Hi bb @ all,
betalbatim hat geschrieben:trotzdem muß man das nicht als der Wahrheit letzter Schluß finden.
Das muss man nicht.
Aber es ist schon spannend, dass - immerhin 2005 veröffentlicht in der "Addiction", ja nicht gerade ein Käseblatt mit zweistelliger Auflage - wesentliche Standardtheorien, die ja auch hierzulande fest in den Köpfen verankert sind, widerlegt werden.
Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker? Falsch. 36% (35,9) der Alkoholiker, deren Abhängigkeit nach DSM-IV vor mindestens einem Jahr bestand (prior-to-past-year), waren in 2001/2002 nach allen objektiven Kriterien gesund ("fully recovered"), weitere 12% (11,8) tranken zwar zuviel, waren aber (abhängigkeits-)symptomfrei. Und nochmal 27% (27,3) waren zumindest teilweise genesen bzw. auf dem Wege der Besserung ("partial remission").
Lediglich ein Viertel (25%) war unverändert abhängig.
Kein Alkoholiker kann jemals wieder die Kontrolle über den Alkohol zurückgewinnen? Falsch. Von den 36% der gesunden Ex-Alkoholiker war die Hälfte abstinent, die andere Hälfte trank risikoarm (18,2/17,7).
Und von den wieder Gesunden haben 75% nie eine alkoholspezifische Behandlung in Anspruch genommen. Also auch kein Baclofen, Nalmefen, Antabus oder sonstwas geschluckt.
Das Ganze über eine Personengruppe von
4.422 Leutchen*, das ist ja nun nicht gerade eine mickerige Datenbasis.
Den Artikel gibt es
hier über die
NIAAA. Auch nicht gerade ein planloses Pfadfindergrüppchen und sicher unverdächtig des "nassen Denkens".
Also das ist m.E. schon etwas, auf das man sich mal gedanklich einlassen darf.
Zum Alter einiger Quellen:
Die Forschung beweist seit Jahrzehnten, dass einge Alkoholiker zu moderatem oder kontrolliertem Trinken zurückkehren konnten. Aber die "Anonymen Alkoholiker" und andere einflussreiche und mächtige Gruppen neigen dazu, einen Alkoholiker als jemanden zu beschreiben, der niemals moderat trinken kann. Folglich haben ihre Konzeptionen und Definitionen sie veranlasst, diese wachsenden Beweise abzulehnen. Zum Beispiel argumentieren sie, dass, finden Wissenschaftler Alkoholiker, die nun moderat trinken, dies nur bedeutet, dass die betreffenden Alkoholiker falsch diagnostiziert wurden und tatsächlich keine waren, da sie sonst nicht in der Lage zum moderaten Konsum wären"
(Research has produced evidence for decades that some alcoholics could return to moderate or controlled drinking. However, Alcoholics Anonymous and other influential and powerful groups have tended to define an alcoholic as a person who can never drink in moderation. Thus, their conceptions and definitions have caused them to reject this mounting evidence. For example, they tend to argue that if researchers identify alcoholics who can now drink in moderation, that simply means that the alcoholics were falsely diagnosed and really weren’t alcoholics or they wouldn’t have been able to drink in moderation.)
Da verweist man natürlich schon auch auf die "Jahrzehnte" der Forschung.
Insgesamt finde ich diese Beiträge sowie den ursprünglichen Artikel aus der "Addiction" absolut lesens- und bedenkenswert und frage mich, wann die AA & Co(nsorten) mal ihre Position mit Zahlen untermauern.
LG
Willo
*edit: Teilnehmerzahlen korrigiert. Es waren keine 43.093, wie ursprünglich und falsch von mir angegeben, sondern nur die jetzt genannten 4.422. Das ist aber immer noch eine ordentliche Menge, daher bleibt der Rest meines Textes unverändert