Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

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DonQuixote
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Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 11. Juni 2015, 19:28

Seid gegrüßt

Brandneu (2. Juni 2015) ist diese Studie:

Ich fange dann mal gleich mit der Übersetzung des englischen Abstracts an:

DonQuixotes Übersetzung des englischen Abstracts hat geschrieben:
Zielsetzung: Ziel dieser Studie war die Untersuchung der Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen bei Patienten mit Alkoholstörung in ihrem ersten Jahr der Behandlung.

Methode: In Betracht gezogen wurden alle Patientenakten eines Allgemeinpraktikers, welcher seinen Patienten Baclofen verschrieb. Alle diese Patienten welche kontaktiert werden konnten wurden zu den von ihnen erfahrenen Unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAWs, „Nebenwirkungen“) in der Vergangenheit befragt.

Resultate: Von den 146 möglichen Patienten konnten 116 (79 %) befragt werden. Darunter 90 Patienten (78 %) berichteten von mindestens einer UAW (im Durschnitt: 2,8 ± 2,7). Die durchschnittliche Dosis beim ersten Auftreten einer UAW betrug 83 (± 57) mg / Tag. Die am meisten genannten UAWs betrafen bei 73 Patienten (63 %) den Bereich der Schlaf-Wach-Regulation. Beständig auftretende UAWs traten bei 62 Patienten (53 %) auf. Acht Patienten (7 %) litten unter UAWs, welche sie zum Abbruch der Baclofen-Therapie zwangen. Deren Baclofen-Dosis lag zu diesem Zeitpunkt unter 90 mg / Tag. Wach-, respektive Aufmerksamkeitsstörungen sowie Depression waren die meist genannten UAWs, welche zu einem solchen Therapieabbruch führten. Müdigkeitsanfälle und hypomanische Zustände waren die potentiell gefährlichsten UAWs. Frauen berichteten signifikant über mehr UAWs als Männer.

Schlussfolgerung: Hoch dosiertes Baclofen setzt alkoholabhängige Patienten vielerlei UAWs aus. Bereits in geringer Dosis auftretende und generell auch anhaltende UAWs können gefährlich sein.
(Linksetzungen von mir.)

Wie Ihr seht, respektive lest, werden da klare, und auf den ersten Blick auch etwas verwirrende Worte gesprochen, respektive geschrieben. Ich mache dann also gleich weiter mit der Übersetzung des Kapitels „Diskussion“ (engl: Discussion):

DonQuixotes Übersetzung des englischen Kapitels „Discussion“ hat geschrieben:

  • Kurzdarstellung (Summary)

    Unsere Resultate zeigen auf, dass Baclofen sehr häufig und auch bei relativ kleiner Dosierung verschiedenste und generell auch anhaltende UAWs verursacht. Am meisten genannt wurden Beeinträchtigungen der Schlaf-Wach-Regulation. Aufmerksamkeitsstörungen traten bereits bei geringer Dosierung auf und führten am häufigsten zum Therapieabbruch.

  • Einschränkungen und Aussagekraft

    Unsere rein beobachtende Studie ist mit einigen Einschränkungen behaftet. Die in einer Rückschau erhobenen Daten führten sicherlich zu einer Unterschätzung der Häufigkeit des Auftretens von UAWs. Diese nachteilige Konstellation dürfte allerdings weniger Auswirkungen haben, wenn es um die unangenehmsten UAWs geht, welche zu einem Therapieabbruch führten oder das Erreichen der therapeutisch notwendigen Dosis verunmöglichten. Abgesehen davon ist es möglich, dass einige Patienten, welche für ein Interview nicht erreicht werden konnten, ihren behandelnden und Baclofen verschreibenden Arzt nicht mehr aufsuchten, weil sie das Medikament schlecht vertrugen, und dies in unserer Studie zu einer Unterschätzung der Häufigkeit des Auftretens von UAWs geführt hat.

    Des Weiteren waren psychiatrische Begleiterkrankungen und die Behandlung mit Psychopharmaka bei denjenigen Patienten häufiger anzutreffen, welche nicht interviewt werden konnten. Es ist also wahrscheinlich, dass Patienten mit psychischen Begleiterkrankungen und solche, welchen Psychopharmaka verschrieben werden, vermehrt unter UAWs litten und aus der Behandlung ausschieden und nicht interviewt werden konnten. Patienten weiblichen Geschlechts, und dies ist unseres Wissens die erste Studie die dies nahelegt, scheinen vermehrt von geringer Toleranz respektive häufigeren UAWs betroffen zu sein.

    Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die UAWs keinesfalls mit Sicherheit dem Medikament Baclofen zugeschrieben werden können. Unsere Studie hatte nur beschreibenden Charakter und sollte das von den Patienten beschriebene Empfinden in einer praxisnahen Situation aufzeichnen, nicht jedoch kausale Zusammenhänge untersuchen. Die Tatsache, dass viele Patienten gleichzeitig Psychopharmaka und/oder auch Alkohol einnahmen, kann deshalb, und auch angesichts von weiteren möglichen Wechselwirkungen, zu anderen Ursachen als dem Medikament Baclofen für die festgestellten UAWs führen. So kann z.B. Baclofen zu erhöhter Schläfrigkeit führen, genauso wie Psychopharmaka gleichzeitig zu anderen Bewusstseinsstörungen.

    Und außerdem, selbst wenn bisherige Studien mit geringer Baclofen-Dosierung eine gute Verträglichkeit von Alkohol und Baclofen aufzeigten (Evans and Bisaga, 2009; Leggio et al., 2013) kann hoch dosiertes Baclofen bei alkoholabhängigen Patienten zu ernsthaften Nebenwirkungen wie z.B. Krämpfen führen (Rolland et al., 2012).

    Obwohl wir der Einfachheit halber von UAWs, welche zum Therapieabbruch führten, gesprochen haben, wäre es besser, zu sagen, dass diese UAWs zum Entschluss eines Therapieabbruch beigetragen haben. Ein solcher Entschluss hängt von einer Gesamtheit von Faktoren ab, d.h. nicht nur von den UAWs. Auch andere Umstände können dabei eine wichtige Rolle spielen, wie z.B. Therapie-Effizienz, Motivation und Präferenzen seitens des Patienten sowie dessen persönliche Lebensumstände.

    Und nicht zuletzt berücksichtigte unsere Studie auch keine pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Parameter des Medikaments Baclofen. Insbesondere die Tatsache, dass eine identische Baclofen-Dosis nicht bei allen Patienten zur gleichen Wirkstoffkonzentration im Blutplasma führt (Marsot et al., 2013), könnte eine Erklärung dafür sein, warum UAWs jeweils bei so unterschiedlichen Dosierungen auftreten.

    Die vorliegende Studie ist in vielerlei Hinsicht neu, insbesondere betrifft das die Länge des Beobachtungszeitraums, die Anzahl der Patienten, die hohe Dosierung und die Durchführung in einem Allgemeinärztlichen Umfeld (Garbutt and Flannery, 2007). Unsere Resultate scheinen mit der sonstigen wissenschaftlichen Literatur übereinzustimmen, welche jedoch limitiert ist und hauptsächlich aus Fallstudien besteht. Es gibt zwar auch einige beobachtende Studien (Smith et al., de Beaurepaire, 2012, Rigal et al., 2012), welche jedoch über die Verträglichkeit des Medikaments kaum Aufschluss geben. Die vier randomisierten und placebokontrollierten Studien mit Alkoholabhängigen fanden mit nur wenigen Patienten (maximal 84) statt, es wurden dort jeweils nur eine geringe Dosis (maximal 60 mg / Tag) verabreicht und der Fokus wurde insbesondere auf die Wirksamkeit und nicht auf die Sicherheit der Verabreichung des Medikaments gerichtet (Addolorato et al., 2002, 2007, 2011, Garbutt et al., 2010).

  • Konsequenzen für die Praxis und für die Forschung

    Unsere Resultate erlauben uns Drei Vorgehens-Ratschläge: Erstens berichtete mehr als ein Viertel der Patienten von Müdigkeitsanfällen nahe einer Narkolepsie. Das kann sowohl für die Patienten als auch für Dritte sehr gefährlich sein, z.B. wenn jemand ein Fahrzeug führt. Solche Risiken müssen den Patienten deutlich klar gemacht werden, und sie müssen davor gewarnt werden, sich in solche Gefahrensituationen zu begeben, insbesondere in Phasen der Dosiserhöhungen. Zweitens kamen bei einigen Patienten bereits bei geringer Dosierung anhaltende Aufmerksamkeitsstörungen vor, welche erst durch das vollständige Absetzen des Medikaments aufhörten. Bei Patienten mit schweren und gefährlichen UAWs, welche bereits bei geringer Dosierung einsetzen, erscheint es wichtig, die Notwendigkeit der Medikamentenverschreibung (Baclofen) neu zu überdenken, und, falls notwendig, die Therapie, welche unter Umständen mehr Schaden anrichten als nutzen kann, sofort abzubrechen. Drittens, angesichts des potentiellen Auftretens von hypomanischen Zuständen, denken wir, dass von einer Verschreibung von Baclofen an Patienten mit einer Bipolaren Störung wo möglich abgesehen werden sollte.

    Eine breiter angelegte Studie wird sich zukünftig den seltenen und schwerwiegenden UAWs noch widmen müssen. Eine solche Studie könnte es auch ermöglichen, die tagsüber durch Baclofen erzeugte Müdigkeit genauer zu untersuchen. Einerseits auf die von uns gefundenen Phänomene der Interaktion und andererseits auf den charakteristischen Personenkreis, welcher diesbezüglich das größte Risiko aufweist. Das letztgenannt noch zu untersuchende Merkmal erscheint uns deshalb relevant, weil Toleranzprobleme häufig sind und die Therapie negativ beeinflussen. In unserer Studie waren davon 16 % der Patienten betroffen. Darunter 7 % haben die Einnahme des Medikaments komplett gestoppt und die anderen 9 % konnten die Dosis wegen nicht mehr tolerierbarer UAWs nicht weiter erhöhen. Einen signifikanten Zusammenhang zwischen Patientencharakteristika und einer medizinischen Intoleranz des Medikaments Baclofen haben wir in unserer Studie jedenfalls nur schwach gefunden.
(Linksetzungen von mir.)

Und nochmal: Das sind starke, mahnende Worte. Vielleich salopp in einem Satz zusammengefasst: Baclofen-Tabletten sind keinesfalls „Bunte Smarties“ (oder hier und hier). Vieles muss aber auch in einem Gesamtzusammenhang gesehen und kann relativiert werden. Dazu komme ich dann in einem späteren Beitrag.

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 13. Juni 2015, 22:17

Seid gegrüßt

Ich habe so das Gefühl, als hätten die Autoren des vorliegenden Fachartikels (Tolerability of High-dose Baclofen in the Treatment of Patients with Alcohol Disorders: A Retrospective Study) irgendwie „Dienst nach Vorschrift“ geschoben. Das bedeutet:

  • Maximale Methodik
  • Maximale Vorsicht
Das meine ich überhaupt nicht abwertend, ein solches Vorgehen ist halt oft notwendig, um einen Fachartikel in einem so hochkarätigen Fachjournal wie „Alcohol an Alcoholism“ unterzubringen. Die Autoren (Laurent Rigal , Léa Legay Hoang , Constance Alexandre-Dubroeucq , Juliette Pinot , Claire Le Jeunne , Philippe Jaury) sind übrigens fast dieselben wie hier (Laurent Rigal , Constance Alexandre-Dubroeucq , Renaud de Beaurepaire , Claire Le Jeunne , Philippe Jaury). Der letztgenannte Fachartikel ist ja im Grunde nichts anderes als die Publikation der Doktorarbeit an der Université Descartes, Paris, 2012, welche wir hier in einer Teilübersetzung im Forum vorliegen haben.

DonQuixote hat geschrieben:Das sind starke, mahnende Worte. […] Vieles muss aber auch in einem Gesamtzusammenhang gesehen und kann relativiert werden.

Also wo anfangen? Vielleicht mal bei etwas Einfachem:

Der Nebenwirkungs-Fachartikel hat geschrieben:
Und außerdem, selbst wenn bisherige Studien mit geringer Baclofen-Dosierung eine gute Verträglichkeit von Alkohol und Baclofen aufzeigten (Evans and Bisaga, 2009; Leggio et al., 2013) kann hoch dosiertes Baclofen bei alkoholabhängigen Patienten zu ernsthaften Nebenwirkungen wie z.B. Krämpfen führen (Rolland et al., 2012).
(Linksetzungen und vor allem Hervorhebungen von mir)

Schaut man sich den oben zitierten Fachartikel von Roland et al., 2012, mal genau an, dann handelt es sich dort um eine Einzelfall-Schilderung von genau einem (in Zahlen: 1) 46 Jahre alten Patienten. Die Interaktion von hoch dosiertem Baclofen und Alkoholkonsum, welche zu einem Krampfanfall geführt haben „könnte“, wird in dem Fachartikel dann auch nur „vermutet“. Seien wir mal ehrlich: Wenn die Interaktion von hoch dosiertem Baclofen und Alkoholkonsum ein ernst zu nehmendes Risiko hinsichtlich neu auftretenden Krampfanfällen darstellen würde, dann wäre das bei inzwischen mehreren Hunderttausend mit Baclofen gegen deren Alkoholabhängigkeit behandelten Patienten längst in größerem Umfang publik geworden. Ich verstehe deshalb nicht, warum die Autoren dieses Fachartikels (Tolerability of High-dose Baclofen in the Treatment of Patients with Alcohol Disorders: A Retrospective Study) dieses „Risiko“ mit solcher Strenge hervorheben.

Weitere Beiträge zu diesen (Zitat DonQ:) „starken, mahnenden Worten“ der Studie folgen dann später.

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 13. Juni 2015, 22:57

Seid gegrüßt

Ich mache dann mal weiter:

Der Nebenwirkungs-Fachartikel hat geschrieben:Drittens, angesichts des potentiellen Auftretens von hypomanischen Zuständen, denken wir, dass von einer Verschreibung von Baclofen an Patienten mit einer Bipolaren Störung wo möglich abgesehen werden sollte.

So wirklich neu ist das ja auch nicht, denn das wissen wir eigentlich schon lange, siehe z.B. hier (es gibt wie ich meine aber auch ältere Forums-Quellen, die finde ich aber grad nicht *grmp*). Eine Bipolare Störung ist keine absolute Kontraindikation zur Baclofen-Therapie, es wird jedoch in solchen Fällen zu „größerer therapeutischer Sorgfalt“ gemahnt. Die Formulierung in der Studie („Drittens, [… ] denken wir, dass von einer Verschreibung von Baclofen an Patienten mit einer Bipolaren Störung wo möglich abgesehen werden sollte.“) halte ich deshalb für etwas übertrieben. Aber gut, das hängt natürlich auch immer vom „Gemüt“ und der Erfahrung des behandelnden Arztes ab.

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 14. Juni 2015, 00:13

Seid gegrüßt, und weiter geht’s:

Einige Male ist in dem Fachartikel von der Störung der „Schlaf-Wach-Regulation“ die Rede. Was ist das genau? Nun, das kann Vieles sein, auch Sachen, welche sich irgendwie vordergründig diametral entgegenstehen z.B:

  • Schlaflosigkeit, respektive Einschlafprobleme
  • Probleme, wach zu bleiben, bis hin zu plötzlich auftretenden narkolepsie-ähnlichen Zuständen
  • Übermäßige Schlafdauer
  • Abnormes Traumverhalten
  • etc.
Wichtig für uns ist zu wissen, dass alle diese sich eigentlich diametral entgegenstehenden Phänomene im Grunde UAWs (Nebenwirkungen) von Baclofen sein können. Einige Patienten berichten von tiefem, erholsamem Schlaf, wie sie ihn lange nicht mehr erfahren hatten, was vielleicht auch eine Nebenwirkung der anxyolytischen (angstlösenden) Wirkung von Baclofen sein könnte, wieder andere klagen unter Baclofen über Einschlafschwierigkeiten, trotz tagsüber erlebter und schlagender Müdigkeitsanfälle.

Einige Male wird im vorliegenden Fachartikel als Nebenwirkung von Baclofen auch „Hypomanie“ erwähnt. Was ist das? Was eine „richtige Manie“ ist, wisst ihr bestimmt alle. Die aus dem Griechischen stammende Vorsilbe „Hypo“ bedeutet indes darunter-, unter-, weniger-. Eine Hypomanie ist also eine „kleine Manie“. Die kann aber auf die Schlaf-Wach-Regulation, und davon ist ja hier die Rede, ziemlich blöde Auswirkungen haben. Der oder die Betroffenenen sind vor allem Nachtens überagitiert, kommen einfach nicht zur Ruhe oder Schlaf und sind hyperaktiv in alle Richtungen. Mal eine Nacht oder zwei mag man ja darüber kichern, aber wenn das lange andauert, wird das zur Belastung, und wie die Autoren der Studie meinen, sogar gefährlich. Von einer Hypomanie als UAW von Baclofen besonders betroffen seien laut dem Fachartikel Personen mit Bipolarer Störung.

Das Auftreten einer Hypomanie als UAW (Nebenwirkung) von Baclofen ist allerdings auch nicht wirklich neu, darauf hatten wir schon seit geraumer Zeit hingewiesen, z.B. hier und hier und hier und hier und hier oder hier. Richtig ist bestimmt die Einschätzung der Autoren, dass wenn eine Hypomanie bereits bei geringer Dosierung und auch dort langanhaltend auftritt, die Baclofen-Therapie womöglich abgebrochen werden muss.

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 14. Juni 2015, 01:01

Und noch ein Nachtrag:

DonQuixote hat geschrieben:
Der Nebenwirkungs-Fachartikel hat geschrieben:Drittens, angesichts des potentiellen Auftretens von hypomanischen Zuständen, denken wir, dass von einer Verschreibung von Baclofen an Patienten mit einer Bipolaren Störung wo möglich abgesehen werden sollte.

So wirklich neu ist das ja auch nicht, denn das wissen wir eigentlich schon lange, siehe z.B. hier (es gibt wie ich meine aber auch ältere Forums-Quellen, die finde ich aber grad nicht *grmp*).

Ich hab’s jetzt doch noch gefunden, ich schrieb damals, vor ziemlich genau drei Jahren:

DonQuixote vor ziemlich genau drei Jahren hat geschrieben:Vor allem vor Einem warnen die Autoren des oben bereits erwähnten Baclofen-Leitfadens:

Französische Ärzte hat geschrieben:Schwere Zustände von Verwirrung: Diese können ansteigend oder urplötzlich auftreten. Durch seine verstörende Wirkung beunruhig es das soziale Umfeld des Patienten während sich dieser seiner Lage nicht immer bewusst ist. In einer solchen Situation muss die Therapie heruntergefahren, ganz eingestellt und sogar die Einweisung in eine Klinik in Erwägung gezogen werden. Das Einstellen der Baclofen‐Therapie führt immer zum Verschwinden dieses Syndroms.

Ohne Zweifel sehr selten, aber man sollte es im Auge behalten. Dies tritt insbesondere manchmal bei Personen mit Bipolarer Störung auf.

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon Suse » 14. Juni 2015, 14:14

Lieber DonQ,

Es ist Wahnsinn, was du dir für eine Arbeit machst.
Hiermit möchte ich nur ausdrücken, dass du nicht ins Leere schuftest :-)
Danke dafür,
LG Suse
Früherer Name: Desperatio

Plötzlich konnte ich sehen und ich war froh. Doch was ich sah, gefiel mir nicht. Ich lerne, neu zu sehen. Suse

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon Papfl » 14. Juni 2015, 17:38

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 15. Juni 2015, 20:52

[unknown] Seid gegrüßt

Vielen herzlichen Dank für Euren Zuspruch. Hier noch mein vorerst letzter Beitrag zu diesem Fachartikel. Es geht um einen Aspekt, welcher mich dort am meisten irritiert hat, nämlich um das englische Adjektiv „persistent“. (anhaltend, andauernd, permanent, etc.). Es kommt im englischen Abstract und im Kapitel „Discussion“ insgesamt drei Mal vor. Nehmen wir hier als Beispiel den ersten Satz von „Discussion -> Summary“:

„Discussion -> Summary“ hat geschrieben:Das englische Original: Our results show that baclofen is associated with very frequent and various adverse effects that appear at relatively low doses and are generally persistent.

Meine Übersetzung: Unsere Resultate zeigen, dass Baclofen sehr häufig und auch bei relativ kleiner Dosierung verschiedenste und generell auch anhaltende UAWs verursacht.

Der Fachartikel spricht also von „generell anhaltenden“ UAWs. Das passt irgendwie gar nicht in unsere bisherige „Landschaft“, gingen wir doch bisher stets davon aus, dass sich die UAWs mit zunehmender Gewöhnung an das Medikament und entsprechend langsamer Aufdosierung nämlich verringern und gar ganz verschwinden. Wie kommen also die Autoren des Fachartikels dazu, von „generell anhaltenden“ UAWs zu schreiben?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ist eine solche Aussage ein Ausdruck von Übervorsicht, von „Dienst nach Vorschrift“? In welchem Zusammenhang steht das möglicherweise mit dem einen und einzigen Baclofen verschreibenden Arzt, dessen Patientenstamm untersucht wurde? Wie schnell wurde die Dosis gesteigert und wie wurde dort auf das Auftreten von UAWs (Nebenwirkungen) reagiert? Auch im hier nicht übersetzten Teil des englischen Volltextes findet man darüber jedenfalls keine Informationen.

Die gelebte Praxis sagt ja wie oben bereits beschrieben etwas anderes, dass sich die UAWs mit zunehmender Gewöhnung und entsprechend langsamer Aufdosierung des Medikaments verringern und gar ganz verschwinden. Natürlich nicht bei Jedem und nicht immer, aber dennoch in den allermeisten Fällen. Der vorliegende Fachartikel generalisiert jedoch wie mir scheint die UAWs als „generell anhaltend“. Was ist davon zu halten?

Die Autoren des Fachartikels schreiben außerdem:

Der Fachartikel hat geschrieben:Es gibt zwar auch einige beobachtende Studien (Smith et al., de Beaurepaire, 2012, Rigal et al., 2012), welche jedoch über die Verträglichkeit des Medikaments kaum Aufschluss geben.
(Linksetzungen und vor allem Hervorhebungen von mir)

Das stimmt so nicht ganz, insbesondere könnte man da die Autoren an ihren eigenen Fachartikel aus 2012 erinnern, welcher sehr wohl auch die UAWs (Nebenwirkungen) untersuchte. Wie bereits in meinem Vorposting beschrieben, beruht dieser Fachartikel auf der uns bekannten Pariser Dissertation, und der dortige Abschnitt „Nebenwirkungen“ wurde weitestgehend von uns übersetzt. Auch Beaurepaire widmete in seiner retrospektiven Studie (2012) einen ganzen Absatz den UAWs.

Der hier besprochene Fachartikel betrachtet 116 Patienten eines Allgemeinpraktikers. Aber was ist mit den vielen tausenden Patienten diverser Ärzte, auf deren Erfahrungen unsere Leitfaden und die erweiterten Erfahrungen der Ärztevereinigung RESAB beruhen? Nirgends ist dort von „generell anhaltenden UAWs“ die Rede. In Einzelfällen sind die UAWs möglicherweise anhaltend, aber „generell anhaltend“, so wie das der hier besprochene Fachartikel beschreibt, sind sie dort nicht.

Dass es manchmal schwer ist, einzelne UAWs überhaupt dem Medikament Baclofen zuzuschreiben, sehen auch die Autoren des hier besprochenen Fachartikels. Manche Empfindungen der Patienten sind auch nur schon dem Umstand geschuldet, dass das „Medikament Alkohol“ plötzlich nicht mehr vorhanden ist, ganz besonders gilt dies bei depressiven Reaktionen, hervorgerufen möglicherweise durch eine schlagartige Bewusstwerdung (Rückkehr zu einer Klarsichtigkeit nach Jahren der Vernebelung) und schonungsloser Offenlegung des katastrophalen Ausmaßes der Verluste, die diese Patienten erlitten haben.

Es gibt auch noch eine andere, „knallharte“ Sicht auf die UAWs. Der Leiter eines anderen Baclofen-Forums drückte es einmal so aus:

Federico hat geschrieben:Olivier Ameisen hat sich aus diesen und anderen Gründen aus der französischen Medizinergemeinde zurückgezogen. Als einziger von Alkoholismus selbst betroffener Arzt ist er der Meinung, dass keine unerwünschte Wirkung so unaushaltbar ist wie die unerwünschten Begleiterscheinungen des fortschreitenden Alkoholismus. Er ist schlicht der Auffassung: Keine unerwünschte Wirkung ist so gravierend wie die Auswirkungen von Alkoholismus es sind. Für ihn sind Nebenwirkungen allenfalls Irritationen vorübergehender Natur und selbstverständlich aushaltbar. Kann es sein, dass Baclofen nur die Menschen zu schätzen wissen die eine Ahnung vom unausweichlichen Ende der Suchtkarriere haben? Meiner Meinung nach muss jeder selber wissen, wo er steht und wie bedrohlich sich die Situation für ihn darstellt.

Viele Patienten berichteten denn auch von schier unaushaltbaren Nebenwirkungen, welche sie aber dennoch nicht von ihrem Weg abbrachten, und dass sie damit letztendlich auch Erfolg hatten. Aber eben, das Aushalten von Nebenwirkungen bis dass am Ende buchstäblich „der Arzt kommt“, ist auch nicht die Lösung. Es bleibt eine Gratwanderung …

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon jivaro » 16. Juni 2015, 06:59

Es bleibt eine Gratwanderung …


Das sehe ich auch so. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass alle UAWs reversibel sind, was vielen Patienten die Angst genommen hat sich auf die Therapie mit Baclofen "einzulassen".
Das ist bislang auch meine Erfahrung aus allen selbst durchgeführten Behandlungen sowie sämtlichen Ratschlägen im Forum bzw. per mail!
Schwierig ist für mich als Arzt oft die Ungeduld des Patienten, der auch mal eine UAW "weglässt" um auf eine höhere Dosis "zu kommen". Oder extreme Verunsicherung durch "geringe" UAWs, die Geduld von Patient und Arzt benötigen.

Die schlechteren Behandlungsergebnisse bei Bipolaren Störungrn und insbesondere bei Borderline-Erkrankungen kann ich auch bestätigen; einzelne Patienten haben aber dennoch hervorragend profitiert, sodass ich das Wagnis einer Behandlung eingehe.
Die Diagnose ADHS ist für mich persönlich eine Ausschlussdiagnose für die Behandlung mit Baclofen, hier traten in 3 Fällen nach einmaliger Gabe von 2,5-5mg Baclofen unangenehme Zwangsphänome (Schlüsselsuche, Türe abschliessen) und Verwirrtheit auf, die sich in 4 Stunden komplett zurückbildeten. Wenn ich den Verdacht auf ein ADHS habe kann ich die Patienten zu einem Spezialisten überweisen, der "auf Kasse" diesen Verdacht abklärt. Bei ADHS wirken eben viele Stoffe entgegengesetzt, paradox, dh. zB. geben diese Patienten an unter Amphetaminen oder Cocain besser denken zu können und in die Ruhe zu kommen, unter Benzodiazepinen entsteht Unruhe, Getriebenheit (ok, nicht alle Menschen verfügen über diesen "Erfahrungsschatz").

Schwierig bleibt auch der Konsum von Alkohol und Baclofen, hier sind die UAWs wirklich unabsehbar.

Zu den Verwirrtheitszuständen unter Baclofen habe ich einmal Olivier Ameisen befragt; bei sonst ausgesprochen freundschaftlichem Kontakt reagierte er hier ziemlich wütend: "was glaubst Du denn, wie die Menschen unter Alkohol verwirrt sind", es war gegen 4.00 Uhr am Morgen. Ich denke Ferdericos Zitat erklärt das.

LG jivaro

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon GoldenTulip » 16. Juni 2015, 08:23

Hi DQ,
Dass es manchmal schwer ist, einzelne UAWs überhaupt dem Medikament Baclofen zuzuschreiben, sehen auch die Autoren des hier besprochenen Fachartikels. Manche Empfindungen der Patienten sind auch nur schon dem Umstand geschuldet, dass das „Medikament Alkohol“ plötzlich nicht mehr vorhanden ist, ganz besonders gilt dies bei depressiven Reaktionen, hervorgerufen möglicherweise durch eine schlagartige Bewusstwerdung (Rückkehr zu einer Klarsichtigkeit nach Jahren der Vernebelung) und schonungsloser Offenlegung des katastrophalen Ausmaßes der Verluste, die diese Patienten erlitten haben.


Das sehe ich auch so.
Und ich gebe mal zur Überlegung, dass die seelische Verfassung (incl. Komorbiditäten) bei Alkoholikern ggf. spezifisch auf Baclofen an die Andockstation an GABA-B reagiert. Das "persistent" würde sich mir über nicht durch den Alkohol ausgelöste, unbehandelte Angst und Depression teilweise erklären, denn die werden nicht automatisch durch Baclofen mitbehandelt geschweige denn "geheilt".
Meine erste Frage wäre, über welche UAW's es denn geht. Müdigkeit? Verwirrtheit? Neben sich stehen?
Die zweite Frage wäre, ob es um Leute geht, die ansonsten sehr von Baclofen alkoholtechnisch profitieren, oder ob da die Non-Responder eingerechnet sind?

LG Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Anniebae
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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon Anniebae » 16. Juni 2015, 13:49

Als Begleiterin diverser Anwender kann ich nur immer wieder meine Sicht auf die Behandlung der Alkoholabhängigkeit mit Baclofen betonen:

jivaro hat geschrieben:Schwierig bleibt auch der Konsum von Alkohol und Baclofen, hier sind die UAWs wirklich unabsehbar.

Danke für diese Aussage!
Es wäre so wichtig, die unselige Kombination von Baclofen und Alkohol deutlich als die ungünstigere Alternative, gemessen an der Aufrechterhaltung der Abstinenz, zu benennen.
Die Kombination von Baclofen und Alkohol ist während einer Übergangsphase zu Behandlungsbeginn zu tolerieren oder, wenn im Einzelfall Abstinenz überhaupt nicht erreicht wird, gleichzeitig unter Baclofen aber eine deutliche Trinkmengenreduzierung bei Ausbleiben schwerer Nebenwirkungen festgestellt werden kann.

Ansonsten sollte unbedingt die Aufrechterhaltung der Abstinenz die Behandlung der Wahl bleiben, denn:

• die Erfolgsaussichten der Behandlung sinken erheblich bei Weiterkonsum. Die individuellen Faktoren, die einen dauerhaft kontrollierten Konsum ermöglichen, sind derzeit nicht bekannt. Kontraproduktiv sind nach jetzigem Erfahrungsstand:
o instabiles soziales Umfeld
o andere Abhängigkeiten
o belastende Lebensumstände
o diverse psychische Störungen (unklar)
o bestimmte Persönlichkeitseigenschaften des Behandelten (unklar).

• Die Erfolgsaussichten der Behandlung sinken erheblich bei Auftreten starker Nebenwirkungen und verschwinden notwendigerweise ganz bei resultierendem Behandlungsabbruch. Das Auftreten starker Nebenwirkungen scheint durch Weiterkonsum begünstigt zu sein.

• Die Erfolgsaussichten der Behandlung sinken erheblich bei Unsicherheit hinsichtlich des Behandlungserfolgs seitens des Behandelten. Diese Unsicherheiten werden verstärkt durch das Auftreten starker Nebenwirkungen und bei wiederholtem Rückfall.

• Die Erfolgsaussichten der Behandlung sinken erheblich bei Unsicherheit hinsichtlich des Behandlungserfolgs seitens des Behandelnden. Auch diese Unsicherheiten werden verstärkt durch das Auftreten starker Nebenwirkungen und bei wiederholtem Rückfall sowie in deutlichem Maße auch bei Weiterkonsum.

So lange die Faktoren, die einen dauerhaft erfolgreichen, kontrollierten Weiterkonsum beim einzelnen Behandelten ermöglichen, dermaßen unbekannt und unabwägbar sind, ist generell vom Versuch des kontrollierten Weiterkonsums abzuraten.
Die Gefahr von Rückfall, Behandlungsabbruch und dem Auftreten starker Nebenwirkungen steigt bei Weiterkonsum dramatisch an. Gleichzeitig verringert das Auftreten von Rückfällen, Behandlungsabbrüchen und das Auftreten starker Nebenwirkungen die Akzeptanz der Behandlung bei Ärzten und Therapeuten ebenso wie bei den Patienten.

Diese sinkende Akzeptanz behindert die schnelle und flächendeckende Versorgung von Patienten mit Baclofen, die nach jetzigem Stand der Erfahrung bis zu 75% der Anwenderinnen und Anwender die erheblich erleichterte Aufrechterhaltung einer Abstinenz ermöglichen würde.

Baclofen hilft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fast allen Anwendern bei der Aufrechterhaltung der Abstinenz. Alles andere ist ein Tanz auf dünnstem Eise!

Annie

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 17. Juni 2015, 21:51

Seid gegrüßt

Danke für die rege Teilnahme an dieser Diskussion. Vielleicht haben wir dabei aber auch das Wichtigste aus den Augen verloren, nämlich die Nebenwirkungen im Einzelnen. Danke auch an Conny (@GoldenTulip) für den entsprechenden Hinweis. Deshalb hier meine Übersetzung des Unterkapitels „Resultate → Beschreibung der UAWs“ (engl: Results → Description of adverse effects):

Übersetzung des Kapitels „Resultate → Beschreibung der UAWs“ hat geschrieben:
Im ersten Jahr der Behandlung wurden drei Patienten nach Missachtung des Behandlungsprotokolls in ein Spital eingeliefert: Zwei Patienten wegen Halluzinationen in Folge einer Überdosis Baclofen (400 bis 500 mg) und ein dritter Patient in Folge von Entzugserscheinungen nach abruptem Absetzen des Medikaments von vormals 180 mg / Tag.

In diesem ersten Jahr der Behandlung klagten 78 % (90 Patienten) über mindestens eine UAW (siehe Tabelle 2). Die durchschnittliche Anzahl UAWs pro Patient betrug dabei 2,8 ± 2,7. Die häufigsten UAWs fielen in die Gruppe der Schlaf-Wach-Regulation (Allgemeine Schläfrigkeit, heftige Anfälle von Schläfrigkeit, Allgemeine Körperschwäche (Asthenie) und Schlaflosigkeit) von welchen 63 % (73 Patienten) berichteten.

Die durchschnittliche Dosis beim ersten Auftreten einer UAW betrug 83 ± 57 mg / Tag (Minimum: 20 mg, 1. Quartil: 30 mg, Median: 60 mg, 3. Quartil: 120 mg, Maximum: 300 mg). Probleme mit dem Harnsystem und Aufmerksamkeitsdefizite waren die UAWs, welche bei der geringsten durchschnittlichen Baclofen Dosis auftraten, d.h. jeweils immer schon unter 90 mg / Tag. Im Gegensatz dazu die UAWs Schwitzen, Tinnitus und Durchfall, welche bei den durchschnittlich höchsten Dosierungen erstmals beobachtet wurden.

Persistente (engl: „persistent“; Anm. DonQ: da ist dieses irritierende Adjektiv wieder) UAWs traten bei 53 % (62 Patienten) auf, das sind beinahe 70 % derjeniger Patienten, welche überhaupt über Nebenwirkungen klagten. Die UAWs „Schwitzen“ und „Aufmerksamkeitsstörungen“ waren die am meisten als „persistent“ genannten UAWs (mehr als 85 % der Fälle).

Acht Patienten (7%) verspürten Nebenwirkungen, welche zu Abbruch der Therapie führten. Die Dosierung lag dabei unter 90 mg / Tag. Aufmerksamkeitsstörungen und Depressionen waren dabei am häufigsten. Wichtige Funktionsstörungen (Erinnerungslücken, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen) betrafen 20 % der Patienten (in Zahlen: 23) und wurden bei sieben von acht Patienten beobachten, welche die Therapie wegen schlechter Verträglichkeit von Baclofen abgebrochen hatten. Diese UAWs traten bei unterschiedlicher Dosis zwischen 30 und 270 mg / Tag auf.

Von einer eigentlich vorgesehenen Dosiserhöhung musste wegen schlechter Verträglichkeit des Medikaments bei 10 Patienten (9 %) abgesehen werden. Die maximale Dosis, welche diese Patienten dabei noch vertragen hatte, lag zwischen 30 und 240 mg / Tag. Paräthesie (Missempfindungen in des äußeren Gliedern) und Tinnitus waren die meistgenannten UAWs, welche eine weitere Dosiserhöhung verhinderten.

Durchfall, Hitzewallungen, Hautausschlag, Geschmacksstörungen (Dysgeusie, engl: dysgeusia), Exzitation, (engl: excitation) und Libido-Störungen hatten am wenigsten Auswirkung auf das Fortführung der Baclofen-Therapie. Alle UAWs verschwanden nach dem Absetzen von Baclofen.

Bei der Interpretation dieser Zahlen, insbesondere bei den UAWs, die „durchschnittlich“ bei den geringsten oder „durchschnittlich“ den höchsten Baclofen-Dosen erstmals auftraten oder „am Meisten“ zum Therapieabbruch oder einer Verunmöglichung der Dosiserhöhung führten, sollten wir etwas vorsichtig sein. Meiner bescheidenen Laien-Meinung nach (bloßes Bauchgefühl), erlaubt die geringe Datenbasis von 116 Patienten keine verlässliche oder vernünftige Aussage, wann welche UAWs möglicherweise bei welcher Dosis erstmals auftreten und/oder zu welchen Konsequenzen führen. Aber die Autoren der Studie haben ja selbst solche Einschränkungen der Interpretation bereits genannt.

Und hier noch die wichtigsten Zahlen aus der oben bereits erwähnten Tabelle 2 des Fachartikels:

(Für Zahlen-Junkies hier noch die Original-Tabelle. Die in diesem Posting dargestellten Prozentzahlen in den letzten vier Spalten meinen nur den prozentualen Anteil der von der jeweiligen UAW bei der jeweiligen Dosis betroffenen Patienten, nicht etwa den prozentualen Anteil aller befragter Patienten)

Jivaro hat geschrieben:
Bislang sind wir davon ausgegangen, dass alle UAWs reversibel sind, was vielen Patienten die Angst genommen hat sich auf die Therapie mit Baclofen "einzulassen".

Davon können wir auch weiterhin ausgehen. Die Studie und der Fachartikel schreiben zwar von „generell anhaltenden“ (engl: persistent) UAWs, man erfährt allerdings nicht, was sie damit genau meinen. Sie schreiben aber auch, siehe in diesem Posting weiter oben:

Übersetzung des Kapitels „Resultate → Beschreibung der UAWs“ hat geschrieben:
Alle UAWs verschwanden nach dem Absetzen von Baclofen.

Wir sind nach dieser Studie und diesem Fachartikel wie mir scheint hinsichtlich UAWs (Nebenwirkungen) irgendwie nicht wirklich viel schlauer als zuvor. Und noch etwas zum Schluss:

DonQuixote hat geschrieben:Es bleibt eine Gratwanderung ...

Das könnte ich eigentlich ebenso gut abändern in: „Es bleibt eine Wanderung ...“.

DonQuixote

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon Papfl » 18. Juni 2015, 09:58

Moin zusammen!

Bitte messt dieser Studie nicht allzu große Bedeutung bei, weil sie konzeptionell und methodisch einige gravierende Mängel aufweist. Die Krux liegt meines Erachtens hier (leider geht das angesichts der umfangreichen Schilderung der vermeintlich "vielen" Nebenwirkungen etwas unter):

Deutsche Übersetzung des Kapitels 'Discussion' hat geschrieben:Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die UAWs keinesfalls mit Sicherheit dem Medikament Baclofen zugeschrieben werden können. Unsere Studie hatte nur beschreibenden Charakter und sollte das von den Patienten beschriebene Empfinden in einer praxisnahen Situation aufzeichnen, nicht jedoch kausale Zusammenhänge untersuchen. Die Tatsache, dass viele Patienten gleichzeitig Psychopharmaka und/oder auch Alkohol einnahmen, kann deshalb, und auch angesichts von weiteren möglichen Wechselwirkungen, zu anderen Ursachen als dem Medikament Baclofen für die festgestellten UAWs führen. So kann z.B. Baclofen zu erhöhter Schläfrigkeit führen, genauso wie Psychopharmaka gleichzeitig zu anderen Bewusstseinsstörungen.

von hier

Ich kann doch nicht Patienten, die an den verschiedensten psychischen (Vor)erkrankungen resp. Komorbiditäten ("zusätzliche Erkrankungen") leiden, ein Medikament geben und dann den Anschein erwecken, alle danach auftretenden UAWs ("Unerwünschte Arzneimittelwirkungen") seien auf das "neue" Medikament zurück zu führen.

Bei der Untersuchung fast völlig außer Acht gelassen wird zum Beispiel, wie hoch der Alkohol-Beikonsum beim jeweiligen Patienten (noch) war bzw. wer komplett abstinent blieb. Wir alle wissen doch, dass Alkohol eine bestimmte FUNKTION einnimmt. Fällt er weg oder wird er reduziert, treten oftmals die ursprünglichen Probleme (die wir durch den Alkoholkonsum "behandelt" haben) wieder auf.

Eine Unterscheidung, welche Erkrankung/Störung ursprünglich schon vorhanden war oder bedingt durch andere zusätzlich eingenommene Medikamente auftrat oder der individuellen Krankheitsgeschichte des einzelnen Patienten geschuldet ist etc. - und welche UAWs auf Baclofen zurückzuführen sind, kann diese Studie angesichts ihrer Konzeption, ihres Aufbaus und ihres Designs nicht leisten.

Und dass die Patienten keine "unbeschriebenen" Blätter waren, wird in Tabelle 1 der Studie mehr als deutlich:

Bild

DonQuixote hat geschrieben:Wir sind nach dieser Studie und diesem Fachartikel wie mir scheint hinsichtlich UAWs (Nebenwirkungen) irgendwie nicht wirklich viel schlauer als zuvor.

...nicht zuletzt, weil da wissenschaftlich echt suboptimal gearbeitet wurde. Und das ist noch gelinde ausgedrückt...

Es wurde Christian A. Müller et al. bei der BACLAD-Studie zwar an mancher Stelle angekreidet, dass Patienten mit anderen psychischen/neurologischen Erkrankungen außer Alkohol- und Nikotinabhängigkeit von der Studie ausgeschlossen wurden, aber das macht schon Sinn: Eben weil man in der BACLAD-Studie explizit und möglichst trennscharf die Wirksamkeit von Baclofen bei Alkoholabhängigkeit erforschen und konfundierende Variablen möglichst ausschließen wollte.

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon Eva » 11. Juli 2015, 12:37

Grüß Euch alle Miteinander!
Erstmals herzlichen Dank an DonQ für die "Mörderarbeit", von der wir alle sehr profitieren. Ich denke, dass die Nebenwirkungen von Baclofen sehr ernst zu nehmen sind aber die Konsequenzen doch sehr differenziert zu betrachten sind. Ich vertrage Baclofen sehr gut aber bei einer zu schnellen Hochdosierung habe ich am eigenen Leib gespürt, was passieren kann. Meine Docin hat mir eine 25 g Packung verschrieben und ich habe nicht aufgepasst und habe die Anzahl der 10 mg Tabletten für die 25 g Gabe nicht verändert. Am Nachmittag wurde mir regelmäßig schummrig und ich bekam schlimme Müdigkeitsattacken. Gott sei Dank konnte ich den Grund schnell ausfindig machen. Grundsätzlich meine ich, dass speziell Medikamente, die den Gehirnstoffwechsel beeinflussen eine Menge an Nebenwirkungen haben und beim Lesen der Beipackzettel können schon mal gravierende Ängste hochkommen. Meist haben die Betroffenen den Vorteil, dass die Ärzte auf Alternativen auf der Grundlage von Versuch und Irrtum ausweichen können. Leider gibt es bei der medikamentösen Behandlung von Alkoholismus diese Alternativen nicht. Wir können nur hoffen, dass die Bandbreite in naher Zukunft sich vergrößert. Ich kann der Meinung von Dr. Ameisen viel abgewinnen, wenn er meint, dass selten die Nebenwirkungen von Medikamenten so gravierend sind als jene bei Alkoholkonsum ab einem gewissen Niveau. Ich wünsche Euch allen ein schönes Wochenende. Ich fliege am Montag für 10 Tage in den Süden, habe mich gut mit DVD's und Bücher auf die Insel eingestimmt und werde sicher mit den einen oder anderen Gedanken zu Euch fliegen.
Alles Liebe Eva.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe, bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in Andere, neue Bindungen zu geben. Und jeden Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben (aus Hesse' Stufenlied).

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon Papfl » 12. Juli 2015, 09:34

Hallo Eva!
Na dann guten Flug und einen schönen, erholsamen Urlaub Bild!

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon WilloTse » 26. Juli 2015, 07:34

Guten Morgen betalbatim.

So weit ich das sehe, unterscheidet sich meine Einstellung (= baclofengestützte Abstinenz. Wenn das partout nicht funktionieren will, die französische Methode: Baclofen einschleichen, Alkohol ausschleichen als zweitbeste Option. Nach aktueller Studienlage sind bis 80mg/d Baclofen in Kombination mit Alkohol keine dramatischen Nebenwirkungen zu erwarten. Erst, wenn auch das nicht hilft, muss über weitere Optionen nachgedacht werden.) eigentlich nicht nennenswert von @jivaros Position.

Zudem bedanke ich mich gelegentlich sozusagen stellvertretend bei Leuten, die regelmäßig und dauerhaft ihre Freizeit damit verbringen, anderen Menschen zu helfen, die sie nicht mal kennen und von denen sie oft nie wieder etwas hören (oft genug eben nicht mal ein "Danke schön!"). Dass @jivaro zu den Leuten gehört, die regelmäßig ein "danke-dass-Du-Dich-engagierst!"-Däumchen von mir bekommen, ist doch klar.

Für eine von meiner abweichenden Meinung wirst Du von mir sicher nicht "gescholten". Dafür, dass Du jede Gelegenheit nutzt - selbst die, Dich Deinerseits bei @jivaro zu bedanken - um mir oder Conny ohne jede Not und mit voller Absicht auf die Zehen zu steigen, habe ich allerdings kein Verständnis.

Willo

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon Lucidare » 26. Juli 2015, 11:00

Hallo,

ich möchte keinem Angst machen, aber ich bin mit 75 - 100mg Baclofen plus Alkohol in der Klinik gelandet. Das Schlimme war, dass ich mein Verhalten und meine (wirren) Gedanken selbst als "normal" empfunden habe. Ich habe da einige Sachen gesagt und getan, oh je. Man muss sehr vorsichtig sein. Gerade bei und mit Begleiterkrankungen.

LG
Wer aus meinen Texten nicht herauslesen kann, dass ich aus persönlicher Erfahrung schreibe, wird mich sowieso missverstehen. Ronja von Rönne

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon DonQuixote » 27. Juli 2015, 17:50

Hallo Betalbatim

Ich komme dann mal gleich zu Sache:

Betalbatim hat geschrieben:Für diese Aussage [die oben von Jivaro] wurde ich hier jahrelang gescholten, ausgerechnet von denen, die deinen Beitrag mit thanks versehen haben, nämlich Willo und GT.

Man kann verschiedener Auffassung darüber sein, wer „jahrelang“ der Gescholtene und wer der Scheltende war. Hier eine kleine Sammlung der von Dir jeweils verwendeten Formulierungen:

Betalbatims Formulierungen hat geschrieben:

Das sind jetzt nur Zitate seit Mitte Januar dieses Jahres. Aber irgendwie geht das ja schon seit April 2012 so. Sorry, Betalbatim, aber ich bitte Dich zu verstehen, dass das nicht der Stil ist, in welchem wir hier miteinander diskutieren möchten. Ich verstehe Deine Anliegen sehr wohl, und sie sind ja auch teilweise berechtigt, aber versuche doch bitte auch mal mit Fakten zu überzeugen und nicht immer auf den Mann, respektive auf die Frau zu spielen. Danke! Nun noch konkret zu diesem hier:

betalbatim hat geschrieben:@all,

jivaro hat geschrieben:Schwierig bleibt auch der Konsum von Alkohol und Baclofen, hier sind die UAWs wirklich unabsehbar.


Liebe Jivaro, danke für diese Aussage bzw. Kommentar (für alles Andere sowieso). Für diese Aussage wurde ich hier jahrelang gescholten, ausgerechnet von denen, die deinen Beitrag mit thanks versehen haben, nämlich Willo und GT.

Gruß, betalbatim

Respektive zu diesem:

betalbatim hat geschrieben:
lucidare hat geschrieben:Hallo,

Ich möchte keinem Angst machen, aber ich bin mit 75 - 100mg Baclofen plus Alkohol in der Klinik gelandet. Das Schlimme war, dass ich mein Verhalten und meine (wirren) Gedanken selbst als "normal" empfunden habe. Ich habe da einige Sachen gesagt und getan, oh je. Man muss sehr vorsichtig sein. Gerade bei und mit Begleiterkrankungen.


Das bestätigt doch die These.... Baclofen und Alkohol ..... no go.

Gruß, betalbatim

Medizin, mitunter auch „Heilkunst“ genannt, ist keine exakte Wissenschaft, und ein auf einen Patienten maßgeschneidertes Therapiemodell muss nicht zwingend für alle anderen, an der gleichen Krankeit leidenden Patienten gleichermaßen zutreffen. Konkret jetzt zur Aussage von Jivaro:

jivaro hat geschrieben:Schwierig bleibt auch der Konsum von Alkohol und Baclofen, hier sind die UAWs wirklich unabsehbar.

Woraus Du auf Grund eines weiteren Erfahrungsberichtes dann folgerst:

Betalbatim hat geschrieben:Das bestätigt doch die These.... Baclofen und Alkohol ..... no go.

Natürlich ist Baclofen und Alkohol irgendwie und irgendwo ein „no go“, oder wie sich Jivaro ausdrückte „schwierig“, aber sie schließen sich auch nicht wirklich aus. So sieht das meiner Meinung nach auch Jivaro selbst, die in der Vortragsfolie zu ihrem Seminar an den Münchner Suchttherapietagen über die Baclofen-Therapie schrieb:

Jivaro hat geschrieben:
Therapieziele:

  • „Zufriedene“ Abstinenz
oder:

  • Moderater Konsum nach WHO-Kriterien.

Baclofen und die gleichzeitige Einnahme von Alkohol müssen sich jedenfalls nicht zwangsläufig ausschließen, vor allem nicht in moderater Form (WHO-Kriterien) oder in der Anfangsphase der Baclofen-Therapie. Gleicher Ansicht sind auch die Autoren des „Baclofen-Leitfadens“, Annie Rapp, eine der erfahrensten „Baclofen-Ärztinnen“ Frankreichs, die Ärztevereinigung RESAB in ihren eigenen Richtlinien sowie die ach so strenge französische Behörde für die Überwachung der Sicherheit von Medizinalprodukten (ANSM) in deren Durchführungsbestimmungen zur Anwendung der vorübergehenden französischen Zulassung (RTU). Alle diese Autoren können sich dabei auf Erfahrungen mit zig-tausend Patienten abstützen.

Betalbatim hat geschrieben:Das bestätigt doch die These.... Baclofen und Alkohol ..... no go.

In einigen Fällen, vor allem beim Vorhandensein von schweren und akuten psychiatrischen Begleiterkrankungen, so wie z.B. bei einer Bipolare Störung, ev. auch bei ADHS, Plytoxikomanie oder bei seltener Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff Baclofen, mag dies zutreffen. Verallgemeinern und pauschalisieren kann man eine solche Aussage jedoch nicht.

Meint DonQuixote

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Re: Neue Studie: Verträglichkeit von hoch dosiertem Baclofen

Beitragvon WilloTse » 28. Juli 2015, 06:18

Vielen Dank DonQ! [good]

DonQuixote hat geschrieben:Baclofen und die gleichzeitige Einnahme von Alkohol müssen sich jedenfalls nicht zwangsläufig ausschließen, vor allem nicht in moderater Form (WHO-Kriterien) oder in der Anfangsphase der Baclofen-Therapie. Gleicher Ansicht sind auch die Autoren des „Baclofen-Leitfadens“, Annie Rapp, eine der erfahrensten „Baclofen-Ärztinnen“ Frankreichs, die Ärztevereinigung RESAB in ihren eigenen Richtlinien sowie die ach so strenge französische Behörde für die Überwachung der Sicherheit von Medizinalprodukten (ANSM) in deren Durchführungsbestimmungen zur Anwendung der vorübergehenden französischen Zulassung (RTU). Alle diese Autoren können sich dabei auf Erfahrungen mit zig-tausend Patienten abstützen.


Zwei Sachen möchte ich noch ergänzen:

die im Zusammenhang Baclofen in Kombination mit Alkohol oft genannte Studie kommt zu folgendem Schluss:

Evans & Bisaga, 2009, hat geschrieben:This is the first study to directly investigate the safety of baclofen when combined with intoxicating doses of alcohol. No adverse side effects were observed or reported despite the fact thatthe [sic] doses of baclofen tested were higher than those used in previous clinical trials. Therefore, in combination with the results obtained in alcohol-dependent patients (Addolorato et al., 2002a; Flannery et al., 2004), including those with alcohol-related liver damage (Addolorato et al., 2007), our laboratory study suggests that baclofen has an acceptable safety profile even among individuals who continue to drink.

Hervorhebungen von mir

In dieser Studie geht es um Sicherheit bei der Kombination von Baclofen bis 80 mg mit berauschenden ("intoxicating") Alkoholmengen.
Wichtig hierbei ist zunächst, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen diese Kombination sicher ist, das heißt, es sind keine schweren, möglicherweise lebensbedrohenden oder irreversiblen Komplikationen zu erwarten.
Das heißt nicht, dass diese Kombination unbedingt empfehlenswert ist.

Hier ist, wie @DonQ oben schon andeutete, die medizinisch gestützte Einzelfallentscheidung ausschlaggebend. Wenn Abstinenz (noch) nicht gelingt UND die Kombination gut vertragen wird UND ein deutlicher Therapieerfolg im Sinne einer erheblichen Trinkmengenminderung vorliegt, müssen Arzt und Patient im Sinne einer Nutzen-Risiko-Abwägung entscheiden, ob Baclofen wieder abgesetzt werden soll, um diese Kombination auszuschließen, oder ob die Kombination von Baclofen mit deutlich verringerter Trinkmenge zielführend(er) ist. Das kann nur individuell entschieden werden, jede Pauschalisierung, egal, in welche Richtung, ist hier fehl am Platze.

Das Zweite, worauf ich hinweisen möchte: die meisten "Kombinationsversuche" von Alkohol und Baclofen dürften nicht geplant und freiwillig stattfinden, sondern im Zusammenhang mit einem - auch unter Baclofen möglichen - Rückfall. Hier aus Angst vor möglichen Wechselwirkungen von Baclofen und Alkohol eventuell hoch dosiertes Baclofen abrupt abzusetzen, ist mit Sicherheit der größere Fehler, da hier zu allem Übel auch noch massive Absetzerscheinungen des Baclofen hinzukommen können.

Gerade in diesem Fall ist es wichtig, zu wissen, dass die Sicherheit der Kombination nach heutigem Kenntnisstand gegeben ist!

LG
Willo


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