Erste Schweizer Baclofen-Tagung

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DonQuixote
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Erste Schweizer Baclofen-Tagung

Beitragvon DonQuixote » 22. August 2014, 22:56

Seid gegrüßt

Am 11. Dezember findet die erste Schweizer Tagung zur Baclofen-Therapie des Alkoholismus statt. Veranstaltet wird sie von der „GREA“, in Zusammenarbeit mit der „CoRoMA“. GREA steht für „Groupement Romand d’Études des Addicions“, (Gruppe für suchtmedizinische Studien der französischen Schweiz). Sie ist eine nichtgewinnorientierte Organisation und wurde 1963 gegründet, die derzeitige Mitgliederzahl sehe ich grad nicht. Die Gruppe hat sich dem verschrieben, was sie in ihrem Namen trägt, publiziert regelmäßig und richtet jährlich weit über ein Dutzend solcher Tagungen aus. CoRoMA steht für „Collège Romand de Medecine de l’Addiction“ (Suchtmedizinisches Kollegium der französischen Schweiz). Deren Webseite gibt es auch auf Deutsch.

Hier die Ankündigung der Veranstaltung auf Französisch und nachstehend die deutsche Übersetzung von @lisa64, die sie uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat:

Deutsche Übersetzung von @lisa64 hat geschrieben:
Die Alkoholismus-Fachwelt vor der Herausforderung Baclofen.

In den vergangenen Jahren machte ein Medikament unter Alkoholismus-Fachleuten und Alkoholabhängigen viel von sich reden: Baclofen. Ein Wundermittel, das ermöglicht, den Konsum zu kontrollieren? Eine gefährliche Substanz, die mangels Nachweisen zum heutigen Zeitpunkt bei Alkoholikern nicht angewandt werden darf? Die Positionen sind scharf abgegrenzt, die Debatte heftig.

Jenseits von Pro und Kontra zur klinischen Anwendung von Baclofen bei Alkoholismus ist jedoch eine weit umfassendere Debatte im Gang, insbesondere im Internet. Interessengruppen, Angehörige und Betroffene haben das Thema aufgegriffen und es ist heute nicht mehr möglich, über Alkoholabhängigkeit zu sprechen ohne einen Abstecher zu Baclofen zu machen. Die Auswirkungen sind umfassend, im Bereich der Handhabung, aber auch von Prävention, Risikoreduktion und frühzeitiger Intervention.

Es ist Zeit, dass sich das französischsprachige Netzwerk Sucht zur Frage positioniert. Nach der Zulassung des Medikaments in Frankreich müssen auch die Schweizer Fachkreise den Dialog zu diesem Thema aufnehmen. Deshalb bietet die GREA in Partnerschaft mit CoRoMA am 11. Dezember 2014 einen Tag zu diesem Thema in Genf an. Ziel ist nicht, ein abschließendes Urteil über die Angemessenheit der klinischen Verschreibung abzugeben, sondern aus einer übergeordneter Sicht zur oft flammend geführten aktuellen Debatte einander entgegenstehende Positionen zu überwinden und einen umfassenden und frischen Blick auf die Debatte zu gewinnen.

Lisas Originalposting ist hier …

Die Programmpunkte stehen bereits fest, die einzelnen Referenten noch nicht immer:

  • Baclofen im heutigen suchtmedizinischen Gefüge / Jean-Féix Savary, GREA und Jean-Alain Dubois, COROMA.
  • Baclofen und seine wissenschaftliche Legitimierung / Referent noch unbestätigt.
  • Nach „Kontrollierter Konsum“ eine weitere Kontroverse bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit? / Referent noch unbestätigt.
  • Baclofen, Gesamtschau (Rechtliche Situation, Nalmefen, Xylac, RTU, TCA, etc.) / Referent noch unbestätigt.
  • Die Resultate der Studie „Bacloville“ / Prof. Phillipe Jaury (Studienleiter).
  • Auf dem Rücken der Patienten: Zwischen wissenschaftlichem Streben nach Gewissheit und therapeutischem Wunsch, zu heilen / Prof. Jean-Claude Ameisen, Präsident der Französischen Nationalen Ethikkommission (CCNE) und Bruder von Prof. Olivier Ameisen.
  • Muss man sich als Alkoholismus-Fachperson zu Baclofen positionieren? / Referent noch unbestätigt.
  • Wie als Allgemeinmediziner auf die Nachfrage der Patienten reagieren? Pascal Gache, Praktizierender Arzt, Genf.
  • Kann man Baclofen verschreiben, und was sagt die medizinische Akademie dazu? / Referent noch unbestätigt.
  • Welche politischen Schritte wären für eine Regulierung erforderlich? / Referent noch unbestätigt.
  • Die Patienten: Wie verschaffen wir uns im Medizinal-Betrieb Gehör? / Referent noch unbestätigt.
  • Debatte der Referenten und Beantwortung von Zuschauerfragen.
Wie Ihr seht, wird das sehr interessant werden, und das Beste: Es passiert bei mir in der Schweiz! Bild
Na ja, in Deutschland wäre natürlich noch besser gewesen ...

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Re: Erste Schweizer Baclofen-Tagung

Beitragvon DonQuixote » 19. September 2014, 23:20

Seid gegrüßt

Vor etwa zwei Wochen hatte ich festgestellt, dass die Ankündigung der Schweizer Tagung vom Netz genommen wurde. Jetzt ist die Seite wieder online, danke an @lisa64 vom deutschen Partnerforum für den Hinweis, doch die Tagung wurde auf den 2. April 2015 verschoben. Begründet wird dies damit, dass die Co-Veranstalterin, die CoRoMA, für Ende November eine „ähnliche“ Tagung angesetzt hat, und man den ohnehin schon sehr engen Termin-Kalender zum Jahresende nicht überfrachten wolle. Was das für eine „ähnliche“ Tagung der CoRoMA ist, bleibt zunächst offen. Wenn man sich deren Programm anschaut, findet man dann tatsächlich eine Tagung vom 27. November, welche in etwa unter dem Motto „Medikamentöse Suchtmedizinische Behandlung“ steht. Nichts deutet jedoch darauf hin, dass dort Baclofen eine besondere Rolle spielt.

An der ursprünglich vorgesehenen Tagung, d.h. am 11. Dezember, sollte ja Prof. Phillipe Jaury als Studienleiter die Resultate der Studie „BACLOVILLE“ vorstellen, und das fällt jetzt halt aus. Seid Ihr deswegen enttäuscht? Das braucht Ihr nicht zu sein, denn von „BACLOVILLE“ und „ALPADIR“ gibt es nun auch konkrete Termine. Das schreibe ich dann aber separat in die jeweiligen Threads.

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Re: Erste Schweizer Baclofen-Tagung

Beitragvon DonQuixote » 9. November 2014, 16:24

Seid gegrüßt

Die Informationstagung „L’alcoologie au défi du Baclofène“ in Genf sollte ja auf April 2015 verschoben werden, nun findet sie eben doch am Donnerstag den 11. Dezember 2014 statt [good] Auch die Liste der Vortragenden steht nunmehr fest, insbesondere sind Prof. Jean-Claude Ameisen und Prof. Jaury dabei. Letzterer wird die Ergebnisse der klinischen Studie Bacloville vorstellen.

Die Übersetzung des französischen Tagungsprogrammes habe ich größtenteils von @Lisa64 übernommen, welche sie uns dankenswerterweise zur Verfügung stellt. Ihr Originalposting findet Ihr hier.

Genfer Tagungsprogramm hat geschrieben:
  • Empfang ab 08:30
  • 09:00-10:50: Der allgemeine Rahmen

    • 09:00: Einführung: Baclofen als Thema von Erzählungen. (Schwierig zu übersetzten, es könnte auch heißen: „Baclofen aus medizinhistorischer Sicht“ *grübel*
      M. Jean-Félix Savary, Generalsekretär, GREA
    • 09:30: Umstrittene Arzneistoffe. Einführung von Medikamenten und wissenschaftliche Nachweise im weiteren Verlauf der Anwendung.
      Prof. Francesco Panese, Professor am Institut der Sozial- und Politikwissenschaften, an der Fakultät Biologie und Medizin in Geschichte der Medizin und des Gesundheitswesens, Universität Lausanne
    • 10:10: « La volonté que la liberté de l’autre soit » Für mich sehr schwer zu übersetzten, das „tönt“ sehr philosophisch. Z.B. „Guter Wille ist die Freiheit eines jeden.“
      Prof. Jean-Claude Ameisen, Direktor des Centre d’études du vivant am Institut des humanités der Universität Paris Diderot, Präsident der nationalen Ethikkommission (CCNE, France)
    • 10:10: Pause mit dem Chor « au Clair de la Rue »
  • 11:15 – 12:45 : Die Situation heute

    • 11:15 – Die Resultate von Bacloville
      Prof. Philippe Jaury, Allgemein- und Suchtmediziner, Professor Universität Paris Descartes (Leiter der Studie Bacloville)
    • 11:45 – Und wenn Baclofen wirksam wäre, hätte man das Recht, es nicht zu verschreiben?
      Prof. Daniele Fabio Zullino, Chefarzt der Suchtabteilung, Universitätsspitäler Genf
    • 12:15 – Das Dilemma des Behandlers: Pionier oder Zauberlehrling?
      Dr. Pascal Gache, Alkoholmediziner, Genf
  • Mittagessen mit dem Chor « au Clair de la Rue »
  • 14:15 – 15:30 : Baclofen im Alltag

    • 14:15 – Baclofen: eine neue Sicht auf die Alkoholabhängigkeit
      Mme Caroline P., Patientin unter Baclofen
    • 14:30 – Wie als Allgemeinmediziner auf die Nachfrage der Patienten reagieren?
      Dr. Arabelle Rieder, Allgemeinmedizinerin, Genève
    • 14:45 – Baclofen in der Praxis einer Klinik
      Dr. Thierry Favrod-Coune, Alkoholmediziner, Universitätsspitäler Genf
    • 15:00 – Uns Gehör verschaffen im Gesundheitssystem - Forum AUBES
      Mme Marion Gaud, Kommunikationsverantwortliche Association AUBES (Internet-Patienten-Forum)
    • 15:15 – Wie soll Baclofen nach Aussen vertreten werden, und welche Auswirkungen hat das auf die die Prävention?
      M. Thomas Siegrist, directeur, FVA, Lausanne
  • 15:30 – 16:30 : Die Debatte

    Teilnehmende:

    • Prof. Jean-Claude Ameisen
    • Chor « au Clair de la Rue »
    • Dr. Pascal Gache
    • Prof. Francesco Panese
    • Mme Marion Gaud
    • Dr. Thierry Favrod-Coune
  • 16:30 – Konzert des Chors « au Clair de la Rue »
  • 17:00 – Abschluss-Apéro
  • 17:30 - Ende

NB: Der Chor «au Clair de la Rue» wurde von ehemaligen Obdachlosen und Freiwilligen im französischen Nantes gegründet, um Begräbnisse von obdachlosen Gefährten zu begleiten.

Lisa64 & DonQuixote

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Re: Erste Schweizer Baclofen-Tagung

Beitragvon DonQuixote » 24. Dezember 2014, 15:52

Seid gegrüßt

Mit etwas Verspätung hier mein Bericht von der Genfer Tagung. Das Beste vorab: Ich lernte @Lisa64 aus dem Nachbarforum kennen. Ihren Bericht von der Genfer Baclofen-Tagung findet Ihr hier. Außerdem ergab sich die Gelegenheit, einige französische Freunde der Baclofen-Therapie, mit denen ich schon seit langem nur fernschriftlich kommunizierte, jetzt endlich auch persönlich kennen zu lernen.

Aber O-weh, man sah und besprach sich halt nur in den Pausen, und die waren leider sehr kurz. Schon während meiner Abreise fielen mir so viele Fragen ein, die ich noch hätte stellen müssen oder die ich hätte beantworten können. Aber da war es schon zu spät. Von mir aus hätte man da gerne nicht nur eine Baclofen-Tagung sondern gleich ein mehrtägiges Baclofen-Camp draus machen können.

Dass die Resultate der kontrollierten klinischen Studie „BACLOVILLE“ nicht hatten vorgestellt werden können, war mir schon im Vorfeld bewusst (dazu schrieb ich ein separates Posting.). Doch immerhin versprach ich mir von der Tagung ein Stimmungsbild aus der Schweiz. Daraus wurde allerdings auch nichts. Was ich, was wir erhielten, war lediglich ein Stimmungsbild aus der Französischen Schweiz, so entnehme ich das wenigstens der Liste der Vortragenden und der knapp 90 Teilnehmer. Aber ich bin ja selbst Schweizer, und ich weiß, dass das eher früher als später auch auf die deutschsprachige Schweiz abstrahlen wird.

Positiv ist also, dass die Tagung stattgefunden und einen so großen Zuhörerkreis gefunden hat. Die allgemeine Stimmung war gut, jedenfalls konnte ich keine negativen Vibrations während der Vorträge oder bei den zahlreichen Publikumsfragen ausmachen. Für uns als „Eingeweihte“ gab es keine wirklichen Neuigkeiten zu erfahren. Doch, halt, da war nämlich noch ein Vortrag von Prof. Francesco Panese, einem Schweizer Sozial- Wissenschafts- und Medizin-Historiker, der völlig neue, aber eigentlich alte Aspekte vortrug, wie sich Medikamente und Patientenvereinigungen in der Geschichte ihren Platz erkämpften. @Lis64 hat sich diesem Vortrag angenommen und wird hoffentlich demnächst darüber berichten.

Und dann war da auch Prof. Jean-Claude Ameisen, Bruder des verstorbenen Olivier Ameisen und derzeitiger Präsident der nationalen französischen Ethikkommission. Für mein Empfinden überstrahlte er mit seiner Persönlichkeit und seinen Argumenten die gesamte Genfer Tagung. Mir scheint auch, dass er die Zurückhaltung, die ihm sein Amt und seine familiäre Bande eigentlich auferlegt, zusehends abstreift, und er mehr und mehr zu einem der pointiertesten Befürworter von hoch dosiertem Baclofen als Therapieoption der Alkoholabhängigkeit wird. Auch dessen Genfer Vortrag ist eine Perle, die noch gehoben respektive übersetzt werden muss, wenn ich nur die Zeit dafür fände *seufz*

Allen frankophilen „Baclofenistas“ sei noch nachstehender Link empfohlen, wo alle bisher veröffentlichten Vorträge der Genfer Tagung auf Französisch online gestellt wurden (die vom 11.12.2014). Danke an dieser Stellen an @Papfl für’s Rauspflücken.

DonQuixote


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