext der BACLAD-Studie schicke ich Euch gleich noch als PN zu. Der stammt ebenfalls von der Charité.

Eventuell könnt Ihr auch noch den Leitfaden für die Anwendung mitnehmen, aber man sollte den guten Mann auch nicht überfrachten [mocking] . Ihr könnt Euch das ja auch einteilen. Zwei Texte diesmal, zwei Texte beim nächsten Arztbesuch oder so.

Bezüglich "Überzeugungsarbeit beim Hausarzt" lohnt sich auch ein Blick in den Thread Kooperation statt Konfrontation.

Finde ich gut, dass Ihr das probieren wollt doppd !

Viel Glück!

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Mondlicht » 23. August 2016, 15:29

Hallo,
wir waren beim Hausarzt, der sich viel Zeit (fast ne Stunde) genommen hat, die ganze Problematik mit meinem LG zu besprechen und auch die Behandlung mit Baclofen. Er war aufgeschlossen, aber die bisherige Nichtzulassung bei Alkohol macht ihm etwas Sorge. Da wir den Leitfaden für die Behandlung dabei hatten, konnte mein LG die Zustimmungserklärung unterschreiben, was unserem Hausarzt die Verschreibung (ohne Rezept) erleichtert hat.
50 Tabletten á 10 mg sind auf dem Weg in unsere Apotheke, und er kann heute Abend mit der Einnahme beginnen. Nächsten Montag hat er einen Wiedervorstellungstermin und für diese Woche ist er erstmal krank geschrieben.

Jetzt hoffen wir mal, dass es funktioniert. Ich geb Wasserstandsmeldungen.

Schon mal Danke für Eure Hilfe!

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon Bine » 23. August 2016, 23:04

Hey,
das hört sich doch super an, ich bin auch stumpf zu meinem Hausarzt gegangen und der hat es mir auch verschrieben nach ein paar Fragen und einem Tag Zeit zum Googeln [schritte] . Und das fand ich spitze.
Und bei mir hat es gleich gewirkt, (ab 5mg 2xTag)
und ich wünsche euch nur gute Erfahrungen mit Baclofen.....
...... schlechte habe ich noch nicht gemacht.

Also viel Erfolg, es kann nur besser werden..... wird besser...
Für mich auf jeden Fall
Lieben Gruss an euch
Bine

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Re: Hallo und guten Abend

Beitragvon andi » 24. August 2016, 10:45

Bine hat geschrieben:...... schlechte habe ich noch nicht gemacht.
Bine


Die schlechte passieren, wenn man hochdosierte Baclofendosis hat und obendrein gut Alkohol reinkippt. (eigene Erfahrung)
Nicht nachmachen, bitte!


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