Doktorarbeit 2013 an der Université de Versailles (Paris)

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DonQuixote
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Doktorarbeit 2013 an der Université de Versailles (Paris)

Beitragvon DonQuixote » 7. Januar 2015, 19:52

Seid gegrüßt

Zuallererst ein ganz dickes Dankeschön an @Papfl, der dieses Fundstück ausgegraben hat. Es geht um eine Dissertation von Nicolas DUSSERE an der Université de Versailles, Paris, von Oktober 2013. Das französische Original findet Ihr hier. Die Arbeit ist hochinteressant, man, ich meine ich, müsste die eigentlich vollständig übersetzten, denn da steckt sehr viel Wissenswertes drin. Aber ich habe dazu im Moment einfach nicht die Zeit.

Die Resultate sind, soweit ich das auf den ersten und den zweiten Blick übersehe, fast deckungsgleich positiv wie die bisherigen Reihenuntersuchungen, z.B. die, oder die, oder die, und die und die. Weitere habe ich womöglich
vergessen ... Tauchen wir also mal ein in den Text der Doktorarbeit, oder wenigstens in die Zusammenfassung (RESUME) auf Seite 2:

Zusammenfassung der Doktorarbeit von Nicolas DUSSERE hat geschrieben:
Alkoholmissbrauch ist heute in Frankreich die zweithäufigste Todesursache und es gibt bisher keine bekannte Therapie, welche dies signifikant zu ändern vermochte.

Nachdem erste Studien die mögliche Wirkung von Baclofen als Anti-Craving-Medikament nahe gelegt hatten, schlug Prof. Olivier Ameisen 2005, gestützt auch durch seine eigene Fall-Studie, die Verschreibung von hoch dosiertem Baclofen vor. Daraus resultierten dann verschiedene größere Reihenuntersuchungen, welche seine Beobachtungen bestätigten.

Unsere eigene Untersuchung knüpfte an solche Studien an, und so wurden vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 über einen individuellen Zeitraum von jeweils sechs Monaten insgesamt 81 Alkoholabhängige Patienten (53 Männer und 28 Frauen) mit Baclofen und in nach oben nicht limitierter Dosierung von einem Professor der Psychiatrie und vier weiteren Psychiatrie-Fachleuten behandelt.

59,2 % der Patienten litten unter einer oder mehreren begleitenden psychischen Störungen und 55,6 % unter ihnen unterzogen sich bereits zuvor einer spezifischen medikamentösen oder stationären Behandlung ihrer Alkoholabhängigkeit.

Anmerkung DonQ: Nichtmedikamentöse und nichtstationäre Behandlungen wie z.B. eine ambulante Psychotherapie werden an der Stelle (RESUME) nicht erwähnt. Doch weiter im Text:

Zusammenfassung der Doktorarbeit von Nicolas DUSSERE hat geschrieben:
Die bei Beginn der Untersuchung von den Patienten durchschnittlich konsumierte Alkoholmenge betrug 172 Gramm Reinalkohol pro Tag.

Ich mache nochmal eine kleine Pause und rechne das für Euch um. 172 Gramm Reinalkohol pro Tag und Person entsprechen:

  • 4,5 Liter Bier (4,8 Vol %)
  • 1,7 Liter guten Wein (12,5 Vol %)
  • 2.0 Liter Sekt (10,5 Vol %)
Bei den Teilnehmern handelte es sich also um „ziemlich schwere“ Jungs und Mädels. Aber jetzt weiter:

Zusammenfassung der Doktorarbeit von Nicolas DUSSERE hat geschrieben:
Nach sechs Monaten der Behandlung betrug die mittlere Baclofen-Dosis 169,3 mg pro Tag, das heißt mehr als das Doppelte der ursprünglich durch die Marktzulassung des Medikaments bei ambulanter Behandlung vorgesehenen Menge [Anm. DonQ: 75 mg / Tag]. 28 % der Patienten waren danach abstinent und 68 % unter ihnen blieben unter der Schwelle „risikoarmer Konsum“ wie sie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert. Gesamthaft reduzierten 83 % aller Patienten ihren Alkoholkonsum um mindestens die Hälfte.

Alles in Allem bestätigen die Resultate der vorliegenden Studie einmal mehr die Möglichkeit, dass alkoholabhängige Patienten durch Baclofen zu einer Abstinenz gelangen oder ihnen diese Behandlung zumindest eine Perspektive der Risikominimierung eröffnet.

Welches sind die Schwachstellen der Studie oder der Untersuchung:

  • Die beobachtete Patientengruppe ist nicht sehr groß.
  • Die Studie ist nicht „kontrolliert“, d.h. es gibt keine Placebo-Gruppe.
  • Die Tutoren sind bereits aus diversen anderen solchen Studien bekannt.
Interessant ist, dass Erfolgsquoten nach drei und nach sechs Monaten separat erfasst wurden und dass die Patienten auf die lange Distanz (6 Monate) merklich besser abschnitten als auf die kurze Distanz (3 Monate) (Tabelle Seite 83). Wie bereits gesagt, gäbe es aus der Dissertation noch sehr viel herauszulesen. Allerdings ist da im Grunde nichts dabei, was wir nicht bereits wüssten. Schön jedenfalls, dass die bisherigen Erfahrungen hier einmal mehr bestätigt wurden.

DonQuixote

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