Vorstellung

Es wird eigentlich erwartet, dass sich Mitglieder vorstellen und ihre Lebensumstände schildern, damit die anderen in Etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben und ihm dann auch besser helfen können.
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se7en
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Vorstellung

Beitragvon se7en » 24. Juli 2015, 18:37

Hallo zusammen!
Ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin 37 und lebe in Köln. Mein Weg in die Abhängigkeit begann mit etwa 19 Jahren. Ich hatte davor mit Johanniskraut und dann diversen verschriebenen Antidepressiva (zur Behandlung einer Angststörung und depressiven Tendenzen) sehr gute Erfolge gehabt, die jedoch immer nur von kurzer Dauer waren. Ich war jedoch sehr fasziniert von der Möglichkeit, mich durch ein Medikament (bzw irgendeine andere, auch nicht legale Substanz) grundlegend anders, in vielerlei Hinsicht besser, ausgeglichener, angstfreier und den Anforderungen des Lebens gewachsener zu fühlen.
Ich hatte die Vorstellung, mit dem richtigen Mittel zu anhaltendem inneren Gleichgewicht zu kommen, was sich leider nicht als durchsetzbar erwies. So kam es, dass ich im Laufe der Jahre alles Mögliche benutzt habe, um mich emotional zu justieren: Benzodiazepine gegen die Angst, Amphetamine um aktiver zu sein, und immer wieder versuchsweise Antidepressiva. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass das alles mehr schlecht als recht funktionierte und wahrscheinlich mehr neue Probleme als Lösungen geschafft hat.
Mittlerweile bekomme ich das Antidepressivum Paroxetin und nach einer ADHS-Diagnose Ritalin verschrieben. Letzteres nehme ich meist in viel zu hohen Dosen ein. Ich habe auch einige Entwöhnungstherapien hinter mir, welche ich jedoch nie regulär abschließen konnte.
Trotz abstinenter Phasen komme ich früher oder später stets an einen Punkt, an dem ich das Verlangen habe, mich zu “entstressen“ oder in eine andere Richtung auszugleichen, wobei auch der Alkohol ins Spiel kommt. Mir gelingt es nicht, über längere Zeit ausreichend Stabil zu sein, um beispielsweise einen Berufsabschluss nachzuholen. Ich habe zwar nicht den Eindruck, dass der Alkohol und die anderen Substanzen das ursächliche Problem für mein Mangel an psychischer Stabilität sind. Sie sind aber ganz sicher ein nicht funktionierendes Bewältigungsschema.
Nun habe ich vielversprechendes über Backofen gelesen und würde es gerne mit einem verschreibungswilligen Arzt ausprobieren. Dafür erhoffe ich mir Tipps bzw. Adressen für den Raum Köln.
Dank & Gruß,
Ingo

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Papfl
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Re: Vorstellung

Beitragvon Papfl » 24. Juli 2015, 19:41

Hallo Ingo!

Herzlich willkommen im Forum [hi_bye] ! Schön, dass Du zu uns gefunden hast [smile] .

Ich beginne mal - nicht ganz so euphorisch wie üblich :grbl mit einer Frage: Hast Du mit Deinem jetzigen Arzt, der Dir Paroxetin und Ritalin verschreibt, schon mal über Baclofen gesprochen? Ich frage das deswegen, weil Baclofen bei ADHS nicht ganz unkompliziert ist [pardon] . Der Arzt, bei dem Du in Behandlung bist, sollte deshalb über alle Medikamente und Krankheiten, die Du hast/nimmst, informiert sein.

Wie Du vielleicht weißt, reagieren viele ADHS-Patienten auf bestimmte Medikamente "paradox", das heißt, die Medikamente bewirken bei diesen Patienten genau das Gegenteil von dem, was sie ursprünglich sollten.

Methylphenidat (Ritalin) ist ja eigentlich ein "Aufputschmittel" mit stimulierender Wirkung, kann aber bei ADHS-Patienten beruhigend wirken ("paradox").

Ähnliches ist auch bei Baclofen bekannt. Baclofen wirkt ursprünglich entspannend, beruhigend, kann aber bei ADHS-Patienten genau das Gegenteil bewirken.

Konkret könnte das heißen, dass die innere Unruhe (Craving) nach der Einnahme von Baclofen bei Dir nicht ab- sondern im ungünstigen Fall sogar zunehmen kann.

Das muss nicht so sein, ist aber durchaus möglich. Käme auf einen Versuch an [pardon] .

Solltest Du tatsächlich "paradox" auf Baclofen reagieren, ist das Medikament leider keine Option für Dich.

Meinst Du, Dein Hausarzt ließe sich unter diesen Voraussetzungen auf eine "Probe-Verschreibung" ein? Ich habe ein bisschen Zahnschmerzen dabei, Dich an einen fremden Baclofen-Arzt aus unserer Liste zu verweisen, der von Deiner ADHS-Erkrankung nichts weiß.

Andererseits kannst Du nur rausfinden, ob Du "paradox" auf Baclofen reagierst, wenn Du's vorsichtig ausprobierst :grbl

Mal abwarten, wie unser Admin @DonQuixote und die anderen das sehen...

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Re: Vorstellung

Beitragvon DonQuixote » 25. Juli 2015, 11:36

Hallo Ingo!

Ein nur ganz kurzes Hallo mit dem Handy von unterwegs. Ich melde mich ausführlicher dann heute Abend!

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Choklat1
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Re: Vorstellung

Beitragvon Choklat1 » 25. Juli 2015, 14:00

Hallo se7en,

herzlich willkommen. Ich bin recht neu hier und fühle mich in diesem Forum sehr gut aufgehoben. Wollte kurz zur ADHS Diagnose etwas sagen, da diese bei mir - neben Angssymptomatik - auch gestellt wurde und ich Ritalin ebenfalls phasenweise eingenommen habe.
Baclofen nehme ich erst den 3. Tag und kann keine paradoxe Wirkung feststellen. Im Gegenteil, ich war von der ersten Einnahme an (6,25 mg) ruhiger, zwar müde, konnte mich aber dennoch konzentrieren. Fühle mich wohler als nach MPH-Einnahme. MPH macht mich zwar sehr fokussiert und hat bei mir auch eine positive Wirkung gegen Sozialphobie, ich war aber teilweise aggressiver, und das Craving war eher stärker als ohne.

Was @Papfl geschrieben hat, habe ich allerdings öfter auch gelesen und Vorsicht ist geboten.

Hoffe, dass du noch weitere Kommentare dazu bekommst.

LG
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DonQuixote
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Re: Vorstellung

Beitragvon DonQuixote » 25. Juli 2015, 14:58

Hi Ingo

Unser @Papfl hat das sehr gut dargestellt, aber erlaube mir noch ein paar Worte dazu:

Ingo (se7en) hat geschrieben:Mittlerweile bekomme ich […] nach einer ADHS-Diagnose Ritalin verschrieben.

Ich bin medizinischer Laie, aber nachdem was man so liest, wird die Diagnose „ADHS“ in letzter Zeit schon ziemlich inflationär angewandt. Wie dem auch sei, ADHS ist KEIN Hinderungsgrund für eine Baclofen-Therapie, dazu dann aber später mehr. Zunächst dies, d.h. beginnend mit dem quasi letzten Satz Deiner Vorstellung:

Ingo (se7en) hat geschrieben:Nun habe ich vielversprechendes über Baclofen gelesen und würde es gerne mit einem verschreibungswilligen Arzt ausprobieren. Dafür erhoffe ich mir Tipps bzw. Adressen für den Raum Köln.

Alles klar. Lass mich aber zunächst erläutern, was das Medikament Baclofen möglicherweise kann, und was es möglicherweise nicht kann. Deshalb zitiere ich weiter:

Ingo (se7en) hat geschrieben:Ich war jedoch sehr fasziniert von der Möglichkeit, mich durch ein Medikament (bzw irgendeine andere, auch nicht legale Substanz) grundlegend anders, in vielerlei Hinsicht besser, ausgeglichener, angstfreier und den Anforderungen des Lebens gewachsener zu fühlen.

Diese Faszination, diese Erwartungshaltung, ist (abgesehen vom Aspekt „auch nicht legale Substanz“) legitim und nachvollziehbar. Nachvollzogen wird das seit Generationen nicht nur von Patienten, sondern auch von Ärzten und Psychiatern, welche ihren Patienten solche Medikamente zur Linderung ihrer Beschwerden verschreiben.

Ingo (se7en) hat geschrieben:Ich hatte die Vorstellung, mit dem richtigen Mittel zu anhaltendem inneren Gleichgewicht zu kommen, was sich leider nicht als durchsetzbar erwies. So kam es, dass ich im Laufe der Jahre alles Mögliche benutzt habe, um mich emotional zu justieren: Benzodiazepine gegen die Angst, Amphetamine um aktiver zu sein, und immer wieder versuchsweise Antidepressiva. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass das alles mehr schlecht als recht funktionierte und wahrscheinlich mehr neue Probleme als Lösungen geschafft hat.

Wie bereits oben beschrieben, ist diese Vorstellung, ist dieser Ansatz, nicht per se falsch. Lasse mich später dazu kommen, welche Rolle das Medikament Baclofen dabei spielen könnte.

Ingo (se7en) hat geschrieben:Trotz abstinenter Phasen komme ich früher oder später stets an einen Punkt, an dem ich das Verlangen habe, mich zu “entstressen“ oder in eine andere Richtung auszugleichen, wobei auch der Alkohol ins Spiel kommt. Mir gelingt es nicht, über längere Zeit ausreichend Stabil zu sein […] Ich habe zwar nicht den Eindruck, dass der Alkohol und die anderen Substanzen das ursächliche Problem für mein Mangel an psychischer Stabilität sind. Sie sind aber ganz sicher ein nicht funktionierendes Bewältigungsschema.

Lasse mich hier nun ein paar Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von Baclofen aufzeigen. Baclofen ist primär kein Medikament, um Dich akut zu „entstressen“, so wie das andere Medikamente, insbesondere Benzodiazepine, aber auch Alkohol, vermögen. Baclofen lindert primär nicht das „Leiden an sich selbst“. Baclofen vermag allerdings, den akuten täglichen und (physischen) Sucht-Druck nach Alkoholkonsum zu unterbinden. Dies ist mitunter bei sehr vielen Patienten eine Voraussetzung für eine darauf folgende erfolgreiche Therapie oder für eine Selbstreflexion der eigenen Lebensumstände. Und Ja, Baclofen hat auch nachgewiesenermaßen angstlösende Eigenschaften und kann Patienten, welche aus Angststörungen heraus zu Alkohol oder anderen Suchtmitteln greifen, sehr gut helfen. Oft führt die Verabreichung von Baclofen auch dazu, dass andere Psychopharmaka (Antidepressiva, Anxyoltika) nach einer Weile reduziert oder sogar ganz abgesetzt werden können.

Noch etwas zu @Papfls oben erwähnten „paradoxe Reaktionen“ auf Baclofen bei Deinem diagnostiziertem ADHS (wenn denn die Diagnose denn stimmt!): Ja, paradoxe Reaktionen können möglicherweise in solchen Fällen auftreten. Das ist allerdings selten, und solche Fälle sind bisher auch leider kaum dokumentiert. Ebenfalls können paradoxe Reaktionen auftreten bei einer Bioplaren Störung oder bei Polytoxikomanie (multipler Substanzmissbauch) ganz allgemein. Aber auch dies sind keine wirklichen, d.h. absoluten Kontraindikationen für eine Baclofen-Therapie, es ist dann halt eine, wie man so schön sagt, „erhöhte therapeutische Sorgfalt“ und eine engmaschige Begleitung erforderlich.

Geeignete Arztadressen für den Raum Köln bringe ich noch heute per Mail an Dich (m**.m***.a***@gmx.de) auf den Weg. Falls dort nichts sichtbar ist, dann guck auch mal im Spam-Ordner nach. Denn manchmal (selten) bleiben unsere Mails dort hängen. Alles Gute und viel Erfolg bei Deiner weiteren Therapie wünscht Dir

DonQuixote

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Re: Vorstellung

Beitragvon WilloTse » 25. Juli 2015, 15:10

Hi Ingo,

auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum, schön, dass Du zu uns gefunden hast!
Es ist ja nun schon einiges gesagt zum Thema ADHS, aber lass' mich Dich bitte noch auf einen Beitrag von @jivaro hinweisen, einer der erfahrensten Baclofen-Ärztinnen in Deutschland.
Den angesprochenen Beitrag findest Du unter diesem Link.

Das nur, um zu verdeutlichen, dass bei feststehender Diagnose ADHS zumindest Vorsicht geboten ist.
Alles Gute und viel Erfolg trotzdem (wird schon schiefgehen...*daumendrück*) wünscht

Willo

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Re: Vorstellung

Beitragvon DonQuixote » 25. Juli 2015, 15:48

Hallo Ingo, und vor allem auch Hallo Willo

Danke, Willo, für dieses von Dir zitierte formidable Fundstück aus unserem Forums-Fundus! Lasst mich noch folgendes anmerken:

Ingo (se7en) hat geschrieben:So kam es, dass ich im Laufe der Jahre alles Mögliche benutzt habe, um mich emotional zu justieren: Benzodiazepine gegen die Angst, Amphetamine um aktiver zu sein, und immer wieder versuchsweise Antidepressiva. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass das alles mehr schlecht als recht funktionierte und wahrscheinlich mehr neue Probleme als Lösungen geschafft hat
(Hervorhebungen von mir)

Egal wie „gut“ oder wie „schlecht“ oder wie „paradox“ das Medikament Baclofen bei @se7ven wirken wird. Etwas kann man jedoch sagen: Baclofen wird keine „neue Probleme“ erzeugen, in dem Sinne, wie das andere Medikamente und Substanzen bisher bei @se7en getan hatten. Baclofen hat keinerlei Suchtpotential und lässt sich jederzeit und problemlos absetzen (ausschleichen), ohne zu irgendwelchen Absetzerscheinungen oder zu sonstigen unerwünschten Nebenwirkungen zu führen.

DonQuixote


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