Moin moin,
ich bin froh und dankbar für Deine Ausgangsfrage, William, nach dem Unterschied zwischen Craving und Trinkwunsch. Genauso für diese spannende und überaus erhellende Diskussion darüber.
Zum ersten:
Als Urheberin der Begriffseinführung "Trinkwunsch" damals im anderen Bacforum (Hydra I und II) im August 2011, nicht mehr einsehbar, da vom Admin gelöscht, zitiere ich mich mal selbst:
Zu Craving und Wunsch zu Trinken:
Craving - außer in den Trinkphasen! - sehr gut beherrschbar, hab mir wenns doller wurde auch stets 10-25mg mehr eingeworfen. dort Absolut beherrschbar
Trinkwunsch - hab ich dann beide Male nachgegeben. Hier konzentriert sich meine derzeitige Ursachenforschung- mit hoffentlich nicht allzuvielen zukünftig notwendigen Feldversuchen.
Ich hatte den gegenläufigen Ansatz zu dem, wie wir hier darangehen, nämlich
was Baclofen in beiden Kategorien bei mir bewirkt.
Das Craving (physischer, unbeherrschbarer
Suchtdruck) war absolut beherrschbar, dem Trinkwunsch (gemeint im Sinne eines zwar unter großem Einsatz beherrschbaren
Trinkverlangens ) konnte ich nicht lange, auch nicht mit Baclofen, Notfallpille, Alternativstrategien, standhalten. Das hatte estwas von einem
psychischen Zwang.
Insofern bin ich da ganz bei papfl, dass erst nach einer langdauernden neurochemischen Umstrukturierung, meinethalben auch nur über strikte Abstinenz, diese Art des zunehmenden psychischen Druckaufbaus umkehrbar ist. In diesem Zusammenhang würde ich auch den verkorksten Begriff eines Suchgedächtnisses gelten lassen.
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Mal ein Beispiel aus einem anderen Lebensbereich:
- Lebe ich glücklich in einer festen Beziehung, in der es mal Reibereien gibt, ist das sehr schön. (Normalo)
- Nehmen die Reibereien täglich zu, wird es immer anstrengeden, macht mich der Streit schlaflos, krank und arbeitsunfähig, ohne dass ich mit dem despotischen, uneinsichtigen Partner zu einer vernünftigen Lösung komme, drängt sich der Verdacht auf, dass ich mich besser von ihm trenne. (Alkohol
abhängigkeitsgefährdet/ Alkoholmissbrauch)
-Nehme ich meine Krankheitssymptome wider besseren Wissens in Kauf, werde depressiv, aber ändere nichts, befinde ich mich in einer abhängigen Beziehung. (Alkoholabhängig)
- Bekomme ich Suizidgedanken, weil mein mich nun täglich drangsalierender Partner seinerseits zu verlassen droht, bin ich süchtig (lieber geschlagen werden, als gar keiner da). (Alkoholsüchtig)
- Sind wir getrennt, und ich stalke ihn, bettele darum, es doch noch mal zu versuchen, ich würde alles für ihn tun? (Craving/ körperlicher Suchtdruck)
- Ich lebe seit 2 Wochen in der eigenen Wohnung, und meine Heulkrämpfe sind auf einmal am Abend zurückgegangen, treffe ihn dann zufällig auf der Straße und bin nach dem unverbindlichen Kaffetrinken fest überzeugt, dass mit ihm doch wieder alles gut werden kann, wenn ich mich nur ändere? (Trinkverlangen/ psychisches Craving)
- Ich habe ihn wochenlang nicht gesehen, es geht mir ausnehmend gut, er kommt zu meiner Geburtstagsfeier, wir erinnern uns an all die schönen Momente, die wir hatten. Ich wünsche mir, dass es wieder so wird wie früher *seufz* und lande an dem Abend wider besseren Wissens mit ihm in der Kiste (Trinksehnsucht/ Trinkwunsch, dem ich nachgegeben habe)
- Das geht jetzt tagelang so weiter, er wird schon wieder fies, ich schick ihn wieder zum Teufel (Vorfall)
- Ich ziehe wieder zu ihm in die alte gemeinsame Wohnung, behalte aber die eigene noch (Rückfall)
- Ich heirate ihn, gebe meine Wohnung auf und lasse mich täglich erniedrigen und prügeln (bitte selbst etwas ausdenken...)
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Klar passen die Analogien nicht 100%ig.
Klar auch, dass die unterschiedliche Begriffsverwendung (s. Kontrolliertes Trinken als wissenschaftliche Konvention (Willo) versus Eigendefinition (bb) zu Missverständnissen führt, die auszuräumen mühselig ist. Fast unmöglich, da landet man im Extremfall in der Wissenschaftstheorie, Phänomenologie, Erkenntnistheorie, und vielen anderen kommunikativen Räumen.
Damit sind wir hier sicher völlig überstrapaziert und zielführend ist es auch nicht unbedingt.
Es reicht, dass wir wahrnehmen, dass es unterschiedliche Begriffszuschreibungen
gibt, und man gut daran tut, wieder konkreter zu werden, um verstanden zu werden.
Und da sind die Beiträge hier schon ganz weit vorne.
Danke nochmal dafür.
@william
Bin/war ich im Bereich Alkoholmissbrauch oder in der Alkoholabhängigkeit?
Einmal: siehe oben
Zweitens: Abhängigkeit ist eine deutlich höhere Gefährdungsstufe als Missbrauch. Missbrauch ist quasi eine Vorstufe der Abhängigheit, aber häufig noch umkehrbar, z.B. durch sozialen Druck (Ehefrau verlässt mich, werde gekündigt, verliere Führerschein) Bei Abhängigkeit nimmst Du zwar diese negativen Konsequenzen ebenfalls wahr, kannst aber willentlich nicht mehr einschreiten. Du trinkst weiter, es passiert, obwohl Du das alles nicht willst.
Dritttens: Glaubst Du, dass das unterscheiden Dir weiterhilft dabei, was in Zukunft passieren sollte, wenn es nach Dir geht?