Erfahrungsberichte WilloTse

Eigene Erfahrungsberichte zu Baclofen und Alkohol
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Fallada
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon Fallada » 2. September 2014, 09:09

Lieber Willo,

Deinen Umgang mit dem Thema finde ich bemerkenswert und das es nicht mehr zum Saufen reicht, auch. Respekt.

LG Fallada

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 2. September 2014, 11:05

Danke schön! [smile]
Das hat mir gerade sehr gut getan.

LG
Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 17. Oktober 2014, 22:24

Tach zusammen!

Dochdoch, mich gibt es auch noch.
Ich bin zur Zeit sowas von vollbeschäftigt, dass mir zum Schreiben kaum Zeit bleibt. Und: ich vermisse sie nicht.

Ich will jeden, der in der Mitte des Lebens nochmal neue Wege einschlagen möchte, ermutigen, dies auch zu tun.
Ich erfahre zur Zeit eine Form der inneren Befriedigung, die ich nicht mehr für möglich gehalten hätte. Für andere vielleicht, für mich nicht.

So ein Quatsch!!

Ohne alle Brücken hinter mir abreißen zu müssen bin ich in einem Bereich gelandet, in dem meine Sprachbegabung, meine mathematisch-statistische Begabung, meine Begeisterung für wissenschaftliche Methodik und meine Empathie gleichermaßen wertgeschätzt werden und wertvoll sind.
Und das mit einem einzigen Telefonat. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Ich kann Menschen, die eigentlich keine Chance im Leben haben, eine faire Chance geben. Und das nicht auf Kuschelebene, sondern mit wissenschaftlichem Ansatz. Ich kann diesen Menschen diesen wissenschaftlichen Ansatz vermitteln, auf einer Sprachebene, mit der sie umgehen können. Ich bin einen weiten Weg gegangen bis dahin und ich habe nicht vergessen, woher ich komme. "Die da unten" verstehen mich und "die da oben" auch. Ich bin zweisprachig. Ich spreche "Vorstandsvorsitzender" so fließend wie "Arbeiter".

Und @Conny: die vielen Umwege, die ich gegangen bin, werden tatsächlich als "Erweiterung der Ortskenntnis" gesehen.

Ich rede völlig frei von jeder Sozialphobie vor einer Gruppe von 20 Menschen. Weil sie es mir wert sind.

Und zum ersten Mal in meinem Leben bin ich intellektuell und emotional zu 100% ausgelastet.

Ich war noch nie so glücklich.
Wer braucht da Alkohol?
Ich nicht.

Ich weiß, dass das alles auch wieder enden kann. Enden wird. Aber @Papfl hat es mal sinngemäß "das Sammeln nüchterner Episoden" genannt. Auch DAS sind Lernerfahrungen.

LG
Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon Rigget » 17. Oktober 2014, 23:48

Hi willo,

Sage nur [good] [good] [good] [good]
Bekomme ich Kuchen Mus ich Kot... Mus ich Kot.. Bekomme ich Schläge
Bekomme Schläge Mus ich Weinen Mus ich Weinen bekomme ich Kuchen.

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 18. Oktober 2014, 08:14

Lieber Willo,

ich freue mich sehr mit Dir und was Du schreibst, macht mir Mut, meinen eigenen Weg beirrbar weiterzugehen. Man braucht auch Talent zum Glücklichsein,

GlG Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon fetsecht » 18. Oktober 2014, 18:59

WilloTse hat geschrieben:
Ich kann Menschen, die eigentlich keine Chance im Leben haben, eine faire Chance geben. Und das nicht auf Kuschelebene, sondern mit wissenschaftlichem Ansatz. Ich kann diesen Menschen diesen wissenschaftlichen Ansatz vermitteln, auf einer Sprachebene, mit der sie umgehen können. Ich bin einen weiten Weg gegangen bis dahin und ich habe nicht vergessen, woher ich komme. "Die da unten" verstehen mich und "die da oben" auch. Ich bin zweisprachig. Ich spreche "Vorstandsvorsitzender" so fließend wie "Arbeiter".


*nasekratz*

Aber was ich mir wirklich wuensche, ist das du deinen weg findest!

ich "kenne" dich nur als sehr sprunghaft, mal das, mal dort, mal hier, mal so.

ich denke immer, dinge brauchen zeit und weniger kurzschluessige statement.
aber das bin wohl wieder ich ;)

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon Suse » 19. Oktober 2014, 22:34

Hi Willo,

ich habe deinen Thread verfolgt, länger ist es her.
Will sagen, ich fürchte, ich habe nicht mitbekommen oder weiß nicht mehr, worüber du schreibst, wenn du schreibst, was du machst...

Aber egal, worüber du schreibst und was du machst, wenn man in IRGENDETWAS Erfüllung findet, weil die eigenen Fähigkeiten und Talente mit Interessen und Gefühl vereinbar sind, dann ist das großartig, selbst falls es nur kurzzeitig wäre:

fetsecht hat geschrieben: ich "kenne" dich nur als sehr sprunghaft, mal das, mal dort, mal hier, mal so.


Sei es drum, sind wir nicht alle mal hier mal dort? Ich zumindest schon.

Alles Gute weiterhin, egal wie lange es dauert, am besten sehr lange.

lieben Gruß, Suse
Früherer Name: Desperatio

Plötzlich konnte ich sehen und ich war froh. Doch was ich sah, gefiel mir nicht. Ich lerne, neu zu sehen. Suse

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 22. Oktober 2014, 06:27

Tach zusammen!

Vielen Dank für Eure Antworten!
Da mich gerade eine höchst widerwärtige Bronchitis mit Fieber deutlich >39° ins Bett zwingt, habe ich doch wenigstens Gelegenheit, hier mal wieder etwas ausführlicher zu antworten.
fetsecht hat geschrieben:Aber was ich mir wirklich wuensche, ist das du deinen weg findest!

Als ich, vor nun bald fünf Jahren, anfing, mir mein Alkoholproblem nicht mehr schönzureden, war der einfache Ausgangspunkt die Erkenntnis:
"Wenn ich so weitersaufe, bin ich in fünf Jahren tot!". Wohl weniger am Leberkrebs oder ähnlichem gestorben, sehr viel wahrscheinlicher in einem schweren Verkehrsunfall mit 3‰ oder - in guter Familientradition - durch einen Freitod im Vollrausch.
Die Flasche "einfach stehen zu lassen" - das ist mir nie gelungen. Frei nach Oscar Wilde: Mit dem Saufen aufzuhören ist doch kein Problem. Das habe ich sicher schon über hundertmal geschafft!
Klar war mir klar, dass ich mein Leben in wesentlichen Dingen würde ändern müssen, aber das ist leichter gesagt als getan, als erwachsener Mensch im Beruf und mit Familie. Wie denn? Alle Brücken abbrechen, nochmal bei null anfangen? Erstens eine Illusion, zweitens sind viele Dinge meines Lebens ja auch schön. Also: Brücken abbrechen, ja, aber nur die, die nicht zum Ziel, sondern in die Irre führen.
Es ist allerdings oft gar nicht so leicht, die zu identifizieren. Da bricht man dann auch schon mal eine von den Guten ab und lässt die Mistige stehen.

Dann kam Baclofen. Die Formel war so einfach: Baclofen -> Abstinenz -> Zeit und Kraft, das Leben zu ändern.

Muss toll sein für die, bei denen das so läuft. Bei mir lief es nicht so. Baclofen ≠ Abstinenz, bei mir, egal in welcher Dosierung. (Und ja, @fets, im Zuge dieses Erkenntnisprozesses habe ich mich sicherlich ein paar Mal zu früh gefreut. Ich fände es gut, wenn Du Dir mal überlegen könntest, warum es Dir so wichtig ist, mir das immer wieder einzureiben?).

Was also tun, wenn die "logische Kette" der Baclofenbehandlung schon am ersten Glied bricht? In eine der Drehtürfabriken zur "Entwöhnung" gehen, noch eine Fessel mehr am Bein? Resignieren und weitersaufen? Oder die Kette umdrehen und sagen: Leben ändern -> Abstinenz?
Ich mache das alles ja nicht, weil ich so gern den Piraten gebe und alles anders mache als die anderen oder weil ich Pippi-Langstrumpf-mäßig so gern die Pferde von hinten aufzäume. Ich mache das, weil es mir die einzig wirkliche Alternative zu sein scheint.

Alkohol war (und manchmal noch ist) für mich immer ein Werkzeug, ein Adapter, mit dem ich mein nicht ganz zu mir passendes Leben passend gemacht habe. Die Überforderung in der Unterforderung habe ich es immer genannt: tausende von Aufgaben, die sämtliche Kraftreserven aufzehren; Aufgaben, die getan werden müssen, die mich aber weder fordern noch interessieren. Das Hamsterrad, in dem ich täglich bis zur Erschöpfung renne, ohne auch nur einen Meter voranzukommen oder gar einen alternativen Weg einschlagen zu können.

Habe ich aber einfach meine Interessen vorangestellt, blieben so viele dieser Aufgaben liegen, dass die wirtschaftliche und emotionale Stabilität der Familie in Gefahr geriet und mein schlechtes Gewissen hat alle positiven Nebeneffekte dieses Stückchen Egoismus wieder aufgefressen.
Ich habe lange daran gefeilt, mir meine "Inseln unter dem Wind" zu schaffen. Ich habe, nachdem mir klar war, dass ein Studium der Psychologie das Richtige für mich wäre, mir drei kleine, feste Lerninseln in der Woche geschaffen. Ich stand um 4:30 Uhr auf und habe bis 6:00 Uhr im stillen, noch schlafenden Haus studiert. (Es führt jetzt zu weit, zu erläutern, warum Psychologie. Aber ich kam über Philosophie, Geschichte und Mathematik, die ich jeweils "anstudiert" habe, es war also keine Spontanentscheidung).
Und diese Inseln wurden größer, ganz von allein. Ohne Baclofen, ohne "festen Willen", ohne Abstinenz. Da hört man dann abends doch mal was früher mit dem Trinken auf, um morgens fit zu sein und um 4:30 aus dem Bett zu kommen. Da fängt man dann und wann später am Morgen mit dem Trinken wieder an, weil einem noch irgendwas im Kopf 'rumgeht, was man gern noch geklärt hätte. Da legt man im Hamsterrad ein paar Schippen 'drauf, um sich eine Stunde Zeit zu verschaffen, die eine Frage doch noch heute zu klären. Da kommt ein vierter Morgen hinzu, ein fünfter.

Das neunte Fachsemester hat gerade angefangen, ich mache das jetzt also seit vier Jahren. Manchmal reagiere ich - gelinde gesagt - mit Unverständnis, wenn man mir Sprunghaftigkeit und mangelnde Geduld nachsagt. Ich stehe inzwischen sechsmal die Woche um 4:30 Uhr auf, Sonntags erst um 6:00. Das alles nur, um mein Leben zu ändern in ein Leben, das ohne den Adapter Alkohol funktioniert und Spaß macht. Streng genommen ist das bereits das Leben, das ich auch ohne Alkohol gern lebe. Mach's nach, wer möchte.

Und meine Inseln unter dem Wind sind mittlerweile Landmassen geworden. Die bangen Fragen, die mich während des gesamten Studiums begleitet haben ("Schaffe ich das überhaupt? Hat das alles überhaupt einen Sinn? Stellt Dich denn auch noch irgendwer ein?") sind inzwischen zumindest teilweise beantwortet. Ja, ich schaffe es, ja, es macht Sinn und ja, es gibt auch für mich noch Jobs.
Sicher gibt es zwischen den Landmassen auch noch das Meer. Komme ich zu nah an seinen Rand, ohne das zu wollen, nehme ich ein paar Wochen Baclofen 25mg/d. In dieser Dosierung, und wenn sonst alles halbwegs im Lot ist, hilft es mir wirklich. Und manchmal springe ich ins Meer, plansche 'drin herum und lege ich mich an den Strand. Schlafe am nächsten Morgen aus und steige dann in mein normales, schönes, funktionierendes und endlich in jeder Hinsicht erfüllendes Leben wieder ein. Dunkle Wolken ziehen nur dann auf, wenn ich mir über diese Badetage zu viele Gedanken mache.

@fets, ich muss meinen Weg nicht mehr finden. Längst nicht mehr.

LG
Willo

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Frankie
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon Frankie » 22. Oktober 2014, 11:57

Hallo Willo,

vielen Dank für diesen Beitrag!
Er strahlt für mich so unendlich viel Kraft, Willen und Positives aus.
Es tut einfach gut, ihn zu lesen!

Absoluter Respekt!!!

Gruß
Frankie

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon fetsecht » 27. Oktober 2014, 09:08

Hallo Lieber Willo,
sorry wenn ich dir laestig rueberkomme.
so ist das aber nicht gemeint, mir sind die leute schon wichtig, mit denen man seit jahren um die gleiche sache ringt.
auch wenn wir uns hier oefters nicht ganz verstehen, wobei ich mir ab und zu denke, in rl koennte das gespraech verstaendlicher sein.

aber immer gut zu hoeren, das du deinen weg gefunden hast!

ich selbst vesuche mich am kontrollierten trinken, was auch irgendwie hinhaut.
aber das sollte ich, wenn zeit, in meinem bericht schreiben und nicht in deinem report. ;)

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GoldenTulip
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 28. Oktober 2014, 10:22

Möglicherweise liegt es daran, dass es neben der zufriedenen Abstinenz auch etwas wie zufriedenes Trinken gibt? Der Selbstzerstörung entkleidet. Nur für sich selbst zur Freude. Baclofen ermöglicht(e) dann den Bewusstseinswandel, ist aber nicht mehr so hochnotwendig im Alltag.

Wem das gelingt, da kann man schon mal neidisch werden [cray]

Willo, Du hast das großartig gemacht, egal wie oft Du gestolpert sein magst. Ich habe großen Respekt und gucke mir viel von Dir ab. Vor allem sich nicht so pathologisieren zu lassen. Man muss sich kein Ohr abschneiden, um ein bedeutender Künstler zu sein.

Sich mit der Andersartigkeit (schönes Wort übrigens) anzufreunden ist nicht nur einfach. Wenn das aber gelingt, ist es sehr erfüllend.
Mir raubt manchmal die Lebensfreude schier den Atem; ich lasse mir nur nicht mehr vorschreiben, wo ich mein Glück zu finden habe. Da ist dann auch nicht mehr der Alkohol kompensatorisch, sondern Ausdruck. Ich kehre glücklich zu Tee und Wasser zurück. Mit einem Gefühl von Dankbarkeit, wieder bei mir selbst zu sein.

Man darf auch ordentlich leben, ohne sich unterwerfen zu müssen. Das hab ich bei oder mit Dir gelernt.

Deine Conny
Siegreiche Krieger siegen bevor sie in den Krieg ziehen, während Verlierer erst in den Krieg ziehen und dann versuchen, zu gewinnen. Sunzi.
Wenn Du nichts tun kannst, tu, was Du tun kannst. Conny.

In respektvollem Gedenken an Aaron Swartz http://de.wikipedia.org/wiki/Aaron_Swartz

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 31. Oktober 2014, 13:08

Hallo zusammen,
und danke für Eure Antworten!

GoldenTulip hat geschrieben:Möglicherweise liegt es daran, dass es neben der zufriedenen Abstinenz auch etwas wie zufriedenes Trinken gibt? Der Selbstzerstörung entkleidet.

Nein, das kann ich für mich nicht bestätigen. Zum Einen hat Alkohol für mich keine (mutwillig) selbstzerstörerische Komponente. Im Gegenteil. Ich habe mich im Grunde zeitlebens für mich selbst geschämt. Für meine Herkunft, meine Familie, meine Klamotten, meine Zeugnisse, meinen beruflichen Werdegang, meine Entscheidungen, für alles.

Ab 0,6‰ war das kein Thema mehr, da wurde die Brust was breiter, der Rücken was gerader und ich konnte alles das, was ich bin und was mich ausmacht, von "unmöglich" zu "ungewöhnlich" transformieren. Und das sogar verkaufen; ich war nicht schlecht, so ab 0,6‰.
Insofern hat Alkohol für mich eher eine selbst(wert)erhaltende denn eine selbstzerstörerische Funktion gehabt.

Aus diesem Verständnis heraus ist auch "zufriedenes Trinken" für mich weder denkbar noch Ziel.
"Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol" ist das einzige, was ich erreichen möchte. Und die erreiche ich in meinen immer größer, länger und umfassender werdenden "nüchternen Episoden" (@Papfl) ja auch. Wenn ich mit mir halbwegs im Reinen bin, interessiert mich das Bier im Kühlschrank oder der Wein auf dem Tisch einen Scheißdreck. Geschmeckt hat mir das Zeug noch nie.
Und in diesen Situationen ist auch kein "Stolz" auf irgendwelche erreichten Trinkmengen, stehengelassene Gläser, Abstinenztage oder sowas. Das Thema Alkohol interessiert dann einfach nicht.

Daraus einen Dauerzustand zu machen ist die Aufgabe der nächsten fünf Jahre und inzwischen weiß ich auch, wie das für mich geht.

GoldenTulip hat geschrieben:Vor allem sich nicht so pathologisieren zu lassen.

Da muss man differenzieren. Wenn es um die Reduktion auf "Ich bin Willo. Ich bin Alkoholiker!" geht, sehe ich das genau so. Andererseits ist es wichtig, sich die pathologischen Anteile der eigenen Trinkerei in Bezug auf Trinkgründe und -menge auch nicht schönzureden. Und doch auch nicht wie ein Satellit fortwährend darum zu kreisen.

WilloTse hat geschrieben:Dunkle Wolken ziehen nur dann auf, wenn ich mir über diese Badetage zu viele Gedanken mache.

Meine größten und schlimmsten Stolperer auf dem Weg bis hier fanden immer im Umfeld von Brechstangentherapie statt. "Jetzt bist Du so weit gekommen, jetzt kriegst Du den Rest auch noch! Wär' doch gelacht!!". Und zack - gab's auf die Nase.
Heute mal nicht zu streng mit sich zu sein ist sicher ein guter Ansatz, sechsmal die Woche ist er es aber nicht mehr. Hier die Balance zu finden, war und ist nicht einfach. Das Messen und Zählen habe ich in diesem Zusammenhang aufgegeben. Fortwährendes Messen führt auch zu fortwährendem Kreisen ums Thema. Mir reicht es derzeit, mich auf mein Gefühl, einen gelegentlichen Blick in die Altglasschublade und die Einschätzung meiner Familie zu verlassen. Die aktuelle, höchst zufriedene Abstinenzphase dauert jetzt ungefähr 10 Wochen. Aber genauer weiß ich es wirklich nicht.

Und ich werde weiter, Stückchen für Stückchen, daran arbeiten, dass ich stolz auf mich sein kann zufrieden sein kann mit mir.
Das ist zwar mit mehr Arbeit verbunden als die Fahrt zum Getränkemarkt, aber das resultierende Gefühl ist erheblich besser.

LG
Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon GoldenTulip » 31. Oktober 2014, 16:55

Ich danke Dir und antworte morgen.
Conny
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 20. November 2014, 09:43

Liebe Gemeinde,

ich muss mich erstmal wieder für ein paar Wochen verabschieden. Ich war jetzt sechs Wochen richtig übel krank, es ist eine Unmenge Arbeit liegengeblieben, die dringend auf mich wartet. Ich konnte in den letzten Monaten mithelfen, ein, zwei richtig geile Projekte in Sachen Bac auf den Weg zu bringen, was mich sehr freut und auch ein bisschen stolz macht.
Morgen wäre nochmal ein Riesending gelaufen, in das ich in den letzten Wochen eine gute Portion Arbeit gesteckt habe. Leider bin ich immernoch krankgeschrieben und auch noch nicht wirklich in der Lage, "Vorträge" zu halten und 18 Stunden auf den Beinen zu sein. Das ist zwar extrem blöd, denn gerade das wäre eine tolle Sache geworden, aber hat nicht sollen sein. Aufgeschoben ist ja nicht...

So oder so: ich muss jetzt mal wieder ins Real Life zurück. Ich wünsche Euch allen eine schöne Zeit.
Sollte mich jemand dringend suchen: ich habe die pn-Einstellungen wieder so geschaltet, dass ich eine Mail bekomme, wenn was in meinem Posteingang liegt.
Und ich lese auch immer mal wieder 'rein, versprochen.
Ansonsten: see you hoffentlich gesund und munter in 2015!

Haut 'rein und macht nix, was ich nicht auch täte. [biggrin]

LG
Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon DonQuixote » 20. November 2014, 18:37

Alles klar, Willo

Jeder muss mal Urlaub vom Forum machen. Ich werde Dich allerdings sehr vermissen. Bleib hart am Wind und wirf mal wieder den Anker in unserer Bucht. Ich werde dann jedenfalls da sein, zum „Seite pfeifen“.

Gute Fahrt wünscht Hafen-Käpt’n DonQuixote

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon Suse » 20. November 2014, 21:17

Hey Willo,

Weiterhin gute Genesung, frohes Schaffen und guten Rutsch [cray]

Lg, Suse
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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon Gdansk » 21. November 2014, 09:12

dito auch von mir.

LG Gdansk

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 26. November 2014, 10:35

Jaja, ich und mein "Forenurlaub". [unknown]
Jetzt geht's aber wirklich wieder ans Schaffen...

LG
Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon WilloTse » 19. Dezember 2014, 09:39

Hi all!
WilloTse hat geschrieben:Ich will jeden, der in der Mitte des Lebens nochmal neue Wege einschlagen möchte, ermutigen, dies auch zu tun.
Ich erfahre zur Zeit eine Form der inneren Befriedigung, die ich nicht mehr für möglich gehalten hätte. Für andere vielleicht, für mich nicht.

So ein Quatsch!!

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Und @Conny: die vielen Umwege, die ich gegangen bin, werden tatsächlich als "Erweiterung der Ortskenntnis" gesehen.

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Und zum ersten Mal in meinem Leben bin ich intellektuell und emotional zu 100% ausgelastet.

Ich war noch nie so glücklich.
Wer braucht da Alkohol?
Ich nicht.

Ich weiß, dass das alles auch wieder enden kann. Enden wird. Aber @Papfl hat es mal sinngemäß "das Sammeln nüchterner Episoden" genannt. Auch DAS sind Lernerfahrungen.

Dabei ist es geblieben.
Ich hatte gestern in dem zeitlich befristeten Job mein Abschlussgespräch - das zeitgleich auch Anschlussgespräch wurde.
Ich rede mittlerweile frei vor 60 Leuten, habe einen kleinen Forschungsauftrag punktgenau gestern fertig bekommen (brauchte ein paar Nachtschichten, aber das war es wert) und habe ein Zeugnis in die Hand gedrückt bekommen, mit dem ich mich selbst einstellen würde. Und ich bin da eher ein kritischer Typ:-))

Aus dem kleinen Forschungsauftrag ist ein großer im direkten Anschluss geworden und mein Oberchef ist jetzt mein Mentor. Das Ganze führt voraussichtlich zu einer Veröffentlichung in einer der führenden Fachzeitschriften aus diesem Themenbereich, mindestens mal als Co-Autor, was noch vor Abschluss des B.sc ja auch schon mal 'ne Marke ist.

Eine bessere Therapie, als endlich das Leben zu leben, dass ich für mich für richtig halte, gibt es nicht.

Habt Mut!
Ändert, was geändert werden muss!
Auch, wenn es Jahre dauert. Jeder Schritt auf diesem Weg führt in die Freiheit.

LG
Willo

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Re: Erfahrungsberichte WilloTse

Beitragvon Marina » 19. Dezember 2014, 10:14

Danke, das du das geschrieben hast!!!! Das MACHT Mut und löst mich hoffen, das auch meine Suche erfolgreich sein kann.

Ich freue mich ganz toll für dich!!!!

Alles Liebe und Beste für deinen weiteren Weg!!!

Marina


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