Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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gretikatz
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon gretikatz » 17. Februar 2016, 23:48

WilloTse hat geschrieben:Scheißtage haben alle anderen Menschen auch, sie gehen meist nur anders damit um als "wir".

Zur Bestätigung möchte ich da auf ein Statement von Prof. Dr. Ambros Uchtenhagen hinweisen, das ich in meinem Posting vom 7.6.14 erwähnt habe:
Sucht ist nur ein Spezialfall von einer falschen Reaktion in einer kritischen Situation.


WilloTse hat geschrieben:@Purzelbaum hat sein Zeug auf der Reihe, never touch a running system.

Dem kann ich nur von ganzem Herzen zustimmen!

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Purzelbaum
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 18. Februar 2016, 10:16

Noch mal was zu mir:

Na ja, gesoffen hab ich seit frühester Jugend. Erst Bier in der Disco, später in der Stammkneipe – erst 4 Große dann 14 große (halbe Liter). Später als familiäre Probleme aufkamen immer mehr Schnaps, weil der bei weniger Masse mehr drehte und so ’ne Schnapsflasche im Versteck bedeutend weniger Platz wegnahm als ein Kasten Bier. Nach der Scheidung in einer eigenen Wohnung und nach versoffener Selbständigkeit arbeitslos, war eh alles egal. Da musste ich nichts mehr versteckt werden, war keinem Menschen Rechenschaft darüber schuldig, wie viel oder wann ich saufe. Ich musste nur darauf achten, dass immer wenigstens eine halbe Flasche vorhanden war, um mich wenigstens für das Einkaufen zurecht saufen zu können. Die Öffnungszeiten und den richtigen Zeitpunkt zum Einkaufen durfte ich nicht verpassen, weil, wenn das Zittern einmal anfing, bekam ich keine Flasche Schnaps mehr ohne Hilfe aus dem Regal und kein Geld mehr auf’s Band an der Kasse. Deshalb stellte ich mir ständig irgendeinen Wecker, der mich im Notfall zur gegebenen Zeit weckte. Und so kam ich an vielen Tagen eben auf 4 Flaschen Weinbrand oder Wodka am Tag. Das ging so ca. ein Jahr, dann hatte ich irgendwann die Schnauze voll, packte meine Sachen und lieferte mich zur Entgiftung ein. Nach der Entgiftung (Es war die 1. und für eine Zeit von 11 Jahren die letzte.) habe ich eine LZT beantragt und auch relativ zeitnah eine bekommen. Danach bekam ich eine Umschulung und lebte ca. ein Jahr lang abstinent. Dann ging mir’s bei der Umschulung offensichtlich zu gut (Es lief alles „wie geschmiert“, ich hatte sehr gute Zensuren und so weiter.) und ich dachte, dass ich ja nun wenn eh alles gut ist auch mal wieder einen saufen könnte. Konnte ich. Nur mit dem Aufhören hat es nicht funktioniert. Also nach einer gewissen Zeit des totalen Absturzes kalter Entzug und nochmal eine LZT beantragt und auch bekommen und auch durchgezogen. Wieder Umschulung und dieses Ma durchgezogen, ja durchgezogen und trotzdem gesoffen. Ich konnte oder wollte oder wie auch immer nicht glauben, dass ausgerechnet ich nicht kontrolliert saufen kann. Ja das hat funktioniert mit Umschulung und saufen, immerhin so gut, dass ich mit dem Prüfungszeugnis (Prüfung vorm Oberverwaltungsgericht) eine Stelle im ÖD bekommen habe. Die Zeit war geprägt von kalten Entzügen, Lügen, Trinkpausen und eben allem, was zum Alkoholiker dazu gehört.

Ja und nun seit dem Absturz vor drei Jahren ist Ruhe. Die Halluzinationen während des kalten Entzuges und das Gespräch mit dem Arzt in der Klinik haben mir irgendwie den Rest gegeben. Ich hab nach dem Krankenhausaufenthalt noch ‘ne qualifizierte Entgiftung gemacht und seitdem ist Ruhe.

Was hab ich geändert?
Ich bin Egoist geworden. Als Erstes hab ich angefangen was für mein Selbstbewusstsein zu tun. Durch die Sauferei und die bei mir damit verbundene Faulheit, hatte ich so viel zugenommen, dass ich mich nicht mehr wohl fühlte. Also Ernährung umgestellt und mit Sport an-gefangen – wieder angefangen, denn in früheren Zeiten war ich sportlich mal sehr aktiv. Das ging problemlos, da durch die Sauferei bei mir zum Glück überhaupt keine gesundheitlichen Schäden entstanden sind – körperlich jedenfalls nicht. Als Nächstes, hab ich angefangen Nein zu sagen, auf Arbeit und Zu Hause. Das funktioniert, ich lass mir nicht mehr jeden Mist aufhalsen. Das was ich locker schaffe, das mach ich, alles andere muss eben verteilt werden und das funktioniert. Klar kostet das erst mal bissl Überwindung zu sagen, dass ich irgendwas ni schaffe aber das ist am Ende egal und das gibt sich mit der Zeit. Beim Nein sagen konnte ich auch bissl Selbstbewusstsein trainieren und das hilft dabei über Probleme zu reden (ganz wichtig) anstatt sie wegsaufen zu wollen. Wichtig war auch, dass ich Streitigkeiten mit meiner Ex geklärt (eben darüber geredet) – und mich um meine finanziellen Dinge gekümmert (auch wieder mit den Gläubigern geredet) habe. Das alles gab mir eine gewisse innere Ruhe.

Ich bin also doch relativ zufrieden und finde das abstinente Leben inzwischen klasse. Früher konnte ich mir zum Beispiel überhaupt nicht vorstellen, was ich mit der ganzen Zeit anfangen soll wenn ich nicht mehr saufe. Na ja, manchmal hab ich eben die Macke zu denken, wie es wäre wenn … Hm, geht ja aber offensichtlich nicht. Ich werd‘s überleben.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon andi » 19. Februar 2016, 09:27

Hallo Puzelbaum,

finde deine History sehr interessant. Zumal ich selbst immer wieder vor der Frage stehe, wie verhalte ich mich in Situationen: "schönes Wetter, alles gut - ein Kühles wäre 'perfekt'". Dank Baclofen verschwindet der Gedanke ziemlich schnell, aber wünschenswert wäre es, das eben der Gedanke ans das Kühle erst gar auftritt oder so ähnlich, Alternativen müssen her...

Weitere Diskussion erwünscht ....

lg
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 19. Februar 2016, 09:38

Ja gut, dank Baclofen verschwindet der Gedanke. Was wäre denn, wenn jemand ... was weiß ich ... vielleicht 5 oder 20 Jahre Baclofen nimmt, der Gedanke verschwindet und nach den 5 oder 20 Jahren denkt er, dass das alles ohne Baclofen funktioniert und setzt Baclofen ab. Was passiert dann mit den Gedanken?

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Papfl » 19. Februar 2016, 12:05

Hallo zusammen!

Meiner Meinung nach kann Baclofen ein nützliches Sprungbrett sein, um dem sprichwörtlichen Teufelskreis erstmal ein Stück weit zu entkommen. Die meisten kennen ja das bekannte Muster, das sich "vermeintlich" bewährt hat:

Bild

Geprägt ist das Ganze unter anderem durch eine Mischung aus bewährten Verhaltensweisen und vermeintlichen Lösungsstrategien (Auslöser für psychisches Craving (Trinkdrang)) und einer für Betroffene willentlich nicht beeinflussbaren Komponente auf der biochemischen Ebene (physisches Craving (Trinkzwang)). In der Grafik würde ich beides vereint im Punkt "Verlangen nach einem Mittel" verorten (s. dazu auch "Craving-Thread"). Wobei ich die Grafik jetzt auf die Schnelle nur exemplarisch ausgewählt habe, irgendwo müssten da sicherlich auch noch "Trigger" und "Erinnerungen" etc. rein.

Viele Rückfälle nach einer Therapie sind m. E. dem Umstand geschuldet, dass Betroffene - obwohl sie ungeheure Anstrengung darauf verwenden, nicht zu trinken - aufgrund des physischen Cravings wieder zur Flasche greifen. Die nützlichen "Werkzeuge", um dem psychischen Trinkverlangen entgegen zu steuern, hätten sie dank der Therapie parat. Aber gegen den Trinkzwang sind sie nahezu machtlos, weil es sich dabei um Prozesse im Stoffwechsel handelt, denen mit reinem Willen und Disziplin, Durchhaltevermögen und Kampf nur schwer beizukommen ist. Er äußert sich zum Beispiel in dem ständigen Denken an Alkohol, das den Blick auf andere Dinge kaum noch zulässt.

Durch seine entspannende, hemmende, beruhigende Wirkung kann Baclofen hier Abhilfe schaffen. Viele Patienten berichten, dass sie erst dank Baclofen in der Lage waren, all die nützlichen Strategien, alternativen Lösungsansätze, Entspannungsübungen etc., die sie in Therapien erlernt hatten, sinnvoll ein- und umzusetzen. Durch das Medikament kann ein Freiraum geschaffen werden, der die eigentliche Arbeit - nämlich die Bewältigung des psychischen Cravings - erst möglich macht.

Das sind die zwei Gleise, auf denen die Baclofen-Therapie aufbaut:

  • Re-Strukturierung der durch jahrelangen Alkoholkonsum veränderten Biochemie (physische Ebene), ca. 6 bis 12 Monate
  • Umsetzung psychotherapeutischer Methoden zur Problemlösung, alternative Belohnungsstrategien, Etablierung neuer Ziele, Hobbies, Aktivitäten etc. (psychische Ebene)
So kann es gelingen, den viel beschworenen Teufelskreis zu durchbrechen. Ich denke, gelegentliche Gedanken an Alkohol und die Erinnerung an schöne Momente damit wird man nie ganz ausblenden können (das vermag auch Baclofen nicht zu leisten). Aber wenn man genügend Erfahrungen gesammelt hat, die aufzeigen, dass das Leben auch ohne Alkohol durchaus lebenswert sein kann und dass Probleme auch ohne Alkohol "auszuhalten" und zu bewältigen sind, kann man diese Gedanken ganz gut "managen" (ähnlich wie @Purzelbaum das ja beschrieben hat).

Nicht umsonst gibt es das Bild vom "Alkohol als besten Freund". Es ist ein bisschen so, wie wenn man einen guten Freund (z. B. durch einen Unfall) verloren hat. Die Gedanken an ihn und die schönen Zeiten mit ihm werden nie ganz verblassen. Sie bleiben immer Teil der eigenen Lebensgeschichte. Aber der Schmerz über den Verlust lässt allmählich nach. Vorausgesetzt, man hat angemessene "Trauerarbeit" (resp. "Abstinenzarbeit") hinter sich.

Nach 6-12 Monaten, wenn sich die Biochemie ein bisschen regeneriert hat, probieren viele Patienten aus meinem Umfeld aus, ob sie künftig auch ohne Baclofen klarkommen. Manchen gelingt das problemlos, andere behalten ihre Erhaltungsdosis bei, fahren sie auf ein Minimum runter oder nutzen Baclofen nur noch als Bedarfsmedikament in "brenzligen" Situationen. Auch das ist dann wieder ganz individuell.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 23. Februar 2016, 10:15

Papfl hat in einem anderen Thread folgendes geschrieben:

„Das Medikament kann Dir Deine Entscheidungsfreiheit zurückgeben.

Du hast Dich zweimal ganz bewusst gegen Alkohol entschieden.“

Das ist doch aber keine Entscheidungsfreiheit, wenn die Entscheidung nur so getroffen werden konnte wie sie getroffen wurde, weil Baclofen eingenommen wurde. Entscheidungsfreiheit ist für mich, wenn ich ohne Baclofen entscheide keinen Alk zu trinken.

Es entsteht ja also doch irgendwie eine Abhängigkeit von Baclofen. Denn wenn ich mich ohne Baclofen nicht gegen Alkohol entscheiden kann, bedeudet das ja, dass ich wenn ich keinen Alk trinken will, eben Baclofen einnehmen muss. Oder was seh ich hier falsch?

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Papfl » 23. Februar 2016, 11:29

Hallo Purzelbaum!

Danke für Deine Frage und die Möglichkeit für mich, das nochmal näher zu erklären: Es ist ja nicht so, dass der jahrelange Alkoholkonsum spurlos an einem vorüber geht. Und damit meine ich nicht nur die bekannten offensichtlichen gesundheitlichen Schäden wie beispielsweise Leberfunktionsstörungen oder sozialer Abstieg etc..

Auch die Hirnchemie verändert sich. Ich kann in diesem Punkt nur immer wieder auf die m. E. sehr gelungene Animation "Drugs and the Brain" verweisen, wo gezeigt wird, wie regelmäßige Alkoholzufuhr die Biochemie eines Betroffenen verändern kann.

Nun ist es möglich, dass diese Stoffwechselprozesse so aus dem Ruder gelaufen sind, dass man willentlich keinen oder nur kaum mehr Einfluss auf die Abläufe im "Hirn" hat, wenn's um das Suchtmittel geht. Das ist dann physisches Craving. Vor allem bei Menschen mit starker biologischer Abhängigkeit ist das häufig der Fall. Man könnte auch sagen, es hat sich ein Softwarefehler eingeschlichen. Es gibt de facto keine Entscheidungsfreiheit mehr hinsichtlich Trinken (ja oder nein), weil die Entscheidung vorprogrammiert ist.

Ich versuche mal ein Beispiel (mitlesende Mediziner bitte ich um Nachsicht), aber es dient dem besseren Verständnis:

Fast jede/r kennt ein bestimmtes Geräusch, das bei ihm/ihr "Gänsehaut", "Eiskalt-den-Rücken-Runter-Laufen" oder "Nackenhaare aufstellen" verursacht. Das Kratzen mit einem Fingernagel auf der Oberfläche einer Schultafel zum Beispiel. Oder wenn die Kreide quietscht. Oder das quietschende Reiben an einem Luftballon. Kann ich in solchen Fällen entscheiden, ob ich "Gänsehaut" bekomme oder nicht? Nein! Das ist ein automatischer Ablauf, den ich nicht wirklich beeinflussen kann. Hier ist es ein unangenehmes Geräusch, das es vermag, alle rationalen Einflussmöglichkeiten auszuschalten.

Auch "Suchtmittel-Trigger" können so eine Macht haben. Flammt - aus welchem Grund auch immer - der Gedanke an Alkohol mit all den vermeintlich positiven Konsequenzen und Erfahrungen/Erinnerungen auf, die der Konsum mit sich bringt, kann dieses automatische physische Craving mich aller guten Vorsätze und Entscheidungen berauben. Ich bin mehr oder weniger machtlos ausgeliefert.

Baclofen kann dabei eine Art Update für die "Hirn-Software" sein. Vereinfacht gesagt versucht das Medikament wie eine Art Reparaturprogramm, im Kopf wieder die ursprüngliche, natürliche Balance zwischen den Botenstoffen und den Rezeptoren herzustellen. So dass man nicht mehr länger "fremdbestimmt" ist, sondern wieder eigene Entscheidungen treffen kann.

Purzelbaum hat geschrieben:Das ist doch aber keine Entscheidungsfreiheit, wenn die Entscheidung nur so getroffen werden konnte wie sie getroffen wurde...

Im Gegenteil: @APunkt (auf dessen Thread Du Dich beziehst) konnte die Entscheidung nicht nur so treffen, wie sie getroffen wurde. Er hatte zwei Möglichkeiten: Seine Frau zur Arbeit zu fahren und anschließend in seiner "Stamm-Getränkequelle" einen Six-Pack Bier zu kaufen...oder es sein zu lassen. Er hat sich für letzteres entschieden und sicherheitshalber - damit er gar nicht erst in Versuchung kommt - auch gleich seinen Geldbeutel zu Hause gelassen. Ohne Baclofen hätte es wahrscheinlich gar keine innere Diskussion gegeben und der Six-Pack wäre "ZWANG-släufig" im Kofferraum gelandet. Baclofen machte die Entscheidung zwischen den beiden Optionen überhaupt erst möglich.

Purzelbaum hat geschrieben:Entscheidungsfreiheit ist für mich, wenn ich ohne Baclofen entscheide keinen Alk zu trinken.

Wenn Du das kannst - umso besser [good] ! Dann hast Du noch die Oberhand über Deine Biochemie. Oder um beim oberen Beispiel zu bleiben: Du bist in der Lage zu sagen: "Der kann mit seinem Fingernagel so lange an der Tafel kratzen, wie er will, ich bekomme deshalb keine 'Gänsehaut'".

Purzelbaum hat geschrieben:Es entsteht ja also doch irgendwie eine Abhängigkeit von Baclofen. Denn wenn ich mich ohne Baclofen nicht gegen Alkohol entscheiden kann, bedeudet das ja, dass ich wenn ich keinen Alk trinken will, eben Baclofen einnehmen muss. Oder was seh ich hier falsch?

Jein [pardon] . Die hohen Rückfallquoten nach traditionellen Suchttherapien (für die häufig physisches Craving verantwortlich ist) legen doch nahe, dass psychotherapeutische Maßnahmen, Disziplin, Durchsetzungsvermögen, Anstrengung etc. zumindest bei einem bestimmten Kreis von Patienten alleine nicht ausreichen, um eine Abstinenz langfristig aufrecht erhalten zu können. Baclofen alleine kann das natürlich auch nicht. Es ist die Mischung, die letztlich zum Erfolg führen kann.

Baclofen kann lediglich dabei helfen, die "Hirn-Software", die vom Alkohol manipuliert wurde, wieder ein Stück weit zu reparieren. Erfahrungsgemäß dauert diese Reparatur mehrere Monate. Danach sieht man weiter. Baclofen entweder ganz absetzen (diese Patienten wären dann auch in Risikosituationen wieder weitestgehend "gänsehautfrei" - ähnlich wie Du es bist), Baclofen in geringerer Dosis beibehalten, als Bedarfsmedikament verwenden...oder bei der bisherigen Erhaltungsdosis bleiben.

Und selbst letztere Gruppe wäre von Baclofen dann auch nicht "abhängiger", als ein Brillenträger von seiner Brille. [smile]

Meint
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 13. September 2016, 11:59

Hallo,

ich schreibe wenig, lese aber fast jeden Tag mit und auch wenn ich bis jetzt ohne Baclofen paar Jahre trocken bin, glaube ich, dass ich mal warnen muss.

Warnen vor der Anfangseuphorie, die egal ob mit oder ohne Baclofen gleich gefährlich ist, glaube ich jedenfalls. Wenn die ersten Tage ohne Alk überstanden sind, da glaubt der Alki, dass er jetzt wieder die Welt einreißen kann und wird gern leichtsinnig. Der Leichtsinn beginnt damit, dass der Respekt vor dem Alkohol verloren geht.

Der mangelnde Respekt zeigt sich unter anderem darin, dass unüberlegt sinnlose Gefahren wie Gaststättenbesuche oder Grillabende und dergleichen besucht werden und dabei der trügerische Glaube entsteht, dass der Alk nun aus dem Suchtgedächtnis verbannt wäre. Das Nächste ist, dass zu Hause sehr sorglos mit Alkohol umgegangen wird, der steht dann ein-fach irgendwo rum weil der Mann/die Frau eben nicht auf Alk verzichten will, obwohl das Problem des Partners bekannt ist – sehr rücksichtsvoll vom Partner/in übrigens. Am Anfang ist das alles einfach – so scheint es jedenfalls – weil das alles neu ist. Neue Gefühle, neue Nüchternheit, neues Leben … am Anfang. Irgendwann wird das zur Routine, Alltag eben und da liegt die Gefahr, meine ich.

Ich kann nur von meinen Rückfällen berichten – ohne Baclofen. Da war es so, dass die Rückfälle ausnahmslos nicht in den ersten Tagen oder 3-4 Wochen erfolgten, nö. In der Zeit war nämlich alles neu und interessant und überhaupt … nach ca. 2-3 Monaten schlich sich der Alltag ein und die schöne Nüchternheit wurde langweilig weil normal. Warum, weil ich in meinem Leben sonst nichts geändert hatte außer den Alk wegzulassen. Ich hab einfach nicht gelernt und mir auch keine Mühe gegeben es zu lernen, ohne Alk zu leben. Erst als ich mein Leben konsequent geändert hatte, also Saufgefährten weg, Hobbys die ich im Suff erledigt hatte weg, Suffangewohnheiten weg – ja, auch das Rauchen -, Essgewohnheiten umgestellt und so weiter, erst dann hab ich den Absprung geschafft.

Mein Rat also: Nicht nur den Alk weglassen auch das Leben ändern und immer achtsam mit sich sein – auch mit Baclofen. Denn das ist – meine Meinung – auch nur so gut, wie gut Ihr seid.

Noch was: Habt Geduld mit Euren Mitmenschen, die hatten die jahrelang auch mit Euch. Und mal ein kleines „Tut mir leid, wenn ich Dich in meinem Suff angeblafft habe.“ tut auch keinem/er weh.

Und noch was: Von der These, dass nur wer sich das hart erarbeitet - oder so ähnlich – verdient, trocken zu werden, halte ich nichts. Es ist harte Arbeit mit oder ohne Baclofen. Aber: Ich kann nicht glauben, dass jemand der trotz Baclofen weiter säuft und wenn’s nur paar Bier sind – das mit den paar Bier oder einem Glas Wein oder … auf Dauer durchhält. Ich gönne es jedem, allein mir fehlt der Glaube daran.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 14. September 2016, 12:00

Ich bin grad bissl verwirrt und habe eine Frage.

In eurem "Parallelforum" hab ich gerade Folgendes gelesen (Zitat) :

In der Fachinformation zu Baclofen (Beispiel: Baclofen Dura, Ziff. 4.8) steht wörtlich:
"Nach mehrmonatiger, hochdosierter Baclofen-Behandlung kann es nach plötzlichem Absetzen der Therapie oder abrupter Dosisreduktion zu Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit, Agitiertheit bis hin zu manischen Zuständen, zu visuellen und akustischen Halluzinationen und zum Auftreten lokaler oder generalisierter Krampfanfälle bis hin zum Status epilepticus sowie zur Rebound-Spastizität und Hyperthermie kommen."
Wer trotz dieses Hinweises eine hochdosierte Baclofenbehandlung abrupt absetzt, begeht eine vorsätzliche, bei entsprechenden Folgen (Krampfanfall, Delir etc.) sogar schwere Körperverletzung und verstößt zudem gegen mehrere Bestimmungen der ärztlichen Berufsordnung.

(Zitat Ende)

Das bedeutet doch nichts Anderes, als dass Baclofen doch in gewisser Weise abhängig macht, oder?

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Papfl » 14. September 2016, 13:30

Hallo Purzelbaum!

Purzelbaum hat geschrieben:Das bedeutet doch nichts Anderes, als dass Baclofen doch in gewisser Weise abhängig macht, oder?

Nein [nea] . Die Betonung liegt auf "abrupt". Viele Psychopharmaka greifen tief in die Biochemie ein, und da ist es eine logische Konsequenz, dass man solche Substanzen nicht von einem Tag auf den anderen absetzen, sondern langsam ausschleichen sollte. Das gilt übrigens nicht nur für Baclofen, das gilt z. B. auch für die meisten Antidepressiva oder Neuroleptika (die übrigens auch NICHT abhängig machen). Ganz im Gegensatz zu Benzodiazepinen.

Du musst Dir das ein bisserl wie ein eingespieltes Team vorstellen. Die einzelnen natürlichen Botenstoffe und die medikamentös zugeführten Komponenten sind nach längerer Einnahme im Idealfall optimal aufeinander abgestimmt. Und dann fehlt auf einen Schlag ohne jegliche Ankündigung plötzlich ein wichtiger Teil [shok] . Dass dann erstmal Chaos herrscht, kann man sich glaube ich vorstellen. Und die daraus resultierenden Symptome können in der Tat denen des klassischen "Entzugssyndroms" ähneln [wacko] , haben aber biochemisch gesehen eine ganz andere Ursache.

Wenn man Baclofen langsam ausschleicht (das Medikament muss ja auch eingeschlichen werden), kommt man problemlos wieder davon los. KEIN Suchtpotential! KEINE Abhängigkeit!

Soweit ich weiß, entstammt das von Dir erwähnte Zitat aus dem Nachbarforum einem "Notfallkärtchen", das der dortige Admin @Federico einst zum Download bzw. Ausdrucken bereit gestellt hatte. Anlass war seinerzeit glaube ich die Tatsache, dass ein Forenmitglied wohl akut ins Krankenhaus kam und dort - obwohl bereits monatelang auf Baclofen eingestellt - kein Baclofen bekam, weil die Ärzte mehr oder weniger lapidar meinten, das brauche der Patient nicht. Daraufhin entstand die Idee zu diesem Kärtchen im Scheckkartenformat, das man für den Fall der Fälle bei sich tragen kann, um Ärzte im Notfall (Unfall etc.) auf die Risiken des abrupten Absetzens von Baclofen hinzuweisen. Denn die wissen auch nicht immer alles :wink: ...

Gut, dass Du nachgefragt hast [good] !

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Suchtreisender » 15. September 2016, 11:22

Der mangelnde Respekt zeigt sich unter anderem darin, dass unüberlegt sinnlose Gefahren wie Gaststättenbesuche oder Grillabende und dergleichen besucht werden und dabei der trügerische Glaube entsteht, dass der Alk nun aus dem Suchtgedächtnis verbannt wäre. Das Nächste ist, dass zu Hause sehr sorglos mit Alkohol umgegangen wird, der steht dann ein-fach irgendwo rum weil der Mann/die Frau eben nicht auf Alk verzichten will, obwohl das Problem des Partners bekannt ist – sehr rücksichtsvoll vom Partner/in übrigens.


Das sehe ich anders: letztendlich sollte es Ziel eines jeden trockenen Alkoholikers sein, irgendwann wieder weitestgehend am "normalen" Leben teilzunehmen und sich nicht überall auszuschließen und abzukapseln, wo Alkohol mit im Spiel ist. Oder noch schlimmer, dort dann übel gelaunt die Stimmung zu beeinträchtigen. Inwieweit es eine Gefahr darstellt, ab einem gewissen Zeitpunkt Gaststättenbesuche oder Grillabende in der Freizeit einzuplanen, muss jeder für sich selbst beantworten. Bei manchen von uns geht das früher, bei manchen eben später oder gar nicht. Drum sind wir ja auch "Individuen". Mangelnden Respekt vor dem Alkohol kann ich da nicht erkennen.

Dass der Partner zuhause Alkohol trinkt, finde ich auch nicht rücksichtslos. Es ist doch MEIN Problem, dass ich es (warum auch immer) verlernt habe, mit Alkohol im normalen Dosen umzugehen, das war und ist nicht das Problem meines Partners. Es wäre daher aus meiner Sicht eher mangelnder Respekt meinem Partner gegenüber, wenn ich von ihm/ihr verlangen würde, auf einen Teil seiner Lebensqualität zu verzichten. Da muss ich dann schon eher meinem persönlichen Willen in den Arxxx treten, wenn er nicht in der Lage ist, anderen gegenüber tolerant zu sein.

Nichts für ungut....
Der Suchtreisende....

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon DonQuixote » 15. September 2016, 17:53

Hallo @Purzelbaum und @Suchtreisender

Ihr habt irgendwie beide recht. Natürlich macht es keinen Sinn, nach erst einer Woche Baclofen-Therapie ein Oktoberfest zu besuchen, einfach mal um zu schauen, „wie es wirkt“. Und natürlich wird man auf Dauer auch gewisse Gepflogenheiten überdenken müssen, z.B. die Teilnahme an Stammtischen, sonstigen Tafelrunden oder Events, deren einziger Daseinszweck manchmal das Erreichen eines rasch- und höchstmöglichsten Vollrausches zu sein scheint.

Mittel- und langfristig, und da bin ich jetzt wieder ganz bei @Suchtreisender, muss man sich aber im Alltag gewissen Situationen stellen können und stellen dürfen. Die mit der Baclofen-Therapie angestrebte Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol darf nicht in Isolation und Sektiererei enden, sie soll vielmehr in eine gelebte Souveränität münden.

Danke Euch beiden für Eure Beiträge [good] .

Vom DonQuixote

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 19. September 2016, 08:14

Wie ich geschrieben habe, geht es mir um die Warnung vor Risiken in der Anfangseuphorie.

Selbstverständlich - für mich jedenfalls - ist es unerlässlich, sich mit Alkohol auseinander zu setzen und irgendwann auch mit dem Alkohol im direkten und erweiterten Umfeld zu leben. Ich halte überhaupt nichts davon zu versuchen, dem Alkohol auf immer und ewig aus dem Weg zu gehen - weil das einfach nicht funktioniert. Ich finde es schlimm und auf gewisse Weise unverantwortlich, wenn in einigen Foren und SHG's die Risikominimierung zu weit getrieben wird. Zu weit ist für mich zum Beispiel, wenn verlangt wird, nicht in die Nähe von Weihnachtsmärkten zu gehen. Es wird sich auch nicht auf Dauer vermeiden lassen, im Supermarkt am Schnapsregal vorbei zu gehen u. s. w. Da finde ich es viel schlimmer, plötzlich und unvorbereitet in Situationen mit Alk zu gelangen, weil nie gelernt wurde, mit solchen Situationen umzugehen.

Ich nehm es wie es kommt, wenn bei mir gegrillt wird gibt es natürlich - für die die wollen - Alk und ich hab für Besuch auch immer was zu Hause, ich geh auf Weihnachtsmärkte und an Schnapsregalen vorbei - mich stört es inzwischen nicht mehr. Im ersten halben Jahr - so ungefähr - gab es zu Hause keinen Alk und das war gut so.

Noch was zu den Angehörigen "Suchtreisender": Ich finde, dass so viel Rücksicht verlangt werden kann. Wenn meine Frau Lungenkrebs - der wird hier ja gern als Beispiel strapaziert - hätte, würde ich ihr zu Hause auch nicht die Hütte voll qualmen, du vielleicht? Und nicht zuletzt hat auch der Verwandte/Bekannte was davon, wenn der Alki nicht mehr säuft.

(Und immer schön daran denken, dass es mir hier um die Zeit der Anfangseuphorie geht.)

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 20. Februar 2017, 15:43

Inzwischen bin ich vier Jahre trocken - immer noch ohne Bac - und zufrieden bin ich inzwischen auch.

Ich könnte jetzt nicht schreiben, in welcher Situation ich mich mit Alk besser fühlen würde als ohne. Klar gibt es ab und zu mal einen Moment, in dem ich an Alk denke aber dann frag ich mich: Was könnte der Alk jetzt verbessern? Und die Antwort ist: Nichts.

Das liegt sicher am geänderten Belohnungssystem, veränderter Stressbewältigung und dem Ablegen von bestimmten Gewohnheiten. Gut, das war nicht von Anfang an einfach aber wenn ich nicht irgendwann mit Veränderungen angefangen hätte - auch wenn manche nicht einfach waren - würde ich heute noch saufen. Versuche mit ab und zu mal einem Glas und Ähnlichem habe ich vorher jahrelang gemacht und die sind immer gescheitert. Früher oder später hatte mich der Alk immer wieder im Griff wenn ich mit solchem Unsinn wie "ein Glas geht ja mal" anfing. Erfolg gibt es meiner Meinung nach nur bei Konsequenz (Gut, weiter saufen ist auch konsequent.)

Ich schreibe nicht viel aber ich lese hier fast jeden Tag. Wenn ich dann lese, dass jemand daran denkt, sich mit einem Glas Wein "was Gutes" zu tun, da geht mir der Hut hoch. Was tut man sich denn Gutes mit einem Glas Wein, wenn man mit dem Saufen aufhören will?

Oder da säuft XY tage- oder wochenlang nichts und dann muss XY unbedingt wegen schlechter Stimmung oder wegen einer Depression oder wegen was auch immer plötzlich saufen. Nö, XY muss nicht wegen irgendwas saufen, das plötzlich passiert. XY hat nur auf einen Grund gewartet endlich wieder saufen zu können, weil sich XY vorher überhaupt nicht auf so eine Situation vorbereitet hat und im Grunde ja auch gar nicht wirklich mit der Sauferei aufhören will - noch nicht. Ich kenne das, Ausreden waren bei mir auch immer herzlich willkommen. Ach ja, was der Säufer doch für ein bemitleidenswerter Mensch ist, wirklich bedauerlich. So wird das aber nichts - denke ich.

Lasst euch nicht von mir ärgern. Kopf hoch Freunde und denkt mal drüber nach. Ich wünsch viel Erfolg.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon andi » 21. Februar 2017, 05:48

Hallo Purzelbaum,

danke für dein Zwischenbericht. Mir geht's in vielen Dingen wie dir.

Die Frage ist, warum können die Leute mit Wille und Baclofen als Hilfe und Stütze nicht aufhören, liegt vielleicht auch in der Hartnäckigkeit des Alkoholismus. Die Sucht ist schon ein harter Brocken. Ich stelle immer wieder fest, je länger ich davon entfernt bin, desto unwichtiger und uninteressanter ist es.

LG @all

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Lisbeth5811
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Lisbeth5811 » 22. Februar 2017, 20:33

Hallo, Purzelbaum,
es ist schön für dich, dass du seit 4 Jahren abstinent bist. Du hast sicher alles richtig gemacht mit der Ernährungsumstellung und Sport usw., aber nicht alle unserer Leidensgenossen haben diese Kraft. Und du hast offensichtlich deine jahrelangen Kämpfe gegen unseren gemeinsamen Feind vergessen, sonst würdest du dich nicht so über die erheben, die es nicht schaffen oder nur mit Hilfe von Baclofen.

Purzelbaum hat geschrieben:Das ist doch aber keine Entscheidungsfreiheit, wenn die Entscheidung nur so getroffen werden konnte wie sie getroffen wurde, weil Baclofen eingenommen wurde. Entscheidungsfreiheit ist für mich, wenn ich ohne Baclofen entscheide keinen Alk zu trinken.


Ist dann deine Nüchternheit höher zu bewerten, als die desjenigen, der sie mit Hilfe von Baclofen erreicht hat ?

Purzelbaum hat geschrieben:Klar gibt es ab und zu mal einen Moment, in dem ich an Alk denke


Weiter unten im gleichen Beitrag:

Purzelbaum hat geschrieben:Wenn ich dann lese, dass jemand daran denkt, sich mit einem Glas Wein "was Gutes" zu tun, da geht mir der Hut hoch


Sprichworte haben etwas Wahres: Hochmut kommt vor den Fall. Ich wünsche es dir nicht, aber etwas Dankbarkeit und Demut würde dir sicher gut anstehen.

Lisbeth

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Bine
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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Bine » 23. Februar 2017, 01:58

Hi Purzelbaum,
Purzelbaum hat geschrieben:Ich schreibe nicht viel aber ich lese hier fast jeden Tag

für mich liest sich das so, als wenn du grad drauf und dran bist auch mal wieder gerne ein Glas trinken möchtest, ansonsten weiẞ ich nicht warum du hier so negative Stimmung verteilst unter all denen die auf dem Weg sind aufhören zu wollen.
Toll das du all diese Situationen gemeistert hast, keine Frage.
Sei stolz auf dich und genieẞe den Moment. Es ist noch lange nicht vorbei.
Gruss Bine

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 23. Februar 2017, 07:09

Hallo Lisbeth 5811,

das muss sich ja überheblich lesen, wenn die Zitate von dir aus dem Zusammenhang und einfach so hin "geschleudert" werden.

Nein, meine Abstinenz ist nicht höher zu bewerten.

Entscheidend ist doch nicht der von dir zitierte Halbsatz, dass ich manchmal an Alk denke. Entscheidend ist, wie mit den Gedanken umgegangen wird und da hast du - ein Schelm, der Böses dabei denkt - weggelassen, dass ich mir in den Momenten die Frage stelle, was der Alk jetzt verbessern könnte. Wenn ich dann - wie geschrieben - zu der Antwort "Nichts" komme, warum sollte ich dann für "Nichts" Alk trinken? Wenn ich mich aber überhaupt nicht mit der Frage beschäftigen würde, dann würde ich vielleicht auch Alk trinken. Und das kann ja wohl nicht sooo schlimm sein, sich mal damit zu beschäftigen, warum gerade jetzt der Gedanke an Alk auftritt und was ich dagegen machen könnte.

Ja ich habe einige "Runden drehen müssen", bis ich soweit war aber irgendwann - vor vier Jahren eben - hat es "klick" gemacht. Was ist daran schlimm, wenn ich anderen jetzt schreibe: Ich mach das so und so ... versucht das auch mal, mir hat es geholfen? Ich denke doch, dass das Forum auch dazu da ist Erfahrungen im Umgang mit Alk zu teilen, oder?

Mit dem nächsten Zitat das Selbe. Warum zitierst du nicht auch, dass ich geschrieben habe, dass mir deshalb der Hut hoch geht, weil ein Glas Wein für einen Alkoholiker der trocken werden will doch nichts Gutes sein kann?

Hallo Biene,

ich sehe das nicht so, dass ich negative Stimmung verbreite, kann aber verstehen, dass das bei einigen so ankommt. Ich hab mir in nassen Zeiten auch gedacht, "was für ein Ar.schloch" wenn mir jemand zeigen wollte wie es besser gehen kann und ich das aber noch nicht auf die Reihe bekommen habe oder einfach noch nicht wollte. Niemand, der hier mitliest muss sich irgendwas von dem was ich schreibe annehmen.

Es gibt zig Wege trocken zu werden, da kann es doch nicht verkehrt sein, eigene Erfahrungen, Meinungen und Stimmungen ... mitzuteilen um anderen auf dem Weg zu helfen. Aber na gut, siehe oben.

Noch was dazu, dass das noch nicht vorbei ist. Es wird nie vorbei sein. Zur realen Selbsthilfegruppe gehe ich auch deswegen jede Woche, um nicht zu vergessen, dass es nie vorbei ist. Wir hatten in der Gruppe letztes Jahr erst einen Rückfall nach 8 Jahren. Und deshalb - um eben nicht zu vergessen und sich Ratschläge abzuholen - empfehle ich jedem Alkoholiker regelmäßig eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Glaub mir, das hilft.

Ich wünsche allen hier alles Gute und jeder Tag ohne Alk ist ein guter Tag.

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Chinaski » 23. Februar 2017, 07:46

Hallo,

Ich bin seit über 4 Jahren glücklich und sehr zufrieden mit Baclofen Rückfallfrei Abstinent.

Gruß in die Runde...
Chinaski

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Re: Seit 3 Jahren trocken. Ohne Baclofen. Aber auch zufrieden?

Beitragvon Purzelbaum » 23. Februar 2017, 08:50

:kl :vgn


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