1.Selbstversuch bei Alkohol und Essstörung

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Lila
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1.Selbstversuch bei Alkohol und Essstörung

Beitragvon Lila » 20. November 2015, 18:25

Hallo erstmal an alle Forumsteilnehmer! Bin weiblich, 52, Alkoholikerin, zeitweilig mit Essstörung).
Bin bereits vor einem Jahr auf der Suche im Internet glücklicherweise
auf dieses Forum gestoßen. Ich hatte das Gefühl, Hilfe tut sich auf, abseits der ausgetretenen Therapietrampelpfade und meines jahrzehntelangen Kampfes gegen die Alkoholsucht. Die allerdings hier beschriebenen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Baclofen haben mich da noch abgeschreckt. Hab hier nur mal mitgelesen. Mit AA konnte ich gar nicht und auch das absolute Alkoholverbot habe ich für mich so nicht als heilsam empfunden, da Verbote noch mehr das Verlangen stärken.
Alkohol war von Jugend an (ab 14.Lj., mal mehr mal weniger) mein anfangs erfolgreicher Selbstheilungsversuch gegen Depression, Schlafstörungen, Angst und später Mittel gegen Trauer, Stress und Überbelastung. Ursachen waren wohl auch die extreme familiäre Belastung in der Kindheit,( Alkohol in der Familie), schwere Schicksalsschläge, ständige Überforderung und meine daraus entwickelte „Stärke“ mit Perfektionsdrang. Das alles endete vor 3 Jahren in einem gewaltigen Burnout mit Jobverlust. Mit allen negativen Folgen. Mein Alkoholverbrauch zuletzt: 1Fl Wein und 3 Bier hauptsächlich abends bzw. nachts. Es war natürlich auch immer wieder mal mehr. Gab auch Zeiten wo ich mit den Resten der Nacht nach dem Aufwachen wieder weitertrank und so tagelang „schwimmen“ konnte. Alles immer heimlich wohlgemerkt. Um mich nicht zu spüren, meine Situation, Ohnmacht, Einsamkeit, Sehnsucht, mein mich unverstanden Fühlen usw… Medikamente haben mir nicht geholfen, z.T. waren die Nebenwirkungen unerträglich. Von Psychotherapie hab ich auch genug.
Hab mir nun diese Möglichkeit der Behandlung für mich gut überlegt und nach einem Jahr beschlossen mich nicht zu outen (ich schäme mich zu sehr auch wenn ich weiß, dass ich es nicht muss) )und bekam nun mein erstes Rezept erstmal unerwartet problemlos ….. Wie? Na Baclofen zur Muskelentspannung, Krampflösung, Beruhigung, als einschläfernde Wirkung....da fiele mir noch ne Menge ein, Wehwehchen habe ich ja genug. Falls das nicht mehr klappen sollte, habe ich noch eine zweite Möglichkeit in petto und als Dritte bliebe dann eben der Kauf übers Internet.
Habe mir in den vielen Jahren meiner persönlichen Erfahrung mit Depression und Burnout, Medikamenten und Therapien und auch beruflich Wissen angeeignet, durch das ich mir einen Selbstversuch und vor allem mit Hilfe dieses Forums zutraue.
Meine Erfahrungen mit Dosierung, Wirkung und Nebenwirkungen sind unter „Erfahrungsberichte“zu lesen und gerne
berichte ich auch weiter.

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Lila
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1.Selbstversuch bei Alkohol und Essstörung

Beitragvon Lila » 20. November 2015, 18:48

Hier nun meine erste Erfahrung damit und ich berichte gerne auch weiter:

1.Woche: von 10mg/d auf 25mg/d (2x5mg/d, 1x5mg und 2x10mg/d )
2.Woche: von 30mg/d auf 37,5mg/d ( 3x10mg/d, 3x12,5mg/d)
3.Woche: 37,5mg/d ( 3x12,5mg/d)
Möchte die Therapie phasenweise wie in der deutschen BACLAD - Studie beschrieben, weiter durchführen.

Gleichzeitig zur Dosissteigerung habe ich den Alkoholkonsum reduziert, die Menge war täglich unterschiedlich, wobei bei meiner ersten Einnahme von einer 37,5mg/d Dosis kein Alkoholverlangen und auch kein Gedanke an Alkohol mehr da waren. AUS GEWOHNHEIT (Neugier?) hatte ich dann einmalig Alkohol getrunken und entdeckt, dass sich die Wirkung von Baclofen mit zunehmendem Alkoholkonsum irgendwie „wegtrinken“ lässt.
Seit dem 5.Tag meiner momentanen persönlichen Höchstdosis (37,5mg/d) habe ich keinen Alkohol mehr zu mir genommen!

Meine Nebenwirkungen:
Selten: kurzzeitig geringe Kopfschmerzen, Schwitzen
Häufiger: Beim Einschlafen starke Schmerzen mal in der rechten, mal in der linken unteren Körperhälfte ( die hier beschriebene Polyneuropathie?) Hab die Dosis nicht mehr gesteigert und es ist nun auch schon etwas besser.
Häufiger: leichtes Schwindelgefühl und Schwächegefühl in den Beinen ( das empfinde ich persönlich nicht als unangenehm, erinnert mich irgendwie an den Rauschzustand, Baclofen hat auf mich eine „ähnliche“ Wirkung, ob das nun gut ist oder nicht)
Häufig: Desorientiertheit, Vergesslichkeit und Müdigkeit ( Autofahren unter dieser Medikation mit auch nur einem Schluck Alkohol absolutes No Go! Besonders groggy bin ich 1 Stunde nach Einnahme)
Hatte auch schon dreimal starke Einschlafschwierigkeiten, die dann in nächtliche Essattacken ausarteten. Da ich ohnehin 8kg zu viel habe, belastet mich das sehr. Werde das beobachten und bleib jetzt erstmal auf der Dosis von 37,5mg.

Positive Wirkung: momentan bei 37,5mg/d kein Verlangen oder Gedanken an Alkohol, er ist mir egal und ich konnte auch schon beim Reduzieren nach zwei Glas aufhören! Und ich habe das Gefühl ich denke „anders“, also viel positiver ( antidepressive Wirkung?), bin viel entspannter, viel weniger Rückenschmerzen, keine Opstipation mehr, nehme keine Schlaftabletten mehr, habe echte Hoffnung und vertraue Baclofen mehr als all den wahllos verschriebenen Psychopharmaka vorher.
Ich genieße es sehr, endlich mal beim Einkaufen nicht ums Alkoholregal streichen zu müssen, die ewigen Verhandlungen im Kopf „Soll ich? Soll ich nicht? Welcher Alkohol? Wieviel? Sieht man es mir an? Meine Gedanken kreisten immer um Alkohol. Und gleichzeitig diese große Scham…….Hab ständig innerlich mit mir gekämpft! Unendlich viel Energie geht dabei verloren! Das ist seit dem 12.Tag meiner Baclofeneinnahme und der Dosis von 37,5mg/d weg!

Durch die Notizen die ich mir im Zusammenhang mit der Einnahme mache, werden mir auch einige Verhaltensmuster klar. Also nicht nur wann ich den Drang zu trinken habe (hatte), sondern auch den zu Essattacken (die sind leider noch nicht weg).

Mein Ziel: Nach ungef. einem halben Jahr Baclofeneinnahme zu einem 1.ganz normalem (seltenen) Alkoholgenuss zu finden. Aber vielleicht will ich ja dann überhaupt nicht mehr? Und 2. Keine Essattacken mehr zu haben. Also endlich mal ein bleibendes Körpergewicht und nicht eines, dass je nachdem wie es mir geht, zwischen 2 Kleidergrößen wechselt! Wegen der Essattacken könnte es möglich sein, dass ich die Dosis vielleicht doch noch mal steigern werde.
Keinesfalls möchte ich eine dauerhafte Baclofeneinnahme, wegen der NW die für mich doch nicht so gering sind ( am schlimmsten Müdigkeit, Desorientiertheit und Vergesslichkeit) und der möglichen Entzugserscheinungen bei unvorhergesehenem Absetzen.

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Re: 1.Selbstversuch bei Alkohol und Essstörung

Beitragvon DonQuixote » 20. November 2015, 21:06

Hallo Leela ... Bild

Bravo, das hört sich nach durchdachtem und sehr planmäßigem Vorgehen an. Ich tue jetzt aber mal so, als hätte ich Dein zweites Posting noch nicht gelesen:

Lila hat geschrieben: … und bekam nun mein erstes Rezept erstmal unerwartet problemlos ….. Wie? Na Baclofen zur Muskelentspannung, Krampflösung, Beruhigung, als einschläfernde Wirkung ... da fiele mir noch ne Menge ein, Wehwehchen habe ich ja genug.

Klar kann man sich Baclofen für solche „Wehwehchen“ verschreiben lassen. Mehr als 75 mg / Tag wird Dir dann aber niemand abgeben wollen. Und die Wahrscheinlichkeit ist nicht eben gering, dass Du letztendlich eine höhere Dosis benötigst.

Sicher schreibst Du in Deinem zweiten Posting von schönen Erfolgen, welche sich bereits bei 37,5mg / Tag einstellten. Möglicherweise wirst Du später aber noch etwas nachlegen müssen. Die Nebenwirkungen welche Du beschreibst, sind allesamt „baclofen-typisch“. Sie werden aber auch wieder vergehen, wenn Du erst mal bei der jetzigen Dosis bleibst. Danach bestünde, falls nötig, ich betone, falls nötig, wieder Luft nach oben.

Lila hat geschrieben:Möchte die Therapie phasenweise wie in der deutschen BACLAD - Studie beschrieben, weiter durchführen.

Die BACLAD-Studie enthält für die Durchführung der Baclofen-Therapie leider nur sehr rudimentäre Anleitungen. Ich empfehle Dir vielmehr den auf Deutsch übersetzten französischen „Baclofen-Leitfaden“. Daraus die Tabelle für das Aufdosieren mit 10-mg-Tabletten:

Bild
(Wer das Medikament gut verträgt, kann die Geschwindigkeit auch bis maximal verdoppeln)

Lila hat geschrieben:Durch die Notizen die ich mir im Zusammenhang mit der Einnahme mache, werden mir auch einige Verhaltensmuster klar. Also nicht nur wann ich den Drang zu trinken habe (hatte), sondern auch den zu Essattacken (die sind leider noch nicht weg).

Hier kann ich Dir auch wärmstens unseren Thread „W-Fragen“ empfehlen. Was das Problem mit den Essattacken betrifft, finde ich diese Unterhaltung mit der Autorin Inke Jochims sehr aufschlussreich (Bücher).

Zu guter Letzt noch ein paar „Standard-Links“ unseres Forums. Einen ersten Überblick rund um das Medikament findest Du in unserer Rubrik Baclofen erste Schritte, konkreter im Baclofen-Arztkoffer und Alles Wichtige auf einen Blick. Lesenswert und aufschlussreich ist auch der Artikel "Ist Alkoholsucht doch heilbar?", den man auch online im PTA-Forum finden kann.

Nun denn, zögere nicht, Fragen zu stellen, wenn Du welche hast, und berichte uns gerne von Deinen weiteren Erfahrungen. Einstweilen weiterhin viel Erfolg wünscht

DonQuixote

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Re: 1.Selbstversuch bei Alkohol und Essstörung

Beitragvon ertrunken » 25. November 2015, 17:31

Hallihallo,
ich bin auch recht neu hier und habe mich beim Lesen deines Postings sehr wiedererkannt!
Thema Alkohol / Ess-Störungen / Medikamente sind auch meine...
Du klingst sehr zuversichtlich, trotz anfänglicher Skepsis, das freut mich!!!
VIEL GLÜCK

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