Alkohol- respektive Baclofen-Dosierung und schwere Sedierung

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DonQuixote
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Alkohol- respektive Baclofen-Dosierung und schwere Sedierung

Beitragvon DonQuixote » 4. Juni 2015, 22:38

Seid gegrüßt.

Brandneu ist diese Studie:

Der (das?) englische Abstract der Studie hat geschrieben:
High-dose baclofen, i.e., 300 mg/d or more, has recently emerged as a strategy for treating alcohol dependence. The impact that the co-exposure of large amounts of alcohol and baclofen has on sedation is unclear.

In a prospective cohort of 253 subjects with alcohol dependence, we collected daily alcohol and baclofen doses across the first year of baclofen treatment and the monthly maximum subjective sedation experienced by each patient (0–10 visual analog scale). For each patient-month, we determined the average weekly alcohol consumption (AWAC; standard-drinks/week) and the maximum daily dose of baclofen (DDB; mg/d). The occurrence of an episode of major sedation (EMS) during a patient-month was defined as a sedation score ≥7. The relationship between the EMS occurrence and the concurrent AWAC and DDB was investigated using a generalized estimating equation model.

In total, 1528 patient-months were compiled (70 with an EMS). Univariate analyses demonstrated that the rate of patient-month to EMS increased gradually with AWAC (p<0.001), from 0.9% for AWAC=0 to 9.4% for AWAC>35. There was also a significant gradual risk for EMS associated with DDB (<0.001). Multivariate analysis demonstrated a significant interaction between DDB and AWAC on EMS risk (p=0.047). Each 20 mg/d increase in DDB was associated with an OR of EMS in AWAC>35 of 1.22 (95%CI, 1.08–1.38) versus 1.11 (95%CI, 0.96–1.29) in AWAC=1–35, and 0.95 (95%CI, 0.76–1.19) in AWAC=0. The level of sedation observed in patients using baclofen for alcohol dependence appears to directly depend on the immediate doses of both the baclofen and the alcohol.

Hier meine Übersetzung des englischen Abstracts:

DonQuixotes Übersetzung des englischen Abstracts hat geschrieben:
Die Therapie mit hoch dosiertem Baclofen (z.B. über 300 mg / Tag) zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit wird in letzter Zeit vermehrt praktiziert. Die Auswirkungen von gleichzeitig hoher Baclofen- und Alkoholdosis auf das Auftreten von Sedierung ist indes unklar.

In der von uns untersuchten Patientengruppe von 253 Alkoholabhängigen erhoben wir im deren ersten Jahr der Behandlung sowohl deren tägliche Baclofen-Dosis als auch deren täglichen Alkoholkonsum und das monatlich aufgetretene Maximum an Sedierung, welches die Patienten anhand einer analogen Skala von 1 – 10 angeben konnten. Für jeden Patienten ermittelten wir den durchschnittlichen wöchentlichen Alkoholkonsum (AWAC; average weekly alcohol consumption; standard-drinks/week) und die maximale tägliche Baclofendosis (DDB; daily dose of baclofen; mg/d). Das Auftreten eines Falles von schwerer Sedierung (EMS; episode of major sedation) innerhalb eines Patientenmonats wurde mit dem Sedierungs-Score ≥ 7 gleichgesetzt. Die Beziehung zwischen dem Auftreten eines EMS und den gleichzeitigen AWACs respektive DDBs untersuchten wir mit einem „generalized estimating equation model“

Hier mache ich eine kleine Pause. Was genau ist ein „generalized estimating equation model“? Also ich kenne mich da überhaupt nicht aus, vielleicht wissen @Willo oder @Papfl mehr. Ein Übersetzungsversuch könnte lauten: „Ein auf generellen Daten basierendes, abschätzendes und austarierendes Berechnungsmodell“. Wer weiß, irgendein Modell halt, welches die Forscher als angemessen erachteten. Doch weiter im Text:

DonQuixotes Übersetzung des englischen Abstracts hat geschrieben:
Es wurden total 1‘528 Patienten-Monate ausgewertet, darunter 70 mit einem EMS, d.h. dem Auftreten eines Falles von schwerer Sedierung. Ein univariable Analyse ergab, dass die Wahrscheinlichkeit von Patientenmonaten mit EMS signifikant (p<0.001) und gradweise mit dem AWAC (Durchschnittlicher wöchentlicher Alkoholkonsum) anstieg, nämlich von 0.9% für AWAC = 0 bis zu 9.4% für AWAC >35. Es ergab sich ebenfalls ein signifikant (p<0.001) und graduell erhöhtes Risiko von EMS in Anbetracht der DDB (Maximale tägliche Baclofendosis).

Eine multivariable Analyse ergab ebenfalls einen signifikanten (p=0.047) Zusammenhang zwischen EMS und gleichzeitig ausgewertetem AWAC respektive DDB. Jede Baclofen-Dosiserhöhung um 20 mg / Tag ging einher mit einem erhöhten Risiko von EMS bei AWAC > 35 von 1,22 (95%CI, 1.08–1.38) gegenüber 1.11 (95%CI, 0.96–1.29) bei AWAC = 1–35 und 0.95 (95%CI, 0.76–1.19) bei AWAC = 0.

Und wieder eine kleine Zwischenpause. Alles klar? Habt Ihr alles verstanden? Wahrscheinlich nicht, und dann geht es Euch genauso wie mir, bevor ich den (das?) Abstract zehn Mal durchgelesen hatte *seufz*. Aber da steht im Abstract zum Glück noch ein prägnanter Schlusssatz:

DonQuixotes Übersetzung des englischen Abstracts hat geschrieben:
Das Vorkommen einer schweren Sedierung bei Patienten, welchen Baclofen zur Behandlung der Alkoholabhängigkeit verschrieben wird, scheint direkt von der jeweiligen Dosis, d.h. von derjenigen von Alkohol und der von Baclofen abhängig zu sein.

Fast hätte ich gesagt, dass das wieder einmal eine Studie ist, die die Welt nicht braucht. Da hätten sie nämlich auch gleich uns fragen oder eines der einschlägigen Baclofen-Seminare besuchen können. Dass sich die jeweiligen Nebenwirkungen von hoch dosiertem Alkohol und hoch dosiertem Baclofen, d.h insbesondere Müdigkeit und Sedierung, gegenseitig aufschaukeln und summieren können, wissen wir nämlich schon lange, siehe z.B. hier oder hier. Immerhin gut, dass das jetzt auch mal „offiziell“ untersucht und publiziert wurde [good] .

Meint DonQuixote

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Re: Alkohol- respektive Baclofen-Dosierung und schwere Sedierung

Beitragvon WilloTse » 5. Juni 2015, 05:01

Ihr habt gerufen, edler Ritter? [mocking]

DonQuixote hat geschrieben:Was genau ist ein „generalized estimating equation model“?


Ein GEE ist ein statistisches Modell, in dem - grob vereinfacht gesagt - die Einzelgleichungen ("Equations") von Regressionsgeraden miteinander verglichen werden und eine für eine Gesamtpopulation resultierende ("Generalized") Gesamtregression geschätzt wird ("Estimated").
GEEs sind lineare Modelle für Längsschnittmessungen.
(Mathematiker, bitte schlagt mich nicht...).

Wer sich für sowas interessiert:
http://www.statistik.lmu.de/institut/le ... lesung.pdf
https://www.uni-trier.de/fileadmin/urt/ ... lm_gee.pdf

LG
Willo

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Re: Alkohol- respektive Baclofen-Dosierung und schwere Sedierung

Beitragvon DonQuixote » 5. Juni 2015, 05:41

Danke, Willo [good] .

WilloTse hat geschrieben:
DonQuixote hat geschrieben:Was genau ist ein „generalized estimating equation model“ ?

Ein GEE ist ein statistisches Modell, in dem - grob vereinfacht gesagt - die Einzelgleichungen ("Equations") von Regressionsgeraden miteinander verglichen werden und eine für eine Gesamtpopulation resultierende ("Generalized") Gesamtregression geschätzt wird ("Estimated"). GEEs sind lineare Modelle für Längsschnittmessungen.

Na dann hat ja alles seine beste Ordnung.

DonQuixote


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