Schokoladengeschichten

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Choklat1
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 15. August 2015, 12:53

...... When times get rough!

Es ist schon seltsam - jetzt hat mir mein Psychiater ganz unkompliziert und wider Erwarten 100 Baclofen à 25mg verschrieben, einfach, weil er mir wohl vertraut und ich ihm berichtet hatte, wie gut es mir bekommt. Er hat selber noch keine Erfahrungen damit, war aber sehr aufgeschlossen. Das war unbedingt ein mega Erfolg.

Aber, als wenn das Schicksal solange gewartet hätte, dass es mir nun wesentlich besser geht ohne Alkohol und Ängste, kam es prompt knüppeldick. Meine 94-jährige Mutter ist nach ihrem Krankenhausaufenthalt und Verschreibung mehrerer Blutdrucksenker total verwirrt. Sie lebt in der Nachbarstadt und ich muss nun täglich mehr Zeit mit ihr verbringen und ihr helfen. Das ist mir ja auch sehr wichtig und aufgrund meiner Selbstständigkeit auch zeitlich zu organisieren. Gleichzeitig ist der Vater meines Lebensgefährten ein Pflegefall geworden. Mein Partner ist der Techniker unserer Firma und wir müssen dringend Aufträge ranziehen, denn in der Veranstatlungstechnik haben wir gerade Sommerloch und die finanzielle Lage ist schlecht. (Habe durch meine Sucht ja auch alles vernachlässigt). Meine Tochter will ihr Jurastudium abbrechen, weil sie vor dem ersten Staatsexamen die Nerven verliert. Leiste hier auch täglich "Aufbauarbeit". Aber noch nicht genug : Gestern hatte ich eine Sperre auf dem Konto. Können heute noch nicht mal einkaufen.
Dann erhielten wir noch die Nachricht, dass auf unserem Firmengelände, welches der Stadt gehört, eine provisorische Flüchtlingsunterkunft aufgebaut werden soll. Direkt vor unserem Fenster, und wie wir mit dem Auto an unser Lager kommen um die schwere Technik einzuladen, wissen wir auch nicht. Vielleicht findet die Stadt aber noch eine andere Lösung.

Den geplanten Kurzurlaub in 2 Wochen müssen wir canceln. O.k., damit kann ich leben. Aber ansonsten versuche ich irgendwie alle Bälle in der Luft zu halten. Ohne Baclofen wären sie runtergefallen, weil ich getrunken hätte - daran ziehe ich mich im Moment hoch und halte es für das Allerwichtigste, dass ich vom Craving befreit und wesentlich gelassener bin. Mit klarem Kopf kann man eben nach Lösungen suchen. Vor ein paar Wochen wäre ich zusammengeklappt.
Man bekommt wohl wirklich immer gerade soviel zu tragen, wie man bewältigen kann. Eigentlich sind das Alltagsprobleme, wie sie überall vorkommen können. Damit, und dem Erfolg mit Baclofen, tröste ich mich einigermaßen.
Konzentration leidet zwar unter Bac aber was ist das schon gegen die Alk-bedingten Ausfälle.

Meine Bac-Dosierung nach nunmehr 3 Wochen ist 6,25 - 6,25 - 12,5 - 6,25. Hatte letztens Abends wegen leichtem Craving mal 25 mg genommen und stand total neben mir, das Atmen fiel mir schwerer und ich schlief 14 Stunden - also überdosiert.

Wünsche euch allen ein schönes Wochenende.
LG
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 19. August 2015, 21:16

@Mellchen

Aber hin wie her - das Gefühl war schwach und ich habe ihm nicht nachgegeben.


@Golden Tulip

"Das Gefühl wie nach einem Gläschen Wein hätte mir gut getan"?!

Ich meine das wirklich ernst. Ein Glas Wein macht keinen Rausch, also geht es eher um Entspannung, gedankliches Loslassen-Können. Das müsste doch mit ein wenig Üben auch mit Bordmitteln möglich sein, als bewusste Auszeit, sozusagen. Spaziergang, Tee trinken, Märchenbuch lesen, Autogenes Training - irgendwas, was Dich aus der Anspannung rausholt?!


In Mellchens Erfahrungsbericht ging es um genau mein Thema "ich hätte gerne ein Glas getrunken".
Ich wusste, @Golden Tulip, wie gut es mir in der letzten Zeit mit Bac gelang, eine bewusste Auszeit (lesen, mit Hunden spazieren gehen oder auch noch bei einem schönen Film zu Bügeln)den Gedanken an ein kleines Bier (Gewohnheit - kein besonderer Druck) zu ersetzen.

Gestern Abend saßen wir nett draußen und ich dachte mir "auch komm - jetzt ist es so gemütlich, ich trinke doch mal ein Glas mit" Ich hatte vorher 25 mg Bac genommen und hätte genausogut verzichten können. Habe ich aber nicht. Schon nach ein paar Schlucken, wurde mir dermaßen schlecht, schwindelig und ich konnte nicht mehr gerade gehen. Mein Lebensgefährte musste mich sofort nach Hause fahren und ich fiel nur noch ins Bett. Habe dann 16 Stunden geschlafen.

Nie mehr - das war entsetzlich. Für mich kommt Bac sind 25 mg am Abend hervorragend gegen Craving aber im Leben nicht mit reduziertem Trinken vereinbar. Heute Abend dieselbe Situation, unsere Mitarbeiter sitzen noch mit 'nem Bier draußen und ich schreibe euch hier, bin entspannt durch das Bac und habe noch genug Energie und Spaß daran, noch ein paar Sachen zu erledigen. 'Wenn nicht, fahr ich noch 'ne Runde Fahrrad oder gehe mit den Hunden.

Hat Jemand schonmal so eine heftige Reaktion mit Bac und Alkohol erlebt?

Übrigens Thema Flüchtlinge: Hier in unserer Stadt wird sehr viel getan. Wie haben einen Teil unseres Lagers für Betten etc. zur Verfügung gestellt. Aber es gibt trotzdem noch ein paar Idioten, die meinen, dass hier sofort kriminelle Aktionen von diesen armen Leuten losgetreten werden. Schlimm.

LG
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Mellchen » 20. August 2015, 06:21

Hallo Choklat!!

Erstmal: ..."Aber ansonsten versuche ich irgendwie alle Bälle in der Luft zu halten. Ohne Baclofen wären sie runtergefallen, weil ich getrunken hätte -..."
Ich denke wirklich, DASS ist der entscheidende Gedanke. All das, was Du gerade durchmachen mußt (und es ist wirklich die komplette Ladung), wäre vermutlich nicht ertragbar, wenn Du noch trinken würdest. Deswegen - so paradox es klingt - ist das ein Riesenerfolg, den Du für Dich verbuchen kannst. Aber angesichts der Katastrophen um Dich herum ist es kein richtiger Grund zur Freude.
Vielleicht ist das so: wir bekommen im Leben nur das zugemutet, was wir auch in der Lage sind zu bewältigen. Das ist weder ein Trost, noch besonders hilfreich, aber wenn man im Hinterkopf behält, dass man offenbar tatsächlich über die nötige Stärke verfügt, hilft es beim Ver- und Durchstehen aller Probleme und Katastrophen.

Auf jeden Fall wünsche ich Dir ganz viel Kraft. Wie immer es gehen kann - Du schaffst das!
Fühl Dich ganz fest gedrückt!
Mellchen

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Suse » 23. August 2015, 01:04

Hallo Choklat,

ich hatte schon oft das Gefühl, das Schicksal wolle mich wohl prüfen. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich das nicht manchmal immer noch denke.

Sobald es mir supergut geht und ging, ich endlich eine Weile ohne Alkohol verlebt hatte und das bitte schön so beibehalten wollte, passierte irgendetwas furchtbares.
Ganz sicher bilde ich mir das ein! Oder empfand und empfinde das Furchtbare nur umso furchtbarer, weil es mir ja gerade mal endlich gut geht? Weil nun die Welt rosarot und einfach zu sein hat, um mich nicht noch mehr zu belasten?
Keine Ahnung.

Pflegefälle, Unfälle, Todesfälle, Ausfälle beim Job, das sind unausweichliche Dinge, denen wir uns grausamerweise stellen müssen.

Ich jedenfalls war in diesen Situationen nicht immer so tapfer wie du.

Hoffe, du stehst die nächsten Tage einigermaßen durch,
kann ja nicht mehr anbieten als dass wir hier sind.

lieben Gruß, Suse
Früherer Name: Desperatio

Plötzlich konnte ich sehen und ich war froh. Doch was ich sah, gefiel mir nicht. Ich lerne, neu zu sehen. Suse

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 23. August 2015, 09:40

@Mellchen,

danke für Deine aufbauenden Worte.

Vielleicht ist das so: wir bekommen im Leben nur das zugemutet, was wir auch in der Lage sind zu bewältigen. Das ist weder ein Trost, noch besonders hilfreich, aber wenn man im Hinterkopf behält, dass man offenbar tatsächlich über die nötige Stärke verfügt, hilft es beim Ver- und Durchstehen aller Probleme und Katastrophen.


Ja, daran ziehe ich mich tatsächlich im Moment hoch. Ich habe immer einen Abend kräftig getrunken und war am nächsten Tag nicht mehr zu gebrauchen. Alles das hätte ich niemals kontruktiv angehen können. Daher geht es mir verhältnismäßig gut, denn der Selbsthass und das Schamgefühl waren weitaus schlimmer. Jetzt kann ich was tun und das stärkt mein Selbstwertgefühl.

@Suse,

dann kennst Du das also auch. Danke für Deine Anteilnahme.

Sobald es mir supergut geht und ging, ich endlich eine Weile ohne Alkohol verlebt hatte und das bitte schön so beibehalten wollte, passierte irgendetwas furchtbares.
Ganz sicher bilde ich mir das ein! Oder empfand und empfinde das Furchtbare nur umso furchtbarer, weil es mir ja gerade mal endlich gut geht? Weil nun die Welt rosarot und einfach zu sein hat, um mich nicht noch mehr zu belasten?
Keine Ahnung.


Ist ja so, dass solche Dinge jedem passieren. Gehört einfach zum Leben. Wenn ich betrunken war und danach durchhing, habe ich einfach nicht mehr am Leben teilgenommen und irgendwelche Ausreden für mein Nichtfunktionieren. Dann gig es mir noch schlechter. Außrdem habe ich in meinem Tran vieles gar nicht mitgekommen oder verdrängt. Meine Katastrophe war schließlich schlimmer als die der anderen (dachte ich). Ich bin trotz allem so froh, dass ich jetzt aktiv bin und es mir körperlich gut geht.

Vorgestern kam der nächste Hammer. Beim Hundespaziergang Abends verlor ich meinen Autoschlüssel im Wald. Wegen Dunkelheit war nicht an Suchen zu denken. Also gestern um 6.30h wieder los und den Weg 3 Mal abgegangen. Irgendwann fiel ein Sonnenstrahl ins Gebüsch und ich sah den Schlüssel (Das war für mich symbolisch). Ich sah tatsächlich etwas, was ich - vor allem um diese Uhrzeit - mit Suff oder Kater niemals gesehen hätte. Danach bin ich noch 1 Stunde mit Hunden durch die Morgensonne am Fluß entlang gegangen und fand die Welt wunderschön.

So wünsche ich euch auch einen wunderschönen und sonnigen Tag. [hi_bye]

Ganz liebe Grüße
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 23. August 2015, 09:46

..... und ja, liebe Suse, dass ihr hier seid, ist so sehr wichtig geworden. Wem hätte ich sonst all dies so offen erzählen können und so viel Verständnis und Parallelen gefunden. Hoffe, ich kann das zurückgeben!
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon andi » 6. September 2015, 03:26

Hi Choklat1,
gerade deinen Beitrag vom 19.8 22.16Uhr gelesen. Mir ist Anfang August ähnliches passiert, war täglich auf Bac bei 125mg, nebenbei noch getrunken (Bier) nicht sonderlich viel. Morgens ein Bier getrunken, dann Bekannte besucht, dort nochmals drei Bier langsam getrunken, auf dem Weg nachhause spüre ich, dass meine Beine nicht mehr halten. Bis ich zu hause war, bin ich min. drei Mal schön runtergefallen! Dabei wohl gemerkt, kann ich mich erinnern. Besoffen war ich nicht, das steht fest.
Nach zwei Tagen habe ich den Alkohol abgestellt. Der menschliche Körper verträgt Baclofen und Alkohol nicht - eindeutig.
Aber das muss anscheinend jeder erstmal erfahren.
lg
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 16. September 2015, 01:41

Hallo,

ich melde mich noch mal ganz kurz um mitzuteilen, dass ich immer noch hervorragend mit Baclofen (mittlerweile 75mg/Tag) zurechtkomme und weiterhin abstinent bin.
Leider habe ich so viel um die Ohren, dass ich mich nicht mehr im Forum gemeldet habe. Eigentlich doof von mir, denn es hat mir so gut getan zu lesen und Feed-backs zu bekommen, die so sehr wertvoll sind. Daran sehe ich wieder mein altes Muster, dass ich um alles Mögliche kümmere, nur nicht um das, was für mich im Grunde wichtig ist. Dabei habe ich doch einige Fragen/Themen.....

Was jetzt "obenauf" liegt ist eine mögliche - positive - Nebenwirkung:
Ich habe in den letzten Wochen, seit der Baclofen-Einnahme, recht viel abgenommen, obwohl ich einen nie gekannten Heisshunger auf Süßes habe, dem ich auch nachkomme. Ich "fresse" richtig viel, habe aber meine Kleidergröße von 48 auf 44 reduziert. Liegt es evtl. an meiner gesteigerten Aktivität, liegt es daran, dass die Kalorien vom Alkohol "fehlen" oder gibt es da noch eine Wirkung durch Baclofen?
Also, ich bin damit sehr glücklich und freue mich auch darüber, dass ich so langsam wieder Freude an vermehrter körperlicher Betätigung bekomme.
Trotz vieler Probleme bin ich recht positiv gestimmt. Vor Allem ist meine ängstliche und depressive Grundstimmung weg!
Ich hatte bis vor 2 Monaten - vor der Baclofen-Einnahme 150mg Venlaflaxin gegen Depression seit ca. 8 Jahren genommen und dies jetzt auf 60mg ohne Probleme reduziert. Dieses Antidepressivum führ auch häufig zu enormer Gewichtszunahme und evtl. hat die Reduktion auch einen veränderten Stoffwechsel zur Folge. Ich weiß es nicht, welches die Ursache für diese positive Entwicklung ist.
Fakt ist - seit Baclofen kann ich in vielerei Hinsicht Fortschritte verzeichnen. Und darauf kommt es doch an.

Dennoch, es würde mich ineressieren, warum ich diesen Heisshunger auf Süßes habe. Kann mir jemand etwas dazu sagen?

Demnächst wieder mehr von mir.

Liebe Grüße
Regina
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon GoldenTulip » 16. September 2015, 04:59

Hallo Regina,

soweit ich weiß, werden sowohl bei Alkohol wie auch bei Süßem die gleichen Bereiche im Belohnungszentrum des Gehirns aktiviert. Das Zuckrige befriedet die angelernte Gier.
Blöd ist, dass man dem Hirn nichts Neues beibringt, wenn man statt auf Alkohol auf den Zuckerersatz zugreift (obwohl das übergangsweise natürlich erstmal "gesünder" ist als zu trinken- der biochemische Mechanismus bleibt jedoch der Gleiche, genauso wie bei zuviel Fett, Salz, Weizenprodukten).

Funk-Funk-toll-mehr!

Man kann sich zurückerziehen, indem man bewusst auf zuviel Zucker, Salz, Fett, Umami (Glutamat) etc. verzichtet, dann passt sich die Körperchemie wieder an. Das gilt ebenso für Koffein, ist alles Stress für den Körper, den er dann durch beruhigende Stoffe zu kompensieren versucht.

Laienmeinung und lieben Gruß
Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Lisa » 17. September 2015, 10:51

Hallo Regina,

diesen Heißhunger auf Süßes habe ich nur, sobald ich mit Süßigkeiten anfange. Dann ergeht es mir wie früher mit Alkohol: ich kann nicht mehr damit aufhören. Solange ich auf einen stabilen Blutzuckerspiegel achte, mich "vernünftig" ernähre ohne Weißmehl und Zucker, halte ich mir diesen Heißhunger fern. Sieh dir doch mal das Video an, das @Papfl auf Bambis Vorstellungsthread reingestellt hat. (Verlinken müsste man können [sad] ) Sehenswert und hilft dir vielleicht weiter! Dass du so toll abnimmst doppd ist sicher auf mehrere Faktoren zurückzuführen: mehr Freude an Bewegung, gesparte Alkohol-Kalorien, bessere Grundstimmung.

Finde diesen Satz sehr treffend: Schlank sein macht nicht glücklich, aber glücklich sein macht schlank!

Deine positiven Veränderungen finde ich super, mach weiter so!!

Liebe Grüße
Lisa
Wer neues Land entdecken möchte, muss das sichere Ufer verlassen....

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Papfl » 17. September 2015, 11:47

Hallo zusammen!

Hier ist der Link zum Video mit Inke Jochims, das @Lisa meint, im YouTube-Kanal des Forums:

Inke Jochims zu Bulimie und zum Essverhalten in unserer modernen Gesellschaft

LG Papfl
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 11. Oktober 2015, 23:16

Liebes Forum,

habe mich ja ewig nicht zurückgemeldet.

@GoldenTulip, @Papfl, @Lisa,

ihr habt geantwortet - jeder mit gewinnbringenden Infos, und ich habe nicht geantwortet, weil mir hier die Dinge "um die Ohren fliegen". Danke euch an dieser Stelle. Alle Beiträge sind so wichtig für mich aber ich habe mich leider wieder darauf eingelassen, auf das zu reagieren, was mir nicht gut tut.
D.h. konkret, dass ein Treffen mit Ex-Mann und Kindern vor 2 Wochen eine Art "Retraumatisierung" für mich war. Ich fühlte mich durch Baclofen und meine Abstinenz so stark, an diesem Treffen teilzunehmen, habe aber nicht daran gedacht, dass mein "früheres Umfeld" (blöde Beschreibung für meine Familie) noch die alten Muster im Kopf hat. Entsprechend haben sie alle nur darauf gewartet, dass ich zugedrönt zu dem Treffen komme. Das war ich aber nicht. Dennoch meinten meine (erwachsenen) Kinder, sie hätten genau gemerkt, dass ich entweder Benzos oder Alkohol konsumiert hätte. Das einzige, was ich "konsumiert" hatte, war Baclofen! Ich hatte versucht, dies zu erklären aber sie haben "dicht gemacht". Sie wollen eine Mama, die ohne Medikamente oder irgendwelche Stoffe daher kommt und funktioniert. Ich will mich nicht mehr rechtfertigen!

Desweiteren versuche ich meine Selbstständigkeit zu retten. Leider bemerke ich jetzt erst, wieviel ich habe schleifen lassen durch meinen Alkoholkonsum. Vielleicht ist es zu spät. Es tut auch weh, mit klarem Kopf über die eigenen Unzulänglichkeiten zu urteilen. Jetzt muss ich jedoch dazu stehen und - better late than never!

LG
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon gretikatz » 12. Oktober 2015, 08:25

Choklat1 hat geschrieben:...habe aber nicht daran gedacht, dass mein "früheres Umfeld" (blöde Beschreibung für meine Familie) noch die alten Muster im Kopf hat.

Schau mal hier und suche bei "Blick ins Buch" die Seite 169. Hier wird gut beschrieben, wie solche Systeme funktionieren.

Choklat1 hat geschrieben:Dennoch meinten meine (erwachsenen) Kinder, sie hätten genau gemerkt, dass ich entweder Benzos oder Alkohol konsumiert hätte.

Das hätten sie wohl gerne gehabt! Solche ungerechten und falschen Vorwürfe würden mich auf die Palme treiben!

Choklat1 hat geschrieben:Das einzige, was ich "konsumiert" hatte, war Baclofen! Ich hatte versucht, dies zu erklären aber sie haben "dicht gemacht".

Das ist einzig und allein Deine Sache. Sie sollten froh sein, dass Du es mit Baclofen geschafft hast, vom Alkohol loszukommen.

Choklat1 hat geschrieben:Sie wollen eine Mama, die ohne Medikamente oder irgendwelche Stoffe daher kommt und funktioniert.

Wenn ich so etwas lese, kommt mir die Galle hoch. Was wäre, wenn Du Medikamente gegen Rheuma, Diabetes oder Bluthochdruck nehmen müsstest? Was meinen sie mit "funktionieren"? Dass Du sie unterstützt, dass Du auf ihre Kinder aufpasst?
Choklat1 hat geschrieben:Ich will mich nicht mehr rechtfertigen!

Recht hast Du!!
Schau selbst auf Dich, wenn es niemand sonst tut!

LG gretikatz

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 14. Oktober 2015, 17:04

Danke @gretikatz,

das wird noch etwas dauern, bis meine Kinder dies alles so aktzeptieren können. Ich habe jetzt innerlich soweit loslassen können, dass ich auf mich achte. die Meinung anderer kann ich nicht ändern - auch die Gefühle und Reaktionen meiner Familie nicht. Ich hatte immer soviel Energie darauf verwendet, ihnen möglichst viel recht zu machen. Das will ich weinfach nicht mehr und damit geht es mir besser. Sicherlich ist dieses Loslassen auch mit Trauer verbunden aber Tag für Tag werde ich davon freier.

Das Buch werde ich mir übrigens bestellen. Du hattest auch früher mal darauf in anderen Threads hingewiesen. Vielen Dank für den Tipp!

LG Choklat
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon gretikatz » 16. Oktober 2015, 08:05

Liebe Choklat,
weiter so! Andere Leute kannst Du nicht ändern, Dich aber schon!

Das Buch ist echt gut! Ich hatte den Verlag angefragt, um daraus zitieren zu dürfen. Es wurde mir leider nicht gestattet. Aber im "Blick ins Buch" kann man viel daraus entnehmen.

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 6. November 2015, 22:20

Rückfall

Es läuft gerade schief bei mir. Nun nehme ich seit über 3 Monaten Baclofen und mit einer Hochdosierung auf 75 mg war das Craving so gut wie weg - bis auf ganz wenige Ausnahmen konnte ich bis Ende voriger Woche abstinent bleiben.
In dieser ganzen Zeit habe ich dermaßen gepowert, meine Selbstständigkeit wieder durch kontinuierliches und effektives Arbeiten auf festere Füße stellen und sogar mit schwierigen Situationen, wie Kündigung der Firmenräume, Betreuung meiner 94-jährigen Mutter u.s.w. umgehen können.
Meine Hunde wissen gar nicht, was los ist. Ich trainiere viel mit ihnen, habe es geschafft, dass diese Tötungsstations-traumatisierten Tiere (Podencos/Windhundartige Hunde) frei laufen und auf Abruf reagieren und fühle mich fitter als all die Jahre zuvor.
ABER..... seit einiger Zeit habe ich Abends wieder mit Forderungen meines Belohnungssystems zu kämpfen. Ich fühle mich dann - wie zu Zeiten des regelmäßigen Trinkens - leer und ausgepowert. Also, habe ich seit letztem Freitag bis gestern wieder Bier getrunken. Zuerst 2 Flaschen und gestern dann 8! Trotz Baclofen. Das Verrückte ist ja, dass ich am nächsten Tag nicht total durchhänge, durch Baclofen keinen riesen Kater schiebe sondern wieder aktiv sein kann.

So, nun habe ich mir heute einen freien Tag gegönnt und nachgedacht, was denn hier schiefgelaufen ist.
Ich glaube, ich wollte nun alle alten Baustellen gleichzeitig bearbeiten, was mir durch die positive Wirkung des Baclofen tatsächlich teilweise gelingt. So nach dem Motto "super, ich habe nicht nur auf Alkohol verzichten können, ich habe sogar ein Mittel gefunden, was mir die Ängste und Depressionen nimmt - aber auch zu Höchstleistungen befähigt". Perfektionismus, Angst nicht gut genug zu sein - ick hör' euch trapsen!!!

Nur an meinen inneren Baustellen habe ich nicht gearbeitet. Das ist doch eigentlich dann das alte Muster: "Ich bin nur gut, wenn ich leistungsfähig bin" - also, genau die "Lebenslüge", die mich u.a. Abends zum Abschalten an die Flasche brachte.
Eben als Belohnung für all die Mühen. Da habe ich doch nichts dazugelernt. Wenigstens, was meine alten Konditionierungen angeht. Ich habe schlichtweg nicht daran gedacht, mir Alternativen zur Entspannung zu gönnen, die ich ja eigentlich durch frühere Erfahrungen mit Zen-Meditation, Yoga, Schwimmen gehen, Saune und so kenne. Das Baclofen hat mich so gut entspannt, dass ich meinte, dies nicht zu brauchen. Also meine krankmachenden Gewohnheiten habe ich nicht geändert. Dann ist es ja vielleicht kein Wunder, wenn irgendwann der Rückfall kommt - eigentlich das alte Thema.

Heute habe ich dann nach der abendlichen 25mg Einnahme nochmal 12,5mg dazu genommen und mich gleichzeitig bewusst "entschleunigt". Gutes Buch von Anselm Grün gelesen, mit den Hunden gekuschelt und alles in Ruhe gemacht. Trotzdem ist der innere Drang, jetzt wieder E-Mails zu checken, Veranstaltungen zu organisieren (gehört zu meinem Business) so störend, wie er zu Zeiten des Katers am Tag "danach" nicht war, weil ich mich zu mies fühlte.

Jetzt beginne ich mich mit den Ursprüngen dieser Muster zu beschäftigen. Da ist noch 'ne Menge zu bearbeiten. Denn es kann ja nicht sein, dass ich "nur" durch weitere Hochdosierung mein neuerliches Craving in den Griff kriege, aber trotzdem die alten Verhaltensweisen beibehalte.
Wieder eine Therapie anzugehen, wäre jetzt eine zusätzliche Anstrengung durch emotionale Belastung. So empfinde ich es jedenfalls. Ich hoffe, dass ich reflektierend und Therapie-erfahren genug bin um in Ruhe und in meiner eigenen Geschwindigkeit den grundliegenden Themen nachzuspüren. (Hoffe, das hört sich nicht zu abgehoben an).
Zusätzlich wird es mir sicherlich helfen, wenn ich hier wieder regelmäßiger schreibe, denn dadurch bin ich "bei mir" und durch eure Kommentare, die ich ja auch noch in anderen Threads verfolge, bleibe ich am Thema bzw. komme weiter.

Würde mich freuen, etwas dazu von euch zu hören.

Vielen lieben Dank und Grüße
von Choklat
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon andi » 7. November 2015, 06:17

Guten Morgen Choklat!

ein Rückfall ist ja nichts schlimmes, meiner Ansicht nach zeigt er Dir, dass Du vllt. etwas zu schnell dein Leben ändern willst. Da dies ja nicht möglich ist, staut sich alles in Einem und der Alk ist die alt bewerte Erlösung?? So war es bei mir früher und jetzt ertappe ich mich immer wieder, wenn es zu schnell wird im Leben. Baclofen ist ja "nur eine Hilfe", eine Große, würde ich sogar behaupten, ABER es ändert nicht den Menschen bzw. schaltet sein Sucht/Verhaltensmechanismus nicht (endgültig) aus. Ich will darauf hinaus, gib dir etwas mehr Zeit, Baclofen hilft einem sich vom Alk fern zu halten, heißt Zeit um sich mit Sich auseinander zusetzen.
Das wird schon. Halte deinen Terminplan nicht zu eng, um Stress zu vermeiden [hi_bye]
lg
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Mary » 7. November 2015, 09:33

Hallo Choklat

"Das ist doch eigentlich dann das alte Muster: "Ich bin nur gut, wenn ich leistungsfähig bin" - also, genau die "Lebenslüge", die mich u.a. Abends zum Abschalten an die Flasche brachte."

Hast Du gestern geschrieben und ich hab mich echt erschrocken, denn ich hatte das Gefühl Du schreibst über mich.
Genau das ist nämlich auch mein Muster und auch ich habe, trotz (momentaner) Abstinenz nichts daran geändert.
Ich bin Abends aktiv bis ich irgendwann ins Bett gehe. Ich tue lauter richtige und gute Sachen, nur nichts für mich.
Früher hab ich mir dann zur "Belohnung" immer zwischendurch Wein "gegönnt" und jetzt gönne ich mir gar nichts mehr.
Und ich bin in Wahrheit so leer und überdecke das mit Aktivitäten.
Selbst Obst und Salat essen tue ich, weil ich dann was "richtig" gemacht habe, also wieder einen Punkt auf der "To Do" Liste abgehakt.
Ich bin "nach aussen" auch fast immer gut drauf, weil ich ja allen beweisen muß, das ich auch ohne Wein funktioniere........
Da muß ich dringend etwas ändern.
Danke für Deinen Beitrag, er hat mich sehr erschreckt in einem positiven Sinn, weil vorher war mir das nicht so klar, ich dachte wirklich es läuft alles super.
Viel zum Nachdenken fürs Wochenende.
LG Mary
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.............

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Papfl
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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Papfl » 7. November 2015, 09:56

Moin Choklat!

Choklat hat geschrieben:Ich hoffe, dass ich reflektierend und Therapie-erfahren genug bin um in Ruhe und in meiner eigenen Geschwindigkeit den grundliegenden Themen nachzuspüren.

Diesen Eindruck habe ich nach Deinen Zeilen oben gewonnen... doppd ...und ich lese daraus auch sehr viel Zuversicht. Echt klasse ist, dass Du so schnell reagierst :-!? .

Manchmal werfen Patienten aufgrund der großen Enttäuschung, rückfällig geworden zu sein und aus einer gewissen Verzweiflung heraus, erst recht die Flinte ins Korn. Dann ist die altbekannte "Spirale" oft nicht weit...

Du machst genau das Gegenteil, und das ist super: Du hältst Dir vor Augen, welche positiven Effekte mit Baclofen und der Abstinenz bislang einher gingen und was Du schon alles erreicht hast; analysierst, was eventuell nicht ganz so optimal gelaufen sein könnte und suchst nach alternativen Strategien, um dem künftig zu begegnen.

Wie @andi ganz richtig schreibt:

andi hat geschrieben:...ein Rückfall ist ja nichts schlimmes...

Jeder hat im Laufe seines Lebens irgendwelche Strategien entwickelt, um Überlastungen und Stress auszugleichen. Manche toben sich beim Sport aus, andere machen z. B. Yoga oder entspannen sich anderweitig, wieder andere werden aggressiv oder launisch...und verprügeln im schlimmsten Fall Frau und Kinder :L .

Unsereins hat sich halt viele Jahre lang angewöhnt, auftretende Spannungen mit Alkohol aufzulösen. Und es wäre vermessen zu glauben, dass die positiven Erfahrungen und Erlebnisse, die mit diesem Vorgehen verknüpft sind, binnen ein paar Tagen/Wochen ausgeblendet werden können. Das ist ein Lernprozess, der seine Zeit braucht. Neue Erfahrungen, die zeigen, wie Entspannung und Ausgeglichenheit auch anderweitig erreicht werden können.

Wenn ich mir die Hektik im Alltag manchmal so anschaue, täte es vielen (Abhängigen wie Nicht-Abhängigen) gut, mal einen Gang zurück zu schalten und etwas Druck aus ihrem Leben zu nehmen. Insofern hat es sogar auch etwas Gutes, dass sich unsereins quasi "zwangsläufig" mit diesem Thema befassen muss [mocking] .

Nicht zuletzt deshalb sehe ich unsere Krankheit und die damit einhergehenden (Lebens)Veränderungen mitunter auch
als Chance und nicht "nur" als Laster.

Im Grunde weißt Du ja, woran's liegt. Und Du hast auch das nötige Handwerkszeug, die Dinge anzugehen. Vielleicht musst Du Dich selbst halt nur ab und zu daran erinnern, dass alles auf einmal immer zu viel ist :wink: . Du hast in letzter Zeit ganz viele große Schritte nach vorn gemacht...da ist dieser kleine Schritt zurück jetzt nicht weiter tragisch!

Genieße das Wochenende!
Papfl

Edit @Mary:

WOW [good] ! Was Du da gerade unter @Choklats Zeilen geschrieben hast, gehört zur Quintessenz einer erfolgreichen Suchttherapie. Da kann ich nur meinen Hut ziehen :-!? ! Im Grunde müssen wir gar nichts dafür tun, um "gut" zu sein. Das ist der alte Trugschluss, den es ein für allemal aufzulösen gilt. Weil wir alle - jeder auf seine ganz spezielle Weise - von Haus aus schon "gut" sind. Einfach nur, weil es uns gibt [smile] . Beweisen muss man sich und anderen gar nichts. Der Schlüssel liegt in der Selbstakzeptanz: Wenn man sich selbst mag, wie man ist, spielt es keine große Rolle mehr, was die anderen denken. Und das Verrückte daran: Menschen mit einem gesunden Selbstvertrauen bekommen in der Regel ganz automatisch ein positiveres Feedback von außen :wink:.
„Der Hori­zont vie­ler Men­schen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nen­nen sie dann ihren Stand­punkt."
Albert Ein­stein (1879 - 1955)

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Re: Schokoladengeschichten

Beitragvon Choklat1 » 7. November 2015, 12:36

@andi, @Mary, @Papfl,

was hat doch dieses Forum für einen tollen "Therapie-Effekt"! Danke für eure Worte und, @Mary, was du schreibst kann in einer Gruppentherapie nicht besser laufen. Man erkennt sich in der Geschichte eines Anderen wieder!

Aber jetzt zu meinem Stress: Ich hatte mich - auch nach einem Hinweis aus dem Forum - mit dem Thema Kriegsenkel beschäftigt! 100 Punkte!!!

Die Ängste meiner Eltern (Mutter aus Danzig geflüchtet, im Lager in Dänemark gewesen. Vater in russischer Gefangenschaft und auch sonst noch irgendwo) habe ich als kleines Kind schon so erlebt: Bloß nichts falsch, immer einen guten Eindruck nach Außen machen, immer funktionieren. Fehler durften nicht gemacht werden und daher stressten sich meine Eltern dauernd. Sie waren immer total lieb zu mir aber die Ängste hatten einen Kontrollzwang zur Folge und ich war stets bemüht, meine Eltern bei Laune zu halten. Ich fühlte mich für die positive Stimmung und ihr Befinden verantwortlich.
Meine Mutter lebt noch (94) und lebt alleine. Wenn sie wegen irgendeiner, nicht funktionierenden Kleinigkeit anruft. Springe ich sofort. Die Angst überträgt sich sofort.
Und wenn ich mich jetzt in diese Situationen zurück begebe, spüre ich die Panik aufkommen. Katastrophenalarm pur.

Ich habe jetzt Baclofen folgendermaßen dosiert: 3 x tgl. 37,5 mg (also 3 x 1 1/2 25mg Tabletten). Dadurch spüre ich erstmal größere Gelassenheit und stelle ich mich den Ängsten. Denn ohne die Wirkung von Bac komme ich aus der Spirale der Angst noch nicht raus und bin den Rest des Tages zu nichts fähig, weil ich mich von Allem und Jedem bedroht fühle (passt ja zu den Kriegserfahrungen meiner Eltern). Da die Ängste auch mit Bac sehr stark sind, verschiebe ich diese "Traumaarbeit" bewusst in ruhige Stunden, wenn ich alleine bin. Wenn was hochkommt, sage ich der Angst "jetzt nicht - später kümmere ich mich um euch". Das hatte mir mal eine Therapeutin empfohlen. Aber wegen meiner starken Sucht, hat das nur selten funktioniert. Aber genau das empfehlen ja viele im Forum, dass diese Arbeit an sich oft erst aufgrund des fehlenden Cravings möglich ist. Ich sehe das auch so. Alles andere wäre K(r)ampf für mich. Im Moment fühle ich mich trotzdem ziemlich wund und verletzlich, weil ganz unterdrücken geht jetzt nicht mehr und wäre auch Quatsch. Also versuche ich es mit Verständnis für mich und sage mir: "Hallo, ich weiß jetzt, woher das kommt. Ist o.k., ich darf jetzt so sein!". Ich fühle echt dieses kleine Kind in mir, mit all seiner Hilflosigkeit und kann ab und zu auch darüber - endlich - weinen. Das fällt mir alles noch schwer, dieses nicht stark sein können/wollen. Aber es tut auch gut, wieder zu fühlen, nicht die Angst/Hilflosigkeits-/Scham-/Schuldgefühle wegdrücken zu müssen. Ich hatte 22 Jahre lang Panikattacken - Hammer, wenn ich jetzt fühle, dass ich nie wusste, wovor ich weglaufen und mich verkriechen wollte. Selbst darüber bin ich total traurig.

Ach ja, "natürlich" war ich auch 22 Jahre mit einem Mann zusammen, der ähnlich tickte, wie meine Eltern. Er ist der 150%ig Perfektionist - ein Banker. Nach meiner Langzeittherapie haben wir uns getrennt - und die Panikattacken waren weg! Ohne diese Therapie hätte ich die Trennung wohl nicht überstanden. So habe ich zwar wieder angefangen zu trinken, weil die Trennung von Mann und Kindern (ich war ausgezogen) so schmerzhaft war,aber ich bin nicht total abgestürzt.

Soweit erstmal von mir.

Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende und grüße euch herzlich
Choklat [hi_bye]
Versöhnen heißt, dass ich ganz bei mir bin, dass ich mich spüre, dass ich mich freue über mich, so wie ich bin. So wie ich bin, bin ich einmalig
Anselm Grün - Einladung zum Leben


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